Livereview: Krokus
02. August 2008, Bern Stade de Suisse
By Rockslave
In diesem an musikalischen Höhepunkten nun wirklich nicht armen Jahr 2008 passte es wie die Faust auf's Auge, dass auch Krokus, unsere Nationalrocker Nr. 1, ihren Beitrag dazu leiste(te)n. Bevor das aber möglich wurde, mussten einige Hürden genommen werden. Inwieweit der letztjährige (Playback-) Auftritt im Schweizer Fernsehen zur Sendung «Schweizer Hits» effektiv zu dieser Reunion beigetragen hat, lässt sich nicht mit abschliessender Bestimmtheit sagen. Fakt war zumindest, dass man dadurch (primär in der Öffentlichkeit) wieder ein Thema war und es folglich absehbar war, dass die lange Jahre völlig unmöglich scheinende Angelegenheit dieser denkwürdigen Reunion zuerst mal pressemässig reanimiert wurde. Bei allem, nein grösstem Respekt für das originale Line-Up Storace-von Arb-von Rohr-Kohler-Steady muss an dieser Stelle aber gesagt werden, dass die zuvor aktuelle Besetzung Storace-Meyer-Castell-Favez-Schwarzmann erstens mit «Hellraiser» ein tolles Album gemacht hat und zweitens auch live einige Male eine Klasse für sich war. Trotzdem dürften nicht wenige vor allem ältere Fans gejubelt haben, als sich das Programm von diesem 2. August 2008 im Berner «Stade de Suisse» herum sprach. Fast ein Vierteljahrhundert später, seit diese Formation in den U.S.A letztmals zusammen auf einer Bühne stand, kam es also in der Heimat tatsächlich zu diesem magischen Moment, den nicht weniger als über 9'000 Fans frenetisch bejubelten: Krokus is back!

Bevor der Vorhang der wegen der opulenten Lichtanlage echt gigantisch anmutenden Bühne jedoch zu Boden fiel, kam mit der Schweizer Mundart-Ikone Gölä zuerst noch ein persönlicher Freund der Band auf die Bühne und dieser sagte seine Kollegen darauf mit einer gospelartig vorgetragenen Zeremonie an. Das Publikum wurde dabei mit unzähligen «Hallelujah's» richtiggehend aufgeheizt. Derweil sah man auf den Stadion-Monitoren, wie sich die Protagonisten des Abends aus den Stadion-Katakomben heraus auf den Weg in Richtung Bühne machten. Um etwa 21.05 Uhr war es dann endlich soweit: «Long Stick Goes Boom» eröffnete die Show fulminant und das, was ich mir insgeheim erhofft hatte, trat tatsächlich ein: Magie pur! Genau so muss es früher in den grossen, amerikanischen Stadien zu und her gegangen sein, als Krokus auf dem Zenith ihrer Karriere standen. Ein wohliges Gefühl stellte sich bei mir, zusammen mit Roxx auf einem superben Presse-Platz sitzend, sogleich ein und verursachte eine Gänsehaut vom Feinsten! Leute..., egal was man über die Band und all die Nebengeräusche der letzten Wochen, Monate und Jahre denkt, weiss oder glaubt zu wissen..., es war einfach nur oberaffentittengeil, was da im Stade de Suisse auf der quer im Stadion hingestellten Stage abging! Die Bild, das sich dem Publikum bot, sah schlicht grandios aus! Über dem Drum von Freddy Steady thronte ein riesiger Schädel mit zwei gekreuzten Knochen, der vom Bild her grundsätzlich ans Cover von «Headhunter» (1983) erinnerte. Dazu gab es eben megaoberfettes Licht und jede Menge Trockeneis. «Rock City» geriet ähnlich gut, obwohl Marc Storace bei der Ansage (...is Bern the rock capital of the world...?) mal eine andere Platte auflegen könnte. Brachial kam darauf «Winning Man» rüber und das Publikum ging voll mit. Marc's Stimme klang zu Beginn des Sets sehr gut, Chris von Rohr (b, spielte barfuss!) hielt sich meist eher dezent im Hintergrund, während Mark Kohler (g) laufend aktiver wurde. Fernando von Arb (g) war sichtlich wieder voll im Element und legte sich, wie Freddy Steady (d), voll ins Zeug. Eher überraschend wurde mit «Hellraiser» des Titeltrack des neuen Albums gespielt und der Alt-Klassiker «American Woman» brach schliesslich die letzten Dämme im Stadion und wurde lauthals mitgesungen. Das bunt gemischte Publikum, das vom Alters-Durchschnitt her eher zwischen 40 und 50, als 20 bis 30 Jahre alt war, amüsierte sich bestens. Nichtsdestotrotz waren auch viele junge Fans auszumachen, was ja ein gutes Zeichen ist. Die Setliste war natürlich fast ausschliesslich mit Perlen der Vergangenheit geschmückt.

Bei «Fire» schwächelten Marc's Vocals allerdings ein wenig, aber insgesamt stimmte die Performance des «Maltese Falcon». Eines meiner persönlichen Highlights war klar «Screaming In The Night», das in der Ur-Version (also nicht mit dem Slide-Intro von Mandy Meyer) einfach authentischer klang/klingt. Und wenn wir schon beim Klingen sind, dann gibt es zu erwähnen, dass der Sound von der Lautstärke her ziemlich laut war und auch die Drums hatten richtig Eier! Bekanntlich war Oberschnauze und Music Star Juror Chris von Rohr früher Schlagzeuger und lieferte darum zusammen mit Freddy ein soweit unterhaltendes Solo ab, das bei «Easy Rocker» integriert wurde. Wenn man die Augen schloss, wähnte man sich glatt in den glorreichen 80ern. Obwohl Marc Storace ein paar der hohen Gesangsspassagen nicht mehr ganz so kraftvoll interpretierte, respektive gleich wegliess, überzeugte die geschichtsträchtige Darbietung auf der ganzen Linie! Das sahen wohl auch einige im Publikum weilende Kollegen der Schweizer Rock-Szene so, zu denen beispielsweise Mitglieder von Shakra, China oder Crystal Ball gehörten. Um etwa 22.30 Uhr gingen Krokus das erste Mal von der Bühne runter. Selbstverständlich kamen sie zurück und intonierten unter anderem «Bedside Radio». Im Anschluss daran entstand etwas Unruhe, da Chris vermeldete, dass die Show pünktlich zu enden hatte. Dieser Umstand führte unter anderem dazu, dass sich sie Bandmitglieder kurz wie uneins waren. Da als Novum nur zu den letzten drei bis vier Songs das Fotographieren im Fotograben erlaubt war, erlebte ich diese kurzzeitigen Spannungen hautnah mit. Warum man schliesslich als wirklich einzigen, aber vermeidbaren Makel des ganzen Abends Steppenwolf's «Born To be Wild» spielte, also eine Cover-Version zum Besten gab, wollte mir und vielen weiteren Fans nicht in den Kopf. Da hätte man also schon noch «Headhunter» spielen können, das übrigens auf der Setlist stand. Als um 22.45 Uhr das Spektakel gefühlt viel zu früh zu Ende ging, sah man jedoch nur zufriedene Gesichter. Krokus hatten nicht zuviel versprochen und gezeigt, dass sie's noch verdammt gut drauf haben. Jetzt sind wir mal gespannt, ob das nächstes Jahr mit einem allfällig neuen Album plus Tour was wird und welches neue/alte Kapitel diesmal aufgeschlagen wird. Auf jeden Fall wurde heute Abend in Bern (leider ohne «Nightwolf» und «Headhunter» dennoch) bedeutende Schweizer Musikgeschichte geschrieben und dem gebührt verdientes Lob und Anerkennung!

Setlist: «Intro - «Long Stick Goes Boom» - «Rock City» - «Winning Man» - «Hellraiser» - «American Woman» - «Down The Drain» - «Tokyo Nights» - «Fire» - «Screaming In The Night» - «Rock'n'Roll Tonight» - «Heatstrokes» - «Easy Rocker (incl. Drum-Solo Freddy und Chris)» -- «Bedside Radio» - «Born To Be Wild».