Livereview - Metal Factory Festival: Disparaged - Legenda Aurea
Requiem - Gonoreas - Backwash - Total Annihilation - Charing Cross
29. Mai 2010, Dietikon (ZH) - soundDock 14
By Kissi (kis), Roger W. (rog), HaRdY (hdy) & Rockslave (rsl) - All Pics by Rockslave
Was mal im Frühsommer des Jahres 1999 in Gran Canaria beim Ausnüchtern von einer Party im dortigen Metal-Laden «Turbo Pub» seinen Anfang nahm, ist mittlerweile schon eine ganze Dekade her! Während dieser Zeit hatte unser aller Chef Roxx immer ein Ziel vor Augen, nämlich der Schweizer Metalszene etwas von dem zurück zu geben, was ihm selber auch das Heiligste ist: Hardrock und Heavy Metal! Dass der Anfang und vor allem das Überleben in diesem Métier nicht leicht ist, mussten schon viele Nachahmer erleben. Metal Factory blieb sich aber immer treu und alle, die einmal dazu gehörten und auch heute noch mit dabei sind, tun dies erstens ehrenamtlich und zweitens mit der gemeinsamen Passion für die zum Teil seit Jahrzehnten verehrte und geliebte Musik. Da war es nicht mehr als recht, uns für einmal in den Mittelpunkt zu stellen und kräftig zu feiern! Dies taten wir gemeinsam Ende Mai in Dietikon und es wurde eigentlich sogar etwas unerwartet zu einer grossartigen Sause mit nicht weniger als sieben tollen Schweizer Live-Bands und vielen Freunden von Metal Factory! Nochmals herzlichen Dank an alle, die gekommen sind, es war der Hammer! (rsl)

Charing Cross

Die Hard Rock Heavy Metaller Charing Cross eröffneten den Konzert-Abend, und gaben sofort Vollgas. Etwas anderes war von den Innerschweizern allerdings auch nicht zu erwarten, denn Charing Cross sind bereits seit Jahren ein Garant für heisse und motivierte Shows. Headbangen und Spass war also auf der Bühne angesagt, was sich auch gleich auf das Publikum ausweitete. «Final Day» gab die Marsch-richtung mit stampfenden Grooves, kreischenden Gitarren und hohen Stimmen vor. Natürlich durfte auch das obligate Bohrmaschinen-Gitarren-Solo nicht fehlen. Nicht langes Reden, sondern spielen war die Devise. Und so gab es anstelle eines "We are Motörhead, and we play RocknRoll"-Gerede, ein "Kick Ass RocknRoll" zu hören. Dies lockte noch mehr Leute in die Halle, so dass bei «Broken» ein erstes, zaghaftes Klatschen möglich wurde. Ein Urschrei von Gitarrist Andy Dorman läutete danach «Aint Got No Time» ein, das wie «Palace Of Hate» zum ultimativen Headbanger mutierte. Bei Letzterem bezog Sänger Peter Hochuli gleich das Publikum mit ein und liess einzelne Fans den Refrain ins Mikrofon schreien. «Burn The Sun» und «Shadow» beendeten schliesslich ein Konzert, das Lust auf mehr machte. Charing Cross gratulierten damit dem Jubilar engagiert und respektvoll. (rog)

Setliste: «Final Day» - «Kick Ass Rock'n'Roll» - «Broken» - «Ain't Got No Time» - «Palace Of Hate» - «Burn The Sun» - «Shadow».

Total Annihilation
Danach war es an Total Annihilation, nach der Powerbreitseite von Charing Cross, die Thrash-Keule auszupacken. Die Jungspunde aus Basel stemmten sich dabei vom Fleck weg in die Vollen und das trotz einer gleich zu Beginn rebellierenden Gitarre und dem Umstand, dass sich leider gerade mal etwa 30 Festivalbesucher dazu bequemen konnten, ihren Allerwertesten vom gemütlichen, sonnigen Hinterhof des soundDocks in den Club zu verschieben. Wie die fünf Thrash-Maniacs auf der Bühne, gaben aber auch die wenigen treuen Fans alles und schon während der Eröffnungsnummer bildete sich der erste kleine Circle Pit des Festivals. Bei Songs wie «Nuclear Devastation», «Terror» oder «War, Death, Suffering» ist das auch alles andere als überraschend, sind diese doch Riffgewalten in Reinkultur, auch wenn ob den lauten Schlagzeugbecken die Gitarren hie und da unter zu gehen drohten. Und wenn am Ende gar noch Shouter Daniel Altwegg ins Publikum hinunter steigt, um sich an den Gymnastikübungen seiner Fans zu beteiligen, dann ist man sich trotz weniger Zuschauer sicher: «Thrash is not dead»! (kis)

Backwash
Nach der ersten Rock- und Thrash-Walze war jetzt "time for some kick ass Rock'n'Roll angesagt! Das kündigte sich schon nur optisch an, als Bob (v), Volli (g), Toby (b) und Spiga (d) die Bühne des soundDock enterten. Albumtechnisch stehen die erste EP «Feel Rock» (2003) und das erste Full Lenght-Album «Kick Ass» von 2006 zu Buche. Den Auftakt machte mit «Infected» jedoch ein neuerer Song, der gleich ordentlich losgroovte. In der überwiegenden Schnittmenge von AC/DC, Mötley Crüe und etwas Motörhead legten Backwash mit «She's Rock'n'Roll» gleich das nächste Brikett nach. Wer das alte Video zum Song «Highroller» anschaut, wird noch einen zweiten Gitarristen entdecken, der heute aber nicht mehr dabei ist/war. Das wäre heute allerdings wünschenswert gewesen, denn gleich zu Beginn streikte die Klampfe von Volli. Der liess sich davon aber nicht aus der Ruhe bringen und behob das Problem umgehend, während seine Kumpels die Zeit mit etwas musikalischem Geplänkel überbrückten. Auch wenn das Posing, vor allem bei Sänger Bob zuweilen etwas gar arg ausfiel, vermochten die Jungs zu überzeugen, denn die Songs kamen sehr ansprechend daher. Das wurde zunehmend vom jetzt doch etwas zahlreicheren Publikum vor der Bühne mit immer lauterem Applaus bedacht. «One More Dollar» (von der EP) beendete schliesslich einen überzeugenden Auftritt, der wirklich Eier hatte! (rsl)

Setliste: «Infected» - «She's Rock'n'Roll» - «Jump'n'Shout» - «Hollywood» - «Betther Dawn» - «Highroller» - «Ego» - «One More Dollar».

Gonoreas
Nun war die Reihe an knackigem Power Metal mit Melodie und leicht progressiver wie truemetallischer Attitüde. Das letzte Mal sah ich die Band am «Metal Inferno III» in Lenzburg 2005 und war bereits dort schon angetan von dem, was ich gesehen und gehört hatte. In erster Linie lag das am kompakten Sound und ja, auch die blonde Rhythmus-Gitarristin Miriam Zehnder rundete das gute Gesamtbild instrumental wie optisch noch ab. Gonoreas, die sich früher ja mal The Gonorrheas nannten, haben ihre Wurzeln mitte der 90er und seither hat sich das Lineup einige Male geändert. Sänger und Ur-Mitglied Gilberto Meléndez, der sich zwischendurch mal abgeseilt hatte, ist seit 2002 wieder fest an Bord und Gitarrist Damir Eskic ist der zweite Ur-Member. Nachdem letztes Jahr nicht weniger als drei Abgänge ersetzt werden mussten, zeigen sich Gonoreas 2010 wieder geeint und gestärkt sowie bereit, zu neuen Ufern aufzubrechen. Dem Abschied der drei Bandmembers folgte am Ende der «Guilty On The Road»-Tour der gleichnamige, töfte Live DVD/CD Doppeldecker, auf dem die inzwischen gereiften Qualitäten der Band optimal eingefangen wurden. Als Opener wurde in Dietikon mit «Stay Away» allerdings gleich ein Song gespielt, der nicht auf der Live-Scheibe zu finden ist. Die Stimmung war von Anfang an augenscheinlich am besten bisher, da unvermittelt einige Fanclub-Mitglieder ordentlich Krach machten. Den machte die Band im positiven Sinne auch und nebst den ultraflinken und ausufernden Soli von Damir Eskic und der neuen Rhythm-Section mit Pat Rafaniello (b) und Stefan Hösli (b) setzten sich viele männliche Augenpaare bei der sexy Rhythmus-Gitarristin Larissa Ernst fest. Der ebenso neue, blonde Rockengel steuerte seine harten Riffs songdienlich bei und füllte die Soundlöcher für Herrn Eskic. Für die Zuschauer war der eben angesprochene Sound in Ordnung, aber auf der Bühne selber schien den Gesten nach nicht alles rund zu laufen. Wie dem auch sei..., Gonoreas erhielten auf jeden Fall den bisher grössten und auch absolut verdienten Applaus. Das lag auch daran, dass das Songmaterial variabel daher kam und nebst schnellem Material und geilen Midtempo-Walzen auch "etwas leisere Töne" wie bei «Lies» auf fruchtbaren Boden stiessen. Dass Gilberto Meléndez mich dabei immer wieder mal an Blaze Bayley (Ex-Iron Maiden) erinnerte, konnte als weiterer Pluspunkt verbucht werden. (rsl)

Setliste: «Stay Away» - «Break Out» - «Hope» - «Why» - «Lies» - «Plead Not Guilty» - «Love To Rock» - «Bang Your Head».

Requiem
Mein Herz schlägt Death Metal.. und REQUIEM sind Death Metal, 'nuff said. Darum blies für mich - trotz all der guten Melodie und Trueness der bisherigen Bands - das tighte Stumpf-ist-Trumpf Trio wie ein erfrischendes Frühlingslüftchen durch das Sounddock und zündete mit dem aktuellen Opener «Marked By The Signs Of Chaos» das erste der zwei Todesmetallbriketts des heutigen Abends. Für mich die erste Begegnung mit den "neuen" Requiem seit dem Weggang des langjährigen Sängers Michi und der Beförderung von Bassist Ralf zum Tieftöner-Frontmann. Und die Mannen machten ihre Sache derart stabil, dass man meinen könnte sie hätten noch nie etwas Anderes getan. Während dem sich Drummer Reto gewohnt supertight durch die zwölf Songs nagelte (mindestens ein beschämtes Metronom hat sich bei der Darbietung sogar die Pulsadern aufgeschnitten, ich schwörs...), nützte Bandkopf/Gitarrist Phil den neu gewonnenen Platz auf der Bühne um öfters mal die Position zu wechseln und dabei konzentriert und mit Hingabe die Requiem'schen Riffwände rauszuhauen. Ralf punktete mit sympa-thischen Ansagen und ging mit seiner neuen Doppelbelastung ziemlich souverän um, kam gut an und schlug sofort eine spürbare Brücke zum lärmbegeisterten Publikum, dass von Beginn an auch gleich gut abging. Das zweite Viertel des Sets litt dann zwar ein bisschen unter fiesen Feedbacks, einer daraus resultierenden Zurückhaltung der Musiker plus der plötzlichen Abwanderung überraschend vieler Leute (könnte daran gelegen haben, dass Roxx am Rockstation-Pavillion für 5 Schtutz blank gezogen hat, aber diese Theorie ist nicht druckreif). Aber spätestens ab «Premier Killing League» wurde das Ruder herumgerissen und sowohl Band wie auch Publikum fingen wieder an zu verschmelzen. Das nachfolgende (und als "letzter Song" angekündigte) «Extinct By Evolution» wurde honorierend allen in den letzten Monaten verstorbenen Musikern gewidmet und ab dem "allerletzten" Song" «Perish In Open Fire» übernahm auch noch Lucie (aus Bern) mit ihrem unlady-like-beeindruckenden Organ das Mikro. Der "aller-allerletzte Song" hatte Druck wie Sau und als Abschluss gabs mit dem Überhit «Diary Of A Damaged Brain» und dem Rausschmeisser «The Last Campaign» noch einen finalen Tritt ins Gesicht, bevor die Lichter für die nächste Band angingen und der Verfasser dieser Zeilen es vor lauter Durst kaum bis zur Theke schaffte..., Mission accomplished. (hdy)

Setliste: «Marked By The Signs Of Chaos» - «Bloodcult» - «Final Conflict» - «The Die Is Cast» - «I, Terrorist» - «Into The Unknown» - «Premier Killing League» - «Extinct By Evolution» - «Perish In Open Fire» - «Killing Cell» -- «Diary Of A Damaged Brain» - «The Last Campaign».

Legenda Aurea
Sie hatten was gut zu machen bei mir..., Legenda Aurea..., denn ihr letzter Auftritt in Zürich (als Support von Delain im Dynamo Keller) war alles andere als optimal, was jedoch eher an den äusseren Umständen, als der Band selber lag. Der Co-Headliner des «Metal Factory Festivals» erwischte mit dem Opener «The Root» einen guten Einstieg. Während auf der instrumentalen wie tech-nischen Seite eh alles im grünen Bereich war, fand ich für mein Empfinden, dass sich die Frontfrau Simone Christinat nun bestens in die Band integriert hat. Allerdings war ihre Stimme vorne heraus eher schwach zu hören. Trotzdem fand die Band bald den Draht zum Publikum, das sichtlich Freude am an Nightwish angelehnten Sound zu haben schien. Simone setzte ausserdem sich und ihre schönen, langen Haare mit einem Ventilator gekonnt in Szene, wie man es auch von Epica's Simone Simons her kennt. Ein Effekt, der die Wirkung zusammen mit dem eher dezenten Licht nicht verfehlte. Auch die Performance als Ganzes kam nun einiges tighter um die Ecke als zuletzt in Zürich. Dennoch schlich sich bei mir abermals eine gewisse Langweile ein, weil die Songs einander insgesamt sehr ähnlich sind und einfach über zu wenig Hit-Potenzial verfügen. «Total Eclipse» fängt zum Beispiel sehr vielversprechend an und mündet dann aber bald wieder in der speedigen Grundstruktur der Songs, die in dieser Art oft verwendet wird. Was fehlt, sind griffige(re) Titel mit einprägsamen Melodien, wie sie Nightwish mit «Nemo» oder «Amaranth» abgeliefert haben. Dann und wann schimmern auch Edenbridge oder Delain durch, wobei es bei Legenda Aurea mitunter, wie bei «The Root» ganz ordentlich zur Sache geht. Wenn man sich aber genauer durch das zweite Album «Ellipsis» durchhört, finden sich durchaus Songs, wie auch die beiden heute Abend gespielten «Discouraged» und das harte wie epische «Parasomnia» oder eben «F44.8», wo das Potenzial und die Qualität aufblitzen. Das Umsetzen solch komplexer Musik auf die Bühne ist allerdings nicht ohne und hier der springende Punkt. Es wird zudem interessant sein zu sehen und zu hören, wie sich das dritte Album (das berühmte «make it oder break it»-Werk) mal anhören wird. Da die Konkurrenz in diesem Stil-segment gross ist, braucht es nochmals eine markante Steigerung, um sich auch weiterhin behaupten können. (rsl)

Setliste: «Intro» - «The Root» - «Superbia» - «Vengeance» - «Outbreak» - «Discouraged» - «Absondence Part 1» - «Total Eclipse» - «War Victim» - «Years Of Coldness» - «Resurrection» - «Parasomnia» -- «As The Leaves Fly» - «Outro».

Disparaged
Die Letzten beissen bekanntlich die Hunde besagt ein Sprichwort, das aber hier mehr dem mittlerweile etwas gelichteten Publikum galt, die mit Disparaged nochmals eine geballte Ladung Death Metal vom Feinsten serviert bekamen! Die Schweizer Todesmetaller brachten letztes Jahr ihren dritten Longplayer «The Wrath Of God» auf den Markt, den kein Geringerer als Jacob Hansen (unter anderem Heaven Shall Burn, Naera und Volbeat) abgemischt und aufgenommen hat. Dieser hält grosse Stücke auf die Eidgenossen und das zeigten diese dann umgehend auch auf der Bühne des soundDock 14. Kurz vor Mitternacht enterte der Headliner des «Metal Factory Festivals» die Bühne. Eingetaucht in ein schummriges Rotlicht, (das übrigens während des ganzen Auftrittes nicht änderte!), holzten die Jungs drauf los, als würde nächstens der Höllenfürst in unserer Mitte auftauchen. Mit Neuzgang Deniz Lebovci an den Drums kam frisches Blut in die aktuelle Besetzung. Man konnte bald feststellen, dass der Todes-Vierer bestens harmonierte und obertight aufspielte. Die meist jüngeren Fans vor der Bühne gerieten ob der Riff-Walze in Wallung und liessen die Matten im Kollektiv kreisen. Auch sowas wie ein Circle-Pit kam zustande, was die gute Stimmung weiter anheizte und auch die Musiker gefreut haben dürfte. Mit den zwei Gitarren von Ralph Beier und Tom Kuzmic (der auch für die Growls zuständig war) wurde eine massive Soundwand erzeugt, die von Bassist Adrian Scheiber und den Killer-Drums von Herrn Lebovci nie abriss. Was bei Requiem teilweise bedächtig daher kam, wurde nun ordentlich übertroffen und lag ganz auf der Linie von Grave, Bolt Thrower und Necrophagist. Gerade was die schnelleren Songs angeht, so legte Schlagzeuger Deniz einen Wahnsinnsjob hin! Da war nix von wegen Drummaschine, sondern die pure Muskelkraft und Filigranität eines Könners vom Fach. Da mir die Songs nicht geläufig sind, gehe ich mal davon aus, dass ein Grossteil der gespielten Songs vom neuen Langeisen stammte und der Rest sich auf die Vorgänger-Alben verteilte. Dass Disparaged nicht einfach alles thumb runter holzten lag vor allem daran, dass das Material, wie zum Beispiel beim Titeltrack «The Wrath Of God» einige Tempi-Wechsel enthielt und nebst dem allgemeinen Riffgewitter genügend Raum liess für die pfeilschnellen Guitar-Soil von Ralph Beier. Der Sound als Solcher war ebenfalls ganz ordentlich und der Zuspruch der Fans hielt bis am Schluss an und sorgte so für einen versöhnlichen Abschluss des letzten der insgesamt sieben Konzerte anllässlich unserer Jubiläums-Sause! In diesem Sinne ein Prosit auf die nächste Dekade von Metal Factory und an die Adresse vom soundDock 14: Es war hammergeil in Dietikon!! (rsl)