«Stell dir vor, es gibt eine Benefizveranstaltung, und niemand
geht hin!» Diesen bitteren Satz werden wohl Nicole, Reto, Mac und
Anja von Rockrainbow im Zusammenhang mit dem «Metal 4 Metal» in
Erinnerung behalten. Denn die Veranstaltung wäre eigentlich dafür
gedacht gewesen, das «Fiesta Pagana 2010» auf eine solide finanzielle
Basis zu stellen. Die anwesenden Fans harter Klinge waren dann aber
überblickbar. Die gute Nachricht: Das Festival findet trotzdem
statt. Und wenn da ähnlich tolle und stilistisch unterschiedliche
Bands wie am «Metal 4 Metal» in Dietikon spielen werden, steht einem
rauschenden Fest nichts mehr im Wege. Hoffentlich werden die
Rock-Regenbogen dann vor kurzfristigen Bandabsagen verschont. Diese
mussten sie bereits an jenem fernen Samstagabend hinnehmen, weil der
Sänger der Schweiz-Brasilianischen Death-Metaller Omorphagia im
Militär festgehalten wurde. Das Benefizkonzert wurde aber auch mit
Helangar, Gulpdown, Folk Stone und Kissin' Dynamite ein spannender
Abend mit hoffnungsvollen Newcomern und überzeugenden, bereits
etablierten Namen.
Helangar
Es war eine weise Entscheidung, die deutschen Helangar zuerst
spielen zu lassen. Denn damit wurden einigen Besuchern gewisse
Qualen erspart. Nicht dass die Musik langweilig oder schlecht war.
Nur spielen Helangar mit ihrem schweren Doom Metal selbst in der
Spartenmusik Heavy Metal eine Variante, mit der nur ganz wenige
Leute etwas anfangen können. Da wären wir sozusagen bei der
Spartenmusik der Spartenmusik. Hinzu kommen bei Helangar die für Doom
ungewöhnlichen deutschen Texte, womit beim Schicksalsmetal nochmals
einige Fans wegfallen. Wer trotzdem in Richtung Bühne blickte,
erlebte eine Band, die sich ruhig und ohne Aufregung ihrer Passion
widmete, und dabei eine sehr düstere, tiefgründige Atmosphäre
aufbaute. Sänger Daniel liess immer wieder im Sitzen sein Gesicht
von einem roten Scheinwerfer beleuchten, und explodierte dann
förmlich, wenn er seine Verzweiflung nicht flüsternd, sondern in
kurzen Schreisequenzen rauslassen durfte. Helangar wurden so zu
einem finsteren Ereignis, dem man noch besser hätte folgen können,
wenn man die Texte hätte mitlesen können. Bringt die Band künftig
noch mehr theatralische Elemente mit grossen Gesten und Requisiten
wie Kunstblut oder Pistolen auf die Bühne, könnte die Musik auch ein
grösseres Publikum erreichen. Am «Metal 4 Metal» blieben aber Helangar
für alle Zuhörer ein düsteres Erlebnis; Für wenige aufgrund des
finsteren Ausdrucks der Band, für die meisten aber wegen der
Unzugänglichkeit und des Nichtgefallens.
Gulpdown
Eine Band mit Potenzial stieg danach auf die Bretter, die die Welt
bedeuten. Gulpdown kommen aus dem Kanton St. Gallen, spielen Glam-
und Sleaze-Rock und könnten vor einer viel versprechenden Karriere
stehen, wenn am einen oder anderen Detail noch ein wenig gearbeitet
wird. Am «Metal 4 Metal»
schien das saubere Spiel der vielen
Eigenkompo-sitionen klar vor einer grossen Show zu stehen. Die Band
läutete die seligen Haarspray-Zeiten wieder ein, und passte auch
sein Outfit der Musik an. Diese war irgendwo zwischen den Cracy Lixx,
Kiss und Guns n' Roses einzuordnen und überzeugte durch eingängige
Refrains, coole Gitarrenmelodien und unerwarteten Wendungen. So
wurde es bei «Action City» plötzlich ruhig, bevor der Song wieder an
Tempo anzog. Sänger Böttn führte mit seinen Ansagen zielsicher
durchs Programm und veredelte die Lieder mit seiner feinen, aber
passenden Stimme. Besonders beeindruckt war ich, wenn er mal kratzig
sang. Dies passierte selten und nie einen ganzen Song lang.
Ebenfalls schön waren die mehrstimmigen Chöre zu hören. Gulpdown
bewiesen aber auch, dass passende Kleidung allein noch keine wilde
Show ausmacht. Zwar taute die Band mit zunehmender Dauer des
Konzerts ein wenig auf, die grosse Rock'n'Roll-Show wie sie Heaven's
Basement als Vorband von Thunder dieses Jahr im Z7 präsentierten,
wurde daraus aber nicht. Irgendwie schienen Culpdown mit angezogener Handbremse
zu spielen. Ob dies vielleicht auch am eher spärlich anwesenden
Publikum lag? Schaffen es die St. Galler künftig, ihre Hemmungen zu
überwinden und bringen sie gleichzeitig ein sauberes Spiel ihrer
Songs zustande, werden sie das «Ticket To Hell» ohne Zweifel
erhalten.
Folk Stone
Das Potenzial bereits ausgeschöpft hatte der wilde Haufen von Folk
Stone. Vom Härtegrad irgendwo zwischen Korpiklaani und Eluveitie
einzuordnen, feierten die sechs Italiener zusammen mit ihren zwei
weiblichen Musikanten eine wilde Party. Reichlich Alkohol floss
dabei sowohl auf wie auch vor der Bühne. Folk Stone boten nur schon
durch ihr Aussehen ein eindrucksvolles Bild: Bärtige Männer und eine
grosse und eine zierliche Frau, die drei Dudelsäcke, eine Harfe,
Flöte und die klassischen Rockinstrumenten Gitarre, Bass, Schlagzeug
und Stimme spielen. Dazu kam, dass die Band top motiviert war und
auch dann noch voll Gas gab, wenn sich die Musikanten aufgrund der
kleinen Bühne ständig im Weg standen. Diese Spielmanns-freude lockte
natürlich Publikum an. Und so war es nicht verwunderlich, dass die
Band zusammen mit Fans und Neugierigen zu Songs wie In «Taberna (in
vino veritas)» und «Alza Il Corno» tanzte. Aber auch die Ansage
waren ein Erlebnis für sich, wenn die Band nach mehr Bier verlangte,
oder mit schlechtem Englisch zum Kauf ihrer CDs und T-Shirts
animierte. Die sprachlichen Belange schienen nie-manden zu stören,
und so rief die Band immer wieder selbstironisch «Fuck English».
Dass bei soviel guter Laune auch die Publikumsgesänge klappten,
versteht sich von selbst. Mir persönlich wurde die Musik mit der
Zeit zwar ein wenig eintönig, die Show und die Motivation von Folk
Stone machten dieses Manko aber mehr als wett. Und als die Italiener
als unerwartete Zugabe zum Schluss nochmals selbstbewusst «In
Taberna» spielten, hatten sie sowieso gewonnen.
Kissin' Dynamite
Die dritte Band, von der man wohl künftig noch grosse Glanztagen
hören und sehen wird, waren die Jungspunde Kissin' Dynamite. Die
eigentlichen Headliner des Abends warnten bereits am diesjährigen
Bang Your Head!!! ihre etablierte Konkurrenz, dass sie sich künftig
warm anziehen müssen. Und die jungen Deutschen überzeugten auch an
diesem Abend ohne Wenn und Aber. Dies umso mehr, als dass nach Folk
Stone nur noch wenige Personen im Sounddock verweilten, und
Gitarrist Jim sichtlich technische Probleme hatte. Mit ihrer
Mischung aus Heavy Metal, Hard- und
Sleaze Rock und einer sehr
motivierter Bühnenpräsenz zogen sie das Publikum auf ihre Seite, und
liessen es vergessen, dass nur noch knapp zwei Reihen Fans anwesend
waren. Diese feierten ihre «Rock Religion», bezeugten ein «I Hate
Hip Hop» und standen auch mal «Out In The Rain». Als schliesslich
bei «Steel Of Swebia» der Verstärker von Gitarrist Jim ausfiel,
spielte der Rest selbstbewusst den Song fertig. Sänger Hannes
kündigte danach ein Schlagzeug-solo von Andi an, der damit spontan
und souverän die Zeit für die Behebung der Probleme füllte. Kissin'
Dynamit strahlten unbändige Freude aus und bauten zwischen den
Eigenkompositionen auch ein «Enter Sandmann» (Metallica) und ein «Sweet
Child O'Mine» (Guns n' Roses) ein. Wähnte man sich bei Folk Stone
aufgrund der Platzknappheit auf der Bühne in einem irischen Pub,
wurde bei Kissin' Dynamite klar, dass die Band mit ihrem Sound für
grosse Stadien geschaffen ist. Beim abschliessenden «Addicted To
Metal» kam ein Schmied auf die Bühne und schlug im Takt auf einen
Amboss. Der Auftritt im Sounddock machte nochmals klar, dass der
Vertrag mit dem Plattenriesen EMI mehr als berechtigt ist. Und so
werden die Jungs aus der Schwäbischen Alp hoffentlich bald
auch in der Schweiz mehr Volk anziehen können.
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