Es ist immer wieder bezaubernd, dabei sein zu dürfen: Die
Musikfestwochen in Winterthur gingen heuer in die 37. Runde. So wie
jedes Jahr versprachen auch dieses Mal die knapp zwei Wochen Programm
mit fast 90 Veranstaltungen ein aussergewöhnliches und vielfältiges
Potpourri an kulturellen Highlights. Nicht nur die
anspruchsvolle Auswahl an nationalen wie internationalen Acts,
interessanten Stummfilmen sowie Theaterstücken trug ihren Teil zum
Gelingen dieser Veranstaltung bei, auch die Kulisse war einmalig.
Die Steinberggasse bildete dabei, wie immer, das Herz des Festivals und dort
bin ich auch gewesen, um mir drei Bands anzuschauen, die eher mit
ruhigeren Klängen zu überzeugen wussten. Schwer-Metaller horcht
ruhig mal her!
Leech
Die sechs Herren der Aargauer Band „Leech“ wirken recht bescheiden für
das was sie zu bieten haben, dabei schauen sie auf eine interessante
zwölfjährige Bandgeschichte zurück. Vier Veröffentlichungen gab es
bisher. Das aktuelle Album «If We Get There One Day, Would You
Please Open The Gates?» erblickte Anfang diesen Jahres das Licht der
Welt. Ihre experimentelle Instrumentalmusik wurde mir schon mehrmals
empfohlen, da ich diese Art von Musik sehr gerne mag. „Leech“ waren
für mich deshalb der Hauptgrund, diesen Konzertabend zu besuchen und es hat
sich gelohnt. Schwierigkeiten, die instrumentalen Stücke live
vorzutragen ohne langatmig zu wirken, hatten die Schweizer nicht.
Auch, dass nicht gross Bewegung auf der Bühne stattgefunden hatte,
störte keine Sekunde. Die Musiker waren vertieft und
hochkonzentriert und zauberten wundervolle Klangteppiche über die
Altstadt von Winterthur. Fazit: Musikalisch hochwertig!
Get Well Soon
Der klassisch ausgebildete Konstantin Gropper ist hier das
wichtigste Mitglied dieser Musikproduktion. Das Multitalent schreibt
die Songs und ist der kreative Kopf von „Get Well Soon“. Ebenfalls
auf Empfehlung hin, bin ich vor ein paar Jahren ins Mascotte nach Zürich
gegangen, um „Get Well Soon“ das erste Mal live zu erleben. Mit dem
2010 erschienen Album «Vexations» konnte ich wenig anfangen, für
meinen Geschmack hatte es zu wenig Biss und Langeweile machte sich
schnell breit. Live ist das jedoch eine andere Welt. Auch hier in
Winterthur hatte ich Freude an dieser Band. Konstantin Gropper hat
etwas von Tom Waits oder Leonard Cohen, etwas Trauriges,
Schwermütiges, als würde er eine tragische Vergangenheit nach aussen kehren
und darüber singen müssen, das Publikum ist sein Therapeut. Untermalt
mit Streichern und weiblichem Gesang, passte das Konzept ideal in das
Abendprogramm der Musikfestwochen.
Sigur Rós
Auf diesen Auftritt war ich unglaublich gespannt, da ich immer
wieder gehört oder gelesen hatte, wie aussergewöhnlich die Live
Performance der Isländer sei. Ähnlich wie Kollegin Björk, verzauberte
das Quartett mit abstrakten und aufwühlenden Songstrukturen das
Publikum. Jon Por Birgisson, der Sänger von Sigur Rós, der seit
seiner Geburt auf einem Auge blind ist, bearbeitete seine
Gitarre liebevoll mit einem
Geigenbogen. Das Bühnenlicht hielt man bedeckt und dunkel. Mit
hypnotisierenden Klangkollagen setzten sie den ausverkauften Platz an
der Steinberggasse in Trance. Auch wenn das Plätschern des Regens nur
zu gut zum Gesamtbild passte, störte er mich sehr und vermasselte
mir die gute Laune enorm. Den Auftritt habe ich darum nicht bis zum
Ende anschauen wollen. Auch die besonderen Anweisungen des
Managements waren mühsam. Im Fotograben bekam man einen festen Platz
zugewiesen, und den durfte man nicht verlassen. Dafür sorgte ein
bulliger Security. Auch das überdachte VIP-Podest, von dem man schön
über den kompletten Platz schauen konnte und so das Geschehen auf der
Bühne perfekt mitverfolgen durfte, war plötzlich für die Presse
gesperrt. Interessant fand ich die Band trotzdem und beim nächsten
Konzert – schön wäre das Volkshaus in Zürich – bin ich gerne
nochmals dabei.
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