Livereview: Mr. Big
07. Oktober 2011, Zürich - Plaza Club
By Tinu

Das Konzert wurde vom Volkshaus ins La Plaza verschoben und ehrlich gesagt, war ich beim ersten Anblick dieses Clubs doch etwas «überrascht». Das Ganze glich eher einem Schicki-Micki-Laden, denn einem rauchigen Rock-Schuppen, der prädestiniert dazu wäre, die Gitarren qualmen und die Kessel glühen zu lassen. Auch das Personal am Eingang und an der Bar zeugte davon, dass sich hier in der Regel eher «noblere» Gestalten die Hände reichen.

Anyway, Mr. Big spielten ohne Support. Einerseits schade, andererseits absolut okay, denn zu oft habe ich mich in der Vergangenheit mit durchschnittlichen Truppen abmühen müssen, bis dann endlich der interessante Act zum Zuge kam. Die Jungs um Sänger Eric Martin starteten furios mit «Daddy, Brother, Lover, Little Boy», dem sogenannten «Electric Drill Song». Gewohnt wurde das Solo von Bass und Gitarre mit dem Plektrum versehenen Akkuschrauber gespielt, was bei den 500 Anwesenden schon mal zu Jubelstürmen führte. Die Besucher waren gut durchmischt, denn neben älteren Rockern, waren auch viele junge Leute anwesend, welche sich die Ami-Band ansehen wollten. Und sie alle liessen sich vom grössten Lausbuben auf der Bühne in den Bann ziehen. Was immer Eric an diesem Abend tat, es war eine wahre Wohltat dem Sänger zuzusehen. Er stachelte die Fans an, animierte sie zum Mitklatschen und Mitsingen oder poste für die unzähligen «Fotografen» in den ersten Reihen. Dabei kam er selbst dem Wunsche eines ganz enthusiastischen Fans nach und streckte die «Pommesgabel» in die Höhe.

Neben Eric, der zwei Tage vor diesem Auftritt das Konzert in Prag wegen Stimmproblemen absagen musste (man merkte Mister Martin davon nichts an!), trumpften die Instrumentalisten gross auf. Ob dies nun Schlagzeuger Pat Torpey, Bassist Billy Sheehan oder Gitarrist Paul Gilbert war, sie untermauerten ihren Sonderstatus in der Musikwelt mit ihren Leistungen und dem unglaublichen, technischen Flair. Dabei fiel besonders das Gitarrensolo von Paul positiv ins Gewicht. Ob gefühlvoll oder schnell, was der mit einem grossen Pamir versehene Saitenderwisch spielte, es war nicht von dieser Welt. Und dies mit einem Ausdruck, als gäbe es nichts Leichteres… Das Bass-Solo von Billy, so genial es auch war und so eindrucksvoll es unterstrich, dass Joey DeMaio im Vergleich zu Sheehan kaum den Hauch einer Chance hat, man hätte es besser gegen einen weiteren Song eingetauscht. Denn schon alleine mit seinen Läufen in den gespielten Hits, bewies Mister Sheehan, dass er keine Konkurrenz zu scheuen braucht.

Nach dem Einstieg mit «Daddy, Brother, Lover, Little Boy» folgten mit «Alive And Kickin'» (Paul spielte die Gitarre wie Hendrix mit der Zunge) und «Green-Tinted Sixties Mind» zwei weitere bekannte Hits aus dem erfolgreichen Werk «Lean Into It», welche die Stimmung nochmals anheizten und den Club langsam zum Dampfen brachten. Dass das Quartett seinen zweiten Frühling nicht nur als neuerlicher Versuch viel Geld zu verdienen sieht, bewies es mit dem Studiowerk «What If» aus dem Jahre 2010. Aus diesem Album wurden nicht weniger als sechs Songs gespielt, die sich nahtlos bei den anderen Klassikern einreihen konnten. Speziell «Undertow» und «Around The World» entpuppten sich als kommende Kracher, die nicht mehr aus der Setliste weg zu denken sind. So spielten sich die Herren in einen wahren Rausch. Den Musikern war die Spielfreude richtiggehend ins Gesicht gemeisselt und neben einem breiten Grinsen, welches die Häupter der auf der Bühne stehenden Mucker zierte, waren es auch viele dicke und hart erarbeitete Schweisstropfen, die auf den Bühnenboden plumpsten.


Nach «Addicted To That Rush» folgten mit der Millionen-Ballade «To Be With You» (wurde aus 500 Kehlen laut mitgesungen) und dem schnellen «Colorado Bulldog» (nur) noch zwei Lieder als Zugabe. Die Setliste wurde im Vergleich zu den anderen Konzerten um drei Songs gekürzt. Doch auch so schafften es die nicht alt werdenden Jungs auf eine Spielzeit von über 1 Stunde und 50 Minuten und verabschiedeten sich mit den Worten «Mr. Big loves you!». In dieser Form sind Mr. Big nicht zu schlagen, denn keine andere Band vermischt Spielfreude, technische Finessen und packende Songs dermassen gekonnt wie Eric, Paul, Billy und Pat! – Bitte mehr davon!!!

Setliste: «Daddy» - «Brother» - «Lover» - «Little Boy (The Electric Drill Song)» - «Alive And Kickin'» - «Green-Tinted Sixties Mind» - «Undertow» - «American Beauty» - «Just Take My Heart» - «Once Upon A Time» - «It's For You» - «A Little Too Loose» - «Road To Ruin» - «Temperamental» - «Guitar Solo (Paul Gilbert)» - «Still Ain't Enough For Me» - «Price You Gotta Pay» - «Take A Walk» - «Around The World» - «As Far As I Can See» - «Bass Solo (Billy Sheehan)» - «Addicted To That Rush» -- «To Be With You» - «Colorado Bulldog».