Michael Schenker's Temple Of Rock waren wieder auf Tour und
konnten problemlos überzeugen. Dies lag einerseits an der sehr
eingespielten Mannschaft mit den beiden ehemaligen
Scorpions-Musikern Francis Buchholz (Bass) und Herman Rarebell
(Schlagzeug), dem seit 2004 fest in der Band spielenden Wayne
Findlay und Sänger Doogie White. Diese vier Personen verleihen dem
Meistergitarristen Michael Schenker einen neuen positiven Schub, zu
dem sich der begnadete Virtuose ausleben kann. Temple Of Rock
verdient seinen Namen zu Recht. Hier wird gerockt und es werden dabei drei
Klassiker-Truppen unter einen Hut gebracht. Seien es Lieder von UFO,
den Scorpions oder den Solozeiten von Michael, es macht Spass und
Laune, der Truppe zuzusehen und zuzuhören. Fertig sind die Zeiten,
in denen der Gitarrist mit dem Rücken zum Publikum spielte oder
missmutig auf der Bühne stand. Heute grinst der blonde Deutsche und
sucht sichtlich den Kontakt zu seinen Fans.
'77 Anders als einen Abend zuvor bei W.A.S.P., kam nicht
noch einer weitere Supportband dazu, sondern Michael Schenker strich
an diesem Abend eine und liess nur '77 aufspielen. Die Jungs aus
Spanien trumpften gross auf, huldigten das Jahr 1977 und liessen
AC/DC hochleben. Speziell Leadgitarrist LG Valeta sog den Angus Young
wohl mit der Muttermilch auf und zuckte mit den gleichen
Bewegungen, als würden diese durch elektrische Stromschläge
ausgelöst, auf der
Bühne herum.
Er bangte, hüpfte, liess sich auf den Boden fallen und war immer in
Bewegung. Seine Spielart und sein Instrument sind ganz klar durch
diesen einen Musiker inspiriert: Mister Angus Young! Sänger und
Rhythmusgitarrist Armand Valeta Diaz spielt derweil die gleichen exakten
Rhythmen wie Malcom Young und sein Gesang ähnelt dem von Bon Scott
frappant. Bassist Guillem Martinez scheint zu 75% nur aus Locken zu
bestehen. Seine solide Art den Bass zu zupfen, bringt der Truppe allerdings
einen mörderischen Groove ein. Wie auch Trommler Andy Cobo, der
aussieht, als bestehe er nur aus Haut und Knochen. Der Junge haut
aber mit einen dermassen starken Wumms auf seine Becken, dass man beinahe Angst um
das sehr kleine Schlagzeug kriegt. Zusammen ergibt das einen Sound, der
von den ersten AC/DC-Scheiben inspiriert wird. Nicht von «Highway
To Hell», «Back In Black» oder «Rock Or Bust», sondern eher dem,
was dem kleinen Bruder von «High Voltage» und «T.N.T.» entspricht. Neben den
in die Beine gehenden Songs war es auch die wilde, fast schon
chaotische Bühnenpräsenz der Spanier, die ihre Wirkung nicht verfehlt.
Da scheint keine Bühne zu gross zu sein, und selbst Andy hantierte immer etwas hinter seinen
Becken und Kesseln. Dass sich LG dann für ein Solo kurz ins Publikum
verabschiedete und dort am Rad drehte, war nur noch ein weiterer
Höhepunkt. «You're warming up?», was für eine Frage. Wohl keiner im
Publikum hatte mit einer solchen Performance gerechnet. Das nennt
man nachhaltig und ich bin mir sicher, dass nach dem Konzert ebenso
viele von '77 sprachen, wie über den eigentlichen Headliner.
Michael Schenker's Temple Of Rock
Nach einem kurzen Intro stand das Quintett auf der Bühne, um mit dem
UFO-Klassiker «Doctor Doctor» den Abend zu eröffnen. Schnell wurde
klar, dass die Band eine verdammte Einheit ist. Eine Truppe, in der
jeder weiss, wer der Chef ist, dieser aber auch weiss, dass er
ohne diese perfekt eingespielte Einheit sehr einsam wäre. Die ersten
Klänge der Gitarre von Michael bewiesen, dass er erneut einen tollen
Abend abliefern wird. Das konnte man vom ansonsten tadellosen
Wayne leider nicht sagen. Wahrscheinlich lags am Soundmann, aber recht
schnell wurde klar, dass die Gitarre von Mister Findlay eher wie
eine Pappversion klang, denn wie eine fette Klangversion. Ganz
schlimm wurde es dann beim Solo von «Rock You Like A Hurricane».
Auch wenn Wayne von Francis abgeklatscht wurde, es war ein Graus
mitanzuhören, wie das Ganze klang. Dafür war die Rhythmusmaschine
ein eingespieltes Team. Francis der Dauergrinser und Herman, der ab
und zu ziemlich tief schnaufte, liessen keine Löcher zu und so
konnte sich Michael voll und ganz auf seine Solo-Darbietung
konzentrieren. Wie schon bei den letzten Gigs war es ein
Ohrenschmaus, dem Bruder von Rudolf Schenker (Scorpions) zuzuhören.
Ebenso Doogie, der nach vielen Sängern und dem Wiedereinstieg des
Ur-Fronters Gary Barden nun die perfekte Lösung für diese
Konstellation ist.
Der
Schotte hat eine wahnsinnig tolle Stimme (was für ein gewaltiger
Schrei bei «Victims Of Illusion») und weiss genau, wie er die Fans
animieren kann. Seine nette, unbekümmerte und leicht freche Art
traf den Nerv des Publikums.
Fast Scorpions-mässig standen
die beiden Gitarristen und der Bassist immer wieder zusammen und
posten um die Wette, was früher eher selten bis nie passierte. Aber
hier wurde klar, dass sich Musiker fanden, die nur eines an der
Musik haben, nämlich einen unheimlichen SPASS! Auch wenn nicht alle
Songs den Stimmungslevel halten konnten («Where The Wild Wind
Blows», «Lord Of The Lost And Lonely»), glich die Präsentation von
Doogie schon fast einer Parodie, wenn er die Pommes-Gabel in die Luft streckte
und dabei «Before The Devil Knows You're Dead» Ronnie James Dio
widmete. Ansonsten zog Michael, der seinen Part, wie immer, in leicht
gebückter Haltung absolvierte, alle Register seines musikalischen
Schaffens. Dabei schien sich seine Freude kaum aus dem Gesicht zu
verabschieden. Lieder wie «Lights Out» (UFO), «Victims Of Illusion»
(MSG), «Lovedrive» (Scorpions), oder «Attack Of The Mad Axeman»
(MSG) haben nichts
von ihrer Killerkraft verloren und gehören ganz einfach zu den
Sternstunden des harten Rocks. Allerdings muss man auch sagen, dass
die Scorpions-Songs «Blackout» und speziell «Coast To Coast» nicht
unbedingt passen. Nicht, dass sie etwa schlecht gespielt werden, aber die
Originale sind hier einfach nicht zu toppen. Die Aussage von Doogie
nach «Coast To Coast», «That was brilliant! I hear it every night!»,
war dann doch etwas zu hoch gegriffen. Dafür passten neue Lieder wie
«Vigilante Man», «Communion», «Saviour Machine» und «Live And Let
Live» aus dem neusten Album «Spirit On A Mission» bestens in die
Setliste. Schade nur, dass kein einziger Song von «Built To Destroy»
gespielt wurde oder der Oberhammer «Armed And Ready» fehlte. Es
allen recht zu machen, bei der musikalischen Vergangenheit von
Mister Schenker, ist jedoch schier unmöglich.
Es war ein Abend, der
Laune machte, aber auch erahnen liess, dass Michael verloren
gegangenen Boden wieder wett machen muss. Kurze Zeit vor ihm spielten
UFO am genau gleichen Ort und konnten bedeutend mehr Fans anlocken.
Über den Zuschauerzuspruch bei den Scorpions muss hier gar nicht erst
diskutiert werden. Schade, dieses Konzert hätte mehr Besucher
verdient. Die Gefahr, dass man das nächste Mal im Mini-Z7 spielen wird,
besteht durchaus. Dies sollte aber nicht passieren, denn mit einer solchen
Leistung und guter Mund-zu-Mund Propaganda sollten sich beim
nächsten Auftritt wieder bedeutend mehr Leute einfinden. Es war ein
gelungener Abend, der von der musikalischen Qualität des Meisters
profitierte und eine Begleitband präsentierte, die absolut
eingespielt war sowie zu einem mehr als nur gelungenen Abend beitrug.
Setliste: «Intro» - «Doctor Doctor» - «Live And
Let Live» - «Lights Out» - «Where The Wild Wind Blows» - «Natural
Thing» - «Before The Devil Knows You're Dead» - «Victims Of Illusion» -
«Lovedrive» - «Coast To Coast» - «Vigilante Man» - «Saviour Machine» -
«Too Hot To Handle» - «Lord Of The Lost And Lonely» - «Rock You Like A
Hurricane» - «Rock Bottom» -- «Attack Of The Mad Axeman» - «Communion» -
«Blackout».
|
|