Livereview: Metal Christmas Festival - Sabaton - Frei.Wild
Korpiklaani - U.D.O. - Die Apokalyptischen Reiter - Sonic Syndicate
18. Dezember 2010, Bern - BEA Expo Halle 310
By Roger W. und Nicole B.
Was gibt es schöneres als Weihnachten mit einem ordentlichen Metal-Festival einzuläuten? Nichts! Und genau dies dachten nicht nur Röxxe, Nicole und meine Bescheidenheit, sondern auch unzählige weitere Metalköpfe. Okay, zugegeben: Oberflächlich betrachtet hat Heavy Metal sehr wenig mit dem Baum und dem Kind im Fressnapf von Kuh und Esel zu tun. Wer aber an diesem Abend in Bern war erkannte verschiedene Parallelen. Denn auch der Metal bereitet Freude, Li*** und Frieden.

Die Bands sind die Boten von Headbangen und Pogo. Und die Fans bedankten es an diesem denkwürdigen Abend, in dem sie jede einzelne Band als Headliner abfeierten. So durften die Musiker mit dem guten Gefühl „relevant zu sein“ in die Weihnachtsferien. Einziger Wehrmutstropfen war die Absage von „The Sorrow“, welche nicht mal über die Festival-Webseite kommuniziert wurde und so manche Kuttenträger enttäuschte. Als Entschädigung dafür gab es quasi Frust-CD-Käufe an unserem Metal Factory stand. Auch nicht schlecht, denn so wurden auch wir Teil dieses weltumspannenden L-Wortes, das in Metalkreisen offiziell ja gar nicht genannt werden darf. Hugh!

Sonic Syndicate
Für etwas Verwirrung sorgten die schwedischen Death-Pop-Metaller, die aufgrund des Ausfalls von The Sorrow das Festival eröffneten. Denn obwohl fast sämtliche Lieder entscheidend durch Keyboard-Klänge geprägt waren, suchte man den Klimperer vergeblich auf der Bühne. Das warf bei einigen Metallern Fragen auf. Denn mit zwei Sänger, zwei Gitarristen (von denen man höchstens nur eine Gitarre hörte), einer Bassistin und dem Schlagzeuger hatte man doch einiges an Personal auf der Bühne. Ein Tastenmann wäre also wohl kaum ins Gewicht gefallen. Zusammen mit dem überaus perfektem Styling und dem energischen Stageacting der Band wusste man bald nicht mehr, was wirklich live gespielt wurde und was nicht. Böse Zungen behaupteten sogar, dass dies die metallische Variante von Tokyo Hotel sei. Nüchterner und aus der Sicht eines 20-jährigen Metallers betrachtet war das Konzert der Schweden aber eine annähernd perfekte Show mit Liedern, welche grandios Melodie und Härte miteinander verbanden. Bereits jetzt war die Halle mit ausflippenden Fans gefüllt, die ihre Band abfeierte. Zu „Revolution Baby“, „Jack Of Diamonds“ und „Burn This City“ tanzte der vordere Teil der Halle. Sonic Synidicate liessen es sich dabei nicht nehmen, auch für die andere schwedische Band des Abends zu werben. Sie selber liessen schon mal vorahnen, was an diesem Abend noch auf einem zukommen würde: Nämlich ausschliesslich Shows mit Headliner würdigen Bands. Der von Sonic Syndicate initiierte Pogo-Tanz beim letzten Song unterstrich diesen Eindruck bereits nachhaltig. (Rog)


Die Apokalyptischen Reiter
Nach einem mit Celli an Apocalyptica erinnernden Intro, das eher traurige Töne von sich gab, wurden die Reiter auf der Bühne würdig mit einem Haufen Pommesgabeln empfangen – ganz so, wie es anständigen Metallern gebührt. Dann rockten die Deutschen mit „Wir sind das Licht“ und „Revolution“ los. Keyboarder Dr. Pest wirbelte bereits zum ersten Mal seine Peitsche durch die Luft, Sänger Fuchs schwang die Bandfahne und war auch sonst immer bemüht, das Publikum zu animieren und zum Mitmachen zu bewegen. Diese Bemühungen wurden auch sogleich belohnt, entstand doch schon nach kurzem ein Circle Pit vor der Bühne. Eine Tatsache, die bei der Musik der Reiter auch nicht weiter verwundert: Von hartem Geknüppel über drückende Gitarrenriffs bis hin zu ruhigen Melodiepassagen war hier einfach alles zu finden. Mit „Der Seemann“ und „We will never die“ kurbelten die Herren auf den Brettern die Stimmung im Publikum weiter an und boten mit „Boten einer neuen Zeit“ zum Abschluss nochmals das volle Programm mit Soundbrett und schnellen Zwischenteilen, aber auch mit getragenen Songelementen. Definitiv ein gelungener, wenn vielleicht auch ein nicht ganz perfekter Auftritt der Band. Weiter so! (Nic)

U.D.O.
Wo waren denn plötzlich die Metaller geblieben? Und wieso stieg das Durchschnittsalter im Publikum auf einmal beträchtlich? Klar, U.D.O. ist eine Band, deren Ursprünge bei Accept liegen. Sie hat deshalb auch Lieder im Repertoire, welche bereits seit 30 Jahren als Blaupausen für klassischen deutschen Stahl gelten. Und zugegeben, die Jungs um Sänger Udo Dirkschneider können Altersmässig auch nicht mehr mit den jungen Schweden von Sonic Syndicate mithalten. Das müssen sie aber auch nicht. Und deshalb liessen sie vor allem die Musik für sich sprechen – und die war an diesem Abend einfach nur famos. Das lag einerseits an den ewig-geilen Klassikern der Sorte „Princess Of The Dawn“, „Man Or Machine“ und „Balls To The Wall“, anderseits aber auch am druckvollen Zusammenspiel der fünf Musiker. Gerade bei letzterem konnte den Deutschen heute Abend keine Band das Wasser reichen. U.D.O. gingen auf Nummer Sicher und spielten ein Best-Of Programm, welches auch nach dem x-ten-Mal noch Spass macht. Und so durfte man auch in Bern der obligatorischen Gitarren-Einleitung zu „Metal Heart“ lauschen und anschliessend in der Strophe die Beethoven-Melodie „Für Elise“ nachsummen. U.D.O. überzeugten mit einer sichtlichen Spielfreude, die das Publikum dazu anstiftete, alles aus sich rauszuholen. Sie bestätigten damit ihren Kultstatus und konnten sicherlich ein paar junge Metaller von sich überzeugen. (Rog)

Korpiklaani
Was kommt dir als erstes in den Sinn wenn du den Namen Korpiklaani hörst? Das Wort „lustig“ dürfte wohl dazu gehören. So machten die Finnen denn ihrem Image auch alle Ehre und tauchten als Samichläuse verkleidet auf der Bühne auf. Ok, bei 4 von 5 Bandmitgliedern blieb es bei der Mütze, einer aber schaffte es immerhin doch in Vollmontur. Die Stimmung im Publikum war von Anfang an warm und so wurde bereits der Opener „Vodka, Vodka“ abgefeiert. Ob da wohl etwas Alkohol im Spiel war? Wie gewohnt reicherten Korpiklaani ihre Songs auch heuer an mit Handorgel und Fidel und brachten dadurch den für die Band so typischen Humpa-Sound hervor. Mal etwas langsamer, mal etwas schneller, doch immer mit Freude vorgetragen – so präsentierten sich die 5 Skandinavier zum Jahresende hin in Bern. Zwar verabschiedete sich die gute Stimmung in der Menge zwischendurch mal kurzfristig, kehrte dann aber wegen lustig-amüsanten Jodeleinlagen und dem Schlusstrack „Ironfist“ von Motorhead wieder zurück. Unser Cheffe hat diesen Auftritt in 3 Worten kurz und passend zusammengefasst: „Meine kleine Trinkmusik“. Na dann Prost! (Nic)

Frei.Wild
Was kommt euch beim Wort Deutschrock in den Sinn? Einfach aufgebaute Lieder, zu denen man besonders im angetrunkenen Zustand lauthals mitgröhlen kann? Also Promille-Rock? Wenn ja, seid ihr bei den Südtirolern Frei.Wild genau am richtigen Ort. Ihre Lieder können in fast jedem Zustand mitgesungen werden, bieten aber auch dem nüchternen Zuhörer viel. Leider erfuhr man erst am Schluss des Konzertes, dass die Band aufgrund technischer Probleme zu spät auf die Bühne konnte und darum einige Lieder streichen musste. Das erklärte auch, weshalb Frei.Wild bereits beim Soundcheck für Stimmung sorgten, als sie neben Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ auch AC/DCs „Highway To Hell“ anspielten. Mit „Hoch Hinaus“ des neuen Albums Gegengift ging es schliesslich los. Sofort sang das Publikum lautstark mit, so dass man sich unweigerlich an die seligen Konzerte der Böhsen Onkelz erinnerte. Frei.Wild erzeugen denn auch eine ähnliche Stimmung wie einst die Deutschen. Und wie früher Stephan Weidner, verkündete auch Frei.Wild-Sänger Philipp Burger, dass sie keine rechte Band seien und von Gewalt und Extremismus nur eines halten würden: Nämlich gar nix! Mit „Land der Vollidioten“ unterstrichen sie diese Aussage eindrücklich. Frei.Wild zeigten aber auch Humor, in dem sie den Schlager „I will wieder ham“ verrockten. Dies sorgte unweigerlich für „Oh wie ist das schön“-Sprechchöre. Aufgrund der vielen doppelstimmig gesungenen Textpassagen wirkte die Band insgesamt wenig agil und klebte förmlich an ihren Mikrofonen. Dieses Manko machten sie aber mit ihren harten deutsch gesungenen Rock’n’Roll-Songs wett. Das Zeug zum Bandklassiker hat definitiv „Weil du mich verarscht hast“. Überzeugte mich das Lied bereits auf CD, wurde mein Eindruck durch die Reaktion des Publikums bestätigt. „Weil du mich verarscht hast“ lebt von seinen Ska-Tanz-Rythmen in den Strophen, denen im Refrain jeweils ein wilder Pogo-Teil folgt. Und wenn Pilipp Burger bei diesem Song ein „Und die ganze Schweiz tanzt!“ verkündete, so wird dies wahrscheinlich tatsächlich bald der Fall sein. „Unser Wille, Unser Weg“ leitete bereits zum Ende des viel zu kurzen dritten Schweizer-Konzertes über. Frei.Wild haben mit diesem Auftritt Appetit auf mehr gemacht und bestätigten ihren Ruf als potentielle Nachfolger der Böhsen Onkelz. (Rog)

Sabaton
Für einen Headliner etwas reichlich spät betraten Sabaton um Mitternacht die Bühne – und dies erst noch nach einem gefühlsmässig elend langen Intro in Form von „The Final Countdown“. Als die Herren des Nordens schlussendlich loslegten, gaben sie dafür aber gleich mächtig Gas. „Ghost Division“ machte den Anfang. Auffallend daran war vereinzeltes Schleppen während des Songs, was ihn aber umso geiler machte. Dazu gesellten sich ein paar Pyros – und spätestens ab da hatten Sabaton ihr Publikum in der Tasche. Mit „Uprising“ ging es in stampfender Gangart weiter. Auch wenn zu dieser späten Stunde nicht mehr ganz so viele Leute vor der Bühne standen wie bei Korpiklaani, so merkte man das zumindest akustisch nicht. Die Leute tobten und riefen immer wieder „Sabaton, Sabaton!“. Mit zunehmender Dauer des Konzerts wurde Sänger Joakim Broden deswegen immer baffer und konnte es kaum glauben. Er bedankte sich laufend ganz artig, liess zwischendurch ein paar lustige Sprüche fallen („Silence, I kill you!“) und meinte nebenher, dass mit „White Death“ ein Song folge, den die Band noch nie zuvor live gespielt habe. Da herrschte natürlich noch mehr Freude in der Menge. Mit einer recht rohen, dafür umso geileren Version von „40:1“, dem voll durchdrückenden „Attero Dominatus“ und Tanzmusik à la „Warriour Soul“ zockten sich die Schweden weiter durchs Set. Das Publikum feierte, klatschte und sang (teilweise erstaunlich textsicher) mit. „Primo Victoria“ verwandelte die ganze Halle in einen hüpfenden Hexenkessel, bevor mit der obligaten Zugabe „Metal Machine“ und nach fast 1 ½ Stunden Spielzeit nachts um halb zwei endgültig fertig lustig war. Fazit: Ich ziehe den Hut vor dieser Truppe. Seit Jahren tourt sie sich den Popo ab, klettert auf der Beliebtheitsskala (und natürlich auch auf der Bekanntheitsskala) immer weiter empor, bleibt aber immer bescheiden und bringt dies auch noch glaubwürdig rüber! Chapeau! (Nic)