Livereview: Mr. Big - The Answer - Faster Pussycat

07. November 2017, Pratteln - Z7
By Tinu
Eigentlich hatte ich mit einem grösseren Besucheraufmarsch gerechnet, aber da Airbourne am gleichen Abend in der Samsung Hall aufspielten, kostete dies Mr. Big doch einige Zuschauer. Trotz, dass man mit The Answer und Faster Pussycat zwei tolle Supportbands mitbrachte. Die Treuen liessen sich aber nicht beirren und bereiteten Mr. Big einen grandiosen Abend, bei dem nicht nur in den vordersten Reihen textsicher mitgesungen und mitgeschrieen wurde.

Faster Pussycat starteten den Abend knapp 30 Minuten früher, als vom Z7 ankündigt wurde. Dies verärgerte einige Besucher, die nur wegen der L.A.-Legende den Weg unter die Räder nahmen und somit nur noch mit den letzten Klängen von «Babylon» beglückt wurden. Die Truppe um Sänger Taime Downe hinterliess bei mir aber einen sehr zwiespältigen Eindruck. Standen 1987 in L.A. eine Horde wilder Jungs auf der Bühne, die keinen Halt vor willigen Mädchen machten, sah man an diesem Abend eine Meute alter Biker auf der Bühne, die versuchte, einen Mythos am Leben zu erhalten. Mit dem Bewegungsradius eines Bierdeckels bekam Taime auch nicht gerade den Preis für die bewegungsfreudigste Bühnenshow, und da konnte auch der mit einem Augenzwinkern versehene Rettungsversuch einer bekannten Konzertgängerin (Name der Redaktion bekannt) nicht viel retten: "Die sind sich eben nicht mehr gewohnt auf einer so grossen Bühne zu stehen". Nun ja, ohne eine grosse Ansage zockte sich der Fünfer eher lustlos durchs Programm und ging bereits nach einer halben Stunde von der Bühne runter. L.A. Sleaze-Rock habe ich definitiv anders in Erinnerung.


The Answer
Das Bild auf und vor der Bühne änderte sich schlagartig mit den Nordiren The Answer. Auch wenn ich mit dem Sound des Vierers nur bedingt was anfangen kann, entweder man liebt die Jungs oder sie gehen dir am Arsch vorbei, so stieg das Stimmungsbarometer im Z7 schlagartig höher als noch bei Faster Pussycat. Der Classic-Rock wurde auf eine sehr sympathische Art vorgetragen und Sänger Cormac Neeson hatte von Beginn weg den Grossteil der Anwesenden auf seiner Seite. Cormac meinte zu recht, dass es sich für The Answer wie ein Heimspiel anfühlt, da sie gefühlte drei bis vier Mal pro Jahr in der Schweiz spielen. Die Herren konnten die Anwesenden nicht nur mit der Rose Tattoo Nummer «Rock'n'Roll Outlaw» begeistern, sondern auch mit dem eigenen Material wie «New Horizon» oder «Comfort Zone». Zumindest an diesem Abend drang die Blues-Seite um einiges mehr durch als die hart rockende. Dies schien dem Publikum sehr zu schmecken, denn der Applaus war um einiges lauter als noch bei Faster Pussycat.


Mr. Big
Dieser, nämlich der Applaus, wurde dann nochmals um einiges grösser, als Sympathikus und Sänger Eric Martin mit seinen Jungs die Bühne betrat und mit dem «Electric Drill Song» die nächsten fast zwei Stunden eröffnete. Diese Nummer, besser bekannt als «Daddy, Brother, Lover, Little Boy» zeigte Bassist Billy Sheehan und Gitarrist Paul Gilbert einmal mehr mit je einem Akkuschrauber bewaffnet auf der Bühne, die mit diversen Plektren bestückt waren, um so den Solopart dieser Nummer zu spielen. Grundsätzlich keine neue, aber eine sehr bewährte Showeinlage der Amis. In den knapp 120 Minuten Spielzeit bewiesen die Herren, dass sie instrumental und gesanglich zu den besten Truppen dieses Planeten gehören. Am Schlagzeug sass erneut Matt Starr, der Pat Torpey ersetzte. Pat, der an Parkinson erkrankte Trommler, stand zwar zwischenzeitlich auf der Bühne und spielte Percussion, konnte sich aber nicht mehr, wie noch beim letzten Auftritt, hinter sein angestammtes Instrument setzen. Trotz der Krankheit, die Pat mehr als beim letzten Auftritt zeichnete, spricht es für Mr. Big, dass sie ihren Langzeitweggefährten noch immer mit auf Tour nehmen und ihm die Möglichkeit bieten, sich den Fans zu präsentieren. Matt verrichtete derweil einen hervorragenden Job und spielte die nicht gerade einfache Vorgabe von Pat souverän und mit einer ungeheuren Präzision.

Die alten Herren waren viel in Bewegung, und die Freude an diesem Konzert schien ihnen förmlich aus dem Gesicht zu schiessen. Neben ihren instrumentalistischen Fähigkeiten waren es auch die Chorgesänge, die zu überzeugen wussten. Mittendrin dirigierte Eric das Geschehen mit seiner spitzbübischen Art und brach noch immer die Herzen der Ladies in der ersten Reihe. Gesanglich steht der Shouter nach wie vor in der ersten Reihe und verrichtete einen hervorragenden Job, bei dem sich viele viel jüngere Sänger eine grosse Scheibe abschneiden können. Ebenso wie bei Paul Gilbert. Es waren nicht nur seine solistischen Ausflüge, sondern auch eine Spielfreude, wie ich sie noch nie von ihm sah. Nicht, dass das bis anhin Gezeigte von schlechten Eltern gewesen wäre, aber an diesem Abend ging Mister Gilbert aus sich heraus, wie noch nie. Diese Motivation zeigte sich dann auch in seinem Solo, das aber besser kürzer ausgefallen wäre. Es war sehr eindrücklich mit anzusehen, wie er sich von Klassik über Blues bis hin zum puren Metal spielte. Aber weniger wäre hier mehr gewesen, denn Paul schien das teils nur auf «To Be With You» wartende Publikum mehr zu langeweilen, denn zu begeistern. Wenn Paul aber zu einer kleinen Flamenco-Einleitung ansetzt, wie bei «Wild World», dann bleibt vor Begeisterung kein Auge trocken. Und dass er eben auch nur ein Mensch mit Fehlern ist, bewies sein Danebengreifen beim Solo von «To Be With You».

Auch der solistische Ausflug von Billy hätte durchaus kürzer ausfallen können, und so hätten die Jungs locker Zeit für ein bis zwei Songs mehr gehabt. Die Setliste schien trotzdem von einem anderen Stern zu sein. Was insofern nicht überraschte, hat man doch mit «Daddy, Brother, Lover, Little Boy», «Amercian Beauty», «Undertow», «Just Take My Heart», «Take Cover», «Green-Tinted Sixties Mind», «Price You Gotta Pay», «Rock & Roll Over», «Around The World», «1992», den beiden schwindel-erregenden Tracks «Colorado Bulldog» und «Addicted To That Rush» sowie den Balladen «Wild World» und «To Be With You» Material in den eigenen Reihen, das sofort zündet und begeistert. Grund-sätzlich überrascht es eigentlich, dass eine so virtuose und spielverliebte Truppe überhaupt ein so grosses Publikum anzieht, aber schreibt man so tolle Melodien, kann man kaum was falsch machen. Vielleicht war es nicht das beste Konzert der Jungs, aber zumindest eines, das man mit einem sehr breiten und zufriedenen Grinsen verliess und sich sicher sein konnte, eine noch immer top eingespielte wie harmonische Truppe gesehen zu haben.

Setliste: «Daddy, Brother, Lover, Little Boy» - «American Beauty» - «Undertow» - «Alive And Kickin’» - «Temperamental» - «Just Take My Heart» - «Take Cover» - «Green-Tinted Sixties Mind» - «Everybody Needs A Little Trouble» - «Price You Gotta Pay» - «Guitar Solo Paul Gilbert» - «Open Your Eyes» - «Wild World» - «Damn I'm In Love» - «Rock & Roll Over» - «Around The World» - «Bass Solo Billy Sheehan», «Addicted To That Rush» - «To Be With You» - «1992» - «Colorado Bulldog» - «Defying Gravity».