Ich als Dauerzitierer der Retrospektive komme nicht umhin, darauf
hinzuweisen, dass das grosse Reunion-Konzert von Krokus im Stade de
Suisse in Bern schon bald wieder fünf Jahre (02.08.08) her ist! Es
war das Riesending schlechthin, die grösste Schweizer Rock-Band in
diesem Rahmen und (damals noch) in der Original-Besetzung wieder
live abrocken sehen zu können. Dieses freudige Ereignis nährte
natürlich die Lust an neuen Songs, die dann 2010 mit dem sechzehnten
Studio-Album «Hoodoo» Tatsache wurden. Das Resultat fiel sehr solide
aus und die Konzerte der «Hoodoo-Tour» bestätigten darauf mit
kleinen Abstrichen, dass der Altherren-Club das Rocken nicht
verlernt hatte.
Wer nun aber dachte oder gar hoffte, dass die Lineup-Reunion bis zur
Rente Bestand haben würde, sah sich alsbald mit neuen Fakten
konfrontiert. Dieses hier unkommentierte Gebaren gehört offenbar
zwingend zur Bandgeschichte und mit der kürzlich gemachten
Ankündigung, dass Flavio Mezzodi der neue offizielle Drummer von
Krokus sei, erhält die Namensliste der Krokus-Musiker einen weiteren
Eintrag. Den hat der zurück gekehrte Mandy Meyer freilich schon und
2013 heisst es nun studio- wie livemässig «Dirty Dynamite»! Der
Schweizer Konzert-Auftakt zur aktuellen „The Close Contact Dög Tour
2013“ hätte nicht besser anlaufen können, denn nicht weniger als
fünf Sold-Out Shows wurden in Zürich (zweimal) und Solothurn
(dreimal) abgehalten.
Bob Spring (nur in Zürich)
Eigentlich wusste der ehemalige Gitarrist/Sänger von Backwash am
Nachmittag noch nicht, dass er am Abend auf der Bühne des total
ausverkauften Volkshauses in Zürich auftreten wird. Offensichtlich
war dies eine kurzfristige Entscheidung des Krokus-Managements
gewesen. Klingt zwar irgendwie etwas schräg, aber seis drum. Bob
Spring konnte das freilich egal sein, obwohl ich ehrlich gesagt
nicht unbedingt in seiner Haut hätte stecken wollen. Eine Acoustic-Guitar Oneman-Show vor ausver-kaufter Kulisse eines
Top-Headliners? Das hätte sich wohl mancher so nicht zwingend
getraut und als auch meine Wenigkeit begriff, in welcher Art und
Weise das Vorprogramm daher kommen sollte, hatte ich so meine
Zweifel. Doch erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Bob
Spring, der zuerst kurz mitteilte, dass er wirklich so heisst, kam
also (noch bei gezogenem Vorhang) nur mit seiner Gitarre ausgerüstet
an den Bühnenrand und setzte sich auf den dort bereit gestellten
Hocker. Sein Zürcher Dialekt und das sleazige Aussehen (vor allem
von den Haaren her) waren dann wohl schon mal nützlich, dass nicht
gleich der erste Bierbecher zu fliegen kam. Dann spielte er bei
guter Stimme knapp zwanzig Minuten lang einige Lieder, wovon auch
was Ruhigeres und entlockte so dem grundsätzlich gut gesinnten
Publikum ein erstaunliches Applaus-Feedback. Das verwunderte ihn
sichtlich und spornte ihn so gleichzeitig an, seine Chose wie
geplant durch zu ziehen. Dem gebührte aufrichtiger Respekt, den aber
einige Besucher um mich herum nicht hatten, da sie die ganze Zeit
irgendwelche Belanglosigkeiten bequatschten und das Zuhören störten.
Eine Unsitte, die mir an Konzerten im Stehplatzbereich immer wieder
auffällt und überall mächtig auf den Senkel geht. Für was zahlen die
Leute denn Eintritt, wenn sie die halbe Zeit bloss am Plappern sind
und nicht mal richtig in Richtung Bühne sehen, geschweige denn was
mitbekommen, was auf der Bühne läuft? Bleibt doch besser draussen im
Foyer oder gleich am besten zu Hause!
Krokus
Obwohl „Dö Röhr“ Chris von Rohr (b) während dem ersten Konzert (in
Zürich) mal erwähnte, dass er nun schon über dreissig Jahre nicht
mehr hier gewesen sei (was nicht stimmt, denn am 4. April 1988
spielten Krokus eine Euro Double-Headliner Tour mit circa je 75
Minuten Spielzeit, zusammen mit Ted Nugent. Das wären dann also mal
„nur“ 25 Jahre seither. Egal..., die Vorfreude auf den ersten Gig
von insgesamt fünf ausverkauften Konzerten in Zürich und Solothurn
war gross. Wie würde sich das nun also mit Mandy Meyer als dritten
und festen Gitarristen anhören, welcher Drummer (Dani Loeble oder
Flavio Mezzodi) die Felle verdreschen und vor allem welche neuen wie
alten Songs zum Zug kommen?! Fragen über Fragen. Das Erste, was
gleich auffiel, als der Vorhang geöffnet wurde, war das neue
Backdrop mit dem „Dög“ drauf. Das gehört sich natürlich so und nimmt
ja jeweilen Bezug auf das Cover-Artwork der neuen Scheibe, aktuell «Dirty
Dynamite». Schön und gut, aber mir gefiel der Totenkopf von der
letzten Tour her um einiges besser. Noch erfreulicher war jedoch die
Tatsache, dass trotz der Ankündigung, dass Helloween Drummer Dani
Loeble bis auf ein paar Ausnahmen den Fellgerber-Job für die
anstehende Tour inne habe, nun erstmal Flavio Mezzodi (Ex-Felskinn,
Ex-Fox) hinter den Kesseln sass. Doch schon bald sollte es für den
Solothurner gar noch besser kommen! Davon nachfolgend gleich mehr.
Der nächste Punkt war der
Opener…, normalerweise gebührte die Ehre
ja stets «Long Stick Goes Boom» als eigentlich ultimativem Song in
diesem Zusammenhang. Heuer kam es tatsächlich anders, denn mit
«Hallelujah Rock’n’Roll» kam der Album-Opener von «Dirty Dynamite»,
gefolgt von «Go Baby Go», ebenso einem Neuling. «Winning Man» sorgte
dann für die gänsehautbehaftete Zeitreise in die 80er und spätestens
ab jetzt ging es richtig los, vorab schon mal mit einem töften Solo
von Mandy, der sich seine Parts optimal mit Fernando und Mark
einteilte. «Long Stock Goes Boom» kam bretthart, metallisch bröselnd
und mit einer von Flavio gnadenlos geil gespielten Snare-Drum. Die
Stimmung kochte nun vollends über und es war einfach nur noch
mordsgeil. Der «Dög Song» entpuppte sich als sehr wertige Ergänzung
der aktuellen Setliste, bevor der Oldie «Fire», wiederum mit geilen
Leads von Mandy die gute alte Zeit erneut herauf beschwor. Der
Titeltrack «Dirty Dynamite» erwies sich live ein gutes Stück
knackiger als auf der Studioscheibe und «Screaming In The Night» ist
nach wie vor eine der stärksten Rock-Halbballaden ever! Besser gehts
einfache nimmer! Vor dem mächtigen «Easy Rocker» kam Chris nach
vorne und widmete diesen Song dem kürzlich verstorbenen
Ex-Schlagzeuger Dani Crivelli (R.I.P.) und auch der unvergessene
Tommy Kiefer (R.I.P.) wurde in diese Gedanken miteingeschlossen.
Danach war die Reihe an Flavio Mezzodi, der mit seinem kurzweiligen
und fetten Drum-Solo gleich die Weichen für den späteren Entscheid
der festen Aufnahme in die Band legte! Das hiess also nichts
anderes, als dass Dani Loeble (Helloween) entgegen den im Vorfeld
gemachten Aussagen für den Rest der Tour nicht mehr berücksichtigt
wird! Tja..., des einen Freud ist stets des andern Leid. Mit
weiteren Klassikern wurde die tolle Stimmung weiter hoch gehalten,
was im temperaturmässig bedeutend heisseren Kofmehl für einigen
Schweiss mehr sorgte. Die Performances an sich waren vergleichbar,
obwohl ich am Schluss Zürich leicht favorisiert habe. Ganz alles
lief allerdings an beiden Orten nicht ganz rund, denn alle drei
Gitarristen veschwanden zwischendurch ein paar Mal und mussten
kleinere Probleme beheben lassen. Einmal machte Fernando den
aufopfernd spielenden Mark (in Solothurn) darauf aufmerksam, dass
seine Klampfe nicht mehr eingestöpselt sei und das Kabel runter
hing. Allerdings litten die Auftritte nicht wirklich darunter, aber
in Sachen Technik sollte es auf diesem Nivea eigentlich keine
Einschränkungen geben. Im zweiten Zugabeblock überraschte eine
ziemlich tighte Version von «Eat The Rich» nicht nur meine
Wenigkeit. Warum dann aber der Dylan-Song und Klassiker «Mighty
Quinn» (O-Ton Dö Röhr: "Der erste Song, den Krokus je zusammen
gespielt haben) noch kommen musste, ist für mich als
leidenschaftlicher Anhänger der Manfred Mann's Earth Band halt
wirklich nicht nachvollziebar und schlicht unnötig, da man ja noch
so eine Riesenauswahl an anderen geilen Songs wie «Nightwolf», «Russian
Winter», «Bad Boys, Rag Dolls», «American Woman» und vielen anderen
mehr gehabt hätte. Natürlich gibt es dabei
einzelne Songs, die Marc
von der früheren Stimmlage nicht mehr erreicht wie «Playin' The
Outlaw», doch es blieb noch genug Überzeugendes übrig. Überhaupt
zeigte sich Frontmann Marc Storace in bestechender Form. Immerhin
wurde das unsägliche «Born To Be Wild» aus dem Set gekippt. So
schlugen in Zürich wie in Solothurn unter dem Strich rund 100 sehr
unterhaltsame und inspirierende Minuten zu Buche, die eindeutig Lust
auf mehr, sprich die anstehenden Festivals wie das «Sweden Rock»
machten. Es dürfte so oder so mit Sicherheit einige Fans darunter
gehabt haben, die sich zwei oder gar drei Konzerte gönnten. Krokus
are back once again und man sah es den Musikern wie dem Publikum
deutlich an, dass alle mächtig Spass hatten und friedlich zusammen
abrockten.
Setliste: «Intro (Addio a Cheyenne, from Once Upon A Time In The
West, Soundtrack by Ennio Morricone)» - «Hallelujah Rock'n'Roll» -
«Go Baby Go» - «Winning Man» - «Rattlesnake Rumble» - «Long Stick
Goes Boom» - «Better Than Sex» - «Dög Song» - «Fire» - «Dirty
Dynamite» - «Screaming In The Night» - «Easy Rocker (followed by
drum solo)» - «Bedside Radio» - «Heatstrokes» -- «Hoodoo Woman» -
«Tokyo Nights» --- «Eat the Rich» - «Mighty Quinn (Bob Dylan cover)»
- «Outro (Always Look On The Bright Side Of Life, Monty Python)».
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