Livereview: Motörhead - Gloria Volt

27. Juni 2014, Wetzikon – Eishalle
By Rockslave
Das war ein Event von:
Im Verlauf des letzten Jahres drangen immer wieder mal eher besorgniserregende Informationen über den Gesundheits-zustand von Lemmy Kilmister (implantierter Defribillator, nachträglicher Schwächeanfall, starke Prellung durch Sturz) an die Öffentlichkeit. Die Spitze dessen im negativen Sinn ereignete sich dann bekanntlich beim Auftritt in Wacken am 02. August 2013, als der Motörhead-Boss den Gig nach rund zwanzig Minuten vorzeitig abbrechen musste. Was am Anfang noch ganz ordentlich aussah, wurde wegen der Hitze auf einmal erneut kritisch und plötzlich war Schicht im Schacht. Die Rockwelt und im Speziellen alle Motörhead-Fans waren ziemlich irritiert und man machte sich zunehmend berechtigte Sorgen. Wir sprechen hier allerdings von einem zu jenem Zeitpunkt fast 68-jährigen Rock’n’Roller, der seinen Körper über Jahrzehnte mit Drogen (früher) und Alkohol (bis heute) andauernd malträtierte. Wie sich nachher heraus stellte, leidet das R’n’R-Urvieh nun zusätzlich an Diabetes, was sich mit Jacky-Cola halt gar nicht verträgt. Wie dem auch sei, einige Monate später kehrte die Band wieder zurück und holte auch das ursprünglich im letzten November in Zürich angesetzte Konzert nun in Wetzikon nach. Wie der Abend in der Eishalle verlief und wie sich die Schweizer Support-Band Gloria Volt vor bereits ordentlich Fans schlug, könnt Ihr nun mit Musse nachlesen.

Gloria Volt
Das laufende Jahr scheint für die Winterthurer Rocker Gloria Volt optimal zu laufen! Nach dem Support für Rhino Bucket im Frühling folgte im Frühsommer das Konzert als Anheizer für Billy Idol anlässlich des ausverkauften Z7-Openairs und, zwei Wochen später hiess es (für den heutigen Headliner) wieder „sold out“. Somit konnten die Schweizer zumindest bei den zwei letztgenannten Anlässen vor jeweils vor einem zahlreichen Publikum aufspielen. Während es in Pratteln spürbar zäher ging, bis das Publikum auf etwas Betriebstemperatur kam, hatte man in der (grundsätzlich ausverkauften) Eishalle ein deutlich leichteres Spiel. Das war sicher nicht verwunderlich, denn der Sound von Gloria Volt lag durchaus auch auf dem Radar der Fans von Lemmy & Co. – Und so spielten Fredi Volvo (v), Pim Peter (g), Lord Latex (g), Marino Marroni (b) und Pascili Goodknight (d) von Anfang an unbekümmert auf und hatten sichtlich auch selber ihren Spass daran. Eigentlich konnte man schon fast von einem Heimspiel sprechen und das wusste die erste Band des Abends auszunutzen und auszukosten. Zusammen mit dem vorzüglich antizipierenden Publikum feierte man eine tolle Rock-Party vor Ort. Ein Blick auf die Uhr zeigte zudem auf, dass offenbar das volle (Support-) Programm von 45 Minuten gespielt werden durfte. So kamen neben den Songs von der aktuellen Scheibe «The Sign» (2013) auch der eine oder andere ältere Song zu Live-Ehren. Ich fand den Auftritt insgesamt voll ok, aber so richtig haut mich diese Combo nicht aus den Latschen. Das liegt vor allem daran, dass der Bühnensound zu wenig kompakt ist. Die beiden Gitarren müssten zusammen deutlich mehr Druck entwickeln und Rhythm-Meister Lord Latex haute heute Abend mehr als einmal daneben und spielte generell etwas schludrig. Weniger rumzappeln und dafür konzentrierter musizieren würde mehr bringen! Nichtsdestotrotz wurde die Aufgabe des Anheizens locker bewältigt und Wetzikon war danach bereit für den Headliner!

Setliste: «Rock Child» - «Tree Angels» - «Shout Loud» - «Ride On Me» - «World Of Pain» - «Screamin' For Hollywood» - «You Gonna Roll» - «Call Me A Man» - «Rollercoaster».

Motörhead
Meine persönliche Gefühlslage war an diesem Abend ziemlich ambivalent, will sagen, dass ich nicht recht wusste, ob ich mich jetzt wirklich auf dieses Konzert freuen soll oder doch eher Kehrausstimmung Einzug hält. Ich habe Motörhead seit den 80ern einige Male gesehen und der bisher einzig wirklich maue Gig war der im Mini-Hallenstadion vor rund drei Jahren. Davor, vor allem 2007 in Winterthur, gab es nur Gutes über die Rock’n’Roll Legende zu berichten. Mittlerweile ist das Flaggschiff, respektive der Kapitän, der an Weihnachten 69 Jahre alt werden wird, sichtlich angeschlagen. Kaum ist dieser wieder etwas besser auf den Füssen, wurde beschlossen, dass die im letzten Jahr ausgefallenen Dates nachgeholt werden. Das vorab Erfreuliche waren dabei zwei Dinge. Erstens der Wechsel von Zürich nach Wetzikon und zweitens dass dadurch die kleinere Halle mit 4‘500 Fans ausverkauft war. Das schuf schon mal eine deutlich bessere Ausgangslage, und nun stellte sich nebst der gesundheitlichen Verfassung von Lemmy halt einfach noch die Frage, wie die Setliste aussieht und ob die 75 Minuten von Zürich über- oder gar unterschritten werden. Ein Indiz, dass es nicht länger dauern wird, lieferten Gloria Volt mit der so zu sagen früher üblichen Support-Spieldauer von 45 Minuten. Heutzutage wird sonst überwiegend nur noch eine halbe Stunde geboten. Um 21.15 Uhr war es dann soweit und Motörhead kamen unter grossem Jubel auf die Bühne. Da vorne im Fotograben stehend sah ich Lemmy von nahe und was ich da sah, erschreckte mich schon ein wenig, denn er hatte sichtlich Gewicht verloren und sein Gesicht sah ziemlich hager aus. Immerhin war er aber gut bei Stimme und als Opener fungierte, wie schon auf der letzten Tour, wiederum «Damage Case». Doch etwas war anders als sonst und das galt besonders zu Beginn auch bei «Stay Clean» und «Metropolis»: Das Tempo! Die Band spielte aus Rücksicht auf ihren Chef mit arg angezogener Handbremse und mir kam es so vor, als wenn es gar bloss halb so schnell war. Das schien aber kaum jemand zu stören, denn die Stimmung entwickelte sich von Anfang an ziemlich prächtig und die Fans antizipierten immer lauter. Früh im Set folgte bereits das Guitar-Solo von Phil Campbell, um Lemmy eine kurze Verschnaufpause zu gönnen. In Anbetracht dessen, dass dies ja eigentlich die Fortführung der «Aftershock»-Tour war, erstaunte es nicht, dass vom neuen Album mit «Lost Woman Blues» das langsamste Stück ausgewählt wurde und dass zuvor mit «Rock It» gar ein Track von der «Another Perfect Day» auftauchte, sorgte zwar für weiterhin gute Stimmung, war aber in Anbetracht der Umstände eher ein zahnloser Tiger.

Dennoch hatte man das Gefühl, dass sich Mr. Kilmister an den euphorischen Reaktionen des Publikums erfreute und ich sah einmal sogar ein kurzes Lächeln über sein fahles und bleiches Gesicht huschen. Er gab sich (offen-) sichtlich Mühe, das Ganze entsprechend durchzustehen, aber es war nicht zu übersehen, dass Phil und Mikkey ihren Chef schonten, wo es nur ging. Das Drum-Solo von Mikkey sorgte derweil für weitere Minuten des Ausruhens und als der schleppende wie überlange Kultriff-Rocker «Just 'Cos You Got The Power» folgte, war eigentlich klar, dass schnelle Tracks wie die in Zürich noch gespielten «Iron Fist» und «I Know How To Die» (welch symbolträchtiger Titel!) fehlen würden. Ich fragte mich dann sogleich, ob mit «Overkill» der eigentlich obligate Schlusssong überhaupt noch gespielt wird. Durch die langsamere Spielweise ging natürlich auch die Zeit entsprechend schneller vorüber und nach der soweit ganz ordentlichen Version von «Ace Of Spades» verliess das Trio die Bühne nach knapp einer Stunde! Dadurch beruhigten sich die Gemüter in der Eishalle und das war irgendwie auch nötig, denn die andauernden Pogo-Moshpits gingen mir gewaltig auf den Senkel. Es hatte einige Typen darunter, die das irgendwie voll nicht rafften, dass es nicht darum geht, die Leute zum Teil sehr aggressiv herum zu schubsen! Da die mitunter ausufernde Bier-Betankung diese Auswüchse jedoch fortwährend hervor rief, blieb mir dann halt nichts anderes übrig, als mich von dem pubertären Kindergarten zu distanzieren. Derweil kehrte der Headliner wieder auf die Bühne zurück und danach folgte tatsächlich noch «Overkill». Die exzellente Resonanz wurde nochmals auf die Spitze getrieben und trotz der Einschränkungen hörte sich die Chose wirklich gut an. Kurz danach ging das Licht in der Halle wieder an und die Stadionuhr zeigte erst 22.30 Uhr an. Somit waren es wieder (nur) 75 Minuten, die einerseits wirklich Spass gemacht haben, aber auf der anderen Seite hatten nicht wenige Leute danach (mich eingeschlossen) das beklemmende Gefühl, dass dies die letzte Motörhead-Show in der Deutschschweiz gewesen sein könnte. So sehr sich das keiner der Fans für die nähere Zukunft wünscht, doch die Fakten sprechen eine andere wie deutliche Sprache. Das womöglich allerletzte Konzert (hoffentlich nicht!) auf Schweizer Boden wird dann vielleicht am 13. August in Avenches beim „Rock Oz’Arènes“ stattfinden, sofern es zuvor in Wacken, wo Motörhead das im letzten Jahr abgebrochene Konzert nachholen werden, nicht wieder zu Schwierigkeiten kommt. Wie es auch heraus kommen wird, der heutige Abend war auf jeden Fall nochmals ein voller Erfolg und sollte unbedingt Signalwirkung auf die Mini-Hallenstadion Planung ausüben. Die Wetziker Eishalle ist für Konzerte in dieser Grössenordnung nämlich wesentlich besser geeignet!

Setliste: «Damage Case» - «Stay Clean» - «Metropolis» - «Over The Top» - «Guitar-Solo Phil» - «The Chase Is Better Than The Catch» - «Rock It» - «Lost Woman Blues» - «Doctor Rock (with Drum-Solo Mikkey)» - «Just 'Cos You Got the Power» - «Going To Brazil» - «Killed By Death» - «Ace Of Spades» -- «Overkill».