Ohne Umschweife kann gesagt werden: Mötley Crüe sind Rock'n'Roll!
In ihrer Karriere haben die vier Glamrocker aus dem sonnigen L.A.
alles gemacht, was einen typischen Rockstar ausmacht, spektakuläre
Shows, tonnenweise Drogen und Skandalgeschichten inklusive. Wer nun
geglaubt hatte, Vince Neil, Nikki Sixx, Mick Mars und Tommy Lee
würden das Diva-Gehabe mit der Zeit ablegen, der wurde seit der
Reunion 2004 immer wieder eines Besseren belehrt. Nicht nur, dass
zwischen den Mitgliedern untereinander immer wieder gezankt wurde
was das Zeug hält, nein, auch gegenüber Aussenstehenden zeigte man
sich nicht selten von der schwierigen Seite. So auch beim
diesjährigen Gastspiel im Tägerhard-Saal zu Wettingen. Bullige
Ex-Army-Volldeppen, die dem hiesigen Veranstalter als Privatsecurity
ins Schaffen pfuschten, Interview-Absagen und unsinnige
Photographie-Beschränkungen (nur vom Mischpult aus, nicht im
Photograben) - umgänglich ist anders. Auf der Bühne dagegen zeigte
sich die Band von einer ganz anderen Seite: Hatte man 2007 am «Spirit
Of Rock» in Winterthur mit einer lustlosen und knapp 70 Minuten
langen Show enttäuscht, lieferten die vier «Saints Of Los Angeles»
mit dem gleichnamigen Album im Gepäck eine furiose Rockshow ab,
voller Energie, Spielfreude und der richtigen Portion Wumms. Dem
entsprechend euphorisch gab sich das Publikum, welches zuvor von den
Partygaranten Backyard Babies aus Schweden und keinem Geringeren als
Duff McKagan (Ex-Guns n' Roses, Velvet Revolver) und dessen neuer
Combo Loaded angeheizt worden war. (kis)
Backyard Babies
Dieses Package hatte es zumindest auf dem Papier klar in sich! Doch
die endgültige Antwort wird bekanntlich jeweils auf dem Spielfeld,
respektive auf den Brettern, die die Welt bedeuten, abgegeben. Ich
war ziemlich gespannt auf den ersten Auftritt des heutigen Abends,
denn erstens hatte ich die Schweden zuvor noch nie (!) live gesehen
und zweitens von zahlreichen Berichten in Erinnerung, dass die Post
da jeweilen ziemlich abgehen soll. Bereits kurz nach 18.15 Uhr kam
die Band auf die Bühne, als die Halle höchstens halb voll war.
Dennoch bot sich dem Betrachter ein soweit anständiges Bild. Kaum
angefangen fragte ich mich jedoch, wo denn da der ansich legendäre
und laute Rotz-Rock geblieben war. Im Fahrwasser von The Almighty
und Aerosmith rockten die Backyard Babies bei bescheidenem Sound
eher auf Sparflamme denn mit Vollgas. Mag auch sein, dass
mittlerweile 20 Jahre auf Achse die ent-sprechenden Spuren
hinterlassen haben. Wer sich die Gesichter der Musiker zum Beispiel
auf der MySpace-Seite ansieht, wird zu einem ähnlichen Schluss
kommen. Songmässig konnte ich persönlich eigentlich nichts erkennen,
da mir der Backkatalog der Nord-länder überhaupt nicht geläufig ist.
Aufgrund von Recherchen kann hierzu festgehalten werden, dass die
ausgewählten Stücke eine solide Annäherung an das Gesamtwerk waren
und es einige Fans in der Halle hatte, die sehr wohl wussten, was
gerade gespielt wurde und sich entsprechend einbrachten. Ein
brodelnder Moshpit lag jedoch weit entfernt und so machte sich beim
Schreiberling bald einmal die Langeweile und Enttäuschung über das
Gezeigte breit. Mag ja sein, dass in jüngeren Jahren der Mob tobte,
doch heute Abend war der Gig nach knappen, jedoch überraschend
langen 40 Minuten einfach ok, mehr aber nicht. (rsl)
Setlist: «Degenrated» - «Star War» - «Back On The Juice» - «Fuck Off
And Die» - «Brand New Hate» - «Minus Celsius» - «Abandon» - «Everybody
Ready» - «Nomadic» - «Dyfunctional Professional» (Angaben ohne
Gewähr - Songs stammen von Berlin, 17.3.09 - dürften aber weitgehend
übereinstimmen!)
Duff McKagan's Loaded
Nach den nicht mehr so jungen Babies hiess es dann Bühne frei für
einen geladenen Revolver. Duff McKagan, in erster Linie bekannt als
Mann der tiefen Töne bei Guns n' Roses, als sie noch gut waren,
nutzte die Zwangspause durch den Sängerausfall bei seiner Hauptbande Velvet Revolver, um ein altes Sideproject wiederzubeleben. Als
Sänger/Gitarrist zeigte der schlacksige Riese dabei, dass er
musikalisch noch einiges mehr zu bieten hat als stramme Basslines.
So mimt Duff mit Sonnenbrille und Lederjacke den punkig, coolen
Fronter, während seine beiden Kumpels Mike Squires (lead guitars)
und Jeff Rouse (bass) in beiden Bühnenecken schweiss-treibende
Gymnastik zum Besten geben. Lichtmässig verweilen die beiden
Sidekicks im Gegensatz zu ihren instrumentalen Fähigkeiten des
Öfteren im Dunkel, ist doch auch die Lichtshow mit einem Spotlight
in der Mitte voll auf Duff ausgerichtet. Partytaugliche Songs wie «Sick»,
«Sleaze Factory» oder «Seattlehead» von den beiden Scheiben «Dark
Days» (2002) und «Sick» (2009) kommen beim Publikum zwar gut an,
können durch ihre Unbekanntheit die Leute jedoch noch nicht vollends
mitreissen, obwohl man mit «Flatline» einen wahren Hit im Gepäck hat
und man eine sentimentale Version der Stones-Ballade «Wild Horses»
zum Besten gibt. Mit einem grandiosen Cover-Medley, bestehend aus
«TNT» (bei welchem Gitarrist Squires den Gesang übernahm und sich
gleich als neuer Bon Scott empfahl) und «I Wanna Be Your Dog» von
den Stooges und spätestens, als er mit seinem Bass bewaffnet einige
Gunners-Songs anstimmt, um dann das komplette «It's So Easy»
abzudrücken, da hat der Mann mit einem Diplom in
Finanzwissenschaften das Publikum (bis auf einige Axl-Rose-Groupies)
im Sack und man hofft, dass Duff McKagan das eine oder andere Mal
egal mit welcher Band wieder in die Schweiz kommen wird. (kis)
Setlist: «Sick» - «Executioner's Song» - «Sleaze Factory» - «Dark
Days» - «Seattlehead» - «IOU» - «Attitude (Misfits-Cover)» - «Wild
Horses (Rolling-Stones-Cover)» - «Flatline» - «I Wanna Be Your
Dog/TNT (Stooges/AC/DC-Cover)» - «It's So Easy (Guns n' Roses)».
Mötley Crüe
Nach den erwartungsgemäss frenetisch abgefeierten Guns n' Roses
Klängen von Ex-Bassist Duff McKagan musste jetzt noch eine
Steigerung her! Das letzte Gastspiel der amerikanischen Kult-Poser
in Winterthur (1.6.07) hatte ich nämlich in ziemlich schlechter
Erinnerung. Was mir und KollegenInnen aus der gleichen Zunft am
heutigen Abend aber primär sauer aufstiess, war die total rigide
Weisung des Crüe-Managements, dass man nur vom Mischpult aus
fotographieren durfte!! Das hinderte mich freilich nicht daran,
trotzdem ein paar brauchbare Bilder zu schiessen. Schlaumeier Gary
van der Ahé nahm derweil eine veritable "Kanone" inkl. Einbein mit.
Immerhin hatte man vom Podest aus einen ungetrübten Blick auf die Bühne
und das Geschehen dort. Ehe es wirklich losging, wurde das
mittlerweile zur Tradition gewordene "Intro vor dem Intro" in Form
vom ausgespielten AC/DC-Brecher «Hells Bells» serviert. Das zieht
sich bekanntlich etwas in die Länge und ist meiner Meinung nach
nicht wirklich glücklich gewählt. Da passt The Doors' «The End» bei
W.A.S.P. jeweilen besser. Mit «Kickstart My Heart» fand die Warterei
der Die-Hard Fans ein Ende. Darunter hatte es einige, die nach dem
Einlass regelrecht rein spurteten, um ja ganz vorne zu stehen. Ein
nicht näher genannter Held brachte es dabei gar fertig, in der
ersten Rechtskurve filmreif zu straucheln und knallte der Länge nach
auf den Boden! Doch Metal- und Rockfans sind hart im Nehmen und eine
praktisch ausverkaufte Halle liess das "Tägi" erzittern, als Vince
Neil (v), Nikki Sixx (b), Mick Mars (g) und Tommy Lee (d) die
Start-Triplette mit «Shout At The Devil» abschlossen. In dieser Zeit
durfte bekanntlich fotographiert werden und vielleicht hatte ich
deshalb etwas das Gefühl, dass der Anfang sicherlich nicht schlecht
war, aber dennoch irgendwie verhalten wirkte. Das änderte sich dann
schlagartig mit «Saints Of Los Angeles» vom gleichnamigen, neuen
Album. Leider ging dieser Schwung durch das viel zu frühe
Guitar-Solo von Mick Mars, der je länger je mehr Gevatter Tod
ähnelt, postwendend wieder verloren. Mit dem alten Classic «Live
Wire» wurde der Mob jedoch wieder rasch geweckt und von da an, ging
die geile Show von Mötley Fuckin' Crüe erst richtig los. Dass vorne
echt der Bär los war, zeigten einige bereits ziemlich verschwitzte
Leute an, die nach weiter hinten drängten. Die
Band spielte tight
auf und zu viel Licht und Nebel gesellte sich eine ständig
schlechter werdende Luft wie spürbar steigende Temperatur in der
Halle. Die meisten Leute kümmerte dies zunächst nicht gross und
darum wusste das Publikum mit lautstarkem Mitsin-gen, zum Beispiel
bei «Same Ol' Situation, voll zu überzeugen. Anders als noch in
Winterthur reagierten die vier Amerikaner mit guter Laune und
zunehmender Spielfreude. «Looks That Kill» geriet zu meinem
Highlight des Abends, während «Girls, Girls, Girls» einfach nur
genial war. Die Halle bebte und den Fans ging bei mittlerweile
subtropischen Verhältnissen langsam aber sicher die Puste aus.
Gerade hinter mir, also nicht mal im Pulk drin, sackte
beispielsweise ein Girl wie ein Sack Kartoffeln zu Boden. «Home
Sweet Home» mit Tommy am Keyboard beendete schliesslich ein ohne
Zweifel überraschend gutes Konzert nach etwas mehr als 90 Minuten
und wer Mick Mars beim Verlassen der Bühne gesehen hat, konnte
erahnen, dass dieser gesundheitlich angeschlagen ist. Auf sein Spiel
hatte das zum Glück keinen Einfluss und auch der Sound generell (bis
auf ein zeitweiliges Brummen der PA) war überaus fett. Komplett nass
hingegen, und zwar auf der Innenseite, waren alle Fenster der Halle!
Und plötzlich wollten alle möglichst so schnell raus, wie sie teils
reingekommen waren. Mötley Crüe 2009 sind heiss und definitiv wieder
zurück im Geschäft! (rsl)
Setlist: «Intro (AC/DC - Hells Bells)» - «Intro» - «Kickstart My
Heart» - «Wild Side» - «Saints Of Los Angeles» - «Solo Mick Mars» -
«Too Fast For Love/On With The Show» - «Motherfucker Of The Year» -
«Don't Go Away Mad» - «Same Ol' Situation» - «Primal Scream» -
«Looks That Kill» - «Girls, Girls, Girls» - «Dr. Feelgood» -- «Home
Sweet Home»
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