Die lauteste Rock'n'Roll Band der Welt war in den letzten Jahren
in der Schweiz ein regelmässiger Gast und schon in mancher Location
aufgetreten. Erst gerade Anfangs August spielten Lemmy und seine
Jungs unter anderem bei der 20. Auflage des «Rock Oz'Arènes» in
Avenches (VD) auf. So kam dann die Ankündigung eines neuerlichen
Auftrittes und dann erst noch im Hallenstadion schon etwas
überraschend. Sollten die Motörköppe nun wirklich mehr als 10'000
Leute anziehen können? Nein, das schon nicht und es zeichnete sich
dann auch bald einmal ab, dass die Bühne nicht ganz hinten in der
Halle stehen würde. Eigentlich rechnete man aber allenthalben mit
einem Umzug nach Winterthur, so wie das Alice Cooper widerfuhr, der
ursprünglich in der Basler St. Jakobshalle zu Gast sein sollte. Das
geschah aber nicht und so fanden sich denn letzten Endes etwa rund
6'000 Fans im Hallenstadion ein, was bezüglich der Auslegung am
heutigen Abend fast ein "sold out" zuliess. Als Support waren die
Schweizer Retro-Rocker von The Vibes dabei, die es mächtig krachen
liessen und voll überzeugten.
The Vibes
Die Schweizer Band aus Aarau, die, wie der Headliner, aus drei
Musikern, namentlich MoJo (Daniel Flückiger, g/v), Matlock (Matthias
Flückiger, b/v/keys) und Stuntman Jack (Reto Grüter) besteht,
existiert schon fast zehn Jahre. In dieser Zeit entstanden zwei
Alben und das dritte mit dem Titel «45 Minutes To
Go» wird am 10.
Dezember 2011 im Aarauer Kiff (wo denn sonst?) seine Plattentaufe
erleben. Diesem an sich freudigen Ereignis ging freilich bereits der
bisherige Höhepunkt der ganzen Karriere voraus, denn The Vibes
konnten im Vorprogramm von Motörhead lärmen und das notabene im
Hallenstadion! Auch wenn die Hütte "nur" halbvoll war, so
vermittelte die entsprechend hergerichtete Konzerthalle genau das
richtige Feeling. Punkt 20.00 Uhr enterten The Vibes die Bühne und
mussten sich zuvor wohl nochmals in den Allerwertesten kneifen, um
die Bedeutung dieses geschichts-trächtigen Moments richtig wahr
nehmen zu können. Doch das Rock-Trio erstarrte dabei keineswegs in
Ehrfurcht, sondern legte gleich wie die Feuerwehr los! Gitarrist
MoJo vermittelte auch optisch das richtige Bild und liess mit seiner
Haarpracht unweigerlich ein paar Gedanken an den unvergesslichen
Phil Lynott und natürlich auch unseren Kissi von Metal Factory
aufkommen. Mit kräftiger 70er-Schlagseite sowie teils etwas
psychedelischen Einlagen wurde in der Folge gerockt, was das Zeug
hielt! Chris dö Röhr (Krokus) hätte da mit seinen berühmten Spruch "Meh
Dräck" nicht landen können. Ich musste mir (als einziger Fotograph
überhaupt!) nach den gemachten Pix im Fotograben echt die Augen
reiben und hatte immer mehr Freude an dem, was da auf der Bühne
abging! Das heimische Publikum goutierte den beherzten Auftritt auch
anerkennend, was zu deutlich mehr als bloss Höflichkeitsapplaus
führte. Die Flückiger-Brothers hatten derweil das Geschehen immer im
Griff und zogen ihr Ding voll durch. Interessant fand ich dabei das
Detail, dass Matlock während dem zwischenzeitlichen Keyboard-Spiel
über ein weiteres Instrument die in dieser Konstellation benötigten
Basstöne zusätzlich beisteuerte. MoJo nutzte zudem die grosszügigen
Platzverhältnisse und machte einmal ganz am Bühnenrand vorne locker
einen auf Rockstar. Es war wirklich erstaunlich, welch heterogene
wie wild vorgetragene Musikalität, gepaart mit cooler Lässigkeit da
geboten wurde, und man hatte kaum das Gefühl, dass hier eine
Support-Band zugegen war. Dass dann aus den eigentlich erwarteten 30
Minuten rund 37 wurden, durfte als weiterer Erfolg abgebucht werden
und diese standen am Ende des Konzertes nochmals im Fokus meiner
Live-Rezi. Fazit: The Vibes boten im Rahmen ihrer Möglichkeiten echt
grosses Kino und werden wohl noch lange von diesem kultigen Abend in
Zürich zehren!
Motörhead
Ich war nicht der einzige, einsame Rufer in der Wüste, der im
Vorfeld etwas skeptisch war, ob Motörhead in so einer grossen Halle
den nötigen Druck erzeugen können. Die früheren Zeiten der
zugegebenermassen oftmals zu hohen Lautstärke-Pegel sind inzwischen
zwar längst per Gesetz eingebremst worden, doch mitunter braucht es
oder fehlt halt einfach die nötige Power, damit das Ganze wirklich
abgeht. Wie dem auch sei, in Winterthur 2007 lieferten Lemmy & Co.
vor gut 3'500 Fans auf jeden Fall einen der besten Gigs ever auf
Schweizer Boden ab, wenn man mal von den kultigen Anfängen in den
80ern und frühen 90ern absieht. Die Affiche in Zürich stimmte
zumindest, denn auch die Sitzplätze im extra dafür zurecht gestutzten
Hallenstadion waren sichtlich belegt. Sonst brauchte es ausser einem
grossen Backdrop mit dem Bandlogo und einer entsprechenden Wand an
Amps aus dem Hause Marshall nicht viel mehr. In der Mitte thronte natürlich das
mächtige Schlagzeug von Mikkey Dee und das war's dann auch. Kurz vor
21.15 Uhr stieg der Headliner auf die Bühne und wurde zunächst mal
ordentlich vom Zürcher Publikum begrüsst. Mit dem Opener «Damage
Case», einer ziemlich alten Kamelle von «Overkill» (1979), hätte ich
nicht wirklich gerechnet und das liess mich zu Beginn noch darauf
hoffen, dass die Setliste noch weitere Überraschungen beinhalten
würde. «Iron Fist» verpuffte meiner Meinung nach anschliessend
jedoch überraschend schnell, aber da noch im Fotograben stehend,
stand mein Urteil wohl etwas auf wackligen
Füssen. Wieder draussen,
mitten im Publikum, respektive auf der rechten Seite stehend,
bestätigte sich mein erster Eindruck jedoch rasch, denn zum Beispiel
auch ein "very old classic" wie «Metropolis» plätscherte praktisch
ohne Wirkung dahin. Das liess für den weiteren Fortgang nicht
wirklich Gutes erahnen, zumal die Stimmung nicht gerade der Burner
war. Tatsächlich war dann irgendwie der Wurm drin und die
augenscheinlich etwas lustlos wirkenden Akteure der Saitenfront
rupften derweil einen Song nach dem anderen runter.
Obwohl die Setliste total immerhin elf Alben berücksichtigte, war
die Auswahl auch schon besser und warum man zum Beispiel «March Or
Die» (1992) oder auch «Another Perfect Day» (1983) gar nicht oder im
letzteren Fall nicht mehr berücksichtigt, finde ich einfach schade.
Ebenso fehlten mir «Just 'Cos You've Got The Power», «Steal Your
Face», «Lost In The Ozone» oder Lärmdinger der Sorte «Dogs» und
«Born To Raise Hell». Was hinten raus blieb, waren die sattsam
bekannten Musts. Allerdings zeigt sich in der Nachlese, dass es bei
weiteren Konzerten auf dieser Tour durchaus zu Änderungen,
respektive mehr gespielten Songs kam. So fehlten in Zürich «Rock
Out» und der «Whorehouse Blues». Allerdings sah ich mal irgendeinen
Gegenstand, Getränkebecher oder was aus immer in Richtung Bühne
fliegen und darauf reagiert Lemmy jeweils höchst allergisch! Das
kann sogar sofortige Konzertabbrüche nach sich ziehen! Gut möglich
dass dies mit der sowieso fehlenden Lust einher ging und das ganze
"Spektakel" deshalb nach exakten 75 Minuten bereits zu Ende war! Das
hiess in der Endabrechnung, dass beim identischen Ticket-Preis von
CHF 75.-- für jede einzelne Minute ein Franken locker gemacht wurde.
In diesem Zusammenhang erwähne ich gerne und auch wiederholt die
«1916»-Tour, die vor 20 Jahren durch unser Land rollte und damals
nach gerade mal 65 Minuten (!) Schicht im Schacht war. Die
infernalische Lautstärke wog allerdings die doppelte Zeit auf. Mit
dem heutigen Konzert war ich persönlich gar nicht zufrieden, denn
das war jetzt nach all den Jahren und unzähligen, miterlebten
Konzerten das mit Abstand am schlechteste und die exorbitanten
Preise am Merchstand, unter anderem CHF 50.-- für ein Tourshirt,
raubten mir schliesslich noch den letzten Rest an guter Laune, mit
der ich eigentlich nach Zürich gefahren war. Wacken, BYH!!! und
andere Grossanlässe mögen da unbestritten die bessere Resonanz
erfahren, aber Fakt ist, dass Motörhead bei mittelgrossen Locations
wie maximal in Winterthur einfach besser funktionieren sowie eine
alle glückselig machende Setliste halt nie oder kaum mehr zustande
kommen wird. Und ja, wie oben erwähnt, spielten The Vibes zuvor
einen somit zeitlich betrachtet "halben" Motörhead-Set.
Setliste: «Damage Case» - «Iron Fist» - «I Know How To Die» - «Stay
Clean» - «Metropolis» - «Get Back In Line» - «Over The Top» - «One
Night Stand» - «Guitar Solo Phil» - «The Chase Is Better Than The
Catch» - «Born To Lose (w/ Drum Solo)» - «Orgasmatron» - «Going To
Brazil» - «Killed By Death» - «Bomber» -- «Ace Of Spades» -
«Overkill».
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