Livereview: Lordi - Reverse Grip - WildRoads

16. April 2013, Pratteln – Z7
By Rockslave
Schon bald sind es sieben Jahre her, seit Lordi mit «Hardrock Hallelujah» die seit Ur-Zeiten festgefahrene ESC-Schiene mit ihrem überraschenden Sieg gehörig durcheinander rüttelten. Würde man heute in einer Schweizer Grossstadt eine Umfrage unter dem gemeinen Volk machen und nach Lordi (ohne ein Bild dazu) fragen, von wegen ob man wisse, wer dass 2006 den ESC in Athen gewonnen hat, dann wäre das Resultat ziemlich bescheiden. Aber welcher ESC-Sieger, von Celine Dion (1988) mal abgesehen, hat danach eine nachhaltige Weltkarriere angetreten?

Eben…, und für Lordi hiess es auch nicht, dass die Fans in den folgenden Jahren gleich Fussballstadien füllten. Geschadet hat die erfreuliche Sache den Finnen freilich nicht, zumal sie nachher, auf Drakkar folgend, einen Deal mit Sony Music in der Tasche hatten. Das vierte Album «Deadache» erschien 2008, wo Lordi ihren Monster-Hardrock weiter pflegten, Videos abdrehten und auf Tour waren. Alles im grünen Bereich, aber ohne weiteren Hit stagniert man seither und nach dem Best-Of Album «Zombilation» von 2009 und «Babez For Breakfast» (2010) schloss sich die Akte Sony Music. Seither sind weitere drei Jahre vergangen, das aktuelle Label heisst AFM Records und das wiederum von Michael Wagener produzierte sechste Studiowerk «To Beast Or Not To Beast». Neues Album, neues Glück?

WildRoads

Neben Reverse Grip wurden auf der aktuellen Lordi-Tour noch weitere Supports gebucht, darunter Tri State Corner, Kaledon und Hostile. Von WildRoads aus Italien las man im Vorfeld eigentlich nichts und dass die Jungs aus der Toscana in diesem Billing allenfalls die Rhapsody/Labyrinth Schiene fahren, war jetzt kaum anzunehmen. Vielmehr spielen die Südländer Hardrock der Marke Fastway mit mitunter leicht metallischer Note, was nebst dem Sound in erster Linie auch am Gesangesorgan von Michael Cavallini liegt, der je nachdem schon etwas von Dave King hat. Bereits 2001 gegründet, haben WildRoads ausserhalb der Heimat noch nicht gross von sich reden gemacht. Das aktuelle und wie es scheint selber produzierte Debüt (nach der ersten EP von 2010) nennt sich «Riding On A Flamin‘ Road» und wurde vor einem Jahr veröffentlicht. Live war man unter anderem auch mit Eldritch, Trick Or Treat und einem „gewissen“ Fabio Lione (Rhapsody Of Fire, Labyrinth, Vision Divine) unterwegs. Stilistisch färbte das aber offenbar nicht ab und womöglich kamen die Italiener heute Abend nach Pratteln, weil der Weg der Anreise nicht so weit war, wie dem auch sei. Fakt ist, dass sich der Anfang ihrer Darbietung noch recht flott und frisch anhörte. Die Mucke ging bereits mit dem Opener «Look @ Me Burning» dank den zwei Gitarristen Nik Capitini und Giulio Antonelli schön nach vorne los und bot viel Drive. Die bereits erwähnte Fastway-Attitüde setzte sich dabei wohlwollend in meinem Gehör fest. Allerdings dauerte es nicht sehr lange, bis die sich kaum varierenden Vocals, zusammen mit zunehmend gesichtslosem Song-Einerlei, negativ bemerkbar machten. Da konnten offenbar auch neue Songs wie «Bad Girls» und «Casablanca» kaum mehr was reissen. Vielleicht hätte die nicht gespielte Ballade «Relive My Life» noch für einen musikalischen Farbtupfer sorgen können. Das offensichtlich gelangweilte Publikum reagierte mit mehrheitlichem Desinteresse und spendierte wenigstens noch anstandsmässigen Szenen- und Schlussapplaus.

Setliste: «Look @ Me Burning» - «Bad Girls» - «Your Last Day» - «Wild Roads» - «Casablanca» - «She Has Been Cheated» - «Sick Soul».

Reverse Grip
Bevor ich detailliert auf den in jeder Hinsicht „speziellen“ Auftritt der Kanadier eingehe, stelle ich mir vor, wie es wohl Ende 1986 gewesen sein muss, als eine 4-Track EP namens «Live ?!*@ Like a Suicide» in einer Auflage von 10‘000 Stk. erschien. Die vier gefakten Live-Tracks interessierten damals kaum jemand, obwohl die Besetzung mit Rose/Slash/Stradlin/McKagan/Adler für die späteren Grosstaten schon gesetzt war. Ein paar Monate später, genauer im Sommer 1987 kam dann «Appetite For Destruction», das danach aber ein ganzes Jahr brauchte, bis es zündete und heute mit rund 28 Millionen verkauften Exemplaren zu Buche steht. Eine Zahl, die Reverse Grip nicht mal im Ansatz erreichen werden. Trotzdem haben sich die drei Brüder Dru (v), Sean (g) und Dylan Broda (d) sowie ihr Bassist Kramer White wohl genau das auf ihre Fahnen geschrieben. Zumindest musste man diesen Eindruck gewinnen, als die Canucks die Bühne des Z7 ziemlich selbstbewusst betraten und gleich mal wie die Feuerwehr los legten. Die Affinität für Axl Rose & Co. drang dann ziemlich schnell durch und vor allem Frontmann Dru machte derart einen auf Axl, dass es echt weh tat. Alles wurde kopiert, auch dessen berühmte Moves wie die Schreie (auf der CD nicht so prägnant), die immerhin ziemlich kraftvoll wiedergegeben wurden. Sonst aber war bis auf den aufopfernd groovenden Schlagzeuger Dylan rein gar nichts zu hören und zu sehen, was zumindest in unseren Breitengraden für Interesse gut gewesen wäre. Das Hauptmanko waren die zumeist unausgegorenen Songs, die einfach nur langweilig waren. Dazu kam Gitarrist Sean, der zwar nicht offensichtlich einen auf Slash machte, dies aber logischerweise vom Können her gefragt gewesen wäre, da eh alleine auf diesem Instrument agierend. Resultat: Live schlicht ungenügend und mit null Gefühl. Den Vogel schoss aber Mr. White ab, der zwar ebenfalls nicht die Absicht hatte, Duff McKagan nachzuäffen, aber keine Ahnung auf was für einem Trip der war, so ungelenk wie der auf der Bühne rumstakste. Summa summarum habe ich schon lange nicht mehr eine derart grottige Support-Band gesehen und ich war eigentlich noch erstaunt, dass keine Pfiffe aus dem komplett lethargisch da stehenden Publikum kamen. Mag ja sein, dass die Truppe per Tonträger und in Japan was reissen kann, aber hier in Europa werden die so bestimmt keinen Blumentopf holen! Reverse Grip sind die Gunners für ganz Arme und die braucht die Welt ganz bestimmt nicht.

Setliste (ohne Gewähr!): «Enjoy The Chaos» - «Tease Me» - «Dancing On A Bullet» - «The Fire» - «Sold My Soul» - «Quick & Dirty» - «You´re Going Down» - «Nasty Reportation».

Lordi
Etwas Gutes hatte der Auftritt von Reverse Grip dahin gehend, dass sich der Rezensent an der Bar ganz in Ruhe ein Bier holen und sich den Rest des Grauens aus der Ferne anschauen konnte. Somit musste der Headliner nun die Kohlen aus dem Feuer holen, denn sonst hätte ich für einmal überhaupt nichts Brauchbares von diesem Konzert-Abend verwerten können. Ein Umstand liess sich jedoch schon zum Voraus erahnen und der trat dann leider auch ein und zwar dass aus Sicherheitsgründen keinerlei Pyros verwendet werden durften! In Anbetracht der damit einher gehenden starken Rauchentwicklung war das Ganze jedoch locker zu verschmerzen. Die Alternativ-Showelemente waren somit mehr auf Trockeneis und sonst noch ein paar weitere Gimmicks ausgelegt. Die Bühnenausstattung war ganz auf Lordi getrimmt und auch das Backdrop passte vom Motiv her bestens zur bevorstehenden Monster Rock- und Metal-Show. Der Blick ins Live-Archiv zeigte und bestätigte, dass ich die Finnen nun eine ganze Weile seit 2009 nicht mehr gesehen hatte. In vier Jahren kann viel passieren und auch bei Lordi gab es nicht nur labeltechnische Veränderungen, sondern auch neue Gesichter im Lineup. Dazu gehört natürlich auch die traurige Geschichte von Drummer Otus (R.I.P.), der 2010 Kita ersetzte und leider 2012 verstarb. Neu ist seither nun Mana an den Horror-Kesseln tätig und das Keyboard liegt seit dem Abgang von Awa in der Obhut von Hella. Damit änderte sich auch die Optik der Gruppe, zumindest was die neuen Bandmembers angeht. Meines Erachtens passen dessen Outfits allerdings nicht mehr so gut zum harten Kern der Truppe mit Mr. Lordi, Ox und Amen. Was hierbei jedoch mehr gefragt ist, ist das Können an den Instrumenten und da kann vor allem Hella mehr Akzente als Awa setzen. Die aktuelle «To Beast Or Not To Beast»-Tour ist die erste für AFM-Records und zeigt Lordi von einer spürbar härteren Seite. Nach dem Intro folgte mit «We're Not Bad For The Kids» zunächst mal der Opener der neuen Scheibe und das polterte schon ganz anständig. «Bringing Back The Balls To Rock» stand dem in Nichts nach und spätestens bei «The Riff» waren Band und Publikum auf Betriebstemperatur.

Mit einem überaus knackigen Sound pflügten sich Lordi darauf durch all ihre sechs Studio-Alben hindurch, angereichert durch zahlreiche Showeinlagen, zu denen sich Mr. Lordi ein paar Mal umzog, respektive neue Utensilien trug. Dazu gehörte das Butcher-Kostüm, eine Trockeneis-Pistole und selbst ein Schönheitskrönchen liess er sich zu «I’m The Best» durch einen weiblichen Crew-Member aufsetzen. Die wasserspeiende Motorsäge fehlte natürlich auch nicht. Dazu warf er noch mit Konfettis um sich und gegen den Schluss hin folgte gar ein Silberschnitzel-Regen. Drummer Mana wurde durch eine Hebevorrichtung vermeintlich etwa drei Meter gross und die bedauernswerte Hella verlor buchstäblich ihren Kopf, respektive wurde gekonnt geköpft. Des Weiteren durften Hella, Ox, Mana und Amen jeweils ihre Soli vortragen, die allesamt in erträglicher Länge vorgetragen wurden. Die Fans antizipierten gut und hatten sichtlich Freude an ihren Helden, die unter ihren Kostümen einmal mehr wie die Schweine am Schwitzen gewesen sein müssen. Aber was macht man nicht alles der Show willen? Eben! Darin sind die Finnen ohne Zweifel gut und selbst mit dem Ausbleiben der Feuerelemente geht die Sache unter dem Strich soweit immer noch auf. Solange sich die Freude und der Spass der Nordländer die Waage halten und das Publikum mitzieht, dürfte weiteren Auftritten somit nichts im Wege stehen. Neu erfinden werden sich Lordi grundsätzlich ja nicht müssen, aber die euphorischen Reaktionen auf den ESC-Smasher «Hard Rock Hallelujah» zeigten dann aber deutlich auf, welche Zugkraft ein Hit haben kann. Trotz eingängigen Melodien und satten Backing Vocals fehlt eigentlich nach wie vor der legitime Chartbreaker, der in die übergrossen Fussstapfen von «Hard Rock Hallelujah» treten kann. Als Band-Kollektiv liessen sie heute Abend in Pratteln auf jeden Fall nichts anbrennen und überzeugten mit einer mehr als ordentlichen 105-Minuten Show. Wohin der Weg letztlich führen wird, sehen wir dann. Der Einstieg, respektive die Konsolidierung bei AFM-Records dürfte mit dieser Tour sicher gelingen und so lange Michael Wagener weiterhin als Knöpfchendreher angeheuert werden kann, wird auch soundmässig nichts schief gehen.

Setliste: «We’re Not Bad For The Kids (We’re Worse)» - «Bringing Back The Balls To Rock» - «The Riff» - «Who’s Your Daddy? » - «Girls Go Chopping» - «Blood Red Sandman» - «Hella Solo» - «Schizo Doll» - «ZombieRawkMachine + This Is Heavy Metal» - «Something Wicked This Way Comes» - «Ox Solo» - «It Snows In Hell» - «Mana Solo» - «Supermonstars» - «I’m The Best» - «Bring It On + Happy New Fear» - «Amen Solo» - «They Only Come Out At Night» - «I Luv Ugly» - «Devil Is A Loser» -- «Hulking Dynamo» --- «Hard Rock Hallelujah» - «Sincerely With Love» - «Would You Love A Monsterman?».