Schon bald sind es sieben Jahre
her, seit Lordi mit «Hardrock Hallelujah» die seit Ur-Zeiten
festgefahrene ESC-Schiene mit ihrem überraschenden Sieg gehörig
durcheinander rüttelten. Würde man heute in einer Schweizer Grossstadt
eine Umfrage unter dem gemeinen Volk machen und nach Lordi (ohne ein
Bild dazu) fragen, von wegen ob man wisse, wer dass 2006 den ESC in
Athen gewonnen hat, dann wäre das Resultat ziemlich bescheiden. Aber
welcher ESC-Sieger, von Celine Dion (1988) mal abgesehen, hat danach
eine nachhaltige Weltkarriere angetreten?
Eben…, und für Lordi hiess es auch nicht, dass die Fans in den
folgenden Jahren gleich Fussballstadien füllten. Geschadet hat die
erfreuliche Sache den Finnen freilich nicht, zumal sie nachher, auf
Drakkar folgend, einen Deal mit Sony Music in der Tasche hatten. Das
vierte Album «Deadache» erschien 2008, wo Lordi ihren Monster-Hardrock
weiter pflegten, Videos abdrehten und auf Tour waren. Alles im grünen
Bereich, aber ohne weiteren Hit stagniert man seither und nach dem
Best-Of Album «Zombilation» von 2009 und «Babez For Breakfast» (2010)
schloss sich die Akte Sony Music. Seither sind weitere drei Jahre
vergangen, das aktuelle Label heisst AFM Records und das wiederum von
Michael Wagener produzierte sechste Studiowerk «To Beast Or Not To
Beast». Neues Album, neues Glück?
WildRoads
Neben Reverse Grip wurden auf der aktuellen Lordi-Tour noch weitere
Supports gebucht, darunter Tri State Corner, Kaledon und Hostile. Von
WildRoads aus Italien las man im Vorfeld eigentlich nichts und dass die
Jungs aus der Toscana in diesem Billing allenfalls die
Rhapsody/Labyrinth Schiene fahren, war jetzt kaum anzunehmen. Vielmehr
spielen die Südländer Hardrock der Marke Fastway mit mitunter leicht
metallischer Note, was nebst dem Sound in erster Linie auch am
Gesangesorgan von Michael Cavallini liegt, der je nachdem schon etwas
von Dave King hat. Bereits 2001 gegründet, haben WildRoads ausserhalb
der Heimat noch nicht gross von sich reden gemacht. Das aktuelle und
wie es scheint selber produzierte Debüt (nach der ersten EP von 2010)
nennt sich «Riding On A Flamin‘ Road» und wurde vor einem Jahr
veröffentlicht. Live war man unter anderem auch mit Eldritch, Trick Or
Treat und einem „gewissen“ Fabio Lione (Rhapsody Of Fire, Labyrinth,
Vision Divine) unterwegs. Stilistisch färbte das aber offenbar nicht ab
und womöglich kamen die Italiener heute Abend nach Pratteln, weil der
Weg der Anreise nicht so weit war, wie dem auch sei. Fakt ist, dass
sich der Anfang ihrer Darbietung
noch recht flott und frisch anhörte. Die Mucke ging bereits mit dem
Opener «Look @ Me Burning» dank den zwei Gitarristen Nik Capitini und
Giulio Antonelli schön nach vorne los und bot viel Drive. Die bereits
erwähnte Fastway-Attitüde setzte sich dabei wohlwollend in meinem Gehör
fest. Allerdings dauerte es nicht sehr lange, bis die sich kaum
varierenden Vocals, zusammen mit zunehmend gesichtslosem Song-Einerlei,
negativ bemerkbar machten. Da konnten offenbar auch neue Songs wie «Bad
Girls» und «Casablanca» kaum mehr was reissen. Vielleicht hätte die
nicht gespielte Ballade «Relive My Life» noch für einen musikalischen
Farbtupfer sorgen können. Das offensichtlich gelangweilte Publikum
reagierte mit mehrheitlichem Desinteresse und spendierte wenigstens
noch anstandsmässigen Szenen- und Schlussapplaus.
Setliste: «Look @ Me Burning» - «Bad Girls» - «Your Last Day» - «Wild
Roads» - «Casablanca» - «She Has Been Cheated» - «Sick Soul».
Reverse Grip
Bevor ich detailliert auf den in jeder Hinsicht „speziellen“ Auftritt
der Kanadier eingehe, stelle ich mir vor, wie es wohl Ende 1986 gewesen
sein muss, als eine 4-Track EP namens «Live ?!*@ Like a Suicide» in
einer Auflage von 10‘000 Stk. erschien. Die vier gefakten Live-Tracks
interessierten damals kaum jemand, obwohl die Besetzung mit
Rose/Slash/Stradlin/McKagan/Adler für die späteren Grosstaten schon
gesetzt war. Ein paar Monate später, genauer im Sommer 1987 kam dann
«Appetite For Destruction», das danach aber ein ganzes Jahr brauchte,
bis es zündete und heute mit rund 28 Millionen verkauften Exemplaren zu
Buche steht. Eine Zahl, die Reverse Grip nicht mal im Ansatz erreichen
werden. Trotzdem haben sich die drei Brüder Dru (v), Sean (g) und Dylan
Broda (d) sowie ihr Bassist Kramer White wohl genau das auf ihre Fahnen
geschrieben. Zumindest musste man diesen Eindruck gewinnen, als die
Canucks die Bühne des Z7 ziemlich selbstbewusst betraten und gleich mal
wie die Feuerwehr los legten. Die Affinität für Axl Rose & Co.
drang dann ziemlich schnell durch und vor allem Frontmann Dru machte
derart einen auf Axl, dass es echt weh tat. Alles wurde kopiert, auch
dessen berühmte Moves wie die Schreie (auf der CD nicht so prägnant),
die immerhin ziemlich kraftvoll wiedergegeben wurden. Sonst aber war
bis auf den aufopfernd groovenden Schlagzeuger Dylan rein gar nichts zu
hören und zu sehen, was zumindest in unseren Breitengraden für
Interesse gut gewesen wäre. Das Hauptmanko waren die zumeist
unausgegorenen Songs, die einfach nur langweilig waren. Dazu kam
Gitarrist Sean, der zwar nicht offensichtlich einen auf Slash machte,
dies aber logischerweise vom Können her gefragt gewesen wäre, da eh
alleine auf diesem Instrument agierend. Resultat: Live schlicht
ungenügend und mit null Gefühl. Den Vogel schoss aber Mr. White ab, der
zwar ebenfalls nicht die Absicht hatte, Duff McKagan nachzuäffen, aber
keine Ahnung auf was für einem Trip der war, so ungelenk wie der auf
der Bühne rumstakste. Summa summarum habe ich schon lange nicht mehr
eine derart grottige Support-Band gesehen und ich war eigentlich noch
erstaunt, dass keine Pfiffe aus dem komplett lethargisch da stehenden
Publikum kamen. Mag ja sein, dass die Truppe per Tonträger und in Japan
was reissen kann, aber hier in Europa werden die so bestimmt keinen
Blumentopf holen! Reverse Grip sind die Gunners für ganz Arme und die
braucht die Welt ganz bestimmt nicht.
Setliste (ohne Gewähr!): «Enjoy The Chaos» - «Tease Me» - «Dancing On A
Bullet» - «The Fire» - «Sold My Soul» - «Quick & Dirty» - «You´re
Going Down» - «Nasty Reportation».
Lordi
Etwas Gutes hatte der Auftritt von Reverse Grip dahin gehend, dass sich
der Rezensent an der Bar ganz in Ruhe ein Bier holen und sich den Rest
des Grauens aus der Ferne anschauen konnte. Somit musste der Headliner
nun die Kohlen aus dem Feuer holen, denn sonst hätte ich für einmal
überhaupt nichts Brauchbares von diesem Konzert-Abend verwerten können.
Ein Umstand liess sich jedoch schon zum Voraus erahnen und der trat
dann leider auch ein und zwar dass aus Sicherheitsgründen keinerlei
Pyros verwendet werden durften! In Anbetracht der damit einher gehenden
starken Rauchentwicklung war das Ganze jedoch locker zu verschmerzen.
Die Alternativ-Showelemente waren somit mehr auf Trockeneis und sonst
noch ein paar weitere Gimmicks ausgelegt. Die Bühnenausstattung war
ganz auf Lordi getrimmt und auch das Backdrop passte vom Motiv her
bestens zur bevorstehenden Monster Rock- und Metal-Show. Der Blick ins Live-Archiv zeigte und
bestätigte, dass ich die Finnen nun eine ganze Weile seit 2009 nicht
mehr gesehen hatte. In vier Jahren kann viel passieren und auch bei
Lordi gab es nicht nur labeltechnische Veränderungen, sondern auch neue
Gesichter im Lineup. Dazu gehört natürlich auch die traurige Geschichte
von Drummer Otus (R.I.P.), der 2010 Kita ersetzte und leider 2012
verstarb. Neu ist seither nun Mana an den Horror-Kesseln tätig und das
Keyboard liegt seit dem Abgang von Awa in der Obhut von Hella. Damit
änderte sich auch die Optik der Gruppe, zumindest was die neuen
Bandmembers angeht. Meines Erachtens passen dessen Outfits allerdings
nicht mehr so gut zum harten Kern der Truppe mit Mr. Lordi, Ox und
Amen. Was hierbei jedoch mehr gefragt ist, ist das Können an den
Instrumenten und da kann vor allem Hella mehr Akzente als Awa setzen.
Die aktuelle «To Beast Or Not To Beast»-Tour ist die erste für
AFM-Records und zeigt Lordi von einer spürbar härteren Seite. Nach dem
Intro folgte mit «We're Not Bad For The Kids» zunächst mal der Opener
der neuen Scheibe und das polterte schon ganz anständig. «Bringing Back
The Balls To Rock» stand dem in Nichts nach und spätestens bei «The
Riff» waren Band und Publikum auf Betriebstemperatur.
Mit einem überaus knackigen Sound pflügten sich Lordi darauf durch all
ihre sechs Studio-Alben hindurch, angereichert durch zahlreiche
Showeinlagen, zu denen sich Mr. Lordi ein paar Mal umzog, respektive
neue Utensilien trug. Dazu gehörte das Butcher-Kostüm, eine
Trockeneis-Pistole und selbst ein Schönheitskrönchen liess er sich zu
«I’m The Best» durch einen weiblichen Crew-Member aufsetzen. Die
wasserspeiende Motorsäge fehlte natürlich auch nicht. Dazu warf er noch
mit Konfettis um sich und gegen den Schluss hin folgte gar ein
Silberschnitzel-Regen. Drummer Mana wurde durch eine Hebevorrichtung
vermeintlich etwa drei Meter gross und die bedauernswerte Hella verlor
buchstäblich ihren Kopf, respektive wurde gekonnt geköpft. Des Weiteren
durften Hella, Ox, Mana und Amen jeweils ihre Soli vortragen, die
allesamt in erträglicher Länge vorgetragen wurden. Die Fans
antizipierten gut und hatten sichtlich Freude an ihren Helden, die
unter ihren Kostümen einmal mehr wie die Schweine am Schwitzen gewesen
sein müssen. Aber was macht man nicht alles der Show willen? Eben!
Darin sind die Finnen ohne Zweifel gut und selbst mit dem Ausbleiben der Feuerelemente geht die
Sache unter dem Strich soweit immer noch auf. Solange sich die Freude
und der Spass der Nordländer die Waage halten und das Publikum
mitzieht, dürfte weiteren Auftritten somit nichts im Wege stehen. Neu
erfinden werden sich Lordi grundsätzlich ja nicht müssen, aber die
euphorischen Reaktionen auf den ESC-Smasher «Hard Rock Hallelujah»
zeigten dann aber deutlich auf, welche Zugkraft ein Hit haben kann.
Trotz eingängigen Melodien und satten Backing Vocals fehlt eigentlich
nach wie vor der legitime Chartbreaker, der in die übergrossen
Fussstapfen von «Hard Rock Hallelujah» treten kann. Als Band-Kollektiv
liessen sie heute Abend in Pratteln auf jeden Fall nichts anbrennen und
überzeugten mit einer mehr als ordentlichen 105-Minuten Show. Wohin der
Weg letztlich führen wird, sehen wir dann. Der Einstieg, respektive die
Konsolidierung bei AFM-Records dürfte mit dieser Tour sicher gelingen
und so lange Michael Wagener weiterhin als Knöpfchendreher angeheuert
werden kann, wird auch soundmässig nichts schief gehen.
Setliste: «We’re Not Bad For The Kids (We’re Worse)» - «Bringing Back
The Balls To Rock» - «The Riff» - «Who’s Your Daddy? » - «Girls Go
Chopping» - «Blood Red Sandman» - «Hella Solo» - «Schizo Doll» -
«ZombieRawkMachine + This Is Heavy Metal» - «Something Wicked This Way
Comes» - «Ox Solo» - «It Snows In Hell» - «Mana Solo» - «Supermonstars»
- «I’m The Best» - «Bring It On + Happy New Fear» - «Amen Solo» - «They
Only Come Out At Night» - «I Luv Ugly» - «Devil Is A Loser» -- «Hulking
Dynamo» --- «Hard Rock Hallelujah» - «Sincerely With Love» - «Would You
Love A Monsterman?».
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