Livereview: Krokus (Zwei Shows - Special)

02. Mai 2013, Zürich – Volkshaus & 09. Mai 2013, Solothurn – Kofmehl
By Rockslave – All Pics by Liane P. (ZH)
Ich als Dauerzitierer der Retrospektive komme nicht umhin, darauf hinzuweisen, dass das grosse Reunion-Konzert von Krokus im Stade de Suisse in Bern schon bald wieder fünf Jahre (02.08.08) her ist! Es war das Riesending schlechthin, die grösste Schweizer Rock-Band in diesem Rahmen und (damals noch) in der Original-Besetzung wieder live abrocken sehen zu können. Dieses freudige Ereignis nährte natürlich die Lust an neuen Songs, die dann 2010 mit dem sechzehnten Studio-Album «Hoodoo» Tatsache wurden. Das Resultat fiel sehr solide aus und die Konzerte der «Hoodoo-Tour» bestätigten darauf mit kleinen Abstrichen, dass der Altherren-Club das Rocken nicht verlernt hatte.

Wer nun aber dachte oder gar hoffte, dass die Lineup-Reunion bis zur Rente Bestand haben würde, sah sich alsbald mit neuen Fakten konfrontiert. Dieses hier unkommentierte Gebaren gehört offenbar zwingend zur Bandgeschichte und mit der kürzlich gemachten Ankündigung, dass Flavio Mezzodi der neue offizielle Drummer von Krokus sei, erhält die Namensliste der Krokus-Musiker einen weiteren Eintrag. Den hat der zurück gekehrte Mandy Meyer freilich schon und 2013 heisst es nun studio- wie livemässig «Dirty Dynamite»! Der Schweizer Konzert-Auftakt zur aktuellen „The Close Contact Dög Tour 2013“ hätte nicht besser anlaufen können, denn nicht weniger als fünf Sold-Out Shows wurden in Zürich (zweimal) und Solothurn (dreimal) abgehalten.

Bob Spring (nur in Zürich)
Eigentlich wusste der ehemalige Gitarrist/Sänger von Backwash am Nachmittag noch nicht, dass er am Abend auf der Bühne des total ausverkauften Volkshauses in Zürich auftreten wird. Offensichtlich war dies eine kurzfristige Entscheidung des Krokus-Managements gewesen. Klingt zwar irgendwie etwas schräg, aber seis drum. Bob Spring konnte das freilich egal sein, obwohl ich ehrlich gesagt nicht unbedingt in seiner Haut hätte stecken wollen. Eine Acoustic-Guitar Oneman-Show vor ausver-kaufter Kulisse eines Top-Headliners? Das hätte sich wohl mancher so nicht zwingend getraut und als auch meine Wenigkeit begriff, in welcher Art und Weise das Vorprogramm daher kommen sollte, hatte ich so meine Zweifel. Doch erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Bob Spring, der zuerst kurz mitteilte, dass er wirklich so heisst, kam also (noch bei gezogenem Vorhang) nur mit seiner Gitarre ausgerüstet an den Bühnenrand und setzte sich auf den dort bereit gestellten Hocker. Sein Zürcher Dialekt und das sleazige Aussehen (vor allem von den Haaren her) waren dann wohl schon mal nützlich, dass nicht gleich der erste Bierbecher zu fliegen kam. Dann spielte er bei guter Stimme knapp zwanzig Minuten lang einige Lieder, wovon auch was Ruhigeres und entlockte so dem grundsätzlich gut gesinnten Publikum ein erstaunliches Applaus-Feedback. Das verwunderte ihn sichtlich und spornte ihn so gleichzeitig an, seine Chose wie geplant durch zu ziehen. Dem gebührte aufrichtiger Respekt, den aber einige Besucher um mich herum nicht hatten, da sie die ganze Zeit irgendwelche Belanglosigkeiten bequatschten und das Zuhören störten. Eine Unsitte, die mir an Konzerten im Stehplatzbereich immer wieder auffällt und überall mächtig auf den Senkel geht. Für was zahlen die Leute denn Eintritt, wenn sie die halbe Zeit bloss am Plappern sind und nicht mal richtig in Richtung Bühne sehen, geschweige denn was mitbekommen, was auf der Bühne läuft? Bleibt doch besser draussen im Foyer oder gleich am besten zu Hause!

Krokus
Obwohl „Dö Röhr“ Chris von Rohr (b) während dem ersten Konzert (in Zürich) mal erwähnte, dass er nun schon über dreissig Jahre nicht mehr hier gewesen sei (was nicht stimmt, denn am 4. April 1988 spielten Krokus eine Euro Double-Headliner Tour mit circa je 75 Minuten Spielzeit, zusammen mit Ted Nugent. Das wären dann also mal „nur“ 25 Jahre seither. Egal..., die Vorfreude auf den ersten Gig von insgesamt fünf ausverkauften Konzerten in Zürich und Solothurn war gross. Wie würde sich das nun also mit Mandy Meyer als dritten und festen Gitarristen anhören, welcher Drummer (Dani Loeble oder Flavio Mezzodi) die Felle verdreschen und vor allem welche neuen wie alten Songs zum Zug kommen?! Fragen über Fragen. Das Erste, was gleich auffiel, als der Vorhang geöffnet wurde, war das neue Backdrop mit dem „Dög“ drauf. Das gehört sich natürlich so und nimmt ja jeweilen Bezug auf das Cover-Artwork der neuen Scheibe, aktuell «Dirty Dynamite». Schön und gut, aber mir gefiel der Totenkopf von der letzten Tour her um einiges besser. Noch erfreulicher war jedoch die Tatsache, dass trotz der Ankündigung, dass Helloween Drummer Dani Loeble bis auf ein paar Ausnahmen den Fellgerber-Job für die anstehende Tour inne habe, nun erstmal Flavio Mezzodi (Ex-Felskinn, Ex-Fox) hinter den Kesseln sass. Doch schon bald sollte es für den Solothurner gar noch besser kommen! Davon nachfolgend gleich mehr. Der nächste Punkt war der Opener…, normalerweise gebührte die Ehre ja stets «Long Stick Goes Boom» als eigentlich ultimativem Song in diesem Zusammenhang. Heuer kam es tatsächlich anders, denn mit «Hallelujah Rock’n’Roll» kam der Album-Opener von «Dirty Dynamite», gefolgt von «Go Baby Go», ebenso einem Neuling. «Winning Man» sorgte dann für die gänsehautbehaftete Zeitreise in die 80er und spätestens ab jetzt ging es richtig los, vorab schon mal mit einem töften Solo von Mandy, der sich seine Parts optimal mit Fernando und Mark einteilte. «Long Stock Goes Boom» kam bretthart, metallisch bröselnd und mit einer von Flavio gnadenlos geil gespielten Snare-Drum. Die Stimmung kochte nun vollends über und es war einfach nur noch mordsgeil. Der «Dög Song» entpuppte sich als sehr wertige Ergänzung der aktuellen Setliste, bevor der Oldie «Fire», wiederum mit geilen Leads von Mandy die gute alte Zeit erneut herauf beschwor. Der Titeltrack «Dirty Dynamite» erwies sich live ein gutes Stück knackiger als auf der Studioscheibe und «Screaming In The Night» ist nach wie vor eine der stärksten Rock-Halbballaden ever! Besser gehts einfache nimmer! Vor dem mächtigen «Easy Rocker» kam Chris nach vorne und widmete diesen Song dem kürzlich verstorbenen Ex-Schlagzeuger Dani Crivelli (R.I.P.) und auch der unvergessene Tommy Kiefer (R.I.P.) wurde in diese Gedanken miteingeschlossen.


Danach war die Reihe an Flavio Mezzodi, der mit seinem kurzweiligen und fetten Drum-Solo gleich die Weichen für den späteren Entscheid der festen Aufnahme in die Band legte! Das hiess also nichts anderes, als dass Dani Loeble (Helloween) entgegen den im Vorfeld gemachten Aussagen für den Rest der Tour nicht mehr berücksichtigt wird! Tja..., des einen Freud ist stets des andern Leid. Mit weiteren Klassikern wurde die tolle Stimmung weiter hoch gehalten, was im temperaturmässig bedeutend heisseren Kofmehl für einigen Schweiss mehr sorgte. Die Performances an sich waren vergleichbar, obwohl ich am Schluss Zürich leicht favorisiert habe. Ganz alles lief allerdings an beiden Orten nicht ganz rund, denn alle drei Gitarristen veschwanden zwischendurch ein paar Mal und mussten kleinere Probleme beheben lassen. Einmal machte Fernando den aufopfernd spielenden Mark (in Solothurn) darauf aufmerksam, dass seine Klampfe nicht mehr eingestöpselt sei und das Kabel runter hing. Allerdings litten die Auftritte nicht wirklich darunter, aber in Sachen Technik sollte es auf diesem Nivea eigentlich keine Einschränkungen geben. Im zweiten Zugabeblock überraschte eine ziemlich tighte Version von «Eat The Rich» nicht nur meine Wenigkeit. Warum dann aber der Dylan-Song und Klassiker «Mighty Quinn» (O-Ton Dö Röhr: "Der erste Song, den Krokus je zusammen gespielt haben) noch kommen musste, ist für mich als leidenschaftlicher Anhänger der Manfred Mann's Earth Band halt wirklich nicht nachvollziebar und schlicht unnötig, da man ja noch so eine Riesenauswahl an anderen geilen Songs wie «Nightwolf», «Russian Winter», «Bad Boys, Rag Dolls», «American Woman» und vielen anderen mehr gehabt hätte. Natürlich gibt es dabei einzelne Songs, die Marc von der früheren Stimmlage nicht mehr erreicht wie «Playin' The Outlaw», doch es blieb noch genug Überzeugendes übrig. Überhaupt zeigte sich Frontmann Marc Storace in bestechender Form. Immerhin wurde das unsägliche «Born To Be Wild» aus dem Set gekippt. So schlugen in Zürich wie in Solothurn unter dem Strich rund 100 sehr unterhaltsame und inspirierende Minuten zu Buche, die eindeutig Lust auf mehr, sprich die anstehenden Festivals wie das «Sweden Rock» machten. Es dürfte so oder so mit Sicherheit einige Fans darunter gehabt haben, die sich zwei oder gar drei Konzerte gönnten. Krokus are back once again und man sah es den Musikern wie dem Publikum deutlich an, dass alle mächtig Spass hatten und friedlich zusammen abrockten.


Setliste: «Intro (Addio a Cheyenne, from Once Upon A Time In The West, Soundtrack by Ennio Morricone)» - «Hallelujah Rock'n'Roll» - «Go Baby Go» - «Winning Man» - «Rattlesnake Rumble» - «Long Stick Goes Boom» - «Better Than Sex» - «Dög Song» - «Fire» - «Dirty Dynamite» - «Screaming In The Night» - «Easy Rocker (followed by drum solo)» - «Bedside Radio» - «Heatstrokes» -- «Hoodoo Woman» - «Tokyo Nights» --- «Eat the Rich» - «Mighty Quinn (Bob Dylan cover)» - «Outro (Always Look On The Bright Side Of Life, Monty Python)».