Nach der hammergeilen CD-Release Party im Solothurner Kult-Tempel
Kofmehl Ende Februar war die Vorfreude gross auf die bevorstehende
kleine, aber feine CH-Tour der Altrocker vom Dienst. Die neue CD «Hoodoo»
ist mittlerweile auch schon "ein paar Tage" draussen und hat sich
erst jetzt, in der elften Woche, aus den Top-10 der CH-Charts
verabschiedet. Die Menge der Fans, die den Silberling gut finden,
ist klar in der Überzahl, obwohl es dazu natürlich auch andere
Meinungen gibt und geben darf. Ich persönlich finde «Hoodoo» absolut
auf der Höhe dessen, was man auf diesem Niveau heute erwarten darf.
Dass Krokus es auch live immer noch bringen, hat in erster Linie der
Reunion-Gig von Bern (2008) mehr als deutlich gezeigt. Zum Tourstart
in Zuchwil war die Hütte voll, will heissen, es waren etwa gut 3'000
Leute gekommen. In der Halle drin sah man dann allerdings, dass noch
einiges mehr rein gegangen wäre. Auf der ganzen Tour sind China mit
von der Partie und es sollte sich zeigen, ob sie einen guten Mix
ihrer nicht wenigen guten, alten Songs und dem neuen Material
hingebracht haben. (rsl)
China
Ehrlich gesagt, freute ich mich wie ein kleines Kind auf China. Wie
so oft sind in solchen Momenten die Erwartungen zu hoch und somit
konnte das Quintett meine Messlatte nicht überspringen. Mit den
neuen Gitarristen Mack Schildknecht wurde das Bühnenbild verjüngt.
Der Junge absolvierte eine agile Performance und fügte sich bestens
ins Bild ein. Auch die restlichen Bandmitglieder, Sänger Eric St.
Michaels, Gitarrist Claudio Matteo, Bassist sowie Heimsolothurner
Beat Kofmehl und Schlagzeuger Billy La Pietra hatten Spass an diesem
Auftritt. Einer, der locker alle Anwe-senden hätte überzeugen können,
aber leider an der sehr speziellen Setliste litt. Ich habe vollstes
Ver-ständnis, wenn eine Truppe ihr neustes Werk präsentieren will.
Nennt man sich aber China, die mindestens drei Topalben
veröffentlichten, erwarte ich nicht nur zwei Klassiker, eine
Coverversion und sieben neue Lieder. Wo blieben «Wild Jealousy»,
«Back To You», «Living On The Stage», «Animal Victim», «Slow Dancing
In Hell», «You've Got Me» oder der ultimative Hit «In The Middle Of
The Night»? In dieser Hinsicht haben mir China 2007 in Winterthur
besser gefallen. Es hätte ein kleiner Siegeszug sein können, einer
mit dem man dem Headliner das Leben hätte schwer machen können. So
blieb es ein ordentliches Konzert mit der Hoffnung, dass sich die
Jungs wieder auf ihre alten Hits besinnen und die Bude zum Qualmen
bringen. Das nötige Feuer im Hintern haben China nach wie vor. (tin)
Setliste: «Light Up The Dark» - «Rock City» - «Lonely Rider» - «Girl
On My Screen» - «Trapped In The City» - «Gates Of Heaven» - «On My
Way» - «Bad Case Of Loving You (Doctor Doctor)» - «Hey Yo» - «All I
Do Is Wait».
Krokus
Nach der für mich persönlich wirklich enttäuschenden Vorstellung von
China wollte ich nun einen bis in die Finger-spitzen motivierten wie
geladenen Headliner sehen, der sein heimisches Publikum begeistert.
Bevor es losging, kam beim Wegziehen des Vorhanges ein Teil des
Lakens mit dem grossen Band-Logo aber erstmals ein Stück weit mit
und hing nachher halbwegs schräg runter, als Drummer Freddy sein
Arbeitsgerät bereits bestiegen hatte. Ein schlechtes Omen? Eher
nicht (da sich die Crew umgehend darum kümmerte), aber der alles
entscheidende Einstieg in den Set schien zu Beginn jedoch gleich an
der meiner Meinung nach zu geringen Lautstärke zu scheitern.
Natürlich kam diesmal (im Gegensatz zur Release-Party im Kofmehl),
wie gewohnt «Long Stick Goes Boom» als obligater Opener zum Zug,
aber das knallte mir einfach nicht genug. Es liegt halt in der Natur
von Tourstart-Konzerten, dass diese in der Folge noch gesteigert
werden können, wie das die nächsten drei Konzerte in Wichtrach,
Winterthur und Sursee erfreulicherweise bewie-sen haben.
Nichtsdestotrotz entwickelte sich das Konzert im heimischen Zuchwil
auf jeden Fall noch ansprechend. Marc Storace war topfit und
lieferte eine blendende Leistung ab und auch der Rest der Truppe
schien guter Laune zu sein. Leider kam mit «Shot Of Love» einer
meiner absoluten Faves von «Hoodoo» einen Tick zu früh, denn da
stand ich immer noch im Foto-graben. Viel lieber hätte ich die Rübe
geschüttelt und dazu abgebangt. Eher überraschend stand mit «Hellraiser»
(immer) noch ein Song des vorletzten Albums, also dem mit Mandy
Meyer an der Klampfe, auf dem Menüplan. Der sollte aber schon bald
durch «Back-Seat Rock'n'Roll» ersetzt werden. Untermalt durch eine
wiederum fette Lightshow nahm der Krokus-Express dann doch noch
ordentlich Fahrt auf. Das in der Mehrzahl zumindest optisch wirkende
"Normalo-Publikum" mit nicht wenigen, ganzen Familien inklusive Kidz
im Primarschulalter, taute immer mehr auf. Von ausgelassener
Stimmung war allerdings nicht viel zu sehen wie hören und es
brauchte immer wieder ein ansprechendes Antreiben seitens des
Headliners. Wenigstens funktionierte der "jetzt zuerst die Girls und
dann die Boys"-Sing-a-long optimal. «Ride Into The Sun», der
musikalische Zwilling zum später noch folgenden «Screaming In The
Night», empfahl sich derweil zwingend als weitere Top-Ballade.
Mit «American Woman» und «Tokyo Nights» folgten zwei der
"todsicheren" Hits, die wohl (von den anwesenden Erwachsenen)
niemand noch nie gehört haben dürfte. Aufgrund der insgesamt nicht
weniger als sieben neuen Live-Songs mussten natürlich einige andere
Killer wie «Bad Boys, Rag Dolls», «Stayed Awake All Night» oder das
komplette «To Rock Or Not To Be» Album übergangen werden. Gerade
Letzteres ist ja bis auf Many Maurer (b) auch vom aktuellen Line-Up
(minus Von Rohr) eingespielt worden. Die alten Zeiten sind halt
vorbei und es gibt heute kaum noch Bands (ausser vielleicht Bruce
Springsteen), die, wie damals Led Zeppelin, locker 150 Minuten und
noch länger auf der Bühne stehen, respektive standen. Diese Leistung
kam man in dem Alter, will man den ganzen Set auf dem gleichen
Niveau halten, aber nicht mehr so locker wie früher abrufen. Und
wenn man unbedingt das Haar in der Suppe suchen will, findet sich
immer was, an dem rumgemäkelt werden kann. Dazu gehört auch die
vielfach geführte Diskussion in Sachen «Headhunter». Dass Freddy
Steady hierzu sicherlich an seine Grenzen stossen würde, glaube ich
auch, doch «Night Wolf» liegt jetzt locker drin und wer weiss,
vielleicht erleben wir Balingen (D) ja eine faustdicke Überraschung.
Von den härteren Tracks ist «Easy Rocker» immer noch ein sicherer
Wert und beendete den regulären Set. Dass dann im Zugabenteil
insgesamt drei der erwähnten sieben Neuheiten auftauchten,
unterstreicht das Selbstvertrauen von Krokus im Jahr 2010. Zur
Single «Hoodoo Woman» wurden
grosse Feuerschalen in Brand gesteckt,
was gut ins Gesamtbild passte und hierzu steuerten die Fans laustarken Gesang bei. Das geschah bei «Born To Be Wild» auch, wo
vor allem die männlichen Vertreter eine ansprechende Singleistung
ablieferten. Ob es diese Cover-Version nun braucht oder nicht...,
Fakt ist, dass es eine packende Live-Nummer ist und in der
"Schweizer Version" nicht ein blosses Nachspielen des Originals.
Nach knappen 100 Minuten war der Tour-Auftakt 2010 auch schon wieder
Geschichte und machte auf jeden Fall Lust auf noch mehr. Interessant
dürfte es anfangs Juli in Huttwil werden, wo als direkter Vergleich
die Kollegen von Gotthard auch mit von der Partie sind. Ob sich
danach die nationale Rangliste oder gar Wahrnehmung verändern wird,
sehen wir dann vor Ort, das heisst die Antworten darauf gibt es
direkt von der Bühne herunter. Die heutige Vorstellung in Zuchwil
war mit Sicherheit top, offenbarte jedoch noch etwas Potenzial, was
ja grundsätzlich erfreulich ist. Welcome back on stage boys! (rsl)
Setliste: «Intro/Long Stick Goes Boom» - «Hellraiser» - «Shot Of
Love» - «Ride Into The Sun» - «Rock N'Roll Handshake» - «American
Woman» - «Tokyo Nights» - «Fire» - «Dirty Street» - «Screaming In
The Night» - «Rock N'Roll Tonight» - «Heatstrokes» - «Easy Rocker»
-- «Drive It In» - «Bedside Radio» --- «Hoodoo Woman» - «Born To Be
Wild».
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