Alle zwei Jahre ist es mit der Beschaulichkeit im bernischen Sumiswald vorbei. Dann
beherrschen für 3 Tage BikerInnen und Fans rund um das Thema Harley Davidson das
Dorfbild. Auf einer riesigen Fläche direkt vor einem Hügelzug wird hierfür das Gelände
für die Biker Party des ansässigen MC Dead Riders hergerichtet. Dazu gehören natürlich
entsprechende Abschnitte für die Zeltstadt, das grosse Festzelt, unzählige Fressbuden
und Getränkebars, Verkaufsstände, Festbänke soweit das Auge reicht und quasi mittendrin
das Areal für diverse Rennen und Vorführungen. Aus unserer Sicht war natürlich das
Festzelt von Bedeutung, da dort am Abend des ersten Tages Acryd, Shakra, Krokus und die
Jimy Hofer Band auftraten. Hier nun die Eindrücke von drei der heftigeren der vier
Konzerte dieses Anlasses. Eigentlich hätte die erste Band bereits um 19.00 Uhr auf die
Bretter steigen sollen, aber die halbe Stunde Verspätung störte eigentlich niemanden.
ACRID
Das Festzelt hatte riesige Ausmasse. Seitlich auf der linken Seite in Richtung
Bühne gesehen waren die Verpflegungsstände und auf gleicher Höhe bis nach vorne zum
Mischpult massig Festbänke aufgestellt. Als die regionale Anheizer-Band Acrid auf die
Bühne kam und ohne Ansage (wen hätten sie auch begrüssen sollen, es war ja keiner da!)
gleich loslegte, wollte man echt nicht in der Haut der Gruppe stecken. Vor leerem Platz
(zwischen Mischpult und der mindestens 10 Meter entfernten Bühne stand wirklich keine
einzige Sau!) zelebrierten sie Heavy Metal mit deutlicher 80-Jahre Prägung. Ausser dem
Sänger, der über eine gute Stimme verfügte, |
bewegte sich nichts
auf der Bühne. Wie angewurzelt standen sie da alle. Handwerklich ganz in Ordnung und mit
einigen Cover-Versionen (Breaking the law, Gimme all your loving, Highway to hell und
anderen) im Gepäck rackerten die Jungs aber ziemlich ausdauernd und spielten gegen
fünfzig Minuten. Solche Auftritte werden von den meisten Bands selber mit dem Fachjargon
"Scheisse fressen" benannt und trennen mit der Zeit die Spreu vom Weizen. Fakt
ist aber, dass Acrid so eine kümmerliche Kulisse nicht verdient haben. |
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SHAKRA
Diesem Auftritt sah ich mit grossem Interesse entgegen, weil ich sehen und hören
wollte, wie sich der neue Sänger Mark Fox seit dem Auftritt in Balingen am
BYH!!!-Festival stimmlich und von der Performance her weiterentwickelt hatte.
Glücklicherweise fanden sich jetzt mittlerweile ordentlich Leute im Zelt, die der Band
einen soliden Willkommensapplaus spendierten. Nach dem geilen Intro (wie zu Urzeiten bei
Judas Priest) folgte das knackige "Why don't you call me" als Opener. |
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Wie gewohnt ging die
eingespielte Band druckvoll ans Werk und Mark Fox war nicht halb so nervös wie auf der
grossen BYH!!!-Bühne. Weiter gings gleich mit dem nicht weniger schmissigen
"Watching you" und schon bald stand fest, dass Mark's Stimme deutlich sicherer
klang, obwohl er seinen Vorgänger Pete Wiedmer das Wasser (noch) nicht reichen kann. Das
Publikum nahm die Ohrwurm-Riffs schnell auf und die Stimmung verbesserte sich von Song zu
Song. Dabei spielte es eigentlich |
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nicht mal
gross eine Rolle, welcher Song von welchem Album gespielt wurde, da Shakra durchs Band
hindurch sehr eingängiges und rohes Material spielen, das sofort in die Knochen geht.
Wehmütig werden dabei (abermals) Erinnerungen an die ersten drei Gotthard-Alben wach. Das
Gitarristen-Duo Muster/Blunier und der immer besser werdende Oli Linder am Bass sind das
(optische) Herzstück von Shakra. Thomas Muster ist es auch, der immer wieder für
Bewegung auf der Bühne sorgt und die Matte kreisen lässt, während sich Thom Muster
(gesundheitlich bedingt) kaum bewegt, dafür aber geile Licks und Soli voller Intensität
in rauhen Mengen rauspfeffert. Die Festhütte schien langsam aber sicher erwacht zu sein
und feierte die Band verdientermassen lautstark ab. Die Ansagen von Mark Fox auf
Schweizerdeutsch wirkten da zusätzlich, natürlich und unverkrampft. Selbst als er bei
"Hands on the Trigger" sein Micro fallen lässt und dabei für ein paar (nicht
abwertende) Lacher sorgt, bleibt das überaus positive Fazit dieses kraftvollen Auftrittes
bestehen. Einzig den Tick mit dem oft in die Haare fummeln sollte er raschmöglichst
ablegen. Bleibt zu hoffen, dass Shakra wenn möglich nicht den Weg von Gotthard gehen
werden und in drei Jahren in den Single- und Album-Charts neben Britney Spears & Co.
auftauchen!
Set-Liste: "Why don't you call me", "Watching you",
"Wonder", "The sun will shine", "Too close", "And life
begins", "Stranger", "She's my pride", "Don't try to
call", "Sweet perfume", "Nothing to lose", "Hands on the
trigger", "Who's got the rhythm"
KROKUS
Besser als mit Shakra hätte man das Publikum für den Auftritt der Schweizer
Rock-Institution nicht anheizen können. Trotz unablässig drehendem Line-Up Karussell der
letzten Zeit und Jahre steht einer wie eine Eins im Walde: Fernando von Arb. Ohne ihn
wäre schon lange Schicht im Schacht und seit etwa Frühling dieses Jahres, als plötzlich
und für die meisten (trotz sehnlichem Herbeiwünschen) doch eher überraschend die
Rückkehr vom unverwüstlichen Marc Storace |
bekannt gegeben wurde,
zeigt der Zeiger wieder nach oben. Sein Vorgänger und Ersatz Carl Sentance machte seinen
Job gut, keine Frage. Aber Krokus ohne Marc Storace ist wie AC/DC ohne Angus Young. Ich
dachte letzten Sommer noch, als Krokus mit Sentance (vor der unsäglichen Nikki Costa oder
so ähnlich) als Support von AC/DC im neuen Joggeli-Stadion in Basel auftraten, wie es
gewesen wäre, wenn erstens ein motivierter Storace am Mikro gestanden wäre und man
zweitens natürlich als zweite Band hätte auftreten können. Anyway, das ist alles Schnee
von gestern und der Umstand, dass seit dem Tour-Start 2001 am 10. Mai (im inzwischen
wieder geschlossenen Backstage Music Club in Niedergösgen!) zum Auftritt von heute Abend
abermals nur Fernando übrig geblieben war, erstaunt niemanden mehr. Die aktuelle (und
seit langem klar beste!) Besetzung besteht neben den zwei Urgrössen ausschliesslich aus
DC-World Musikern, dem Side-Project von Marc. Das heisst also an der zweiten E-Guitar
Dominique Favez, am Bass Tony "T.C." Castell (Ex- Ain't Dead Yet, spielte auch
schon auf dem Krokus-Album "Stampede" von 1990 mit) und Pat Holzhey (als
127-ster Drummer) am Schlagzeug. Entsprechend war ich natürlich gespannt, was mich
erwarten würde, denn den zurückgekehrten "Maltese Falcon" hatte ich heuer
erstmals am Love Ride in Dübendorf |
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(5. Mai
2002) gesehen. Damals noch mit Gitarrist... und Drummer..., aber lassen wir das jetzt!
Dieses Konzert vor vergleichbarem Publikum war solide, aber kein wirklicher Killer. Das
hatten sich Krokus, um es gleich vorweg zu nehmen, für heute Abend aufgespart! Bereits
beim inzwischen obligaten Opener "Long stick goes boom" bahnte sich die
Überraschung an. Spätestens nach "American woman" spürte das proppenvolle
Festzelt (ca. 2000 Leute oder mehr, schwer zu sagen), dass die Party sichtlich abging.
Jeder Song wurde in der Folge frenetisch abgefeiert und der Pegel stieg ständig. Die Band
zeigte sich echt überrascht und konterte mit sicht- und hörbarer Spielfreude. Der Sound
war metallisch scharf und erstaunlich druckvoll für so einen Ort. Marc Storace zeigte
eigentlich kaum Schwächen und muss sich wohl wie einem Film |
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vorgekommen sein.
Haben wir jetzt 1982 oder was? Der "Neue" an der zweiten Klampfe, Dominique
Favez scheint (endlich!) ein Glücksfall für die Band zu sein. Selten habe ich den
selbstkritischen Fernando daneben so relaxed und gut aufgelegt gesehen. Favez überzeugte
nicht nur als Rhythmus-Lieferant, sondern zeigte auch bei den Soli seine Stärke. Drummer
Pat Holzhey wirkte zwar ziemlich statisch hinter seinem Drum-Kit, erzeugte aber eine
gnadenlose Power von |
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hinten
und der ewig grinsende Tony Castell (b) ist ein alter Fuchs, der nicht so wild wie Many
Maurer vor ihm agierte, aber zusammen mit Pat die tighte Rhythm-Section bildete. Je
länger das Konzert dauerte, desto kultiger wurde es. Die Stimmung steigerte sich beinahe
in ekstaseähnliche Bereiche und ich bekam darob echt eine Gänsehaut! Die Version von
"Easy rocker" haute mich fast aus den Latschen. Das war kein Rock mehr, sondern
Metal in Reinkultur! Herz, was willst |
du mehr? Jeder, der an
diesem Event dabei war, wurde Zeuge eines der besten Konzerte, das Krokus wohl seit langem
gespielt haben. Keine Ahnung, wieviele Male ich die nach wie vor grösste Schweizer
Rockband in den letzten zwanzig Jahren gesehen habe, aber ausser einem der letzten
Konzerte mit Tommy Kiefer (R.I.P.) und dem "Heimgig" von Fernando in Fulenbach
(18.8.95) ist mir nichts Besseres untergekommen. Einziger Wermutstropfen war (einmal mehr
und da wiederhole ich mich zum |
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Love Ride
Livebericht gerne) die etwas unflexible Setliste, die zwar viele Classics enthielt, aber
solche Hämmer wie "Night wolf", "Headhunter", "Everybody
rocks" (als Opener, wäre doch auch geil!) oder "Winning man" sollten
endlich auch wieder mal berücksichtigt werden. Und bitte, keine dieser Status
Quo-Medley's mehr! Dann lieber den Song ("Rock city") ganz spielen. Daneben
gäbe es natürlich weitere Songs, die man schon lange nicht mehr live gehört hat.
Schliesslich gibt es vierzehn Alben von Krokus, die letzte Best-Of eingeschlossen! Aber
egal, was man auch zu diesem Thema und den ewigen Personalrochaden für eine Meinung hat,
solange noch solche Konzerte wie dieses erleben werden können, bleibt die Kirche im Dorf
und hoffentlich wissen die Amis den Übersee-Abstecher im November zu würdigen! Bald
sollte ja zudem ein neues Album folgen, von dem ich mir (und viele andere) neue Impulse
erhoffe, damit diese Ausnahmeband weiterhin (positive) Musikgeschichte schreiben kann und
vor allem im Stande ist, solche Gigs wie den von heute Abend runter zu reissen. Danke
Krokus und danke Sumiswald für dieses unvergessliche Ereignis!
Set-Liste: "Long stick goes boom", "Natural blonde", "American
woman", "Fire", "Bad boys, rag dolls", "Lion heart",
"Screaming in the night", "Down the drain", "Tokyo nights",
"Easy rocker", "Stayed awake all night", "Back seat Rock'n'
Roll", "Flying through the night", "Heatstrokes", "Rock'n'
Roll tonight", "Rock city-Medley (inkl. "I'm on the run",
"Playing the outlaw", "Lady double dealer", "Rock city -
Reprise", "Bedside radio" |
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