Bevor sie sich an die aktive Arbeit am neuen Album machten,
beschlossen die brutalen Politologen von Misery Index, eine
Konzertreise durch Europa zu machen. Die Musiker von Misery Index,
die die musikalischen Traditionen von solchen Bands wie Napalm Death,
Assück und Brutal Truth fortsetzen, sind voller Ideen und gut
ausgebildet, deswegen geniessen sie verdienten Respekt unter den
anderen Vertretern dieses Genres. Mit seinen Kollegen zusammen
erstaunt Gründer der Band und deren geistiger Anreger, Bassist und
Sänger Jason Netherton, seine Fans nicht nur mit hochtechnischem
Grind/Death Metal, sondern auch damit, wie er in seinen Liedertexten
mit Zitaten solch berühmter Philosophen wie Jean Baudrillard, Murray
Bookchin und Avram Noam Chomsky sehr geschickt jongliert. Die
Musiker sind durch ihre ultralinken, anarchischen politischen
Ansichten bekannt, die eine feste philosophische Grundlage haben. Es
ist klar, dass ein Konzert von einem solchen Kollektiv ein echtes
Geschenk für all die Leute ist, die Extremsituationen mögen.
Deswegen wurde das schweizerische Konzert von Misery Index zugleich
von zwei extremen und ausserhalb des Landes berühmten Schweizer
Bands unterstützt, und zwar von Carnal Decay und Oral Fistfuck.
Oral Fistfuck
Um neun Uhr erschallte die Musik der Band Oral Fistfuck aus
Winterthur, die Brutal/Death Metal spielt. Diese Band wird oft
eingeladen, an Konzerten teilzunehmen. Vor Kurzem trat sie als
Support bei der berühmten Band Suffocation auf, die in dem selben
Genre spielt. Nachdem die Band ihr erstes Lied gespielt hatte,
begrüsste der Rhythmus-Gitarrist Matze alle und bedankte sich bei
den Mitgliedern des technischen Personals für ihre Arbeit. Das
technische Personal hat vor Oral Fistfuck eine echte eigene
Performance gezeigt. Die Konzertbesucher, die rechtzeitig gekommen
waren, beobachteten den ganzen Prozess, wie die Kabel gezogen und
angeschlossen wurden. Eine echte Kunst! Und wie hat das den Klang
beeinflusst? Durch die Verstärkung der Bassfrequenzen wurde der
Klang dichter. Vielleicht hat diese Dichte ihren Reiz, der die ganze
Show noch brutaler und eindrucksvoller macht. Höchstwahrscheinlich
sind diese Änderungen durch die neuen Anforderungen an den Klang von
den Bands zu erklären, die in extremen musikalischen Genres spielen
- obwohl die Location Dynamo Saal, wie gesagt, auch früher über
genügende technische Kapazitäten verfügte. Natürlich hat das die
erste Band ein bisschen gestört, weil deren Musiker die ersten
waren, die die neue technische Konfiguration erprobten. Unter
anderem gab es am Anfang kurze Lücken in Gesangpartien, aber im
Weiteren wurden diese kleinen Probleme gelöst. Und der
charismatische Frontman Walt zeigte die ganze Kraft seines
gutturalen Gesangs. Gut, dass die traditionellen Tremolopartien des
Solo-Gitarristen durch die dichte Klangwand doch zu hören waren.
Diese Band spielte bis 21.50 Uhr und erwarb mit Sicherheit die
aufrichtigste Unterstützung des Publikums.
Carnal Decay
Die Pause zwischen den Auftritten von den ersten zwei Bands dauerte
eine halbe Stunde, und während dieser Zeit vervollkommneten die
Techniker die vorhandene Ausrüstung. Gegen zehn Uhr kam ein zartes
Mädchen mit Gitarre auf die Bühne. Einer der Techniker half ihr mit
den Verstärkern, dann nahm er seine Schirmmütze und sein T-Shirt ab
und griff sicher ans Mikrofon. Es stellte sich heraus, dass eben er
Michael Kern – Sänger der nächsten Band Carnal Decay – war. Tja, im
Dynamo Saal hat es immer ein besonderes Herangehen an die
Klangabstimmung gegeben. Wahrscheinlich kann nur der den Klang so
enthusiastisch abstimmen, wer die Musik selbst schafft! Die Band
Carnal Decay spielt in demselben Stil wie Oral Fistfuck, aber der
Stoff scheint dynamischer zu sein – und das dank einer grösseren
Anzahl von den von den Musikern gebrauchten Grindcore-Elementen. Die
Members von Carnal Decay bilden ein sehr harmonisches Quartett.
Der energische und muntere Michael, die graziöse Gitarristin Isa und
der kräftige Bassist Nasar sahen zusammen toll aus. Der Schlagzeuger
Reto war auch großartig. Im Jahre 2011 ließ diese Band ihr Album „On
Top Of The Food Chain“ erscheinen, aber die Musiker begannen ihren
Auftritt mit der Komposition „Chopping Off The Head“ aus dem vorigen
Album. Einen bestimmt positiven Eindruck machte auf mich der Song
„See You In Hell“, und besonders lange blieb in meinem Gedächtnis
die Komposition „Mary And The 3 Kings“. Die Band beendete ihren
Auftritt mit dem Song mit dem sehr langen Namen „These Hands Will
Close Your Eyes Forever“. Die Performance verging in einer
freundlichen Atmosphäre und endete um punkt 11 Uhr abends.
Misery Index
Die Headliner Misery Index liessen nicht lange auf sich warten. Ihr
Auftritt begann in kaum 10-15 Minuten, nachdem Carnal Decay die
Bühne verlassen hatten. Viele Zuhörer erwarteten es einfach nicht,
dass die Band ihren Auftritt so schnell beginnen würde, deswegen
kamen sie vom Erdgeschoss in den zweiten Stock, wo die Halle liegt,
etwas später herauf. Aber es ist gut, dass die
Organisatoren keine
zu lange Pause machten: gegen elf Uhr blieb das Publikum immer noch
voller Kraft und leistete den extremen Intellektuellen aus Amerika
eine leidenschaftliche Unterstützung. Und die Musiker erfüllten die
Erwartungen ihrer Fans. Das war eine glänzende Performance! Die
Hauptbesonderheit der Band ist das Duett des singenden Bassisten
Jason Netherton und des Gitarristen Mark Kloeppel, der auch singt.
Dieses Duett machte auf mich einen riesigen Eindruck, weil es
erstaunlich war, wie blitzschnell und meisterhaft die Sänger ihre
Rollen wechselten. Bald unterstützte der Bassist den Gitarristen,
mit ihm mitsingend, bald sang er die erste Gesangpartie. In der Tat
ist es sehr kompliziert, weil die beiden zugleich noch
Musikinstrumente spielen! Trotzdem sind die Musiker von Misery Index
eine erfahrene Konzertmannschaft, und sie meisterten diese
schwierige Aufgabe glänzend. Die Band spielte Material aus ganz
verschiedenen Alben, aber vieles wurde dem erfolgreichsten Album „Traitors“
(2008) entnommen. Dieses Album dient für die Musiker als Wendepunkt,
nach welchem ihre Position auf der internationalen Bühne wesentlich
stärker wurde. Im Gegensatz zu den Schlagzeugern der aufwärmenden
Bands arbeitete der Schlagzeuger von Misery Index mit zwei
Basstrommeln. Eben diese Besonderheit schuf ab und zu den Eindruck,
dass eine klassische Death Metal-Band auf der Bühne spielte. Kein
Wunder, weil der Frontman Jason seine Karriere bei Dying Fetus
begonnen hatte. Eben die doppelte Basstrommel schuf die unglaubliche
Klangdichte, die durch zusätzliche Lautsprecherboxen verstärkt
wurde. Der Protest ist zu hören! Anarchie ist unvermeidbar! Und
Jason Netherton – Bassist, Frontman von Misery Index und Gründer des
Labels „Anarchos Records“ – sollte möglichst bald zum US-Präsidenten
gewählt werden!
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