In letzter Zeit spricht man in der Metalszene immer mal wieder
von einem neuen Subgerne namens "Djent". Der Entstehung von Djent
ist der Band Meshuggah zu verdanken, denn sie hat mit ihrem Schaffen
den Grundstein zu diesem Untergerne gelegt. Das ist einer von
vielen Gründen für den Besuch des Konzertes dieser "Mathematiker"
der Metal-Welt, denn sie haben es geschafft, das Extreme des Thrash
Metal-Genres, in dessen Rahmen sie ihre Karriere begonnen haben, auf
ein neues Niveau zu heben. Dennoch ist erstmal nicht ganz zu
rechtfertigen, "Djent” als völlig eigenständiges Genre der harten
Musik zu bezeichnen, denn der Einsatz von palm-muted, low-tuned und
deep-toned Riffs ist ein allgemeines Markenzeichen der neuen,
technischen und progressiven Ebene der Metal-Musik des 21.
Jahrhunderts.
Davon konnten sich denn auch die Zuschauer überzeugen, die am 4.
Dezember zum Konzert kamen, das im Rahmen der Europa-Tournee "Ophidian
Trek 2012" stattfand. Als erste Vorgruppe traten die Polen
Decapitated auf, die zwar immer noch zum Oldschool Death Metal
gehören, dennoch aber auch modernen, technischen Death spielen.
Zuvor spielte noch eine ganz junge Band, nämlich C.B Murdoc aus
Schweden, deren Stil man als Experimental Progressive Technical
Thrash / Death Metal / Hardcore bezeichnen kann.
C.B.Murdoc
Um halb acht betraten die Musiker von C.B Murdoc zu einem epischen
Intro die Bühne. Aus meiner Sicht kann man ihren Stil auch als
"Djent” beschreiben: sie benutzen all die oben erwähnten Elemente
und kombinieren damit Teile beinahe aller extremen Spielarten des
Metal in ihrer Musik. Auf diesem Konzert ist mir klar geworden, dass
sich die Gitarristen
Henrik Hedberg und Fredrik Boëthius mit dem
bislang Erreichten nicht zufrieden geben: sie beherrschen ihre
Technik meisterhaft, und so spielen sie ganze Kaskaden von Riffs
sehr schnell, wodurch ein dynamischer und plastischer Gesamteindruck
entsteht. Ausserdem über-raschte mich auch die hohe Qualität des
Gesamtklanges. Dabei spielten die Keyboard-Effekte von Johan Larsson
eine wesentliche Rolle, mit denen der Auftritt der Gruppe begann.
Aber trotz des Keyboards wirkte die Musik von C.B Murdoc immer noch
sehr extrem, so dass auch die Freunde sehr harter Musik auf ihre
Kosten kamen. Andere, die eher melodische Parts schätzen, dürften
sich über die Riffs der Band gefreut haben. «The Green», das Debütalbum der
Gruppe, erschien 2012 und fand überaus positiven Anklang bei den
Kritikern. Wie Sänger Johan Ljung dem Publikum mitteilte, ist ein
Lied darauf den Musikern von Decapitated und Meshuggah gewidmet. Am
Schluss bedankte sich Johan herzlich bei Publikum, das mit dem
Auftritt sehr zufrieden schien.
Decapitated
Schon kurz danach betraten die polnischen Musiker von Decapitated
die Bühne. Sie waren erst 2011 wieder aktiv geworden, nachdem 2007
ihr Schlagzeuger Vitek bei einem tragischen Unfall verstorben und
der Sänger Covan schwer verletzt worden waren. Dann verliessen auch
noch Bassist und Schlagzeuger des Reunion-Albums von 2011 schon ein
Jahr später die Band wieder. Genau deswegen war es besonders
erfreulich, die Gruppe auf diesem Konzert zu sehen. Decapitated boten
einen sehr lebhaften Auftritt und spielten technisch sehr versiert.
Und ich freute mich sehr, dass ich am Schlagzeug Pawel "Pawulon"
Jaroszewicz, der früher bei Vader trommelte, entdeckte. Ohne einen
so einen erfahrenen Drummer wäre der Auftritt sicher nicht ganz so
perfekt gewesen! Session-Bassist Konrad Rossa machte seine Sache
aber auch sehr gut und lieferte eine tolle Show ab. Das einzige
unersetzliche Mitglied der Gruppe – Gitarrist Vogg – hypnotisierte
das Publikum mit seinen kristallklaren melodischen Parts und
seinem stacheligen Riffing, und der Frontmann Rafal liess auf die
Zuschauer eine mächtige Growl und Dreads-Lawine los! Einen
besonderen Charme verliehen dem Auftritt längere Pausen zwischen den
Liedern, während denen das Licht gedämmt wurde und man nur dezente
Gitarren hörte. Die Räucherstäbchen dazu gaben dem Ganzen eine sehr
gut zum neuen Album passende ethnische Atmosphäre. Trotzdem wurden
auch ältere Songs dargeboten, zum Beispiel «Mother War» von 2002.
Meshuggah
Nach dem Auftritt von Decapitated wurde die Bühne komplett umgebaut,
vor allem im Bereich der Lichttechnik. Später sollte sich
heraus stellen, dass man die extreme Musik auch von einer extremen
Lichtshow begleitet haben wollte. So heftig blinkende Lichter habe
ich noch nie gesehen, es tat fast in den Augen weh. Den Musikern
machte das natürlich nichts aus, sie standen zu Beginn bewegungslos
auf der Bühne und waren im dichten Nebel nur als dunkle Silhouetten
zu erkennen. Fast
konnte man glauben, dass hier nicht Menschen,
sondern Aliens auf der Bühne standen und dass dieses Konzert ein
mysteriöses wie esoterisches Ritual der Begrüssung der Menschen sei. Der
kahlköpfige Sänger Jens hob seine Hände ab und zu hoch und blickte
von der Bühne aus in den Zuschauerraum, als ob er sich über die
seltsamen Menschen vor der Bühne wundern würde. Vielleicht wollen
die Aliens von Meshuggah uns ja blenden und dann in ihr UFO laden?
Die Zuschauer waren jedenfalls wie in Schockstarre zu Beginn ihres
Auftritts.
Nach den ersten fünf Songs verliessen die Musiker die Bühne wieder.
Eine Licht- und Lasershow begann zu «Minds Mirrors». Eine mit
Vocoder bearbeitete Stimme heulte durch die Halle. Zu den
schwebenden Tönen der Ambientgitarre bestrahlte man den Raum mit
grünen Laserlichtern. Die Pause gab dem Publikum Zeit, sich zu
erholen und der erste Schock der Begegnung mit Wesen von einem
anderen Planet war überstanden. Ab dem Song «Letargica» gab es dann
auch einen Moshpit und Diving im Gedränge. Neben der Bühne fingen die
Sicherheitsleute sogar die aktivsten Divers auf, die beinahe in den
Bühnengraben gefallen wären. Nach dem bekannten Track «Bleed» zeigte
Jens seine menschliche Seite und fragte die Zuschauer in den
vorderen Reihen: "Ist alles ok?" und bemerkte, dass sich wohl nur
extreme Menschen im Raum befunden hatten.
Zweifellos ist es sehr schwer, sich die Metal-Szene des 21.
Jahrhunderts ohne diese virtuose Band vorzustellen, und so wollte
natürlich auch ich mit eigenen Augen sehen, wie Frederik Thordental
seine Finger beim Spielen der schwersten Riff-Kombinationen
meisterhaft bewegte und ich wollte den berühmten "Band-Effect»
sehen, aber man konnte wegen den aggressiven Spezialeffects kaum
etwas sehen. Ausserdem konnte man die Schlagzeugarbeit nicht sehr gut
raus hören, denn im Unterschied zu den Vorgruppen stand das Drumkit
bei Meshuggah auf einem Podest. Dadurch sah man dann auch von der
Schlagzeugarbeit von Tomas Haake nicht so viel, wie man gerne
gesehen hätte, zum Beispiel seine berühmten Sincopa-Rhythmen.
Trotzdem kam das Konzert super an und die Band hatte eine
ausgezeichnete Setliste vorbereitet. Beim Merchstand hatte es auch elegante
T-Shirts für Frauen, was ja selten genug ist. Jetzt wartet Zürich
zweifellos mit Ungeduld auf die Rückkehr dieser kosmischen
Demiurgen!
Setliste: «Obsidian Intro» - «Demiurge» - «Pravus» - «Combustion» - «Glints
Collide» - «Letargica» - «Do Not Look Down» - «The Hurt» - «Catch 33» -
«Bleed» - «New Millenium» - «I Am Colossus» - «Patronal Gaze» - «Future Breed
Machine» - «Dancers To A Discordant System».
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