Ultimative Provokation gefällig? Geschmacklose
Masseneinspielung an unschönen Vaginen und Fette-Leute-Fetisch?
Kannst du haben. Denn etwa das ist es, was mir vom Lindemannkonzert
in Erinnerung bleibt. Oh..., und das Herauspressen von farbigen Pillen
aus dem After. Danke, aber NEIN, danke. Zu allem Ärger auch noch
kein Fotograben und keine Fotos bei den Support-Acts.
Jadu
Mit nicht gerade meiner allerbesten Laune beginnt das Konzert für
mich mit der Berliner Künstlerin Jadu und deren Band. Sexy
angezogen, relativ angenehm singend, bringt sie das Publikum durch
den ersten Drittel des Abends. Da ich recht klein bin und von weit
hinten zusehe, kann ich mir zur Bühnenpräsenz kaum eine Meinung
bilden. Alles in Allem ist der Sound ganz nett und easy, aber
irgenwie fehlt mir das gewisse Etwas. Es ist klar, dass heute alle
wegen Lindemann da sind. Der Auftritt ist glücklicherweise kurz, und
so muss man sich nicht langweilen. Für ein wuchtiges Projekt wie
Lindemann noch einen Supportact auf Tour zu nehmen, ist für mich aber
nicht ganz ergründlich.
Aesthetic Perfection
Der zweite Supporter kommt aus den USA, und wieder darf nicht
fotografiert werden, doch die Darbietung wirkt anders, besser. Das
Elektro-Projekt aus Los Angeles bietet potenteren Sound und
deftigere Vocals, irgendwie an Manson orientiert. So steigt meine
Laune ein Wenig. Etwas verärgert bin ich aber, denn das Licht ist gut
und ich darf nicht im Graben stehen. Dennoch komme ich dazu, das
kurze Set zu geniessen. Wie bei Jadu ist die Atmosphäre immer noch
nicht gerade bombenmässig. Könnte auch an der eletronischen Musik
liegen, immerhin sind viele Metalheads hier wegen den Herren
Lindemann und Tägtgren. Die Laune des Publikums scheint generell
besser und meine Laune ist definitiv gehoben.
Lindemann
Der Star des Abends, unmissverständlich. Nach dem
pervers-ansprechenden Erstling und einem recht enttäuschenden aber
doch nicht ganz so üblen zweiten Album ist es endlich so weit: wir
sehen das auf bizarre Weise zusammenpassende Duo Lindemann Tägtgren
endlich live! Mit weiteren Musikern auf der Bühne eigentlich eine
Band, präsentieren sich die in der Szene geliebten und geschätzten
Individuen als starkes Team. Komplett in weiss gekleidet und mit
weisser Farbe im Gesicht wirkt die Aufmachung sehr ästhetisch. Wären
da nur nicht die Einblendungen auf dem Bildschirm. Teis richtig
unästhetisches Bildmaterial und vor allem die abstossende, billige
Porno-grafie vermiesen mir den Auftritt. Beim ersten Song des Abends,
«Skills In Pills» sieht man gar wie eine Pille aus dem Hintern
gepresst wird. Zu viel des "Guten" für mich. Dankeschön, hätte jetzt
wirklich nicht sein müssen. Der Song ist nicht mehr so geil wie auch
schon. "And the evening's going downhill!" Provokation und Schock,
darauf scheint es hinaus zu gehen. (Gezielt) unschön geschminkte
Menschen mit Adipositas, die sich wie Gott sie schuf in Schleim
wälzen... Ein für die Videosequenz zurechtgemachter Till Lindemann
ist natürlich mit von der Partie. Ich fahre an dieser Stelle auch
nicht mehr fort. Der Eintritt ist ab 18 Jahren - da habe ich natürlich das
Eine oder Andere erwartet, etwas eher Unschönes und definitiv viel
Kontroverseres. War ja irgendwie klar. Wer sich noch an das erste
Album erinnert, weiss, dass zum Beispiel der Song «Fett» (über sogenanntes "Fat
Admiring") in den perverseren Nummern nur die Spitze des Eisbergs
darstellte. Mit Liedern wie «Golden Shower» musste man ja eine gewisse
Abartigkeit in den Showelementen erwarten.
Nun,
während ich eine auf witzig gemachte Einlage an perversen Bildern
noch als spassig empfunden hätte, kann ich dies von der allgemeinen
Darstellung der Showunter-malung nicht behaupten. Im Gegenteil, beim
Zurückdenken an die Show bin ich mindestens genauso angewidert wie
damals, als ich das vor Perversion triefende Spektakel des schlechten
Geschmacks live miterlebt habe. Dass viele Frauen nichts mit
visueller Pornographie anfangen können, mag zwar teilweise ein
Stereotyp sein. Dass Klischees oft aber nur Bullshit sind, wird klar,
wenn selbst männliche Konzert-besucher meine Meinung teilen. Während
des doch recht interessanten, wenn auch abstossenden letzten Drittels
des Abends durfte ich mich mit einem Fotografen-kollegen zusammen tun,
welcher sich auch in Aktfotografie auskennt. Nackter Körper geht
auch schön, Herr Lindemann! Die Show ist eine geniale
Entschuldigung, Lindemann's kranke Sexfantasien (welche seit den
frühen Rammsteinzeiten mehr oder weniger bekannt sind) visuell zu
präsentieren. Kuchen ins Publikum werfen ist eines der für mich
etwas unverständlichen Elemente der Show. Immerhin besser als die
Einlage mit dem rohen Fisch. Die Bühnenpräsenz jedes einzelnen
Musikers passt, das Gesamtbild ist gut. Etwas Positives soll ja auch
gesagt werden. Rein die Art und Weise, wie sich die Musiker auf der
Bühne präsentieren, gefällt mir aber die..., äh..., "visuellen Reize"
auf den Bildschirmen machten alles zunichte.
Den Fans schien
die Show grundsätzlich zu gefallen, das Publikum machte jedenfalls
ordentlich Party. Die Musik ist ja auch gut, wie schade dass etwas
"Kunst" dies so zunichte machen kann. Das Wort Kunst habe ich da
bewusst in Anführungs- und Schlusszeichen gepackt. Eine im Eiltempo
eingestellte Slideshow verschiedener (und sehr unschönen) weiblichen
Geschlechtsorgane und sich in Schleim wälzende, stark fettleibige
Personen entsprechen jetzt nicht meinem Verständnis des Begriffs
Ästhetik. Für mich persönlich das Flop-Konzert des Jahres. Lindemann
wird es bestimmt auch in der Zukunft nicht auf meine Konzertliste
schaffen. Bei der Musik werde ich mich vielleicht in weiterer
Zukunft wieder überwinden können, denn möglicherweise sind die Bilder
mal vergessen und ich kann mich dann nur noch über den Sound freuen
- ohne Erinnerungen an Körperöffnungen, die man nicht sehen will.
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