Als ich davon
hörte, dass Mr. Schenker wieder mal in der Schweiz weilt, war ich am Anfang eher nicht
gewillt, nach Luzern zu fahren. Was würde einen diesmal erwarten? Ein vielleicht abermals
lustloser, aber genialer Gitarrist, der einfach seinen "Job" macht? Anlass zur
Sorge gäbe es schon, denn der deutsche Saiten-Hexer kann manchmal wirklich schräg drauf
sein, egal ob Solo oder mit UFO. Zum Glück verdrängte ich all diese Gedanken und
schliesslich wollte ich auch endlich mal die mit guten Kritiken überhäufte Schweizer
Band Pure Inc. live sehen. So kam es, dass ich mich positiv gestimmt auf den Weg in die
Innerschweiz machte und diese Entscheidung nicht bereuen sollte, denn der Konzert-Abend
entwickelte sich zu einem der Highlights des Jahres 2004! Gleicher Meinung dürften auch
die vor Ort gesichteten Thom Blunier (Shakra) und Mandy Meyer (Ex-Gotthard) gewesen sein.
Pure Inc.
Schon zu Zeiten von Pure Yeast zeichnete sich das Talent der Basler Band ab. Mit der
Veröffentlichung der neuen, selbstbetitelten Debüt-CD handelten sich Pure Inc., so wie
sich neu nennen, nun grosses Lob ein. Deshalb war ich gespannt, wie es sich heute Abend in
dieser klangtechnisch idealen Location anhören würde. Zu Beginn des Konzertes waren
leider noch nicht allzu viele Leute da, aber sie hätten es sein sollen, denn von der
ersten Minute an spürte man die Professionalität der Schweizer Rocker. Nach dem Intro
stiegen Pure Inc. mit "T.O.T." gleich megagroovig in das Set ein. Sänger Gianni
Pontillio, der sich auf der Bühne sichtlich wohl fühlte und sich zeitweilen etwas nach
Steve Lee (Gotthard) anhörte, gab gleich von Anfang an mächtig Gas. Der überaus
rhythmisch aufgebaute Heavy Rock war jederzeit tight und bestätigte den Eindruck, den man
von der CD-Produktion her gewinnen konnte, nämlich oberfett! Stilistische Vergleiche sind
dabei nicht mal so leicht zu machen. Für mich klingt der Pure Inc. Sound etwas nach
Krokus im Nu Rock Gewand, mit feinen Grunge-Anleihen garniert. Nickelback könnte man als
grobe Richtschnur nennen. Auf der Bühne präsentierten sich die Schweizer als
geschlossene und eingespielte Einheit. Dazu gehörte insbesondere die akustisch wie
optisch überzeugende Performance von Basser Andreas Gentner, der seinem fingergespielten
5-String Bass hammermässige Töne und Läufe entlockte. Ihm in Nichts nach standen
natürlich auch seine Kollegen Sandro Pellegrini (g) und David Preissel (d), die dem
mittlerweile etwas zahlreicher gewordenen Publikum einen gelungenen Auftritt bescherten.
Wie wenn es eingeplant gewesen wäre, bat Sänger Gianni unvermittelt seinen Vater (der an
diesem Tag Geburtstag hatte) spontan auf die Bühne, um ihm zu gratulieren und weitere,
anwesende Familienmitglieder zu begrüssen. Die darauf vom Vater geöffnete Flasche
Schampus wurde dann zwar mehr auf dem Bühnenboden verteilt, als getrunken, aber das
störte anscheinend niemanden. Danach gab es nochmals Musik (genial: "Fear my
eyes") und nach den obligaten 45 Minuten ging ein mehr als überzeugender Auftritt zu
Ende. Bleibt zu hoffen, dass Pure Inc. das vorhandene Potenzial künftig auch in Erfolg
ummünzen können.
Set-Liste: "Intro/T.O.T.", "Genius", "Piece of mind",
"On the verge", "Next to you", "The thing you left on me",
"Crawling", "Fear my eyes", "Falling season".
MSG
Das letzte Mal, als ich Michael Schenker auf einer Schweizer Bühne sah, müsste etwa
sechs Jahre her sein, als er, damals wieder einmal zu UFO zurückgekehrt, im Z7 in
Pratteln gastierte. Mit schwarz gefärbten Haaren sah er reichlich düster aus und kam
auch spielerisch so rüber. Er hatte eine Art an sich, die etwas an Zampano Ritchie
Blackmore, einen waschechten Exzentriker, der einfach unberechenbar ist, erinnerte. Da
wäre zum Beispiel die Geschichte, dass Schenker nach einem Konzert nur diejenigen Artikel
der Fans unterschrieb, die es am Merchandise-Stand zu kaufen gab! Man wusste ja um die
gelegentlichen "gesundheitlichen Probleme" und deshalb nahm es mich Wunder,
welches Kapitel denn heute Abend in Luzern geschrieben werden würde. Ein erster Blick auf
die am Bühnenboden befestigte Set-Liste liess mich gleich zusammenzucken. Sollte es
wirklich wahr sein, diesen exquisiten Querschnitt seiner Solo-Karriere und einiger
UFO-Classics alle bald hören zu können? Mein Gedanken-Ausflug war gar noch nicht zu
Ende, als die Show mit "Ready to rock" fulminant seinen Anfang nahm. Die vier
Musiker, die die aktuelle Tour-Band von Michael Schenker bildeten, waren mir allesamt
unbekannt. Die Recherche ergab, dass vom letzten 99er Live-Album der
"Unforgiven-Tour" nur noch Keyboarder und Gitarrist Wayne Findlay übrig
geblieben ist. Sänger Chris Logan, seit 2001 dabei, spielte, respektive arbeitete
zusammen mit Phoenix Rising, Worlds Within und zuletzt Outlaw Circus. Drummer
Pete Holmes (u.a. Black Symphony, Black'n Blue, Ted Nugent, Yngwie Malmsteen, Ian Gillan)
und Bassist Rev Jones (u.a. Fort'e, Black Symphony, MSG ab 2000, Fuel) sind alte Hasen und
bildeten zusammen eine neue Einheit, die heute Abend keinerlei Schwächen zeigte. Es kam
alles wie aus einem Guss. Das galt ebenso für Schenker's kernige und saubere Riffs wie
Soli und die satte Begleitung durch seine Hintermannschaft. Allen voran Rev Jones, der mit
seinen verkümmerten Rasta-Locken und gut einem Dutzend (wenn nicht noch mehr!) Tattoos
echt abgefahren aussah, aber seinen Tieftöner mörderisch gut bediente. Der Meister
himself, erschien mit einer Mütze auf dem Kopf, (zu Beginn) aufgesetzter Sonnenbrille und
halbkurzen Pants. Dazu natürlich seine legendären, weissen Flying-V Gitarren, wovon er
zwei oder drei verschiedene benutzte. Die Laune und Verfassung war von Anfang an top und
man sah des Öfteren gar ein Lächeln über sein Gesicht huschen. Dies färbte natürlich
auf sein Spiel ab, das frisch und kernig klang. Diese Vibes gingen sofort auch auf das
Publikum über, das den Lärmpegel immer weiter nach oben schraubte. Auch kein Wunder bei
solch legendären Songs wie "Assault attack", "Let it roll",
"Lights out" oder "Into the arena". Neben neueren Vertretern der Alben
"Unforgiven" ("Fat city") und "Arachnophobia"
("Rock'n'Roll believer", "Arachnophobiac" und "Fatal
strike") entfachten besonders die letzten acht Songs, die je zur Hälfte MSG und UFO
zugerechnet werden konnten, einen regelrechten Flächenbrand. Sänger Chris Logan zog sich
dabei wie überhaupt mehr als achtbar aus der Affäre, konnte seinen Vorgänger Kelly
Keeling aber nicht ganz vergessen machen. Nichtsdestotrotz musste auch meine Wenigkeit
schweissgebadet und mit sich deutlich abzeichnenden Nackenschmerzen attestieren, dass gute
Rock-Songs einfach zeitlos und unsterblich sind. Und wie wenn die Freude über das
Gezeigte nicht schon gross genug gewesen wäre, bewies Michael Schenker eher
überraschend, wenige Minuten nach dem letzten Ton bereits am Merchandise-Stand stehend,
dass er auch anders kann, wenn er nur will. Geduldig unterschrieb er alles (!), was man
ihm hinhielt und er liess sich auch bereitwillig zusammen mit einer Hand voll Fans
(einzeln) ablichten. Der dabei überaus entspannte Gesichtsausdruck verriet, dass sich
heute Abend in Luzern nicht nur das Publikum sehr wohl gefühlt haben muss. Eine somit
durch und durch gelungene Begegnung mit einer Rock-Legende unserer Zeit.
Set-Liste: "Ready to rock", "Mother Mary", "Assault attack",
"Let it roll", "Fat city", "Lights out", "Because I
can", "Rock'n'Roll believer", "Arachnophobiac", "Fatal
strike", "Into the arena", "Only you can rock me", "On and
on", "Too hot to handle", "Attack of the mad axe man",
"Armed and ready", "Doctor doctor", "Rock bottom".
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