Die aktuelle Jahreszeit passt ja eigentlich überhaupt nicht zum
sonnen- und whiskeygeschwängerten Southern Rock von Molly Hatchet,
aber die Amerikaner waren in den letzten Jahren oft zur
vorweihnachtlichen Zeit in der Schweiz unterwegs. Wer diese Art von
Musik mag, wird auf Anfrage ergänzend zu allererst Lynyrd Skynyrd,
gefolgt von Blackfoot und allenfalls noch 38 Special nennen. Das
zeigt deutlich auf, wo da die Präferenzen liegen und wer es eben
einen Zacken härter mag, wird letztlich immer bei Bobby Ingram (g)
und seinen Kollegen landen. Als 1996 Sänger Phil McCormack für den
angeschlagenen Danny Joe Brown (R.I.P.) zur Band stiess, war kein
einziges Gründungsmitglied mehr dabei. Trotzdem schaute man nur nach
vorne und blieb mit guten Alben weiterhin im Gespräch. 2005 kehrte
mit Dave Hlubek (g) wieder einer der ganz alten Garde zurück und
seit Bobby Ingram das Zepter gegen Ende der 90er übernommen hat,
steht der Name Molly Hatchet uneingeschränkt für Qualität. Diese
wies auch der überraschend gute Timmy Rough mit seiner Band als
Support auf.
Timmy Rough Band
Unbekannte, um nicht zu sagen total unbekannte Bands haben den
grossen Vorteil, dass kaum bis keine Erwartungen an sie gestellt
werden. Dies traf heute Abend in Zürich auch auf die recht jung
scheinende Gruppe zu, denn wer zum Teufel soll denn Timmy Rough und
seine Band sein? Dazu kam, dass die Musiker nach aussen hin
irgendwie (auch) nach Amis aussahen und lange nichts taten, was
diesen Eindruck verändern sollte. So stellte sich der Namensgeber,
also Sänger und Gitarrist erst mal vorne hin, begrüsste kurz das
anwesende Publikum und schon gings mit dem Opener «Rock'n'Roll
Invasion» gleich flott zur Sache. Mir gefiel auf Anhieb der rauchige
Timbre der Lead-Stimme, die
optimal zum dargebotenen Sound passte
und mit dem groovigen «Medicine Man» als nachfolgendem Song war das
Eis bei mir schon gebrochen! Hey..., das tönte ja wirklich saugeil,
trug ein paar Vibes der alten AC/DC und die Soli vom schlaksig
wirkenden Leadgitarristen kamen sehr geil wie leichtfüssig und mit
viel Gefühl gespielt rüber! Überhaupt wirkte die Band ziemlich taff
und gut eingespielt. Im Zentrum steht aber ganz klar Frontmann
Timmy, der bereits über 300 Gigs auf dem Buckel hat und unter
anderem auch schon für ZZ Top eröffnen konnte. 2009 wurde mit «Rough
Radio» eine erste CD aufge-nommen, von der beim ersten Besuch in der
Schweiz ein paar Songs gespielt wurden. Und egal ob bluesiger
ausgerichtet wie bei «Has Anybody Seen My Mind» oder heftig rockend
mit «Sexual Power», das Quartett hinterliess einen absolut
überzeugenden Eindruck, der auch den töften Backing Vocals galt, die
die ja wirklich geile Lead-stimme optimal ergänzten. Der Applaus der
etwa 150 bis 200 Leute wurde der fetzigen Darbietung gerecht und
darum geriet Led Zeppelins «Rock'n'Roll» als Zugabe nicht zu einer
Verlegenheitsübung, sondern atmete spürbar den Spirit der grossen
Vorbilder. Nach knappen 45 Minuten verliessen die Musiker die Bühne,
aber die Fans wollten offenbar noch mehr und kamen deshalb in den
nicht zwingend vorgesehenen Genuss des Lynyrd Skynyrd Klassikers
«Simple Man», der mit dem gleichen Herzblut wie zuvor zelebriert
wurde. Hut ab für die Timmy Rough Band, die schon bald ihre zweite
Langrille in Angriff nehmen wird. Haltet die Augen auf, wenn sich
diese Truppe (hoffentlich bald!) wieder bei uns blicken lässt. Eine
tolle Liveband, durch und durch! Und ja..., erst nach dem Konzert
(!) wurde mir, als ich mit dem Leadgitarristen einen kurzen Schwatz
abhielt, bewusst, dass die Truppe ja aus Deutschland stammt, womit
die Überraschung zum Schluss perfekt war.
Molly Hatchet
Der Anlass des neuerlichen Besuches in der Schweiz der in meinen Augen
nach wie vor weltbesten Southern Rock Band war das neue Album «Justice».
Das zwölfte Studio-Album ist dem in der Heimat ermordeten Mädchen
Somer Thompson (R.I.P.) gewidmet. Die siebenjährige Schülerin verschwand
im Herbst 2009 auf dem Heimweg von der Schule und wurde zwei Tage
später tot aufgefunden. Der (inzwischen gefasste) Täter hatte sie
einfach auf den Müll geworfen und sieht nun der Todesstrafe
entgegen. Bobby Ingram, der seit 2004 den Verlust seiner Frau
Stefanie ertragen muss, nahm sich der Familie von Somer an, sammelte
Geld für die Beerdigung und beteiligt sich seither aktiv an einer
Stiftung zu ihrem Gedenken. Das Credo dazu lautet "Justice for Somer
is justice for children". Daher auch der Titel des Albums. Trotz
diesem schwermütigen Hintergrund bietet die neue CD musikalisch aber
alles, was der geneigte Fan an seiner Lieblingsband liebt! Der
typisch nach vorne abgehende Sound mit der unverwechselbaren Stimme
von Phil McCormack und dem Saiten-Duo Ingram/Hlubek rockt gehörig.
Während Keyboarder John Galvin ziemlich unauffällig wirkt, ist
Drummer Shawn Beamer das pure Gegenteil! Der Langhaarträger hat es
sich mittlerweile zur Tradition gemacht, dass seine Mähne durch
einen Ventilator ständig Aufwind erhält und so während des ganzen
Auftrittes stets in Wallung ist. Zusammen mit Bassist Tim Lindsey
sorgte er jedoch in erster Linie für das fette Rhythmus-Gerüst, das
unerlässlich ist. Nach dem Intro mit der etwas gekürzten Version der
«O'Fortuna» aus Carl Orffs «Carmina Burana» kam der «Whiskey Man»
als schon fast obligater Opener zum Zug und zündete gleich den
Turbo. «Bounty Hunter» schloss nahtlos an und gehört unbestritten
zum Besten, was dieser Stil zu bieten hat. Während Bobby weitere
flinke Soli auspackte, legte Altmeister Dave den mächtigen Rhythmus
darunter. Im Gegensatz zu seinem fabelhaften
Gitarrenspiel, sah Mr. Hlubek optisch aber alles andere als frisch aus. Der
Hüftgelenk-Kandidat kann sich kaum noch anhaltend und ohne Schmerzen
bewegen. Dazu kommt eine stattliche Wampe, die er mittler-weile vor
sich hinträgt. So gesehen muss man für jeden Gig dankbar sein, den
man mit ihm (noch) anschauen kann. Kaum war das Konzert nämlich um,
suchte Dave die nächste sich ihm bietende Sitzgelegenheit.
Zuvor liessen es Molly Hatchet bei ausgelassen guter Stimmung im
grossen Saal des Dynamo aber heftig krachen. Das Ganze wurde zudem
immer wieder mal mit einer kräftigen Prise Blues gewürzt und
abgeschmeckt. Aber dass die Amis noch mehr drauf haben, bewiesen sie
unter anderem bei (halb-) balladesken Klängen wie «Gonna Live 'Til I
Die», das glatt nach Magnum klang oder ein Stück weit wie ein alter
Whitesnake Song daher kam. Was an einem Molly Hatchet Gig aber
keinesfalls fehlen darf, sind Götter-Epen wie «Fall Of The
Peacemakers», das Greg Allman Cover «Dreams I'll Never See» und
natürlich «Flirtin' With Desaster». Darin eingebettet sind teils
fast endlose Solo-Orgien, die Bobby Ingram stets lächelnd und locker
lässig runter hobelt. Dave Hlubek mochte dabei natürlich nicht wie
Angus Young rumzappeln, entlockte seiner Axt aber fast die gleiche
Intensität wie der Bandboss. Die vorletzte Zugabe hiess dann
zumindest für mich etwas überraschend «Free Bird»! Der
Jahrhundert-Klassiker von Lynyrd Skynyrd taucht eigentlich trotz der
unbestrittenen Kompatibilität oft, aber nicht immer (in früheren
Jahren eigentlich gar nicht!) bei Molly Hatchet im Set auf und war
darum heute Abend ein so zu sagen zusätzlicher Leckerbissen. Müssig
zu erwähnen, dass sich hier die beiden Gitarristen gegen den Schluss
hin gemeinsam fast ins 6-Saiten Nirwana solierten. Was heuer
hingegen schon fast schmerzlich fehlte, waren unter anderem Killer
wie «The Journey», «Tatanka» oder «Devil's Canyon». Je nachdem waren
früher zudem noch weibliche Backing Vocals mit auf der Tour dabei,
doch das fiel jetzt nicht so stark ins Gewicht. Trotzdem waren die
erlebten gut 90 Minuten natürlich allererste Sahne und brachten
Southern Rock vom Feinsten ins Zürcher Dynamo. Die spielfreudige
Band aus Jacksonville (FL) ist auch in Zukunft jeden einzelnen
Konzertbesuch wert und es bleibt schwer zu hoffen, dass in der
nächsten Zeit gesundheitlich soweit alles im grünen Bereich bleibt.
Sänger Phil McCormack hinterliess nämlich ebenfalls nicht den
fittesten Eindruck. Allerdings werden die schlechten Nach-richten von
verstorbenen Musikern leider nicht ausbleiben, darum macht Euren
alten Helden Eure Aufwartung so lange und so oft Ihr das noch könnt!
Wer zu spät kommt, den bestraft bekanntlich das Leben..., und dann
nützt alles jammern nichts mehr..., hell yeah!!
Setliste: «Intro» - «Whiskey Man» - «Bounty Hunter» - «Gator Country»
- «American Pride» - «In The Darkness Of The Light» - «Fall Of The
Peacemaker» - «Justice» - «Drum-Solo Shawn Beamer» - «Beatin The
Odds» - «Gonna Live 'Til I Die» - «Been To Heaven/Been To Hell» - «Jukin'
City» - «Dreams I'll Never See» -- «Free Bird» - «Flirtin' With
Desaster».
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