Eigentlich fand der Anlass zu dieser Tour, nämlich das 25-jährige
Jubiläum zur 83er Debüt-Scheibe von Marillion («Script For A
Jester's Tear») bereits letztes Jahr an gleicher Stelle statt. Zu
diesem Zeitpunkt konnte man mich aber nicht wirklich hinter dem Ofen
hervor locken, sprich ich liess diesen Auftritt so zu sagen schnöde
links liegen. Was ich mir danach aber von mehreren Kollegen habe
anhören müssen, beziehungsweise was ich mir unbegreiflicherweise
hatte entgehen lassen, hinterliess Spuren. Umso grösser war dann die
Freude, als sich Mick Pointer, seines Zeichens ehemaliger Drummer
der Anfangszeiten, tatsächlich nochmals mit dem (wahrscheinlich über
weite Strecken, wenn nicht) gleichen Programm im Z7 ankündigte!
Somit erhielt ich die seltene Gelegenheit, diesen Fehler wieder
auszubügeln und mit Verlaub Leute..., wer was auf Neo-Prog und die
ersten vier Marillion-Alben mit Fish hält, wurde an diesem Abend
erstmals oder auch wiederum fürstlich für sein Kommen belohnt! Als "Anheizer"
durfte die Schweizer Combo Strange Shape ran, die mitunter ein paar
interessante Akzente setzen konnte.
Strange Shape
Interessant an dieser Stelle ist noch zu wissen, dass die Schweizer
hier letztes Jahr im Herbst (3.10.08) keinen Geringeren als den
Ex-Marillion Fronter Fish supporteten! Zentraler Punkt des Quintetts
aus Bremgarten, dessen erste Schritte gut 20 Jahre (!) zurück
liegen, war Sänger/Keyboarder Christian Ertl. Sein Instrument stand
nämlich in der Mitte der Bühne, ganz vorne am Bühnenrand. Um 20.30
Uhr startete das Konzert mit dem Opener «Strange Set». Die
Musik von
Strange Shape war zum einen rockig, dann wieder ruhig und oftmals
proggig ausgerichtet. Insgesamt waren zwei E-Gitarren und zwei
Keyboards im Einsatz, was für einen soweit soliden Soundteppich
sorgte. Man merkte bald, dass hier eine eingespielte Truppe am Werk
war, die ihr Handwerk ohne Zweifel beherrscht. Dies galt auch für
die beigesteuerten Backing Vocals von der Saitenfront. Ausufernde
Instrumental-Parts unterstrichen im Weiteren die progressive Note,
die insbesondere von der technischen Seite her keinerlei Anlass zu
Kritik aufkommen liess. Dazu gehörte auch das filigrane Drum-Spiel
von Dominik Lang, der eine ordentliche "Küche" zur Schau stellte.
Und wenn wir schon von der Optik sprechen, dann ist nachzutragen,
dass nur das wie immer optimal in Szene gesetzte Z7-Licht den
Unterschied machte. Vom zu der Zeit noch ziemlich spärlich
aufmarschierten Publikum kam immerhin verdienter Szenen-Applaus
zurück. Meine persönlichen, musikalischen Anleihen fand ich bei Pink
Floyd, Tangerine Dream und einen Hauch (von den Keyboards her) von
Barclay James Harvest. Selbst ein paar jazzige Solo-Ausflüge wurden
zum Besten gegeben. Insgesamt war die Leistung während 45 Minuten
mehr als ansprechend, wenn auch nicht von unbändiger Energie
getragen.
Setlist: «Strange Set» - «Pandemonium» - «Usually» - «Neighbours» -
«Sudden» -- «Heart Attack».
Mick Pointer
Schlag 22.00 Uhr trat die illustre Musikerschar auf die Bühne. Nebst
Mick Pointer (aktuell bei Arena) waren da noch Gitarrist Nick
Barrett von Pendragon, Bassist Ian Salmon (auch Arena) sowie
Keyboarder Mike Varty (Credo, Shadowland). Separat erwähnenswert ist
schliesslich Sänger Brian Cummings, der ganz in seiner Rolle als
Fish aufging und nebst etwas gurumässiger Bekleidung auch die
damalige Gesichtsbemalung hatte auftragen lassen. Dazu trug er, wie
sich nachher heraus stellte, auch eine Perücke. Unverfälscht kam
hingegen seine Stimme daher und zwar derart gut, dass man (mit
geschlossenen Augen) wirklich dachte, es stünde der echte Fish auf
der Bühne! Eigentlich beschäftigt sich Mr. Cummings sonst mit einer
Genesis Cover-Band namens Carpet Crawlers, wo er wahlweise Peter
Gabriel oder Phil Collins huldigt. Ein wahrer Gesangs-Künstler, der
sich also zuerst mal mit seinen
Kollegen gleich die ersten sechs
Songs von «Script...» der Reihe nach zur Brust nahm. Für die
versammelte Progger-Gemeinde war dies bereits der Vorhof zur
Glückseligkeit und schon zu «He Knows You Know» kamen die ersten
Sprechchöre zum Vorschein. Und nun jagte ein Höhepunkt den
anderen..., «Garden Party» katapultierte einen vollends in die gute
alte Zeit zurück, als Marillion noch despektierlich als Genesis
Klone herum gereicht wurden. Da mag ja mindestens etwas dran sein,
aber diese Musik ebnete in erster Linie den Weg hin zum Prog Metal,
so wie wir ihn heute zum Beispiel von Dream Theater (ab den 90ern)
und allen unzähligen Nachahmern kennen. Bei «Forgotten Sons» stürzte
sich Brian in eine Uniform, um der politischen Message des Songs
noch mehr Ausdruckskraft verleihen zu können. Derweil intonierte die
Band den alten Marillion Sound perfekt und deshalb konnte man sich
diebisch auf den Höhepunkt des Abends freuen: «Grendel»! Das über
20-minütige Epos ist auch heute noch der totale Kult und verfehlte
seine Wirkung nicht. Selbst die Maske kam zu Ehren und Brian Cummings verschmolz damit vollends zum "Übervater Fish". Es war ein
grandioses Schauspiel, unterstützt durch bewährten, heimischen
Lichterzauber, das selbst den hartgesottenen Proggern im Z7 die
Freudentränen dutzendfach in die Augen trieb. Nebst dem wie immer
brillanten Nick Barrett (g) war es vor allem der schmächtige Mike
Varty, der seinem Tasteninstrument virtuoseste Töne und Läufe
entlockte. Im Hintergrund thronte der einzige Ur-Member Mick Pointer
stolz hinter seinen Kesseln und strahlte wie ein Honigkuchenpferd.
Nach knappen zwei Stunden ging diese wundersame wie wunderbare Reise
zurück in die glorreichen 80er leider definitiv zu Ende. Doch die
Freude, diesem kultigen Abend beigewohnt zu haben, überwog bei
Weitem und wird noch lange währen!
Setlist: «Script For A Jester's Tear» - «He Knows You Know» - «The
Web» - «Garden Party» - «Chelsea Monday» - «Forgotten Sons» - «Three
Boats Down From The Candy» - «Charting The Single» - «Grendel» -
«Market Square Heroes» -- «Margaret».
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