Livereview: Last In Line - Killer

11. August 2017, Pratteln – Z7
By Tinu
Diskussionen mit Rockslave sind stets eine herzerfrischende Angelegenheit. Dass wir uns dabei nicht immer einig sind, ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Das soll und muss auch irgendwie so sein, greift aber zu keiner Sekunde unsere jahrelange Freundschaft an! Wir können uns sehr einig sein, wenn es um die neue Accept-Scheibe geht, aber auch gleichermassen uneinig, wenn es sich um Last In Line handelt. Ja mein lieber Rockslave, auch wenn Dio-Lieder ohne Ronnie James etwas sehr Unvorstellbares sind, haben Vivian Campbell (Gitarre) und Vinny Appice (Drums) eindrücklich bewiesen, dass die Instrumentalisten-Front ein gewichtiges Wort mitzureden hat. Rundet man dies noch mit einem begnadeten Sänger (Andrew Freeman) ab, kann man getrost die Augen schliessen und hat das Gefühl, in die grandiose Zeit zwischen 1983 und 1984 katapultiert zu werden.

Killer

Doch der Reihe nach. Bevor uns Last In Line gepflegt den Arsch versohlten, enterten die helvetischen Killer die Bühne. Crown Kocher, der kürzlich sein 65. Wiegenfest feierte, stand einmal mehr in seinem schwarz/weissen Daltongewand auf der Bühne. Sprich seinem Sträflingsanzug, ein Relikt aus den tollen achtziger Jahren. Man kann über das Quintett denken wie man will. Für die einen ist es immer wieder eine Bereicherung, mit dem AC/DC-lastigen Sound eins auf die Mütze zu bekommen, während für die anderen nach vier bis fünf Liedern der sichere Weg zur Bar gewählt wird. Wie so oft im Leben, liegt die Wahrheit in der Mitte. An Emi Bassbabe (Bass, logisch) liegt es sicher nicht, denn die Lady powert mit einer unglaublichen Performance über die Bühne, poste wie eine Göttin und schwang ihr langes Haar im Takt. Sie ist eine sehr grosse Bereicherung auf der linken Bühnenseite und verleiht der Truppe nicht nur optisch einen enormen Kick. Andy Lickford spaltet derweilen die Meinung der Nation ebenso, wie das Outfit von Crown. Für die einen ist der Sänger der perfekt passende Shouter bei den Solothurnern, für die anderen ein purer Kreischer. Lassen wir jetzt die unterschiedlichen Geschmäcker auf der Seite und wenden uns dem Versuch der Objektivität zu. Killer rockten! Es passierte viel auf der Bühne, die Band poste, der AC/DC-Groove verfehlt seine Wirkung selten und als Einheit hat der Fünfer einiges zu bieten. Die Band profitierte an diesem Abend von unglaublich tollen Lichtverhältnissen auf der Bühne und bewies ein Gespür für gute und weniger gute Ansagen. «Hello motherfucker! Ihr sid geili Sieche» oder «…wir haben noch einen Song. Eigentlich haben wir noch viele, aber ihr wollt ja noch eine richtige Band hören…» Mit zunehmender Spieldauer wurde der Applaus grösser und Killer überzeugten in ihrer Rolle als Anheizer. - Dabei wäre es auch mal schön gewesen, ein «Blood On The Black Flag», «Rock' n Roll Soldiers» oder «Stealin' My Mind Away» zu hören. - Unterm Strich: Es war eine gute Show, was aber danach folgte, war die Pforte zur metallischen Himmelstüre!




Last In Line

Ohne grossen Bühnenaufbau, nur mit einem durchsichtigen Drum als einziger "special effect" betraten Vivian, Vinny, Andrew, der ehemalige Ozzy- und Beggars And Thieves-Bassist Phil Soussan und Keyboarder Erik Norlander die Bühne, um mit «Stand Up And Shout» schon mal gehörig Gas zu geben. Ja, es stand nicht Dio auf der Bühne, aber zumindest 50% der Original Dio-Band und mit Mister Freeman ein Shouter, der sich problemlos mit Ronnie James messen lassen kann. UND! Vivian und Vinny spielten die Lieder endlich wieder so, wie sie klingen müssen. Ich erinnere mich nur zu gut, wie gross das Geheule war, als Ronnie zuerst mit Rowan Robertson und danach mit Tracy G auftrat und man das Gitarrenspiel von Vivian schmerzlich vermisste. Diese Rufe wurden schon bei seinem direkten Nachfolger Craig Goldy laut, obschon dieser eine sehr gute Leistung abgab. Also, mit Vivian an der Gitarre, eigentlich in Diensten bei Def Leppard, tönten die Lieder endlich wieder so, wie es sein müsste. Wäre Bassist Jimmy Bain letztes Jahr nicht gestorben, hätten an diesem Abend sogar 75% der einstigen Dio-Truppe auf der Bühne gestanden. Somit kann man auch nicht von einer Cover- oder Tribute Band sprechen, sondern von der Original-Truppe, die leider ohne ihren verstorbenen Sänger (Dio) wieder auftritt. Bassist Phil hatte eine gewisse Ähnlichkeit mit Jimmy, bewegte sich wie damals auf der «Ultimate Sin»-Tour, als er bei Ozzy im Tour-Tross war und hatte sichtlich Freude an den immer lauter werdenden Reaktionen des Publikums. Erik verhielt sich sehr ruhig und hatte seine Auftritte bei «Rainbow In The Dark» oder «Egypt (The Chains Are On)», während Vinny mit seiner unnachahmlichen Art knüppelhart den Takt vorgab.

Vivian solierte wie in seinen besten Tagen und von seiner Krebs-Erkrankung war kaum mehr was zu sehen. Die Riffs von «Stand Up And Shout», «Holy Diver», «Evil Eyes» oder «The Last In Line» setzten in all den Jahren kaum Staub an und bewiesen, dass gute Musik zeitlos ist. Auch wenn Vivian der heimliche Star auf der Bühne war, auf den die meisten Augen ruhten, überliess er Frontmann Andrew das Feld. Mit einer unglaublich sympathischen Art, einem starken Charisma, einer seelenruhigen Sicherheit und mit einer Stimme gesegnet, die Ihresgleichen sucht, trumpfte Andrew gross auf und hinterliess nur heruntergeklappte untere Kaubalken. Die Screams sassen ebenso wie die tieferen Parts und statt sich als Dio-Kopie lächerlich zu machen, präsentierte er sich auf eine sehr natürliche und authentische Art und Weise. Dabei trumpften logischerweise die Dio-Songs aus den ersten beiden Alben («Holy Diver» und «The Last In Line») gross auf, von «Sacred Heart» wurde nichts gespielt, aber die eigenen Tracks von Last In Line aus dem Debütalbum «Heavy Crown» erhielten genügend Platz zu ihrer Entfaltung. So konnten «Devil In Me», «Already Dead», «Martyr» und «Starmaker» sicher mehr überzeugen, als die damaligen Lieder aus den Dio-Alben «Strange Highways» und «Angry Machines».

Von Song zu Song wurde die Begeisterung im leider viel zu schlecht besuchten Z7 immer grösser. So waren am Schluss die vielleicht 200 Besucher um einiges lauter als 2'000 und liessen die Musiker nach 85 Minuten sehr glücklich und zufrieden von der Bühne gehen. Die Herren strahlten eine unglaubliche Zufriedenheit aus und hatten mächtig Spass in den Backen, auch ohne grosse Bühnenkulisse und Requisiten. Musikalische Highlights an diesem Abend waren sicher das von Dio kaum mehr gespielte «Evil Eyes» und das unglaublich geile «Invisible». Daneben trumpften «Egypt», «Straight Through The Heart» und «Stand Up And Shout» gross auf, während mit den Hymnen «Rainbow In The Dark», «We Rock» und «Holy Diver» eh nichts anbrennen konnte. Dazwischen geriet das sich aufbauende und von akustischen zu harten Parts wechselnde «The Last In Line», welches diesem Abend zu etwas ganz Speziellem verhalf, zu einer wahren Lern- und Sternstunde. Man darf diesen Abend somit durchaus als einen magischen Moment bezeichnen. Tja, lieber Rockslave und alle anderen daheim gebliebenen Musikbegeisterten: Ihr habt definitiv was verpasst! Selber schuld und ich kann Euch allen nur raten, diese tolle Band beim nächsten Mal nicht zu verpassen.

Setliste>: «Stand Up And Shout» - «Straight Through The Heart» - «Devil In Me» - «Evil Eyes» - «Holy Diver» - «Already Dead» - «Don't Talk To Strangers» - «The Last In Line» - «Drum Solo Vinny Appice» - «Martyr» - «Invisible» - «Rainbow In The Dark» - «Starmaker» - «Egypt (The Chains Are On)» - «We Rock».