Mötley Crüe und Basel? Das weckte nicht nur beim Headliner
Erinnerungen, die weit zurück und zwar bis ins Jahr 1984 reichen. Da
waren gerade Iron Maiden mit ihrer monströsen "World Slavery Tour"
unterwegs und brachten die Amis als Support mit. Allerdings war das
bereits meine zweite Begegnung mit den aufstrebenden
Amerikanern,
denn im Sommer, genauer am 31. August '84, spielten sie ja zusammen
mit Van Halen und AC/DC in Winterthur, beim Openair auf der
Schützenwiese. Mehr noch als in Basel beherrschten vor allem eine
ganze Menge ziemlich leicht bekleideter Metal-Girls das Bild vor
Ort. Dass dies nicht nur Van Halen hervor riefen, sah man(n) dann
schon bald, als Vince Neil, Nikki Sixx, Mick Mars und Tommy Lee die
Bühne bestiegen und ungestüm los legten. Inzwischen ist dieser Hype
verflogen, aber Mötley Crüe kriegten die Kurve in den letzten Jahren
nochmals, brachten 2008 mit «Saints Of Los Angeles» nach acht Jahren
Pause ein ziemlich gutes Album heraus und tourten seither auch
wieder. In der Schweiz letztmals in Wettingen vor fast genau drei
Jahren und da blieb einem nicht nur die brutale Hitze in der Halle
in Erinnerung. Mit Slash (wieder begleitet von Myles Kennedy)
fungierte ein Hochkaräter im Vorprogramm, der seinem alten Spezi Axl
W. Rose am gleichen Ort sechs Tage voraus war. Als Opener des Abends
spielten die Schweizer von Gloria Volt auf, die unlängst eine feine
5-Track EP veröffentlich hatten. (rsl)
Gloria Volt
Anstelle von Black Veil Brides standen die Winterthurer Gloria Volt
auf der Bühne. Das Quintett versuchte mit ihrem AC/DC-, Rose
Tattoo-lastigen Sound den Spassfaktor in der Halle in die Höhe zu
treiben, was aber nicht unbedingt gelang. Ganz klar, der Rhythmus
ging in die Beine, aber dort verpuffte alles relativ schnell und was
an Erinnerung zurück blieb, waren die Entertainerversuche von Sänger
Fredi Volvo. Einer, der aussieht wie eine Mischung aus Lemmy und
Hannes Haurein mit den tänzelnden Einlagen eines Steven Tyler und
der schlaksigen Art von Ozzy. Jungs, es war okay, mehr aber auch
nicht. (tin)
Slash (feat. Myles Kennedy And The Conspirators)
Ein ganz anderes Kaliber waren die Herren um den ehemaligen Guns n'
Roses-Gitarristen Slash. Im Speziellen der Alter Bridge Sänger Myles
Kennedy bereichert die Truppe ungemein. Mit seinem Stimmorgan
überzeugte der bescheiden auf der Bühne agierende Shouter von der
ersten Sekunde an. Myles trieb das Publikum immer wieder an und
versuchte somit die Solo-Lieder von Slash ebenso stark zu pushen,
wie die Hits von Guns n' Roses, die sich als Selbstläufer entpuppten
und von den 4'500 Menschen gierig aufgesogen wurden. Es ist ja sehr
schade, dass die genialen Tracks von Slash («Standing In The Sun»,
«Anastasia») klar im Schatten der von allen geforderten Roses-Hits
standen. Mit «Nightrain», «Sweet Child O' Mine» und dem
Rausschmeisser «Paradise City» gab es kein Halten mehr in der
Joggeli-Halle und gefüllte und fast leere Bierbecher flogen
unkontrolliert herum, Männer lagen sich in den Armen und die Ladies
träumten von einer amourösen, verwehrt gebliebenen Nacht mit der
Urbe-setzung von Guns n' Roses. Der Zylinder-träger schien dies alles
eher ruhig und kalt zu lassen. Slash konzentrierte sich auf sein
Gitarrenspiel und seine Band, die ihm die Möglichkeit gab, sich ins
Scheinwerferlicht zu stellen. Cool, lässig und völlig unbeeindruckt
von den Reaktionen der Fans spielte er für sich und seine Band.
Myles animierte das Publikum zum Klatschen und grinste dabei wie ein
Sieger. Mister Kennedy war auch einer, denn seine Stimme passt zu
den Slash-Songs ebenso gut, wie auch zu den Roses-Hits und dem
Velvet Revolver-Track «Slither». So einzigartig sein Organ auch ist,
so problemlos kann er damit die Hits anderer Sänger singen und sie
erklingen noch immer als stünde der Ur-Frontmann auf der Bühne. Es
war eine astreine Rock-Sause, mit zwei Eckpfeilern, die sich
gefunden haben und bei denen man nur hoffen kann, dass es noch lange
heisst: «Slash feat. Myles Kennedy» (tin)
Setliste: «One Last Thrill» - «Nightrain» - «Ghost» - «Standing In
The Sun» - «Back From Cali» - «Shots Fired» - «Halo» - «My Michelle»
- «Anastasia» - «Sweet Child O' Mine» - «You're A Lie» - «Slither» -
«Paradise City».
Mötley Crüe
Das ist ja immer so eine Sache mit Crüe. Grundsätzlich gehört die
Truppe zu einer meiner Lieblingsbands. Allerdings habe ich die Jungs
auch schon in einer mehr als nur mässigen Spiellaune erlebt, mit zu
viel Theater und zu wenig Musik. Um es vorweg zu nehmen…, auch wenn
keine Pyros gezündet wurden, es war eine fantastische, von der
ersten bis zur letzten Sekunde faszinierende Show, die geprägt war
von einem sichtlich gesünderen Mick Mars an der Gitarre, sowie einem
für seine Verhältnisse sehr gut singenden Vince Neal. Der einzige
Wermutstropfen war, dass man die Sticks nie oder nur ganz selten
propellerförmig in den Händen von Tommy Lee kreisen sah. Hey Alter,
was war da los? Auch wenn das Drum-Solo im Loopingring (Roller
Coaster) zu den absoluten Highlights gehörte und der ehemalige Gatte
von Pamela Anderson dabei noch einen Besucher auf die letzte Runde
mitnahm («Timo, do you have a girlfriend or a wife? No? A boyfriend
(lachend)? Say good-bye to the people, because we don't coming
back!»), alles cool soweit, aber Mister Lee hat schon mehr Ass
gekickt als an diesem Donnerstag Abend.
Die Bühne bestand aus diesem grossen Ring, in welchem sich das
Drum-Kit von Tommy befand. Seitlich daran waren viele Spots
befestigt, welche die Show optimal beleuchteten. Darin
widerspiegelten sich immer wieder tolle Projektionen, wie der kleine
Hochzeitsfilm zu «Some Ol' Situation (S.O.S.)», diverse Bilder von
Frauen (unter anderem Lady Di und Farrah Fawcett) bei «Girls, Girls,
Girls», und die Hand, welche das Drumkit von Tommy anzustossen
schien, bei seinem Solo, bis er schlussendlich kopfüber im Rund
seines Roller Coasters sass. Eröffnet wurde das Konzert nach einem
kleinen Intro mit «Wild Side». Die Marschrichtung wurde gleich
vorgegeben und mit einer dunkelhäutigen Brünetten und einer üppig
ausgestatteten Blondine als Sänger- und Tänzerinnen wurde das wilde
Leben gleich mal optisch umgesetzt. Die teils choreographisch
umgesetzten Tanzeinlagen wechselten sich mit lasziven Dehnübungen
der Ladies ab, je nachdem was der Text des entsprechenden Songs
gerade verlangte. Als vor «Don't Go Away Mad (Just Go Away)» Mister
Neal das Mikrofon und die Gitarre von den beiden Holden gebracht
wurde, konnte es sich der Tiger nicht nehmen lassen, die beiden mit
einem breiten Grinsen und einem viel sagenden Blick zu küssen. Und
seien wir ehrlich, welcher Schwanz getriebene Typ hätte dies nicht
auch gewollt? Die Ausstrahlung von Vince hat in den letzten Jahren
leider gelitten. War er früher der dünne, schmächtige, alles
vernaschende Mädchenschwarm, hat er heute von dieser Attitüde
einiges eingebüsst. Klar kann er noch immer die meisten Frauen mit
seinem Lächeln um den Finger wickeln, aber
die, wenn auch kleiner
gewordenen Rundungen bei seinem Bauch stehen entgegen gesetzt zu
seiner «Baby kneel down»-Attitüde. Aber, und das alleine zeichnet
den Sänger aus, Vince bestach an diesem Abend mit seinem Gesang.
Schrie sich der Gute dann bei «Looks That Kill» souverän die Seele
aus dem Leib, konnte das Fazit nur heissen: "Er kam, sah und
siegte». Auch die eher unterkühlte Stimmung zwischen ihm und
Bandleader Nikki Sixx scheint sich verbessert zu haben. Zumindest
konnte heute der Bassist darüber lachen, wenn ihm Vince das Mikrofon
für die Backingvocals hinhiellt und kurz vor seinem Einsatz selbiges
mit der Hand abdeckte. Früher hätte es dafür wohl Kokain-Entzug
gegeben.
Neben den zu erwartenden «Dr. Feelgood»-Hits standen klar die alten
Kracher im Vordergrund. Mit «Live Wire», «Too Fast For Love» (YES!!!)
und «Piece Of Your Action» (wie geil war das denn!!!) vom
Debütalbum, sowie «Shout At The Devil» und «Looks That Kill» vom
Zweitling griff man teils unerwartet tief in die Klassiker-Kiste
rein. Zusammen mit «Wild Side», «Girls, Girls, Girls», «Smokin' In
The Boys Room» und der unverzichtbaren Hammer-Ballade «Home Sweet
Home» fügte man noch mehr nostalgisches Flair in die Setliste ein.
Speziell beim Schmuse-Song der Jungs und der Piano-Einleitung von
Tommy überkam manch einen eine grosse Fellschicht auf dem Arm und
nicth wenige erinnerten sich an ihre Jugend zurück und die damals
mit diesem Song verbundenen Erlebnisse. Über diese legen wir aber
besser den Mantel der Verschwiegenheit… «We came all the way from
America», liess uns Nikki wissen und wollte wissen «Are you happy to
see us?» Die Antwort war ein lautes Geschrei in der Basler Halle.
Mister Sixx erinnerte sich dann an den Auftritt am 14. November
1984, als sie zusammen mit Iron Maiden auf Tour waren und die
gleiche Halle zum Toben brachten: «We have great memories to the
eighties, to all the girls and the pussies!» Als Dank dafür liess er
sieben Mädels und einen Jungen die Bühne ersteigen, um beim nächsten
Song mit zu klatschen und mit zu tanzen. Anhand des Alters der
Zeitgenossinnen konnte man davon ausgehen, dass sie 1984 noch nicht
einmal von der Mutter zum Vater gewechselt haben! - Wie wohl oder
eher unwohl sich die Gruppe auf der Bühne vor dem Schlagzeug von
Tommy fühlte, sah man recht schnell den Bewegungen der Einzelnen an.
Mick Mars, der seit Jahren an Spondylitis Ankylosen, einer
Rheumaerkrankung leidet, bewegte sich weitaus mehr, als an
vergangenen Konzerten. Man kann über sein geschminktes Gesicht
diskutieren, das wie sein persönlicher Tod aussieht, aber er ist und
bleibt einer der unterbewertetsten Gitarristen. Während seinem
kurzen Solo, Tommy zog genüsslich an einer Zigarette, brillierte er
sicherlich nicht wie die grossen Helden, aber er verstand es nach
wie vor, fantastische Riffs aus seiner Gitarre zu pfeffern und damit
alle in seinen Bann zu ziehen. Mick ist der ruhende Pol in der Band
und das musikalische Bindeglied. Widmet er sich seinem Können,
schreit daneben Vince quirlig in die Halle: «…of fuck yeah, hey
motherfucker, are you feeling allright? No, no, don't say yeah, say
FUCK yeah!» Mehr gibt es dazu nicht zu sagen. (tin)
Setliste: «Intro/Wild Side» - «Live Wire» - «Too Fast For Love» -
«Saints Of Los Angeles» - «Shout At The Devil» - «Don't Go Away Mad
(Just Go Away)» - «Same Ol' Situation (S.O.S.)» - «Short Guitar Solo
Mick Mars/Looks That Kill» - «Piece Of Your Action» - «Primal Scream»
- «Smoking In The Boys Room» - «Drum Solo Tommy Lee» - «Dr. Feelgood»
- «Girls, Girls, Girls» - «Home Sweet Home» - «Kickstart My Heart».
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