Seit ich den Ami-Vierer letztes Jahr auf dem Wacken Open Air
erleben durfte, hat mich ihre Mucke in seinen Bann gezogen. Die zwei
Ladys am Bass und an der Gitarre sowie die zwei Herren hinter dem
Mikro und den Drums wissen, wie man ordentlichen Southern Rock mit
Country-Einflüssen fabriziert. Auf der Bühne bieten sie genau das,
was das Volk will: schweisstreibende Beats, erdige Rockriffs,
Highway-Flair und dazu was fürs (wahrscheinlich eher männliche)
Auge, that’s Rock’n’Roll!
Supersuckers
Ein beschaulicher Sonntag in der Eidgenossenschaft wurde mit der
Bekanntgabe, dass AC/DC ihr Konzert absagen, verdunkelt. Aber alle,
die sich trotzdem die volle Rockdröhnung holen wollten, brauchten
nur über den Röstigraben ins schöne Städtchen Bulle zu pilgern, denn
dort schmissen die beiden Amicombos Supersuckers und Nashville Pussy
eine echte Highway-Rockparty. Die kleine Location namens Ebullition
ist der ideale Ort für so einen Event: klein, dunkel und abgefuckt,
aber trotzdem mit viel Charme. Aufgrund des beschränkten Raums
wirkte es
sehr schnell überfüllt. Als dann die Supersuckers in
Shirts und Jeans sowie mit Cowboy-Hüten und Sonnenbrillen bewaffnet
die Bühne bestiegen, ging schon ein Freudenschrei durch die Menge.
Sie selbst bezeichnen sich ganz ohne Grössenwahn als ‚the best
Rock’n’Roll-Band in the world’. Das ist vielleicht ein kleines
Bisschen hochgegriffen, aber ich muss zugeben, sie haben es schon
drauf: Mit viel Freude am Handwerk und guten Country-beeinflussten
Songs rockten sie das Haus. Am Anfang gab es ein, zwei Probleme mit
dem Gitarrenmonitor, der nicht wirklich in Arbeitslaune war, aber
die wurden schnellstens behoben und dann ging es erst richtig los:
Straighte Rocknummern mit Punkeinschlag wurden von ruhigeren
Countryrockern abgelöst. Vom musikalischen Feeling her fühlte man
sich in einen Tarantino-Film versetzt: Wenn man nach einer endlosen
Highway-Fahrt an die einzige Raststätte weit und breit fährt,
erwartet man genau diesen Sound in der Kneipe zu hören. Das
Ebullition fing langsam aber sicher auch zu kochen an, und gegen
Ende des Sets kamen auch die etwas rockigeren und schnelleren
Nummern, welche die Anwesenden zu den ersten Mosh- und Pogo-Pits
bewegten. Glücklich und verschwitzt überliessen die Vier Jungs
danach die Zuschauer den Nashville Pussys.
Nashville Pussy
Nach der Umbaupause, die man sich mit Bier Holen oder Merchandise
Shoppen verkürzen konnte, war ein ähnliches Bild auf der Stage wie
bei der ersten Band. Alte Amps, zerbeult und zerkratzt, und eine
Bühne ohne Dekor oder Backdrop. Halt einfach Rock’n’Roll. Dann
stapften Karen Cuda, die mit ihrem Bass bewaffnet war, Jeremy
Thompson, der sich gleich hinter der Schiessbude platzierte, und das
Ehepaar an den Klampfen, Blaine Cartwright und Ruyter Suys auf die
Bühne. Es mussten noch ein paar Einstellungen an den alten Marshalls
getätigt werden, dann war es an der Zeit für Sex, Bier und
Rock’n’Roll, also Pussy-Time! Das Gedränge im Zuschauerraum wurde
noch grösser, und die Temperatur stieg schon ohne Musik auf ein
beachtliches Niveau an. Fotos hinzukriegen war schon fast unmöglich,
da es vom ersten Akkord an mit amtlichem Gepoge losging. Die Pussys
starteten auch gleich voll durch und legten mit den straighteren
Songs ihrer Karriere los. Sie boten viele ältere Songs, aber immer
auch was vom neuen Silberling „From Hell To Texas“. Riff um Riff
schepperte aus den Marshalls. Was leider unterging, war Blaines
Gesang: Die Gitarren waren so im Vordergrund, dass er mit seiner von
Whiskey geschwängerten Stimme nicht immer mithalten konnte. Zum Pogo
kamen sogar noch Stagediver hinzu, im unteren Raum war Chaos und
Anarchie angesagt. Also retteten ich und meine Begleitung uns ins
obere Stockwerk, sprich den Balkon, von dort aus konnte man das
Konzert ruhiger und gut beobachten und besser geniessen. Die
Nashville Pussys trafen in dieser passenden Location perfekt den
Nerv der Zuschauer in einer dreckigen Lokation mit ebensolchen
Riffs. Whisky, Bier und Rock’n’Roll, das ist authentische,
musikalische Unterhaltung für das gemeine Rockerherz. Pussy-Rock as
it’s best. Ruyter ist einfach eine richtige Rampensau. Sie rockte
das Haus eigentlich im Alleingang, sie ist die weibliche Angus
Young-Version: Sie rutschte während ihrer Soli auf den Knien über
die Bretter oder enterte die Monitore und spielte von dort ihre mit
Leidenschaft dargebotenen Riffs. Mister Cartwright hatte auch
deutlich Spass am Konzert. Er machte Spässe und vermochte dadurch,
die Leute für die Band zu begeistern. Karen am Bass war auch eine
Augenweide: Sexy und eng bekleidet rockte sie ihren Bass und zeigte,
dass auch in ihr eine echte Rockerbraut steckt. Die Band lebt
eigentlich von den beiden Ladies und ihren optischen Vorzügen. Klar,
Blaine hat auch das gewisse Etwas an Ausstrahlung, ich denke, das
kommt daher, dass er einfach authentisch rüberkommt. Man nimmt ihm
den Southern-Rocker einfach ab. Live haben die Songs einfach mehr
Punkattitude zu bieten als auf Tonträger, und von daher kam der
Sound schon recht hart und wild daher, während die Temperatur
langsam in bedrohliche Höhen stieg. Von der Qualität des Sounds her
war es nicht unbedingt das absolut Beste. Die Gitarren waren einfach
so dominierend, dass sie den Gesang zeitweise gänzlich wegputzten.
Auch hatte Leadgitarristin Ruyter gegen Ende des Sets Probleme mit
ihrem Marshall-Amp. Aber der Roadie war gleich zur Stelle und wusste
das Problem mit ein paar Handgriffen zu lösen. Danach ging es flott
weiter, und die Band wie auch die Fans holten nochmals die letzten
Kraftreserven raus und liessen den Saal kochen. Es war ein guter
Rock’n’Roll-Abend, obschon ich sagen muss: Von der Soundqualität her
gibt es schon Besseres.
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