Teil 2 der geschichtsträchtigen Metalwoche im Juni: Nachdem am
Vortag schon Kiss die Körper und Köpfe der Schweizer Rocker zum
vibrieren gebracht hatten hiess es am Dienstag die Reise in den
Osten der Schweiz anzutreten. Denn Veranstalter Free&Virgin hatte
sich wie schon für ihre eigene Geburtstagsfete mit Status Quo und
Airbourne die Festhalle Rüegersholz oberhalb von Frauenfeld als
Schauplatz für rifforientierten Rock entschieden. Und nicht weniger
hochkarätig waren die Teilnehmer an diesem Abend: Begonnen mit den
durchgeknallten Rauschebärte von Valient Thorr, über die
energiegeladenen Thrash-Götter Death Angel (Absolutes Highlight des
Abends!) und die Bluesrock-Institution Rose Tattoo bis hin zum
unverwüstlichen, bewarzten Headliner Motörhead, ein Riff nach dem
anderen wurde während knapp fünf Stunden auf die durchnässte (die
Holzhalle verwandelte sich mehr als bildlich in eine Sauna) Meute
losgefeuert, wobei Lemmy & Co., die Ende August ihre neues Werk «Motörizer»
auf uns loslassen, insgesamt leider einen eher durchzogenen Auftritt
hinlegten.
Valient Thorr
Während draussen noch die Sonne mit erbarmungsloser Hitze glänzte
enterten noch vor halb sieben fünf haarige Wesen die Bretter der
Rüegerholz-Halle und das verständlicherweise nicht vor all zu vielen
Zuschauern. Denn nicht nur das lähmende Wetter, sondern auch der
Sound, der aus der völlig lärmig aus den Boxen kreischte, lud nicht
gerade zum längeren Verweilen vor der Bühne ein. Wie man auf der
jüngst veröffentlichten Scheibe «Immortalizer» Valient Thorrs
vernehmen kann, so sind zwar auch die Tracks der Amis nicht über
alle Zweifel erfahren, der miese Klang während ihres Auftritts aber
war noch eine Stufe weiter unten. Dafür war das gut 30 minütige
Gastspiel der Rotzrocker, die auch schon mal Stoner, Punk,
traditionellen Metal oder hippieske Klänge in ihrem Sound
vermischten, in optischer Hinsicht ein Leckerbissen. Frei nach dem
Motto «Wenns nach Chaos klingt, so muss es auch wie Chaos aussehen»
tobte das Quintett um den dramatisch gestikulierenden Frontbart
Valient Himself über die Bühne wie Derwishe, liessen sowohl Haupt-
als auch Gesichtsbehaarung kreisen und boten so eine genauso irre
wie spektakuläre Performance. Nun nur noch ein paar echte Kracher
schreiben und das nächste Mal mehr Soundglück haben und dann wird
das wirklich noch was mit Valient Thorr, denn auch nicht gerade
leicht verdauliche Ware kann gut schmecken.
Death Angel
Ich muss gestehen: Motörhead und gerade Lemmy sind definitiv die
Inkarnationen des Rock'n'Roll und auch immer wieder spassig
anzusehen, doch der eigentliche Grund, weswegen ich meinen autolosen
Hintern nach Frauenfeld bugsierte waren und sind Death Angel.
Zuletzt konnte man sich im April im Z7 von den unbestreitbaren Livequalitäten der Bay-Area Thrashern überzeugen lassen und egal wo
und zu welcher Zeit man die Jungs phillipinischer Abstammung je live
zu Gesicht und Ohren bekommen hatte: Wer einmal ging geht wieder
hin! Zwar fand sich auch jetzt noch nicht der grosse Massenansturm
ein, vor der Bühne jedoch bangten sich rund 100 Thrash-Addicts vom
eröffnenden «Lord Of Hate» bis zum letzten Knaller «Seemingly
Endless Time»die Birne aus dem Schädel. Genauso agil, genauso
spielfreudig wie Valient Thorr wirbeln, toben und post die
Thrash-Bande über die Bretter, hat dabei aber genau das, was ihren
Anheizern fehlte: Songs die zünden, Songs die abgehen. Dabei sind es
gerade die Tracks der aktuellen Scheibe «Killing Season», die den
vorderen Teil der tropisch klimatisierten Halle noch weiter
schwitzen lassen. «Steal The Crown», «Carnival Justice» oder auch «Dethroned»,
jeder neue Song funktioniert und kann mindestens mit Klassikern wie
«Evil Priest» oder «Kill As One» mithalten. Auch das Stimmungshoch
stellt ein neuer Track dar und zwar das kraftvolle «Sonic Beatdown»,
welches als Livegranate einfach unschlagbar ist auch wenn bei diesem
Track deutlich wird, dass Mark Oseguedas Stimme nach dem reichlichen
Touren und Spirituosen, die er auch an diesem Abend wieder stolz auf
der Bühne präsentierte, konsumieren schon etwas angeschlagen war.
Wenn daneben aber Sound (deutlich besser als bei Valient Thorr),
Songs und Show stimmen, dann kann man über eine solche Vorstellung
nur meckern, weil sie nach 45 Minuten schon wieder Vergangenheit
ist. Überzeugendste Band des Abends!
Rose Tattoo
Die Sonne war zwar immer noch nicht verschwunden und auch die Hitze
liess sich nicht vertreiben, dennoch strömten nach und nach Leute
jeglichen Alters Richtung Bühne, sodass die alten Haudegen von Down
Under, Rose Tattoo, vor einem ziemlich dicht gedrängten Publikum
aufspielen durften (insgesamt war im hinteren Teil der Halle jedoch
immer noch genügend Platz). Spielten ihre Vorgänger noch auf einer
ziemlich dunklen Bühne, so erstrahlte die Rüegerholz-Stage nun und
tauchte den Fünfer um Giftzwerg Angry Anderson in (fast schon zu)
helles Licht. Auch soundtechnisch wurde ein Schritt nach oben
gemacht und zwar nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ.
Gerade Andersons markante Reibeisen/Kreisch-Stimme gellte verdammt
laut aus den Boxen. Der kleine aber stramme Glatzkopf war dabei
natürlich auch Mittelpunkt alles Aufmerksamkeit: Voller Inbrunst und
ehrlichem Empfinden schmetterte der entweder sinnende oder grinsende
Anderson seine Vocals zu Tracks wie «One Of The Boys» oder «Rock'n'Roll
Outlaw» vom gleichnamigen Hit-Debüt von 1981 oder auch neusten
Tracks von der 2007 erschienenen Platte «Blood Brothers». Gerade
Tracks wie «1854» oder «Man About Town» atmen ohne Abstriche den
Spirit der guten alten Rock-Zeiten. Währed Angry schrieh hiess es
für den Rest der Truppe: Zocken was das Zeug hält und dies taten sie
auch. Die Saitenveteranen Mick Cocks (git) und Geordie Leach (bass)
traten als die personifizierte Gelassenheit auf während Drummer Paul
deMarco auf seine Felle einschlug als gäbe es kein Morgen mehr. Da
wirkte sogar der später antretende Mikkey Dee zahm dagegen. Das
Bühnenbild präsentierte sich so als ganz als zwar nicht gerade
fesselnd, dafür aber umso cooler, wirkte das Quintett doch, als sei
es gerade aus der nächsten Bar entlaufen. Und trotz aller Coolness
blieb am Ende der zumindest für mich nach Rose Tattoo bekannte
Eindruck hängen: Vier, fünf Songs sind ja schon cool, gerade Nummern
wie «Nice Guys (Don't Play Rock'n'Roll)» sind einfach geil, aber
danach könnte man wirklich mal was anders bringen.
Motörhead
Insgesamt auch immer dasselbe bieten uns Motörhead und doch kaufen
wir jede neue Scheibe und pilgern Jahr für Jahr an ihre Gigs. Wie
gewohnt und geliebt kam auch in Frauenfeld Lemmy qualmend auf die
Bühne und richtete die berühmten Worte «Good evening! We are
Motörhead. We're from England and we play Rock'n'Roll!» an seine
treuen Fans und fing an loszubrettern. Dann fühlt der Rezensent im
Photgraben stehend plötzlich ein paar Tropfen auf seine Haut fallen.
Ein Becher flog direkt Richtung Lemmy auf die Bühne. Dieser scheint
das alles andere als witzig zu finden, stöpselt seinen Bass aus und
verschwindet kurzerhand hinter die Bühne, gefolgt von seinen beiden
nun etwas verwirrt wirkenden Mitstreitern Phil Campell und Mikkey
Dee. Drei Takte «Dr. Rock» – weg waren sie wieder. Das zuerst baffe
Publikum fing sich schnell wieder und nach wenigen Sekunden
brandeten sowohl «Motörhead»-Rufe als auch einige Pfiffe auf, sodass
Lemmy nach einigen Minuten wieder zurück auf die Bühne trabte und
klarstellte, dass sie gleich wieder weg sein würden, sollte dies nochmal passieren. Danach wurde wieder alles wie gehabt, wobei man
dem berühmtesten Warzengesicht der Welt unschwer anmerkte wie
angepisst er nun war. «Stay Clean», «Killers» und «Metropolis»,
Granaten, die wohl nie in einem Liveset des Dreiers fehlen dürfen,
machen trotz des etwas faulen Beigeschmack aber dennoch Laune. Als
Kompensation für Lemmys schlechte Laune bewegt und quatscht Phil
Campell hinter der Klampfe mehr als sonst, post des Öfteren am
Bühnenrand oder versucht seinen Chef zu ein wenig Spielfreude
zurückzubringen. Mikkey Dee trommelt wie immer souverän und so
unbarmherzig wie selten einer und so kann zumindest in Sachen Musik
nicht wirklich gemeckert werden, denn Motörhead kredenzen das, was
man von ihnen will: «I Got Mine», «Over The Top» oder «Born To Raise
Hell». Das Publikum indes ist tropfnass, jedoch weniger, weil es
sich verausgabt, als vielmehr vom schlichten Rumstehen in der
Höllenhitze der Rüegerholz-Halle. Hatte man bei allen Vorbands
erwartet, dass die Stimmung nicht gerade die Höchstmarke erreicht,
da ja alle wegen Motörhead gekommen waren, so wurde man jetzt eines
Besseren belehrt, denn auch während den Motörköpfen herrschte nur
bedingt Party-Stimmung. Mit einer rumpelnd harten Version von
«Rosalie» wurde, anstatt sonst immer den «R.A.M.O.N.E.S.», Thin
Lizzy Tribut gezollt (Highlight der Show!) und in «In The Name Of
Tragedy» darf sich Mr. Dee wie gewohnt in alleine mit seiner
Schiessbude vergnügen. Noch einmal rasch ein paar Hits wie «Killed
By Death» oder «Iron Fist» und schon war der reguläre Teil nach ca.
70 Minuten gelaufen. Was nun als Zugabenteil folgen würde war
vorprogrammiert: «Ace Of Spades» gefolgt von «Overkill». Nach einer
Zigarettenlänge folgte ersteres dann auch und wurde ordentlich
abgefeiert, auf «Overkill» hingegen wartete man vergeblich. Ein
Becher fliegt auf die Bühne und deswegen kürzt man das Set? Blackie
Lawless traut man das zu oder auch Axl Rose. Aber Lemmy Kilmister?
Da schien wohl jemand wirklich mit dem falschen Fuss aufgestanden zu
sein und gerade ein Headliner, für welchen man stolze 60 Franken
hinblättert, sollte mehr Professionalität aufweisen, auch Lemmy&Co.
So trat man also mit einem etwas gemischten Gefühl die Heimreise an,
nachdem ein hochkarätiges Billing im Ganzen nicht vollends zu
überzeugen wusste, freute sich aber umso mehr auf das Spektakel am
nächsten Tag: Judas Priest würden mit Iced Earth und Airbourne im
Vorprogramm Huttwil erzittern lassen.
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