Livereview: Motörhead - Death Angel - Rose Tattoo - Valient Thorr
24. Juni 2008 Festhalle Rüegersholz Frauenfeld
By Kissi
Teil 2 der geschichtsträchtigen Metalwoche im Juni: Nachdem am Vortag schon Kiss die Körper und Köpfe der Schweizer Rocker zum vibrieren gebracht hatten hiess es am Dienstag die Reise in den Osten der Schweiz anzutreten. Denn Veranstalter Free&Virgin hatte sich wie schon für ihre eigene Geburtstagsfete mit Status Quo und Airbourne die Festhalle Rüegersholz oberhalb von Frauenfeld als Schauplatz für rifforientierten Rock entschieden. Und nicht weniger hochkarätig waren die Teilnehmer an diesem Abend: Begonnen mit den durchgeknallten Rauschebärte von Valient Thorr, über die energiegeladenen Thrash-Götter Death Angel (Absolutes Highlight des Abends!) und die Bluesrock-Institution Rose Tattoo bis hin zum unverwüstlichen, bewarzten Headliner Motörhead, ein Riff nach dem anderen wurde während knapp fünf Stunden auf die durchnässte (die Holzhalle verwandelte sich mehr als bildlich in eine Sauna) Meute losgefeuert, wobei Lemmy & Co., die Ende August ihre neues Werk «Motörizer» auf uns loslassen, insgesamt leider einen eher durchzogenen Auftritt hinlegten.

Valient Thorr
Während draussen noch die Sonne mit erbarmungsloser Hitze glänzte enterten noch vor halb sieben fünf haarige Wesen die Bretter der Rüegerholz-Halle und das verständlicherweise nicht vor all zu vielen Zuschauern. Denn nicht nur das lähmende Wetter, sondern auch der Sound, der aus der völlig lärmig aus den Boxen kreischte, lud nicht gerade zum längeren Verweilen vor der Bühne ein. Wie man auf der jüngst veröffentlichten Scheibe «Immortalizer» Valient Thorrs vernehmen kann, so sind zwar auch die Tracks der Amis nicht über alle Zweifel erfahren, der miese Klang während ihres Auftritts aber war noch eine Stufe weiter unten. Dafür war das gut 30 minütige Gastspiel der Rotzrocker, die auch schon mal Stoner, Punk, traditionellen Metal oder hippieske Klänge in ihrem Sound vermischten, in optischer Hinsicht ein Leckerbissen. Frei nach dem Motto «Wenns nach Chaos klingt, so muss es auch wie Chaos aussehen» tobte das Quintett um den dramatisch gestikulierenden Frontbart Valient Himself über die Bühne wie Derwishe, liessen sowohl Haupt- als auch Gesichtsbehaarung kreisen und boten so eine genauso irre wie spektakuläre Performance. Nun nur noch ein paar echte Kracher schreiben und das nächste Mal mehr Soundglück haben und dann wird das wirklich noch was mit Valient Thorr, denn auch nicht gerade leicht verdauliche Ware kann gut schmecken.

Death Angel
Ich muss gestehen: Motörhead und gerade Lemmy sind definitiv die Inkarnationen des Rock'n'Roll und auch immer wieder spassig anzusehen, doch der eigentliche Grund, weswegen ich meinen autolosen Hintern nach Frauenfeld bugsierte waren und sind Death Angel. Zuletzt konnte man sich im April im Z7 von den unbestreitbaren Livequalitäten der Bay-Area Thrashern überzeugen lassen und egal wo und zu welcher Zeit man die Jungs phillipinischer Abstammung je live zu Gesicht und Ohren bekommen hatte: Wer einmal ging geht wieder hin! Zwar fand sich auch jetzt noch nicht der grosse Massenansturm ein, vor der Bühne jedoch bangten sich rund 100 Thrash-Addicts vom eröffnenden «Lord Of Hate» bis zum letzten Knaller «Seemingly Endless Time»die Birne aus dem Schädel. Genauso agil, genauso spielfreudig wie Valient Thorr wirbeln, toben und post die Thrash-Bande über die Bretter, hat dabei aber genau das, was ihren Anheizern fehlte: Songs die zünden, Songs die abgehen. Dabei sind es gerade die Tracks der aktuellen Scheibe «Killing Season», die den vorderen Teil der tropisch klimatisierten Halle noch weiter schwitzen lassen. «Steal The Crown», «Carnival Justice» oder auch «Dethroned», jeder neue Song funktioniert und kann mindestens mit Klassikern wie «Evil Priest» oder «Kill As One» mithalten. Auch das Stimmungshoch stellt ein neuer Track dar und zwar das kraftvolle «Sonic Beatdown», welches als Livegranate einfach unschlagbar ist auch wenn bei diesem Track deutlich wird, dass Mark Oseguedas Stimme nach dem reichlichen Touren und Spirituosen, die er auch an diesem Abend wieder stolz auf der Bühne präsentierte, konsumieren schon etwas angeschlagen war. Wenn daneben aber Sound (deutlich besser als bei Valient Thorr), Songs und Show stimmen, dann kann man über eine solche Vorstellung nur meckern, weil sie nach 45 Minuten schon wieder Vergangenheit ist. Überzeugendste Band des Abends!

Rose Tattoo
Die Sonne war zwar immer noch nicht verschwunden und auch die Hitze liess sich nicht vertreiben, dennoch strömten nach und nach Leute jeglichen Alters Richtung Bühne, sodass die alten Haudegen von Down Under, Rose Tattoo, vor einem ziemlich dicht gedrängten Publikum aufspielen durften (insgesamt war im hinteren Teil der Halle jedoch immer noch genügend Platz). Spielten ihre Vorgänger noch auf einer ziemlich dunklen Bühne, so erstrahlte die Rüegerholz-Stage nun und tauchte den Fünfer um Giftzwerg Angry Anderson in (fast schon zu) helles Licht. Auch soundtechnisch wurde ein Schritt nach oben gemacht und zwar nicht nur qualitativ, sondern auch quantitativ. Gerade Andersons markante Reibeisen/Kreisch-Stimme gellte verdammt laut aus den Boxen. Der kleine aber stramme Glatzkopf war dabei natürlich auch Mittelpunkt alles Aufmerksamkeit: Voller Inbrunst und ehrlichem Empfinden schmetterte der entweder sinnende oder grinsende Anderson seine Vocals zu Tracks wie «One Of The Boys» oder «Rock'n'Roll Outlaw» vom gleichnamigen Hit-Debüt von 1981 oder auch neusten Tracks von der 2007 erschienenen Platte «Blood Brothers». Gerade Tracks wie «1854» oder «Man About Town» atmen ohne Abstriche den Spirit der guten alten Rock-Zeiten. Währed Angry schrieh hiess es für den Rest der Truppe: Zocken was das Zeug hält und dies taten sie auch. Die Saitenveteranen Mick Cocks (git) und Geordie Leach (bass) traten als die personifizierte Gelassenheit auf während Drummer Paul deMarco auf seine Felle einschlug als gäbe es kein Morgen mehr. Da wirkte sogar der später antretende Mikkey Dee zahm dagegen. Das Bühnenbild präsentierte sich so als ganz als zwar nicht gerade fesselnd, dafür aber umso cooler, wirkte das Quintett doch, als sei es gerade aus der nächsten Bar entlaufen. Und trotz aller Coolness blieb am Ende der zumindest für mich nach Rose Tattoo bekannte Eindruck hängen: Vier, fünf Songs sind ja schon cool, gerade Nummern wie «Nice Guys (Don't Play Rock'n'Roll)» sind einfach geil, aber danach könnte man wirklich mal was anders bringen.

Motörhead
Insgesamt auch immer dasselbe bieten uns Motörhead und doch kaufen wir jede neue Scheibe und pilgern Jahr für Jahr an ihre Gigs. Wie gewohnt und geliebt kam auch in Frauenfeld Lemmy qualmend auf die Bühne und richtete die berühmten Worte «Good evening! We are Motörhead. We're from England and we play Rock'n'Roll!» an seine treuen Fans und fing an loszubrettern. Dann fühlt der Rezensent im Photgraben stehend plötzlich ein paar Tropfen auf seine Haut fallen. Ein Becher flog direkt Richtung Lemmy auf die Bühne. Dieser scheint das alles andere als witzig zu finden, stöpselt seinen Bass aus und verschwindet kurzerhand hinter die Bühne, gefolgt von seinen beiden nun etwas verwirrt wirkenden Mitstreitern Phil Campell und Mikkey Dee. Drei Takte «Dr. Rock» – weg waren sie wieder. Das zuerst baffe Publikum fing sich schnell wieder und nach wenigen Sekunden brandeten sowohl «Motörhead»-Rufe als auch einige Pfiffe auf, sodass Lemmy nach einigen Minuten wieder zurück auf die Bühne trabte und klarstellte, dass sie gleich wieder weg sein würden, sollte dies nochmal passieren. Danach wurde wieder alles wie gehabt, wobei man dem berühmtesten Warzengesicht der Welt unschwer anmerkte wie angepisst er nun war. «Stay Clean», «Killers» und «Metropolis», Granaten, die wohl nie in einem Liveset des Dreiers fehlen dürfen, machen trotz des etwas faulen Beigeschmack aber dennoch Laune. Als Kompensation für Lemmys schlechte Laune bewegt und quatscht Phil Campell hinter der Klampfe mehr als sonst, post des Öfteren am Bühnenrand oder versucht seinen Chef zu ein wenig Spielfreude zurückzubringen. Mikkey Dee trommelt wie immer souverän und so unbarmherzig wie selten einer und so kann zumindest in Sachen Musik nicht wirklich gemeckert werden, denn Motörhead kredenzen das, was man von ihnen will: «I Got Mine», «Over The Top» oder «Born To Raise Hell». Das Publikum indes ist tropfnass, jedoch weniger, weil es sich verausgabt, als vielmehr vom schlichten Rumstehen in der Höllenhitze der Rüegerholz-Halle. Hatte man bei allen Vorbands erwartet, dass die Stimmung nicht gerade die Höchstmarke erreicht, da ja alle wegen Motörhead gekommen waren, so wurde man jetzt eines Besseren belehrt, denn auch während den Motörköpfen herrschte nur bedingt Party-Stimmung. Mit einer rumpelnd harten Version von «Rosalie» wurde, anstatt sonst immer den «R.A.M.O.N.E.S.», Thin Lizzy Tribut gezollt (Highlight der Show!) und in «In The Name Of Tragedy» darf sich Mr. Dee wie gewohnt in alleine mit seiner Schiessbude vergnügen. Noch einmal rasch ein paar Hits wie «Killed By Death» oder «Iron Fist» und schon war der reguläre Teil nach ca. 70 Minuten gelaufen. Was nun als Zugabenteil folgen würde war vorprogrammiert: «Ace Of Spades» gefolgt von «Overkill». Nach einer Zigarettenlänge folgte ersteres dann auch und wurde ordentlich abgefeiert, auf «Overkill» hingegen wartete man vergeblich. Ein Becher fliegt auf die Bühne und deswegen kürzt man das Set? Blackie Lawless traut man das zu oder auch Axl Rose. Aber Lemmy Kilmister? Da schien wohl jemand wirklich mit dem falschen Fuss aufgestanden zu sein und gerade ein Headliner, für welchen man stolze 60 Franken hinblättert, sollte mehr Professionalität aufweisen, auch Lemmy&Co.

So trat man also mit einem etwas gemischten Gefühl die Heimreise an, nachdem ein hochkarätiges Billing im Ganzen nicht vollends zu überzeugen wusste, freute sich aber umso mehr auf das Spektakel am nächsten Tag: Judas Priest würden mit Iced Earth und Airbourne im Vorprogramm Huttwil erzittern lassen.