Zum ersten Mal betrat der Schock-Rocker mit seinen vielen Masken
Schweizer Boden. Somit mussten die heimischen Fans 27 Jahre warten,
bis sich der Amerikaner hier zeigte. Nun sollte es also Tatsache
werden. Doch als ich um 18:10 Uhr im Rock City eintraf, war von der
Combo weit und breit nichts zu sehen. Eine Stunde später folgte die
Entwarnung, dass Lizzy und seine Gefolgschaft in 20 Minuten
eintreffen sollten. 19:35 Uhr, die Lizzys sind da, und Koffer um
Koffer wird in den Backstageraum getragen. Sind die am Umziehen? Auch
wenn die Vorfreude auf dieses Konzert unermesslich gross war, so trübte
die Location diese. Nicht, dass ich etwas gegen das Rock City hätte,
aber da die Platzverhältnisse für die Show der Amis zu gering waren,
mussten diverse Requisiten im Koffer bleiben. Wer die Truppe in den
letzten Jahren auf einem der renommierten Festivals gesehen hat, weiss wovon
ich spreche. Doch Lizzy und seine Mannschaft, seine langjährigen
Begleiter Bassist Marten Andersson und Schlagzeuger Joey Scott
Harges sowie die beiden Gitarristen Dario Lorina und der
Warrior-Gitarrenderwisch AC Alexander machten das Beste aus der
Situation und boten soviel Action, wie die Bühne eben zuliess.
Bionic Angel
Vor Lizzy Borden ging leider gar nichts. Was zum Geier hat eine
solche Truppe wie Bionic Angel im Vorprogramm einer Metal-Legende zu
suchen? Da versuchte die Band aus Deutschland eine Mischung aus
Rammstein und Gothic auf die Bühne zu zaubern, was ALLE Anwesenden
davon abhielt, überhaupt in die Nähe der Bühne zu gehen. Da konnten
die lasziven Tanzeinlagen der Tänzerin die Fans auch nicht dazu
bewegen. Wer den Schlagzeuger aus der Konserve holt, ob er nun krank
ist oder nicht, traf auch nicht gerade auf das Verständnis der
Angereisten. Zwei ganz junge Groupies schienen aber Gefallen an
dem zu haben, was uns die Herren der Schöpfung verkaufen wollten,
denn kurz nach dem Gig liessen die Mädels ihre Augen nicht mehr vom
Bassisten und Sänger. Ob sie dann die Hände von den Jungs liessen,
entzieht sich der Kenntnis des Schreibers dieser Zeilen... - Versucht
man nun ganz fair zu sein und kritisiert die in rote Krawatten
verpackten Musiker nicht anhand der optischen Verfehlungen, konnte
man mit viel Goodwill gute Melodien ausmachen, die aber, von der
Teils zornigen und bösartigen Stimme The Juggernaut in Grund und
Boden gegrunzt wurden. Sang er dann mal mit cleaner Stimme, war das
ja ganz okay. Bucht man diese Truppe in einem dunklen Gothic/SM-Schuppen
mag dies ja sehr passend sein. Als Vorhupe für Lizzy Borden aber klar ein
Schlag ins Gesicht eines jeden Metal-Fans.
Lizzy Borden
Dann war es endlich soweit! «Tomorrow Never Comes» eröffnete den
Reigen. Lizzy Borden stiegen agil ein, auch wenn für ihre
Bühnenperformance kaum Platz war. Der Meister selber bestieg die
Stage in einen schwarzen Umhang gehüllt, mit einer Ganzgesichtkapuze
und sang sich gleich in die Herzen
der
Fans. Das Eis brach mit dem zweiten Lied «Red Rum», bei dem sich
speziell die Riff-Giganten beweisen konnten und zeigten, dass die
Tracks vom Debütalbum «Love You To Pieces» stark von der Saitenarbeit
Iron Maidens beeinflusst waren. Fast bei jedem Song wechselte Mister
Borden seine Maskerade. So spielte er bei «Voyeur» mit einem Schädel,
dem er schon mal seine Zunge in die Mundöffnung schob oder biss der
äusserst attraktiven Tänzerin bei «There Will Be Blood Tonight»
die Kehle auf. Das (Kunst-) Blut floss in Unmengen den makellosen
Körper der blonden Schönheit runter. Wer noch nicht genug hatte,
durfte darauf die blutige Hand des Meisters ablecken oder sich von
dieser streicheln lassen. Wie in Ekstase liessen sich die Willigen
diese Gelegenheit nicht entgehen. Nicht zu Unrecht leitete Lizzy
schliesslich diesen Abend mit den Worten «Hello suckers! Welcome to
the kingdom of dead» ein. Während der gesamten Show wurde dem Sänger
immer wieder eine kleine Pause gegönnt. Die erste, als Marten einmal
mehr bewies, welch ein begnadeter Viersaitenzupfer er ist. Dabei kam
auch die Pippi-Langstrumpf-Melodie zu Ehren. Ganz grosses Kino boten
dann die beiden Gitarristen, die sich ein Duell nach dem anderen lieferten.
Dass AC wohl einer der unterbewertesten Gitarristen ist, kam schon
bei der letzten Warrior-Show in Balingen ans Tageslicht. Dario stand
ihm aber in Nichts nach und schoss seine Solodarbietung locker aus
den Hüften. Nach dieser königlichen Vorführung liess es die Truppe
mit zwei ihrer grössten Hits krachen und servierte zuerst «Me
Against The World» («Leave me alone, I'm on the defense, I'm not
made of stone, why doesn't it ever make sense») und danach «American
Metal». Spätestens nach diesen beiden Nummern schien es im Publikum
nur noch heisere Kehlen vom Mitsingen zu geben. Lizzy Borden
verstanden es gekonnt, ihre alten Hits mit den neueren Songs der
beiden letzten Studioscheiben «Deal With The Devil» («There Will Be
Blood Tonight») und «Appointment With Death» («Tomorrow Never Comes»,
«Live Forever», «Under Your Skin») zu kombinieren. Wieso allerdings
immer wieder «We Got The Power» gespielt wird, bleibt wohl eines der
bestgehütesten Geheimnisse der Welt. Da hätte man in meinen Augen
bedeutend besseres Material von «Master Of Disguise» zu bieten. Ich
denke da nur an «Sins Of The Flesh», «Phantoms» oder «Be One Of Us».
Aber
auch so trumpften die Jungs gross auf und läuteten das Finale
mit einem Drumsolo von Joey Scott Harges ein. Dies, nachdem man die
Rainbow-Coverversion von «Long Live Rock’n Roll» einmal mehr
verdammt gut spielte. Mit «Notorious», wer kennt die Textzeile «Notorious,
hail Caesar, it's a fight to the death, with every ounce of breath
just for us, Notorious, hail Caesar, Notorious» nicht, «Master Of
Disguise» und dem Abschluss in Form von «Give ‘em The Axe» (Lizzy
trägt seine Axt zur Schau) findet ein gigantisches Konzert seinen
Abschluss. Die Truppe machte beste Werbung in eigener Sache und es
bleibt zu hoffen, dass das Versprechen von Lizzy, die helvetischen
Bühnen im November nochmals zu beackern, eingehalten wird. Dann aber
bitte auf einer grösseren Stage, damit auch alle Requisiten der Show
aufgefahren werden können. Doch auch so waren die Jungs und das
nette Mädel eine Augenweide. Nicht immer für die zartbesaitesten
Seelen, aber garantiert für alle Metal-Fetischisten. Darum lasst
uns schon bald wieder «We all need, american metal, through in
through, american metal, you've go to bleed, american metal, red,
white and blue, american metal» singen. Lizzy Borden rulten ohne
Ende!!!
Setliste: «Tomorrow Never Comes» - «Red Rum» - «Voyeur»
- «Live Forever» - «Bass Solo Marten Andersson» - «Under Your Skin»
- «There Will Be Blood Tonight» - «Guitar Solo AC Alexander and
Dario Lorina» - «Me Against The World» - «American Metal» - «We Got
The Power» - «Long Live Rock’n Roll (Cover Rainbow)» - «Drum Solo
Joey Scott Harges» - «Notorious» - «Master Of Disguise» - «Give ‘em
The Axe»
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