Zu Beginn der Tour, das heisst bis
zwei Tage von dem Konzert in Pratteln, standen an der Stelle von
Sebastien die bedeutend bekannteren Jaded Heart im Billing. Da ich
Letztere kürzlich mal bei ihrem Solo-Auftritt in der Galery verpasst
hatte, wäre die Gelegenheit nun optimal gewesen, diese Scharte
auszuwetzen. So hatte ich die ersten zwei Bands des Abends überhaupt
nicht auf dem Sender und konnte mich dem deshalb unvoreingenommen
stellen. Der Opener mit dem eher ungewöhnlichen Namen für eine
Metal-Band stammte aus der Tschechischen Republik und war bisher in
unseren Breitengraden nicht anzutreffen. Siren’s Cry, die zweite Truppe
und mit Frontlady bestückt, kam aus Österreich. Gemäss eigener
Definition schickten diese sich an, mit "The new art of female-fronted
Progressive Metal" entsprechende Akzente zu setzen. Bei solchen
Sprüchen ist aus Erfahrung meist ein gesundes Mass Vorsicht angebracht
und ich sollte Recht behalten. Bei Mystic Prophecy verhielt es sich
aufgrund des instabilen Lineups über die Jahre ähnlich, doch die
germanischen Power Metaller, wo auch mal Gus G. (Firewind, Ozzy) dabei
war, schlugen zumindest heute Abend den Headliner klar.
Sebastien
Je nach Zugkraft des Headliners und dem grundsätzlichen
Publikumsinteresse kann es cool oder eben beschissen sein, wenn mal als
erste Band eines Quartetts auf die Bühne muss. Doch da muss mal
jeweilen durch und das galt am heutigen Abend für den Opener Sebastien
auch der Tschechischen Republik. Erste Aktivitäten auf dem Weg zur
heutigen Formation gehen auf den Frontmann wie Multinstrumentalisten
George Rain zurück. Dies noch vor der Jahrtausendwende und unter
anderen Namen. Der aktuelle Bandname Sebastien besteht seit 2008 und
ein Jahr darauf nahm man unter den Fittichen von Roland Grapow
(Ex-Helloween, Masterplan) das Debüt-Album «Tears Of White Roses» auf.
Dabei amtete dieser als Produzent und somit erklärt sich auch, warum
diese Truppe in dem Package wenigstens teilweise mitwirken darf. Im
letzten Jahr durften die Jungs aus dem Land des „Pilsner Urquells“ dann
gar Circle II Circle auf dessen Europa-Tournee begleiten. Das bedeutete
zumindest auf dem Papier, dass die Truppe was auf dem Kasten hat, zumal
man sich per eigener Definition melodischem Power Metal mit
symphonischen und progressiven Einflüssen verschrieben hat. In der Tat
wurde dann sowas in der Art vorgetragen, aber irgendwie drang die Chose
nicht wirklich durch und konnte dem an sich vertretbaren
Studio-Material das Wasser kaum reichen. So plätscherten die ersten
dreissig Konzertminuten ziemlich ereignislos an einem vorbei und
entlockte den knapp hundert Nasen entsprechend verhaltenen Applaus und
null Reaktion. Mir selber blieb nach dem Verklingen des letzten Tons
nichts hängen. Sollten sie dabei den wirklich guten Song «Dorian»
gespielt haben, lag das Manko klar bei der Umsetzung vom Studio auf die
Bühne.
Siren’s Cry
Nach dem mauen Beginn war meine Stimmung eher mittelmässig und ich
liess mich mal davon überraschen, was denn als Nächstes folgen würde.
Siren’s Cry? Progressive female fronted Melodic Metal! Aha…, na dann
mal los! Aus dieser Ecke, also Österreich, bin ich natürlich schon seit
Jahren, da wirklich Fan, auf Edenbrigde abonniert, und nachdem
Nightwish spürbar kränkeln,
haben Delain dieses Terrain bei mir sicher und nachhaltig erobert.
Siren’s Cry haben sich erst 2009 konstituiert und nun im September mit
«Scattered Horizons» ihren ersten offiziellen Longplayer über das
deutsche Label „Nightmare Records“ raus gehauen. Dieses Teil hat
ziemlich gute bis beste Genre-Reviews abgeräumt, was ich zu dem
Zeitpunkt aber noch nicht wusste. So nahm ich zuerst mal den Einzug der
Band auf die Bühne wahr, namentlich sind das Frontfrau Katarina Joanne
mit ihren Kollegen Phillip Porter (g), Michael Siskov (keys), Soeren
Skupien (b) und Frederic Brünner (d). Die spielerische Ausgangslage
war, wie zuvor bei Sebastien, die gleiche und das hiess konkret
dreissig Minuten Spielzeit! Das wirkte sich bei den Austria-Proggern
dann entsprechend aus, denn die Band kam von Anfang an nicht richtig in
die Gänge. Das Ganze wirkte viel zu vertrackt und man merkte bald
einmal, dass die gute Katy zwar singen konnte, aber null Ausstrahlung
besass. Sie wirkte steif und hölzern und das wurde durch holprige
Ansagen wie „soll ich auf Englisch oder Deutsch weiter sprechen?“ nicht
besser. Dass ihre Hintermannschaft augenscheinlich, respektive
technisch wirklich auf zack war, verpuffte zusehends. Bald einmal
machte sich beim Rezensenten eine latente Langeweile breit und die
immer noch spärliche Zuschaueranzahl übte sich in vornehmer
Zurückhaltung. So verstrich auch die zweite halbe Stunde ohne
Nachwirkung, wobei ich nun im schreiberischen Nachgang überrascht
realisiere, wie schlecht sich Siren’s Cry im Z7 verkauft haben. Wer,
wie erwähnt, sich in der Schnittmenge von Edenbridge und Delain wohl
fühlt, muss sich unbedingt den sehr überzeugenden Studio-Aufnahmen
annehmen!
Mystic Prophecy
So langsam aber sicher fragte ich mich, was ich hier eigentlich mache,
denn bisher war nichts Brauchbares zu hören und das verlangte nach
einer Antwort! Die Power Metaller aus dem nachbarschaftlichen Norden um
Sänger Roberto Dimitri Liapakis (unter anderem auch Valley’s Eve) gibt
es schon länger als eine Dekade, und ähnlich wie zum Beispiel die
mittlerweile wegen Erfolgslosigkeit verblichenen Metalium, dümpelt die
grosse Karriere von Mystic Prophecy ebenso mehr schlecht als recht vor
sich hin. Natürlich konnte man in den vergangenen Jahren entsprechende
Tourneen von namhafteren Acts wie Stratovarius mitmachen, aber das
anhaltend unstetige Lineup verunmöglichte das entsprechende
Weiterkommen. Immerhin wurden bereits sieben Alben eingespielt und mit
«KillHammer» kommt nun das frische achte Langeisen daher, das aufgrund
der positiven Resonanz getrost als Frischzellenkur betrachtet werden
kann. In der Tat brauchte es danach nur kurze Zeit und schon hatte sich
die Stimmung markant in eine positiv antizipierende Richtung
umgewandelt. Plötzlich waren sie da, die wehenden Matten, die zu den
schwer krachenden Riffs endlich für ordentlich Bewegung sorgten. Das
war teutonischer
„Häwie Meddel“ wie aus dem Lehrbuch und schob die Chose mit unbändiger
Spielweise genauso nach vorne raus an, wie es eigentlich immer sein
sollte! Nebst dem aktiven Frontmann gebührte die Power der Axtfront mit
Gitarrist Markus Pohl (Ex-Symphorce) und Bassist Connie Andreszka, der
von Evidence One kam. Um mit der zweiten Gitarre mehr Druck und scharfe
Leads zu erzeugen, holte man noch den Griechen Laki Ragazas (Devil’s
Train) an Bord. Auf den ersten Blick wirkt die aktuelle Besetzung von
Mystic Prophecy eher wie ein zusammengewürfelter Haufen, doch zumindest
heute Abend trat das Quintett geeint und mit spürbarer Harmonie auf,
was sich dann stimmungsmässig bald auf das nun reagierende Publikum
abfärbte. Im Zentrum standen insgesamt vier neue Songs, die um einige
ältere bis ganz alte ergänzt wurden. Da sich die Spielzeit deutlich zu
einer Stunde hin bewegte, war zum Schluss auch klar, dass der
Co-Headliner als „Special Guest“ dieser Tour im Billing stand. Dies
völlig zurecht, wie man dem lautstarken Schlussapplaus zum allerdings
entbehrlichen Black Sabbath Cover «Paranoid» entnehmen konnte.
Setliste: «Kill The Beast» - «Savage Souls» - «Sacrifice Me» -
«Killhammer» - «Lords Of Pain» - «Hate Black» - «We Kill You Die» - «To
Hell And Back» - «Ravenlord» - «Evil Empires» -- «Paranoid.
Masterplan
Nach dieser beeindruckenden Steilvorlage der Kollegen musste nun der
Headliner ran und dies möglichst mit durchschlagender Kraft. Fakt ist
auf jeden Fall, dass Masterplan mit ihrem neuen Longplayer «Novum
Initium» wieder Anschluss an die besseren Zeiten suchen, was bisher
jedoch nur bedingt gelungen ist. Vor gut zehn Jahren sah das freilich etwas
anders aus, als sich noch ein gewisser Jorn Lande für den Gesang
verantwortlich zeigte. Die Band, die von den beiden Ex-Helloween Recken
Roland Grapow (g/v) und Uli Kusch (d) einst erfolgreich angeschoben
wurde, bot zunächst eine gute Mischung aus der Vergangenheit, gepaart
mit viel auf die Zukunft ausgerichtetem Enthusiasmus. Nach den ersten
zwei Top-Alben «Masterplan» (2003) und «Aeronautics» (2005) ging der
gute Jorn leider und zum ersten Mal von Bord und wurde vorerst durch
Mike DiMeo (Riot, The Lizards) ersetzt. Durch die andere Stimmlage
veränderte sich auch die öffentliche Wahrnehmung der Band und so nahm
der Abwärtstrend seinen Lauf. Selbst der zwischenzeitliche
Wiedereinstieg von Altmeister Lande im Jahre 2010 mit dem Album «Time
To Be King» konnte nicht verheimlichen, dass es so nicht wirklich
weiter geht. Im Jahr darauf machte sich dieser dann das zweite Mal
sowie nicht unerwartet definitiv vom Acker und wurde ab 2012 durch Rick
Altzi (At Vance, Thunderhead) ersetzt. Darüber hinaus kam im gleichen
Jahr noch Jari Kainulainen von Stratovarius und mit Martin Marthus
Škaroupka (Cradle Of Filth) folgte ihm ebenso ein neuer Mitstreiter.
Cradle of…, wie bitte? Ja, Ihr habt richtig gelesen und genau der Typ
ist laut einem persönlichen Statement seitens Herrn Grapow dafür
verantwortlich, dass es wieder so richtig fett rüber kommt. Dass er
damit richtig lag, sollte sich schon bald erweisen. Mit dem
Opener «Enlighten Me» und dem nachfolgenden «Spirit Never Die» ging es
zunächst mal zurück zu den Wurzeln. Das Ganze hörte sich soweit ganz ok
an und das war an der Stelle alles andere als selbstverständlich, denn
der bedauernswerte Rick war gesundheitlich angeschlagen und stand mit
Fieber (!) auf der Bühne. Obwohl er sich sichtlich Mühe gab, fehlte es
dennoch etwas an Durchschlagskraft. Darunter litten vor allem die neuen
Songs, die auf Tonträger mehr her geben. Trotzdem konnte man aber
konstatieren, dass Rick Altzi ein mehr als nur würdiger Ersatz von Jorn
Lande ist und was den Timbre der Gesangsstimme angeht, seinem Vorgänger
dabei sehr nahe kommt. Puristen (wie mich) wird das allerdings nicht,
respektive nie ganz zufrieden stellen, doch Fakt ist, dass es
Masterplan sonst Anno 2013 schlicht nicht mehr geben würde. Obwohl die
Stimmung im Publikum klar nicht an Mystic Prophecy heran reichte, waren
die letztlich durchgestandenen 80 Minuten keineswegs von schlechten
Eltern. Das gewisse Etwas, dass diese Band vor einer Dekade einmal
besass, fehlte unter dem Strich aber und ein zusätzlicher
Rhythmus-Gitarrist wäre soundtechnisch halt Gold wert…, wäre.
Setliste: «Enlighten Me» - «Spirit Never Die» - «Lost And Gone» -
«Betrayal» - «Black Night Of Magic» - «Crimson Rider» - «Far From The
End Of The World» - «Back For My Life» - «Time To Be King» - «Keep Your
Dream Alive» - «Crystal Night» - «Soulburn» - «Heroes» - «Kind Hearted
Light» -- «Crawling From Hell».
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