Eigentlich hatte ich mit einem grösseren Besucheraufmarsch
gerechnet, aber da Airbourne am gleichen Abend in der Samsung Hall
aufspielten, kostete dies Mr. Big doch einige Zuschauer. Trotz, dass man
mit The Answer und Faster Pussycat zwei tolle Supportbands
mitbrachte. Die Treuen liessen sich aber nicht beirren und
bereiteten Mr. Big einen grandiosen Abend, bei dem nicht nur in den
vordersten Reihen textsicher mitgesungen und mitgeschrieen wurde.
Faster Pussycat starteten
den Abend knapp 30 Minuten früher, als vom Z7 ankündigt wurde. Dies
verärgerte einige Besucher, die nur wegen der L.A.-Legende den Weg
unter die Räder nahmen und somit nur noch mit den letzten Klängen von
«Babylon» beglückt wurden. Die Truppe um Sänger Taime Downe
hinterliess bei mir aber einen sehr zwiespältigen Eindruck. Standen
1987 in L.A. eine Horde wilder Jungs auf der Bühne, die keinen Halt
vor willigen Mädchen machten, sah man an diesem Abend eine Meute
alter Biker auf der Bühne, die versuchte, einen Mythos am Leben zu
erhalten. Mit dem Bewegungsradius eines Bierdeckels bekam Taime auch
nicht gerade den Preis für die bewegungsfreudigste Bühnenshow, und da
konnte auch der mit einem Augenzwinkern versehene Rettungsversuch
einer bekannten Konzertgängerin (Name der Redaktion bekannt) nicht
viel retten: "Die sind sich eben nicht mehr gewohnt auf einer so
grossen Bühne zu stehen". Nun ja, ohne eine grosse Ansage zockte sich
der Fünfer eher lustlos durchs Programm und ging bereits nach einer halben
Stunde von der Bühne runter. L.A. Sleaze-Rock habe ich definitiv anders in
Erinnerung.
The
Answer Das Bild auf und vor der Bühne änderte sich
schlagartig mit den Nordiren The Answer. Auch wenn ich mit dem Sound
des Vierers nur bedingt was anfangen kann, entweder man liebt die
Jungs oder sie gehen dir am Arsch vorbei, so stieg das
Stimmungsbarometer im Z7 schlagartig höher als noch bei Faster
Pussycat. Der Classic-Rock wurde auf eine sehr sympathische Art
vorgetragen und Sänger Cormac Neeson hatte von Beginn weg den
Grossteil der Anwesenden auf seiner Seite. Cormac meinte zu recht,
dass es sich für The Answer wie ein Heimspiel anfühlt, da sie
gefühlte drei bis vier Mal pro Jahr in der Schweiz spielen. Die
Herren konnten die Anwesenden nicht nur mit der Rose Tattoo Nummer
«Rock'n'Roll Outlaw» begeistern, sondern auch mit dem eigenen
Material wie «New Horizon» oder «Comfort Zone». Zumindest an diesem
Abend drang die Blues-Seite um einiges mehr durch als die hart
rockende. Dies schien dem Publikum sehr zu schmecken, denn der
Applaus war um einiges lauter als noch bei Faster Pussycat.
Mr. Big
Dieser, nämlich der Applaus, wurde dann nochmals um einiges grösser,
als Sympathikus und Sänger Eric Martin mit seinen Jungs die Bühne
betrat und mit dem «Electric Drill Song» die nächsten fast zwei
Stunden eröffnete. Diese Nummer, besser bekannt als «Daddy, Brother,
Lover, Little Boy» zeigte Bassist Billy Sheehan und Gitarrist Paul
Gilbert einmal mehr mit je einem Akkuschrauber bewaffnet auf der
Bühne, die mit diversen Plektren bestückt waren, um so den Solopart
dieser Nummer zu spielen. Grundsätzlich keine neue, aber eine sehr
bewährte Showeinlage der Amis. In den knapp 120 Minuten Spielzeit
bewiesen die Herren, dass sie instrumental und gesanglich zu den
besten Truppen dieses Planeten gehören. Am Schlagzeug sass erneut
Matt Starr, der Pat Torpey ersetzte. Pat, der an Parkinson erkrankte
Trommler, stand zwar zwischenzeitlich auf der Bühne und spielte
Percussion, konnte sich aber nicht mehr, wie noch beim letzten
Auftritt, hinter sein angestammtes Instrument setzen. Trotz der Krankheit, die
Pat mehr als beim letzten Auftritt zeichnete, spricht es für
Mr. Big, dass sie ihren Langzeitweggefährten noch immer mit auf Tour
nehmen und ihm die Möglichkeit bieten, sich den Fans zu präsentieren.
Matt verrichtete derweil einen hervorragenden Job und spielte die nicht
gerade einfache Vorgabe von Pat souverän und mit einer ungeheuren
Präzision.
Die
alten Herren waren viel in Bewegung, und die Freude an diesem
Konzert schien ihnen förmlich aus dem Gesicht zu schiessen. Neben
ihren instrumentalistischen Fähigkeiten waren es auch die
Chorgesänge, die zu überzeugen wussten. Mittendrin dirigierte Eric
das Geschehen mit seiner spitzbübischen Art und brach noch immer die
Herzen der Ladies in der ersten Reihe. Gesanglich steht der Shouter
nach wie vor in der ersten Reihe und verrichtete einen
hervorragenden Job, bei dem sich viele viel jüngere Sänger eine
grosse Scheibe abschneiden können. Ebenso wie bei Paul Gilbert. Es
waren nicht nur seine solistischen Ausflüge, sondern auch eine
Spielfreude, wie ich sie noch nie von ihm sah. Nicht, dass das bis
anhin Gezeigte von schlechten Eltern gewesen wäre, aber an diesem
Abend ging Mister Gilbert aus sich heraus, wie noch nie. Diese
Motivation zeigte sich dann auch in seinem Solo, das aber besser
kürzer ausgefallen wäre. Es war sehr eindrücklich mit anzusehen, wie
er sich von Klassik über Blues bis hin zum puren Metal spielte. Aber
weniger wäre hier mehr gewesen, denn Paul schien das teils nur auf
«To Be With You» wartende Publikum mehr zu langeweilen, denn zu
begeistern. Wenn Paul aber zu einer kleinen Flamenco-Einleitung
ansetzt, wie bei «Wild World», dann bleibt vor Begeisterung kein
Auge trocken. Und dass er eben auch nur ein Mensch mit Fehlern ist,
bewies sein Danebengreifen beim Solo von «To Be With You».
Auch der solistische Ausflug von Billy hätte durchaus kürzer
ausfallen können, und so hätten die Jungs locker Zeit für ein bis
zwei Songs mehr gehabt. Die Setliste schien trotzdem von einem anderen Stern
zu sein. Was insofern nicht überraschte, hat man doch mit «Daddy,
Brother, Lover, Little Boy», «Amercian Beauty», «Undertow», «Just
Take My Heart», «Take Cover», «Green-Tinted Sixties Mind», «Price
You Gotta Pay», «Rock & Roll Over», «Around The World», «1992», den
beiden schwindel-erregenden Tracks «Colorado Bulldog» und «Addicted
To That Rush» sowie den Balladen «Wild World» und «To Be With You»
Material in den eigenen Reihen, das sofort zündet und begeistert.
Grund-sätzlich überrascht es eigentlich, dass eine so virtuose und
spielverliebte Truppe überhaupt ein so grosses Publikum anzieht,
aber schreibt man so tolle Melodien, kann man kaum was falsch
machen. Vielleicht war es nicht das beste Konzert der Jungs, aber
zumindest eines, das man mit einem sehr breiten und zufriedenen
Grinsen verliess und sich sicher sein konnte, eine noch immer top
eingespielte wie harmonische Truppe gesehen zu haben.
Setliste: «Daddy, Brother, Lover, Little Boy» - «American Beauty» -
«Undertow» - «Alive And Kickin’» - «Temperamental» - «Just Take My
Heart» - «Take Cover» - «Green-Tinted Sixties Mind» - «Everybody Needs
A Little Trouble» - «Price You Gotta Pay» - «Guitar Solo Paul
Gilbert» - «Open Your Eyes» - «Wild World» - «Damn I'm In Love» - «Rock
& Roll Over» - «Around The World» - «Bass Solo Billy Sheehan»,
«Addicted To That Rush» - «To Be With You» - «1992» - «Colorado
Bulldog» - «Defying Gravity».
|
|