Livereview: Krokus - Shakra - Acrid
19. Juli 2002 in Sumiswald
By Rockslave

Alle zwei Jahre ist es mit der Beschaulichkeit im bernischen Sumiswald vorbei. Dann beherrschen für 3 Tage BikerInnen und Fans rund um das Thema Harley Davidson das Dorfbild. Auf einer riesigen Fläche direkt vor einem Hügelzug wird hierfür das Gelände für die Biker Party des ansässigen MC Dead Riders hergerichtet. Dazu gehören natürlich entsprechende Abschnitte für die Zeltstadt, das grosse Festzelt, unzählige Fressbuden und Getränkebars, Verkaufsstände, Festbänke soweit das Auge reicht und quasi mittendrin das Areal für diverse Rennen und Vorführungen. Aus unserer Sicht war natürlich das Festzelt von Bedeutung, da dort am Abend des ersten Tages Acryd, Shakra, Krokus und die Jimy Hofer Band auftraten. Hier nun die Eindrücke von drei der heftigeren der vier Konzerte dieses Anlasses. Eigentlich hätte die erste Band bereits um 19.00 Uhr auf die Bretter steigen sollen, aber die halbe Stunde Verspätung störte eigentlich niemanden.

ACRID

Das Festzelt hatte riesige Ausmasse. Seitlich auf der linken Seite in Richtung Bühne gesehen waren die Verpflegungsstände und auf gleicher Höhe bis nach vorne zum Mischpult massig Festbänke aufgestellt. Als die regionale Anheizer-Band Acrid auf die Bühne kam und ohne Ansage (wen hätten sie auch begrüssen sollen, es war ja keiner da!) gleich loslegte, wollte man echt nicht in der Haut der Gruppe stecken. Vor leerem Platz (zwischen Mischpult und der mindestens 10 Meter entfernten Bühne stand wirklich keine einzige Sau!) zelebrierten sie Heavy Metal mit deutlicher 80-Jahre Prägung. Ausser dem Sänger, der über eine gute Stimme verfügte,
bewegte sich nichts auf der Bühne. Wie angewurzelt standen sie da alle. Handwerklich ganz in Ordnung und mit einigen Cover-Versionen (Breaking the law, Gimme all your loving, Highway to hell und anderen) im Gepäck rackerten die Jungs aber ziemlich ausdauernd und spielten gegen fünfzig Minuten. Solche Auftritte werden von den meisten Bands selber mit dem Fachjargon "Scheisse fressen" benannt und trennen mit der Zeit die Spreu vom Weizen. Fakt ist aber, dass Acrid so eine kümmerliche Kulisse nicht verdient haben. Acrid

SHAKRA
Diesem Auftritt sah ich mit grossem Interesse entgegen, weil ich sehen und hören wollte, wie sich der neue Sänger Mark Fox seit dem Auftritt in Balingen am BYH!!!-Festival stimmlich und von der Performance her weiterentwickelt hatte. Glücklicherweise fanden sich jetzt mittlerweile ordentlich Leute im Zelt, die der Band einen soliden Willkommensapplaus spendierten. Nach dem geilen Intro (wie zu Urzeiten bei Judas Priest) folgte das knackige "Why don't you call me" als Opener.
Shakra Wie gewohnt ging die eingespielte Band druckvoll ans Werk und Mark Fox war nicht halb so nervös wie auf der grossen BYH!!!-Bühne. Weiter gings gleich mit dem nicht weniger schmissigen "Watching you" und schon bald stand fest, dass Mark's Stimme deutlich sicherer klang, obwohl er seinen Vorgänger Pete Wiedmer das Wasser (noch) nicht reichen kann. Das Publikum nahm die Ohrwurm-Riffs schnell auf und die Stimmung verbesserte sich von Song zu Song. Dabei spielte es eigentlich
nicht mal gross eine Rolle, welcher Song von welchem Album gespielt wurde, da Shakra durchs Band hindurch sehr eingängiges und rohes Material spielen, das sofort in die Knochen geht. Wehmütig werden dabei (abermals) Erinnerungen an die ersten drei Gotthard-Alben wach. Das Gitarristen-Duo Muster/Blunier und der immer besser werdende Oli Linder am Bass sind das (optische) Herzstück von Shakra. Thomas Muster ist es auch, der immer wieder für Bewegung auf der Bühne sorgt und die Matte kreisen lässt, während sich Thom Muster (gesundheitlich bedingt) kaum bewegt, dafür aber geile Licks und Soli voller Intensität in rauhen Mengen rauspfeffert. Die Festhütte schien langsam aber sicher erwacht zu sein und feierte die Band verdientermassen lautstark ab. Die Ansagen von Mark Fox auf Schweizerdeutsch wirkten da zusätzlich, natürlich und unverkrampft. Selbst als er bei "Hands on the Trigger" sein Micro fallen lässt und dabei für ein paar (nicht abwertende) Lacher sorgt, bleibt das überaus positive Fazit dieses kraftvollen Auftrittes bestehen. Einzig den Tick mit dem oft in die Haare fummeln sollte er raschmöglichst ablegen. Bleibt zu hoffen, dass Shakra wenn möglich nicht den Weg von Gotthard gehen werden und in drei Jahren in den Single- und Album-Charts neben Britney Spears & Co. auftauchen!

Set-Liste: "Why don't you call me", "Watching you", "Wonder", "The sun will shine", "Too close", "And life begins", "Stranger", "She's my pride", "Don't try to call", "Sweet perfume", "Nothing to lose", "Hands on the trigger", "Who's got the rhythm"


KROKUS
Besser als mit Shakra hätte man das Publikum für den Auftritt der Schweizer Rock-Institution nicht anheizen können. Trotz unablässig drehendem Line-Up Karussell der letzten Zeit und Jahre steht einer wie eine Eins im Walde: Fernando von Arb. Ohne ihn wäre schon lange Schicht im Schacht und seit etwa Frühling dieses Jahres, als plötzlich und für die meisten (trotz sehnlichem Herbeiwünschen) doch eher überraschend die Rückkehr vom unverwüstlichen Marc Storace
bekannt gegeben wurde, zeigt der Zeiger wieder nach oben. Sein Vorgänger und Ersatz Carl Sentance machte seinen Job gut, keine Frage. Aber Krokus ohne Marc Storace ist wie AC/DC ohne Angus Young. Ich dachte letzten Sommer noch, als Krokus mit Sentance (vor der unsäglichen Nikki Costa oder so ähnlich) als Support von AC/DC im neuen Joggeli-Stadion in Basel auftraten, wie es gewesen wäre, wenn erstens ein motivierter Storace am Mikro gestanden wäre und man zweitens natürlich als zweite Band hätte auftreten können. Anyway, das ist alles Schnee von gestern und der Umstand, dass seit dem Tour-Start 2001 am 10. Mai (im inzwischen wieder geschlossenen Backstage Music Club in Niedergösgen!) zum Auftritt von heute Abend abermals nur Fernando übrig geblieben war, erstaunt niemanden mehr. Die aktuelle (und seit langem klar beste!) Besetzung besteht neben den zwei Urgrössen ausschliesslich aus DC-World Musikern, dem Side-Project von Marc. Das heisst also an der zweiten E-Guitar Dominique Favez, am Bass Tony "T.C." Castell (Ex- Ain't Dead Yet, spielte auch schon auf dem Krokus-Album "Stampede" von 1990 mit) und Pat Holzhey (als 127-ster Drummer) am Schlagzeug. Entsprechend war ich natürlich gespannt, was mich erwarten würde, denn den zurückgekehrten "Maltese Falcon" hatte ich heuer erstmals am Love Ride in Dübendorf

Krokus

(5. Mai 2002) gesehen. Damals noch mit Gitarrist... und Drummer..., aber lassen wir das jetzt! Dieses Konzert vor vergleichbarem Publikum war solide, aber kein wirklicher Killer. Das hatten sich Krokus, um es gleich vorweg zu nehmen, für heute Abend aufgespart! Bereits beim inzwischen obligaten Opener "Long stick goes boom" bahnte sich die Überraschung an. Spätestens nach "American woman" spürte das proppenvolle Festzelt (ca. 2000 Leute oder mehr, schwer zu sagen), dass die Party sichtlich abging. Jeder Song wurde in der Folge frenetisch abgefeiert und der Pegel stieg ständig. Die Band zeigte sich echt überrascht und konterte mit sicht- und hörbarer Spielfreude. Der Sound war metallisch scharf und erstaunlich druckvoll für so einen Ort. Marc Storace zeigte eigentlich kaum Schwächen und muss sich wohl wie einem Film
Krokus vorgekommen sein. Haben wir jetzt 1982 oder was? Der "Neue" an der zweiten Klampfe, Dominique Favez scheint (endlich!) ein Glücksfall für die Band zu sein. Selten habe ich den selbstkritischen Fernando daneben so relaxed und gut aufgelegt gesehen. Favez überzeugte nicht nur als Rhythmus-Lieferant, sondern zeigte auch bei den Soli seine Stärke. Drummer Pat Holzhey wirkte zwar ziemlich statisch hinter seinem Drum-Kit, erzeugte aber eine gnadenlose Power von
hinten und der ewig grinsende Tony Castell (b) ist ein alter Fuchs, der nicht so wild wie Many Maurer vor ihm agierte, aber zusammen mit Pat die tighte Rhythm-Section bildete. Je länger das Konzert dauerte, desto kultiger wurde es. Die Stimmung steigerte sich beinahe in ekstaseähnliche Bereiche und ich bekam darob echt eine Gänsehaut! Die Version von "Easy rocker" haute mich fast aus den Latschen. Das war kein Rock mehr, sondern Metal in Reinkultur!  Herz, was willst
du mehr? Jeder, der an diesem Event dabei war, wurde Zeuge eines der besten Konzerte, das Krokus wohl seit langem gespielt haben. Keine Ahnung, wieviele Male ich die nach wie vor grösste Schweizer Rockband in den letzten zwanzig Jahren gesehen habe, aber ausser einem der letzten Konzerte mit Tommy Kiefer (R.I.P.) und dem "Heimgig" von Fernando in Fulenbach (18.8.95) ist mir nichts Besseres untergekommen. Einziger Wermutstropfen war (einmal mehr und da wiederhole ich mich zum Krokus
Love Ride Livebericht gerne) die etwas unflexible Setliste, die zwar viele Classics enthielt, aber solche Hämmer wie "Night wolf", "Headhunter", "Everybody rocks" (als Opener, wäre doch auch geil!) oder "Winning man" sollten endlich auch wieder mal berücksichtigt werden. Und bitte, keine dieser Status Quo-Medley's mehr! Dann lieber den Song ("Rock city") ganz spielen. Daneben gäbe es natürlich weitere Songs, die man schon lange nicht mehr live gehört hat. Schliesslich gibt es vierzehn Alben von Krokus, die letzte Best-Of eingeschlossen! Aber egal, was man auch zu diesem Thema und den ewigen Personalrochaden für eine Meinung hat, solange noch solche Konzerte wie dieses erleben werden können, bleibt die Kirche im Dorf und hoffentlich wissen die Amis den Übersee-Abstecher im November zu würdigen! Bald sollte ja zudem ein neues Album folgen, von dem ich mir (und viele andere) neue Impulse erhoffe, damit diese Ausnahmeband weiterhin (positive) Musikgeschichte schreiben kann und vor allem im Stande ist, solche Gigs wie den von heute Abend runter zu reissen. Danke Krokus und danke Sumiswald für dieses unvergessliche Ereignis!

Set-Liste: "Long stick goes boom", "Natural blonde", "American woman", "Fire", "Bad boys, rag dolls", "Lion heart", "Screaming in the night", "Down the drain", "Tokyo nights", "Easy rocker", "Stayed awake all night", "Back seat Rock'n' Roll", "Flying through the night", "Heatstrokes", "Rock'n' Roll tonight", "Rock city-Medley (inkl. "I'm on the run", "Playing the outlaw", "Lady double dealer", "Rock city - Reprise", "Bedside radio"