Livereview: Lordi - Silver Dust - Shiraz Lane

12. Oktober 2016, Pratteln – Z7
By Tinu
Die finnischen Monsterocker Lordi beehrten zum elften Mal das Z7. War es beim letzten Mal mit dem Wiegenfest von Sänger Lordi verbunden, wurde dieses Mal "nur" die wie immer im Alice Cooper- und Kiss-Style gehaltene Bühnenshow abgefeiert. Mit dem neuen Album «Monstereophonic (Theaterror vs. Demonarchy)» im Gepäck und den beiden Supportbands Silver Dust und Shiraz Lane konnte das Z7 gut gefühlt werden. Interessanterweise wurde "nur" drei neue Liedern in der Setliste eingebaut, dafür vier vom Debütalbum «Get Heavy». Sind die Musiker mit den neuen Liedern nicht zufrieden? Oder liegt es mittlerweile an der Vielzahl an Hits, die Lordi geschrieben haben und somit nicht mehr alle Wünsche der Fans berücksichtigen können? Trotz den unbeantworteten Fragen, blieb das Fazit positiv.

Shiraz Lane
Zuerst standen die fünf Jungs von Shiraz Lane auf der Bühne. Die Finnen um den blonden Shouter Hannes Kett boten eine wilde, energische und nie stillstehende Bühnenperformance. Man erinnerte sich dabei gerne an alte US-Hairspray-Helden der Sorte Sven Gali, Wildside oder der englischen Gattung wie Tigertailz. Die Jungs posten und bangten ohne Ende, und Hannes versuchte mit schmachtendem Blick den weiblichen Besucher einen heissen Lusttropfen zu bescheren. Trommler Ana William war ein interessanter Hingucker, weil er mit seiner mitreissenden Art, seinen fliegenden Drumsticks sowie der authentischen und aggressiven Show einfach den sleazigen Touch vorlebte. Bassist Joel Alex, der stark an Guns n' Roses Tieftöner Duff McKagan erinnerte, tobte ebenso über die Bühne, wie die beiden Axtschwinger Jani Laine und Miki Kalske. Okay, den Jungs fehlt sicher ein Hit, aber mit einem zweiten Album könnte dieses Manko behoben werden. Die Jungs machten beste Werbung in eigener Sache und bauten dabei locker mal den Reggae-Klassiker «No Woman, No Cry» in das Set ein. Wie es sich für eine richtige Sleaze-Truppe gehört, durfte der Kajal-Strich im Gesicht nicht fehlen. Wie auch die dicken Chorgesänge und die hohen Schreie von Mister Kett, der dabei immer wieder an eine junge Ausführung von Sebastian Bach (ehemals Skid Row) erinnerte. Gebt dieser jungen Truppe Zeit, damit sie sich weiter entwickeln kann. Sie sind sehr authentisch, man nimmt ihnen ab, dass sie die Songs fühlen wie leben und die Musik als Lebensphilosophie in sich verinnerlicht haben. Ob es dazu einen Kurzauftritt von Hannes mit einem Zwangsjacken ähnlichen Gewand braucht? Da hätte ein differenzierterer Sound mehr zum Gelingen dieser Show beigetragen. Trotzdem, es war ein unterhaltsamer und mitreissender Gig und ich hoffe, dass die Jungs bald wieder im Z7 zu bewundern sind.


Silver Dust
Was dann folgte, überforderte meine nun schon 32 Jahre andauernde Lebensphase von Konzertbesuchen. Die Westschweizer von Silver Dust boten eine Show, bei der sich die Reihen auf Geheiss von Sänger Lord Campbell auf den Boden setzten und dann aufsprangen und hüpften. Sehr komisch, wie auch der Sound, der weder Fisch noch Vogel war und sich durch eine «Eyes White Shut» artige Show völlig skurril outete. Ich habe ja schon manches erlebt auf der Bühne, aber was hier zu sehen und (leider auch) zu hören war, überforderte meine musikalischen Grenzen. War es nun eine S/M-Zeremonie oder der sich langsam aufbauende Vampirismus? Zumindest Trommler Mr. Killjoy versprühte das Flair, dass er einem komischen Voodoo-Zauber zum Opfer fiel und dabei wie von Geisterhand mit seinen völlig abgedrehten Grimassen und seiner sehr mechanischen Spiel-weise auf sich aufmerksam machte. Klar haute er mit einer unglaublichen Wucht auf sein Arbeitsgerät ein, aber seine Präsentation hatte schon was Skurriles und Beängstigendes. Der grosse Spiegel auf der Bühne, auf dem kleine Filme eingespielt wurden, wiederspiegelte das Gehörte und diente zur Untermalung der abge-fahrenen Musik. Die Songs waren sehr technisch, um nicht zu sagen mit einer Rammstein-Kälte versehen, gespielt. Allerdings übertrumpfte das Konzept des Vierers die Musik, was in meinen Augen niemals passieren darf. Darum unterhielten sich die Leute nach dem Auftritt von Silver Dust auch mehr über die blau leuchtende Gitarre, statt die Musik der Truppe. Was bei Powerwolf lustig und mit viel Spass in den Backen vorgetragen wird, ist bei Silver Dust nur anstrengend. Eines ist sicher, der Vierer polarisiert und dies nicht zu knapp. Vielen schien die Truppe jedoch zu gefallen, und wenn mich mein Auge nicht täuscht, traten einige Besucher nach Silver Dust sogar die Heimreise an. Was mir wiederum beweist, dass in der heutigen Zeit eine Band nicht mit tollen Liedern auf sich aufmerksam machen muss, sondern mit einer ausgefallenen und abgefahrenen Bühnenvorstellung.


Lordi
Dass eine Performance durchaus auch abgedreht sein kann, bewiesen die Schockrocker aus Finnland. Glücklicherweise hat die Band gute Songs im Köcher, die man mitschreien kann. Wie nahe Mister Lordi am Geschehen ist, zeigte der Shouter mit folgender Anekdote. «2003 besuchte uns ein kleiner Knirps mit seinem Vater, das war bei unserer ersten Show hier im Z7. Jedes Mal wenn wir hier auftraten, waren die Zwei als Besucher dabei. Der Vater ist, wie ich auch, ein bekennender Kiss-Fan. Heute spielt dieser Knirps als Schlagzeuger bei Silver Dust, die einen wirklich tollen Job ablieferten!» Der maskierte Schreihals sprach an diesem Abend bedeutend mehr als auch schon. Dabei bedankte er sich auf Deutsch, Englisch, Finnisch, Französisch und Schwedisch, oder bemerkte, dass es «…hier schweineheiss ist…», und im fast die «Balls» abfallen vor lauter Schwitzen. «I'm sweating like a pig! I'm sweating my balls off!!!» Da der Shouter nicht unbedingt mit seiner Montur auf seine Balls stehen möchte, wie schwer wiegt dieses Kostüm (?), versteht sich dann von selbst… «The die hard fans asking us, please play «Icon Of Dominance». Please, please, please», und weil der Fünfer eine liebenswerte Truppe ist, wurde dieser Wunsch auch gerne erfühlt.

Was ein etwas mulmiges Gefühl verbreitete, waren die solistischen Einlagen der Band. Okay, gewürzt mit Showelementen war dies ja ganz gut, aber an den technischen Fähigkeiten änderte dies nicht viel. Die Jungs sind keine Virtuosen, was sie auch nicht sein müssen, aber zumindest das Basssolo von OX fiel nur dadurch auf, dass er am Schluss eine Nonne abschlachtete. Beim Drumsolo von Mana tänzelte ein Skelett mit zwei Mumien über die Bühne, während vor dem Amen Solo sich eine Archäologin an einem Grab zu schaffen machte, und nach einem Selfie durch Amen vertrieben wurde. Das Keyboardsolo von Hella erklang ebenso disharmonisch, wie viele Parts in den Songs, welche dem Gesamtbild einen gruseligen Anstrich verliehen.

Es waren die Showelemente, welche dem Lordi Gig einen speziellen Anstrich verleihen. Allerdings, wer schon mal ein Konzert der Finnen gesehen hat, sah sich auch mit vielen wiederkehrenden Elementen konfrontiert. WOBEI, dies bei einer Kiss-, Alice Cooper- oder Iron Maiden-Show auch nicht anders ist. So tappste Mr. Lordi mit einem Schamanen ähnlichen Wolfskopf bei «Bringing Back The Balls To Rock» über die Bühne, oder dieses Mal wurden bei «Cadaver Lover» einem Mann die Gedärme mit der Kreissäge aus dem Körper gefräst. Oder Mister Lordi stand mit seinen Monsterflügel bei «Devil Is A Looser» am Bühnenrand und liess sich von den Fans feiern. Dafür fehlten bei «It's Snows In Hell» die weissen Schneeflocken. Bei «Down With The Devil» drückt ein Priester Lordi ein Kreuz auf die Stirne. Der dabei aufkommende weisse Rauch hatte wiederum was Lustiges und Kultiges. Das von vielen erwartete und durch den Sieg beim «Eurovison Song Contest» bekannte «Hard Rock Hallelujah» wurde erwartungsgemäss von allen laut mitgesungen und das Z7 glich einer Hüpfburg. Mit folgender Ansage: «You know some assholes? I know four here on stage! Give me your middle finger!» leitete der Sänger zu «Sincerely With Love» über. Es war nicht nur der Grusel-Effekt, welcher der Fünfer auf die dreidimensionale Bühne brachte, sondern auch eine gehörige Portion Spass und schwarzer Humor. Den Abschluss bildete das Double «Who's Your Daddy» und «Would You Love A Monsterman», bei dem nochmals alle laut mitsangen und nach vollendeter Show glücklich und zufrieden das Z7 verliessen. Die Band fand sich anschliessend noch beim Backstageeingang ein, um mit den Fans zu sprechen, Fotos zu machen und ihren Otto unter Fotos, Booklets und T-Shirts zu schreiben.

Man kann sicher von der Show und der Musik von Lordi denken, was man will. Aber! Das Konzept und die Umsetzung von Show und Musik bleiben in dieser Form einmalig und auf seine Art und Weise kultig. Den Anwesenden hat es gefallen und es gab kaum jemanden, der enttäuscht von dannen zog. Alleine aus diesem Grund haben die Finnen alles richtig gemacht, und auch wenn gewisse Showelemente vielleicht ein bisschen über die Ziellinie hinausschossen, es war eine extrem unterhaltsame Geschichte.

Setliste: «God Of Thunder (Kiss Song) - Intro» - «SCG8: One Message Waiting- Intro» - «Let's Go Slaughter He-Man (I Wanna Be The Beast-Man In The Masters Of The Universe)» - «Babez For Breakfast» - «Nailed By The Hammer Of Frankenstein» - «The Riff» - «Hellbender Turbulence» - «Bass Solo OX» - «Bite It Like A Bulldog» - «Icon Of Dominance» - «Drum Solo Mana (With Bits Of The Unholy Gathering)» - «Bringing Back The Balls To Rock» - «Hug You Hardcore» - «It Snows In Hell» - «The Children Of The Night» - «Keyboard Solo Hella» - «Cadaver Lover» - «Down With The Devil» - «Blood Red Sandman» - «Guitar Solo Amen» - «Hard Rock Hallelujah» - «Sincerely With Love» - «Devil Is A Loser» -- «Who's Your Daddy?» - «Would You Love A Monsterman?».