Eine Woche vor Heiligabend war in der Landes-Hauptstadt Bern noch
etwas gepflegter "Lärm" angesagt, dem man sich als geneigter Rockfan
eigentlich nicht entziehen konnte. Während die erste Veranstaltung
mit «Rockin' Christmas Festival» benamst wurde, fand am Tag darauf
(entsprechend dem Härtegrad) das «Metal Christmas Festival mit
insgesamt sieben Bands, darunter Korpiklaani, Sabaton und U.D.O.
statt. Einen Tag zuvor sollten es eigentlich drei Protagonisten
sein, nämlich The Sweet (oder was noch von ihnen übrig ist), Uriah
Heep und Krokus als Headliner. Bevor man die Sache jedoch angehen
konnte, musste das Publikum ja zuerst anreisen und das war an diesem
Freitag Abend aufgrund der prekären (Neu-) Schneeverhältnisse
wahrlich kein Zuckerschlecken. Darum waren an diesem Abend die
öffentlichen Verkehrsmittel, sprich Zug und Tram klar Trumpf und ich
sollte das nicht bereuen! Leider widerfuhr The Sweet das grosse
Pech, dass sie irgendwo stecken geblieben waren. So musste
für sie ziemlich rasch Ersatz gefunden werden und die Veranstalter
hatten Glück!
Juraya
Die Schweizer Rockband aus dem Raum Interlaken war schon mal im Z7
in Pratteln zu Gast und zwar als Support von MSG im Frühherbst 2009.
Eigentlich hätte das Konzert mit der ersten Band des Abends um 19.00
Uhr beginnen sollten, aber den eigenen Angaben zu Folge waren die
Musiker kurz vor 17.00 Uhr noch schön brav zu Hause oder wo auch
immer, als ein dringlicher Anruf aus Bern kam. Juraya fackelten
darauf nicht lange, luden kurzerhand auf was sie brauchten und
brausten unverzüglich in Richtung Berner Expo Halle davon. Eine
halbe Stunde nach dem offiziellen Start des Anlasses, also 19.30 Uhr
waren die vier Giele (zu Deutsch: Jungs) ready und der Veranstalter
sicherlich froh, dass alles so kurzfristig organisiert werden
konnte. Mit der Zeit drang es durch, dass der Beginn des «Rockin'
Christmas Festival» nicht planmässig stattfinden konnte. Für Juraya
war dieser Spontaneinsatz freilich wie vorgezogene Weihnachten, denn
sie konnten vor gut 1'000 Leuten aufspielen. Entsprechend motiviert
gingen
sie ans Werk und steigerten sich mit jedem Song. Der glatzköpfige Sänger Peter Urfer bewies dabei seine unbestrittenen
Qualitäten als Frontmann und auch der Rest der Truppe mit Gitarrist
Gian Carlos Monn, Bassist Bill Jürg und Schlagzeuger Thomas Wälti
hinterliess einen tighten Eindruck. Diese Spontanität übertrug sich
bald auf die Stimmung in der Halle, die immer besser wurde. Die
Rahmenbedingungen in Sachen Sound und vor allem dem üppigen Licht
hatten dabei einen nicht unerheblichen Anteil an dieser erfreulichen
Tatsache. Die synthesizerfreie Mucke bestand zum einen aus Songs des
Albums «Open Secrets», allenfalls auch neuerem Material und
mindestens einem Cover wie dem ganz passablen Manfred Mann Klassiker
«Davy's On The Road Again». Nach rund 35 Minuten gab es deshalb zu
einem ganz feinen Schlussapplaus nur zufriedene Gesichter..., auf
der wie vor der Bühne.
Setliste: «Meaning Of Life» - «Tinsle Town» - «Secrets Of Love» -
«Separate Ways» - «Times Of Desire» - «Davy's On The Road Again» - «Magic»
- «Guilty» -- «My Way» (bin zwar nicht mehr ganz sicher, ob diese
Zugabe wirklich gespielt wurde).
Uriah Heep
Eines war für mich schon klar, bevor auch nur ein Ton gespielt
wurde..., das hypergeniale Konzert neun Tage zuvor in Aarburg würde
niemals getoppt werden können. Und, um es gleich vorweg zu nehmen,
ich hatte Recht. Allerdings sagt man dem natürlich jammern auf hohem
Niveau, denn bislang habe ich noch kein einziges, schlechtes Konzert
von Mick Box und Co. gesehen. Eine Weile sah es zwar so aus, wie
wenn auch die zweite Band des Abends den Schneewirren Tribut hatte
zollen müssen, weil um 20.30 Uhr hörte ich von einem der Stage-Mitarbeiter, dass die Band noch nicht mal in Bern angekommen
sei! Das waren nun in der Tat keine guten Nachrichten, die aber eine
knappe halbe Stunde später nicht mehr von Bedeutung waren, als Uriah
Heep auf die längstens hergerichtete Bühne stiegen und es gleich mit
«Wake The Sleeper», gefolgt von «Overload», ordentlich krachen
liessen. Spätestens beim ersten Oldie «Return To Fantasy» waren die
Musiker so quasi warm gespielt und die Fans der Lethargie des voran
gegangenen Wartens entflohen. Aufgrund der verkürzten Setliste als
zweiter Support von Krokus traten die Briten schon jetzt zur Reise
in die musikalische Vergangenheit an und zelebrierten ihre zeitlose
Musik. Der Sound war ganz ok, obwohl dieser in der grossen Halle
niemals die Kompaktheit wie in einer deutlich kleineren Location
erreichte. Die BEA Expo Halle fasst maximal etwa 4'500 Fans, wenn
die Hütte ausverkauft ist. Heute Abend war vielleicht knapp ein
Drittel davon anwesend, weshalb die Halle etwa in der Mitte mit
grossen, schwarzen Tüchern abgehängt, respektive verkleinert wurde.
Trotzdem hatte es noch genügend Freiraum, aber das anwesende
Publikum war gut drauf und ergötzte sich an den kultigen Songs der
Altmeister. Bassist Trevor Bolder legte sich auch in Bern voll ins
Zeug, optisch wie spieltechnisch. Der
geniale, schon fast knarzende
Klang aus dem "Moonwalker Club» stellte sich leider nicht in der
gleichen Intensität ein, aber das war ja auch nicht zu erwarten.
Uneingeschränkte Freude bereitete hingegen «Stealin'», das bei den
jeweiligen Headliner-Gigs nicht immer in der Setliste auftaucht.
Mein Favorit war aber klar «July Morning», wo abermals alle Register
gezogen wurden. Dieser inzwischen sagenhaft 40-jährige (!) Übersong
gehört zum Weltkultur-Erbe der Rockmusik und ist schlicht und
ergreifend "unkaputtbar". Das bestens bekannte Keyboard-Intro auf
der 71er Studio-Scheibe «Look At Yourself» wurde übrigens von einem
gewissen Manfred Mann eingespielt! «Easy Livin'» beendete den
Hauptteil und als Zugabe setzte «Sunrise» die letzte Duftmarke des
knapp stündigen Auftrittes. Fehlt da nicht noch was? Die gleiche
Frage stellten sich wohl noch einige mehr, aber es war Tatsache:
«Lady In Black» wurde tatsächlich ausgelassen! Hört sich an sich
komisch an, war aber so. Da der Radio-Smasher auf der Setliste weder
aufgeführt noch allenfalls doch vorhanden, dann aber durchgestrichen war,
gehe ich jetzt mal davon aus, dass er der Support-Rolle geopfert werden
musste.
Setliste: «Intro/Wake The Sleeper» - «Overload» - «Return To Fantasy»
- «Bird Of Prey» - «Stealin'» - «Free An' Easy» - «Gypsy» - «Look At
Yourself» - «July Morning» - «Easy Livin'» -- «Sunrise».
Krokus
Dieser Auftritt stand für meine Wenigkeit ganz im Fokus der
Entwicklung seit dem Tourstart der «Hoodoo»-Tour, die ja im
vergangenen Frühling ihren Anfang nahm. Dazwischen lag vor allem die
bemerkenswerte Visitenkarte, die man in Balingen beim BYH!!!-Festival
hinterlassen hatte, sowie einige weitere Openair-Auftritte in
Deutschland, Österreich, Frankreich, Luxemburg und der Tschechischen
Republik. Im Rahmen des heimatlichen «Rockin' Christmas Festival»
von insgesamt vier Konzerten war die Berner Stippvisite der dritte
Streich. Die Bedingungen konnten somit nicht besser sein, dass man
eigentlich auf eine top eingespielte Band treffen sollte. Der
Set-Auftakt gebührte traditionell wie immer «Long Stick Goes Boom»
und war bereits ein erster Gradmesser dafür, ob das Ganze mit dem
erwünschten Druck rüber kam oder nicht. Und in der Tat vermochten
die ersten Minuten erfreulicher-weise zu überzeugen. Meine
persönliche Wahrnehmung davon war im Fotograben während den ersten
drei Songs allerdings etwas eingeschränkt. Danach mischte ich mich
mitten unters Fussvolk und liess mich einfach nur noch voll
beschallen. «Shot Of Love», mein Lieblingssong vom neuen Album,
geriet abermals vorzüglich und trotz zu Beginn etwas basslastigem
Sound konnte man mit dem Gezeigten durchaus zufrieden sein. Marc
Storace war stimmlich voll auf der Höhe, auch wenn er nicht mehr
ganz alle hohen Gesangslinien so wie früher bringen kann. Im
Vergleich mit Kollegen in seinem Alter schlägt er sich jedoch immer
noch glänzend. Das schleppende «Winning Man» bildete zum direkt
nachfolgenden «Rock'n'Roll Handshake» die kaum fassbare Zeitbrücke
von 29 Jahren und «Tokyo Nights» setzte noch einen drauf und
markierte satte drei Dekaden! Unseren geschätzten LesernInnen dürfte
bei meinen Berichten längst aufgefallen sein, dass ich oft solche
Zeitsprünge dokumentiere, aber es ist nun mal Tatsache, dass
altgediente Bands nebst vielen neuen und jungen Gruppen noch längst
bestehen können. Das wird sich jedoch von jetzt an gerechnet in
wenigen Jahren laufend verändern und darum ist es empfehlenswert,
sich alles noch anzusehen, solange es geht! So gross die Freude über
die Rückkehr des alten Lineup von Krokus ist, so wehmütig denkt man
an Songs, die man trotz allem wohl nicht mehr live hören wird. Damit
einher geht natürlich die Setliste als solche, die halt seit
Längerem mehr oder weniger gleich geblieben ist. Klar, die Hits wie
«American Woman», «Tokyo Nights» oder «Heatstrokes» fehlen ja nicht,
aber wo bleibt zum Beispiel «Stayed Awake All Night», «Nightwolf» (ok,
mit Mandy Meyer und Stefan Schwarzmann kam der ja wieder!) oder ein
paar Songs des unbestritten geilen «To Rock Or Not To Be» Albums?
Immerhin hat sich «Easy Rocker» gehalten und ja..., «Headhunter»...,
doch lassen wir dieses Thema ruhen und erfreuen uns an dem was ist,
und das ist ja beileibe nicht schlecht! Was mir heute Abend
besonders gefiel, respektive auffiel, war ein sichtlich agilerer
Mark Kohler, der sich öfters mal auf der Bühne hin und her bewegte
und wie in alten Zeiten mit Fernando von Arb um die Wette poste.
Freddy Steady schien auch auf der Höhe seiner Aufgabe zu stehen und
seien wir jetzt mal ehrlich..., «Nightwolf» würde jetzt also
wirklich drin liegen. Wie dem auch sei..., derweil hielt sich der
Kopftuch tragende Bassist mit eher schräg anmutenden Wortmeldungen
ans Publikum soweit zurück und lieferte einen soliden, wenn auch
unspektakulären Rhythmus-teppich bei. «Hoodoo Woman» als erste Zugabe
hat sich inzwischen definitiv zu einem Live-Klassiker gemausert und
konnte die grundsätzlich gute Stimmung noch einmal anheben. Da ich
mich (und viele andere wohl auch) mental schon auf das unweigerliche
wie immer noch unnötige Steppenwolf-Cover «Born To Be Wild» als
Konzertabschluss eingestimmt hatte, wurde überraschend und zu Ehren
von Steve Lee (R.I.P.) der Bob Dylan Smasher «Mighty Quinn»
(allgemein bekannter in der Version von Manfred Mann's Earth Band)
gespielt. Eine nette wie aufrichtige Geste für den tragisch
verstorbenen Freund, die dankbar und mit einem gebührenden
Schlussapplaus bedacht wurde. Mir hat das Gezeigte auch vom Sound
und dem Licht her sehr gefallen und die ganze Chose hatte klar mehr
Biss als beim ersten Konzert in Zuchwil. Mal sehen, was die Zukunft
also noch bringen wird, doch zuerst standen nun die Festtage und der
Jahreswechsel auf dem Programm.
Setliste: «Long Stick Goes Boom» - «American Woman» - «Rock City» - «Shot
Of Love» - «Winning Man» - «Rock'n'Roll Handshake» - «Tokyo Nights» - «Fire»
- «Screaming In The Night» - «Rock'n'Roll Tonite» - «Easy Rocker» -
«Heatstrokes» -- «Hoodoo Woman» - «Bedside Radio» --- «Mighty Quinn».
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