Das letzte Mal,
dass ich Ying Yang live gesehen habe, ist schon weit mehr als zehn Jahre her. Genauer war
das die "Eclipse- Tour", die 1990 auch Halt im Zürcher Volkshaus machte. Damals
noch mit einem gewissen Göran Edman an den Vocals. Seither hat der exzentrische
Saitenhexer aus Schweden schon diverse weitere Sänger (darunter Namen wie Michael
Vescera, Mats Leven und Mark Boals) "verschlissen". Die Alben der letzten Jahre
waren zudem auch nicht alle das Gelbe vom Ei, aber es befanden sich trotzdem einzelne
bessere wie "Facing the animal" (1997/1998) oder "Alchemy" (1999)
darunter. Weiter folgten neben dem soundmässigen Tiefflieger "War to end all
wars" noch rein klassische Projekte. Mit der neuesten Scheibe "Attack" geht
Yngwie zurück zu griffigen Songs, bei denen sein prägnantes Gitarrenspiel nicht
ausschliesslich im Vordergrund steht. Als Sänger krallte er sich diesmal Dougie White,
der ja das letzte Rainbow Album "Stranger in us all" eingesungen und auch die
bislang beiden Longplayer von Cornerstone veredelt hat. Wer Malmsteen kennt, weiss, dass
auch dieses Line Up wohl nur von kurzer Dauer sein kann. Alles andere wäre eine
Überraschung. Deshalb sind Konzerte des Schweden eigentlich immer etwas Spezielles, da
man diese Konstellationen jeweilen so meist nur einmal sehen und hören kann.
Da verwunderte es auch nicht, als bekannt wurde, dass an diesem Abend keine Support Band
zugegen war. So mussten sich die doch zahlreich erschienenen Fans bis kurz nach 21.00 Uhr
gedulden, ehe sich der Meister blicken liess. Die ersten Soli zuckten bereits aus der PA,
bevor Yngwie die Bühne überhaupt betreten hatte. Begleitet durch fettes Trockeneis kam
der selbsternannte Gitarrengott kurz darauf nach vorne und dann erschrak ich erst einmal,
als ich in sein Gesicht sah. Mann, hat der zugenommen! Unglaublich, wenn man doch weiss,
dass sich die angefressenen Pfunde bei den Männern eher im Bauchbereich zeigen, bevor das
Gesicht so augenscheinlich mitzieht. Wie auch immer, das Gitarrenspiel hat auf jeden Fall
nicht darunter gelitten, sodass Yngwie's Erscheinung zweitrangig wurde. Die Tourband war
neben Dougie White mit mir nicht bekannten Musikern bestückt, wovon der Drummer aber
Patrick Johansson gewesen sein könnte, der auch "Attack" eingespielt hat. Der
Keyboarder war dann jedoch klar nicht Derek Sherinian (Ex-Dream Theater) und der Bassist
hätte glatt der Zwillingsbruder von Geddy Lee (Rush) sein können. Wie dem auch sei, die
zusammen gewürfelte Truppe harmonierte recht gut und der Set begann verheissungsvoll mit
"Rise up" vom neuen Album "Attack" und gleich drei (!) weiteren neuen
Tracks.
Die Fans spendeten bereits dazu ordentlich Applaus und die Stimmung stieg laufend.
Dazwischen ergossen sich immer wieder Solo-Orgien aller Musiker, wobei Malmsteen
natürlich den Löwenanteil davon für sich in Anspruch nahm. Man kann ja über ihn sagen
oder denken was man will, aber es gibt wirklich nur ganz wenige vergleichbare Gitarristen
auf diesem Planeten, die einer Fender Stratocaster solche Töne entlocken können. Vieles
davon spielte er blind mit atemberaubender Sicherheit und degradierte so manchen seiner
Musiker-Kollegen zu unscheinbaren Amateuren. Was das Betragen anging, wurde der Schwede
seinem (zeitweilen eher schlechten) Ruf gleich zu Beginn des Gigs gerecht, als er den
Lichtmischer unmittelbar nach dem ersten Song angiftelte und ihm unmissverständlich
mitteilte, dass er ihn killen werde, sollte er nochmals weisses Licht auf die Bühne
bringen. Das war dann aber der einzige "Aussetzer" des Herrn Malmsteen. Der Rest
war einfach geil und Dougie White verrichtete dabei einen grossartigen Job. Der Hammer des
Abends folgte jedoch im Mittelteil von "You don't remember, I'll never forget",
als Yngwie für seine Mitstreiter ziemlich unerwartet "Child in time", einer der
Deep Purple Klassiker schlechthin, anstimmte. Dougie hatte den Text offenbar locker drauf
(spontan oder doch nicht?) und sang alle drei (!) Oktaven sauber und ohne Mühe, wennauch
nicht so kraftvoll wie Ian Gillan in seinen jungen Jahren. Dazu tauchte die Seele von
Ritchie Blackmore im bekannten Gitarren-Solo auf, das überwiegend nahe beim Original
gehalten wurde. Durch die Hölle musste aber der Drummer, der sein Spiel auf Geheiss von
Yngwie immer wieder ändern musste.
Insgesamt gefiel mir das Konzert sehr gut, obwohl noch einige Songs fehlten, die man gerne
gehört hätte. Zudem kam Yngwie an diesem Abend überwiegend positiv, wie agil rüber und
unterliess es natürlich auch diesmal nicht, dutzende von Plektren in die danach gierenden
Fans zu schnalzen. Die Spieldauer von knapp zwei Stunden konnte sich auch sehen (und
hören) lassen. Da verzichtete man gerne auf eine womöglich schwache Vorband und der
Umstand, dass fast das halbe neue Album (bei vierzehn Tracks!) gespielt wurde, spricht
eindeutig für die Güte des neuen Materials. Bis zum nächsten Besuch eines
Malmsteen-Konzertes werden nun mit Sicherheit nicht mehr dreizehn Jahre vergehen!
Set-Liste: "Rise up", "Ship of fools", "Stronghold",
"Baroque and roll", "Dreaming", "In the name of god",
"Razor eater", "Trilogy Soli/Red house", "You don't remember,
I'll never forget/Child in time", "Valhalla", "Hiroshima mon
amour", "Rising force".
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