Livereview: Michael Schenker's Temple Of Rock - '77

01. November 2014, Pratteln – Z7
By Tinu
Michael Schenker's Temple Of Rock waren wieder auf Tour und konnten problemlos überzeugen. Dies lag einerseits an der sehr eingespielten Mannschaft mit den beiden ehemaligen Scorpions-Musikern Francis Buchholz (Bass) und Herman Rarebell (Schlagzeug), dem seit 2004 fest in der Band spielenden Wayne Findlay und Sänger Doogie White. Diese vier Personen verleihen dem Meistergitarristen Michael Schenker einen neuen positiven Schub, zu dem sich der begnadete Virtuose ausleben kann. Temple Of Rock verdient seinen Namen zu Recht. Hier wird gerockt und es werden dabei drei Klassiker-Truppen unter einen Hut gebracht. Seien es Lieder von UFO, den Scorpions oder den Solozeiten von Michael, es macht Spass und Laune, der Truppe zuzusehen und zuzuhören. Fertig sind die Zeiten, in denen der Gitarrist mit dem Rücken zum Publikum spielte oder missmutig auf der Bühne stand. Heute grinst der blonde Deutsche und sucht sichtlich den Kontakt zu seinen Fans.

'77
Anders als einen Abend zuvor bei W.A.S.P., kam nicht noch einer weitere Supportband dazu, sondern Michael Schenker strich an diesem Abend eine und liess nur '77 aufspielen. Die Jungs aus Spanien trumpften gross auf, huldigten das Jahr 1977 und liessen AC/DC hochleben. Speziell Leadgitarrist LG Valeta sog den Angus Young wohl mit der Muttermilch auf und zuckte mit den gleichen Bewegungen, als würden diese durch elektrische Stromschläge ausgelöst, auf der Bühne herum. Er bangte, hüpfte, liess sich auf den Boden fallen und war immer in Bewegung. Seine Spielart und sein Instrument sind ganz klar durch diesen einen Musiker inspiriert: Mister Angus Young! Sänger und Rhythmusgitarrist Armand Valeta Diaz spielt derweil die gleichen exakten Rhythmen wie Malcom Young und sein Gesang ähnelt dem von Bon Scott frappant. Bassist Guillem Martinez scheint zu 75% nur aus Locken zu bestehen. Seine solide Art den Bass zu zupfen, bringt der Truppe allerdings einen mörderischen Groove ein. Wie auch Trommler Andy Cobo, der aussieht, als bestehe er nur aus Haut und Knochen. Der Junge haut aber mit einen dermassen starken Wumms auf seine Becken, dass man beinahe Angst um das sehr kleine Schlagzeug kriegt. Zusammen ergibt das einen Sound, der von den ersten AC/DC-Scheiben inspiriert wird. Nicht von «Highway To Hell», «Back In Black» oder «Rock Or Bust», sondern eher dem, was dem kleinen Bruder von «High Voltage» und «T.N.T.» entspricht. Neben den in die Beine gehenden Songs war es auch die wilde, fast schon chaotische Bühnenpräsenz der Spanier, die ihre Wirkung nicht verfehlt. Da scheint keine Bühne zu gross zu sein, und selbst Andy hantierte immer etwas hinter seinen Becken und Kesseln. Dass sich LG dann für ein Solo kurz ins Publikum verabschiedete und dort am Rad drehte, war nur noch ein weiterer Höhepunkt. «You're warming up?», was für eine Frage. Wohl keiner im Publikum hatte mit einer solchen Performance gerechnet. Das nennt man nachhaltig und ich bin mir sicher, dass nach dem Konzert ebenso viele von '77 sprachen, wie über den eigentlichen Headliner.

Michael Schenker's Temple Of Rock
Nach einem kurzen Intro stand das Quintett auf der Bühne, um mit dem UFO-Klassiker «Doctor Doctor» den Abend zu eröffnen. Schnell wurde klar, dass die Band eine verdammte Einheit ist. Eine Truppe, in der jeder weiss, wer der Chef ist, dieser aber auch weiss, dass er ohne diese perfekt eingespielte Einheit sehr einsam wäre. Die ersten Klänge der Gitarre von Michael bewiesen, dass er erneut einen tollen Abend abliefern wird. Das konnte man vom ansonsten tadellosen Wayne leider nicht sagen. Wahrscheinlich lags am Soundmann, aber recht schnell wurde klar, dass die Gitarre von Mister Findlay eher wie eine Pappversion klang, denn wie eine fette Klangversion. Ganz schlimm wurde es dann beim Solo von «Rock You Like A Hurricane». Auch wenn Wayne von Francis abgeklatscht wurde, es war ein Graus mitanzuhören, wie das Ganze klang. Dafür war die Rhythmusmaschine ein eingespieltes Team. Francis der Dauergrinser und Herman, der ab und zu ziemlich tief schnaufte, liessen keine Löcher zu und so konnte sich Michael voll und ganz auf seine Solo-Darbietung konzentrieren. Wie schon bei den letzten Gigs war es ein Ohrenschmaus, dem Bruder von Rudolf Schenker (Scorpions) zuzuhören. Ebenso Doogie, der nach vielen Sängern und dem Wiedereinstieg des Ur-Fronters Gary Barden nun die perfekte Lösung für diese Konstellation ist. Der Schotte hat eine wahnsinnig tolle Stimme (was für ein gewaltiger Schrei bei «Victims Of Illusion») und weiss genau, wie er die Fans animieren kann. Seine nette, unbekümmerte und leicht freche Art traf den Nerv des Publikums.

Fast Scorpions-mässig standen die beiden Gitarristen und der Bassist immer wieder zusammen und posten um die Wette, was früher eher selten bis nie passierte. Aber hier wurde klar, dass sich Musiker fanden, die nur eines an der Musik haben, nämlich einen unheimlichen SPASS! Auch wenn nicht alle Songs den Stimmungslevel halten konnten («Where The Wild Wind Blows», «Lord Of The Lost And Lonely»), glich die Präsentation von Doogie schon fast einer Parodie, wenn er die Pommes-Gabel in die Luft streckte und dabei «Before The Devil Knows You're Dead» Ronnie James Dio widmete. Ansonsten zog Michael, der seinen Part, wie immer, in leicht gebückter Haltung absolvierte, alle Register seines musikalischen Schaffens. Dabei schien sich seine Freude kaum aus dem Gesicht zu verabschieden. Lieder wie «Lights Out» (UFO), «Victims Of Illusion» (MSG), «Lovedrive» (Scorpions), oder «Attack Of The Mad Axeman» (MSG) haben nichts von ihrer Killerkraft verloren und gehören ganz einfach zu den Sternstunden des harten Rocks. Allerdings muss man auch sagen, dass die Scorpions-Songs «Blackout» und speziell «Coast To Coast» nicht unbedingt passen. Nicht, dass sie etwa schlecht gespielt werden, aber die Originale sind hier einfach nicht zu toppen. Die Aussage von Doogie nach «Coast To Coast», «That was brilliant! I hear it every night!», war dann doch etwas zu hoch gegriffen. Dafür passten neue Lieder wie «Vigilante Man», «Communion», «Saviour Machine» und «Live And Let Live» aus dem neusten Album «Spirit On A Mission» bestens in die Setliste. Schade nur, dass kein einziger Song von «Built To Destroy» gespielt wurde oder der Oberhammer «Armed And Ready» fehlte. Es allen recht zu machen, bei der musikalischen Vergangenheit von Mister Schenker, ist jedoch schier unmöglich.

Es war ein Abend, der Laune machte, aber auch erahnen liess, dass Michael verloren gegangenen Boden wieder wett machen muss. Kurze Zeit vor ihm spielten UFO am genau gleichen Ort und konnten bedeutend mehr Fans anlocken. Über den Zuschauerzuspruch bei den Scorpions muss hier gar nicht erst diskutiert werden. Schade, dieses Konzert hätte mehr Besucher verdient. Die Gefahr, dass man das nächste Mal im Mini-Z7 spielen wird, besteht durchaus. Dies sollte aber nicht passieren, denn mit einer solchen Leistung und guter Mund-zu-Mund Propaganda sollten sich beim nächsten Auftritt wieder bedeutend mehr Leute einfinden. Es war ein gelungener Abend, der von der musikalischen Qualität des Meisters profitierte und eine Begleitband präsentierte, die absolut eingespielt war sowie zu einem mehr als nur gelungenen Abend beitrug.

Setliste: «Intro» - «Doctor Doctor» - «Live And Let Live» - «Lights Out» - «Where The Wild Wind Blows» - «Natural Thing» - «Before The Devil Knows You're Dead» - «Victims Of Illusion» - «Lovedrive» - «Coast To Coast» - «Vigilante Man» - «Saviour Machine» - «Too Hot To Handle» - «Lord Of The Lost And Lonely» - «Rock You Like A Hurricane» - «Rock Bottom» -- «Attack Of The Mad Axeman» - «Communion» - «Blackout».