Man kann es glauben oder nicht, aber das
letzte reguläre Studio-Album "Boogaloo" stammt aus dem Jahre 1998
und seit einem Jahr später haben die schottischen Kult-Rocker keinen
Deal mehr! Dazu muss man nochmals die tragische Geschichte des
unerwarteten Todes (mitten während der US-Tournee!) von Ur-Drummer
Darrell Sweet in Erinnerung rufen, der die Band verständlicherweise
empfindlich traf, aber trotzdem nicht auseinander brechen liess. Den
vakanten Posten hat nun Lee Agnew, seines Zeichens ältester Filius
von Bass-Ikone Pete Agnew, mit Würde und Respekt angetreten. Nach
dem Ausscheiden von Keyboarder Ronnie Leahy kehrten Nazareth zurück
zu ihren härteren Wurzeln und tourten seither jedes Mal durch die
Lande, und das mengenmässig relativ üppig. Das freut natürlich die
Fans immer wieder auf's Neue, auch wenn man dann halt "nur" alte Songs
zu hören bekommt. Nach einer über 30-jährigen Karriere ist das
mitunter gar nicht so einfach, jeweils die "richtigen" Songs
auszuwählen. Aber eigentlich spielt es gar keine so grosse Rolle,
welche der zahlreichen Klassiker gespielt werden, Hauptsache die
Band ist da und spielt einen Teil davon. Wer nun denkt, dass dies
doch bloss noch ein lauwarmer Aufguss der glorreichen Zeiten sei,
wurde speziell auf dieser Tour regelrecht bestraft, wenn er durch
Abwesenheit glänzte!
Chickenhouse
Bevor die Altmeister die Bühne betraten, durften (wie schon im
Dezember 2004 hier in Pratteln und im März 2005 in Luzern) wieder
die Emmenthaler Power Blues Rocker Chickenhouse das Vorprogramm
bestreiten. Ich werte dies mal als Geste unter Freunden, was an
diesem Abend bei einem sehr gut besuchten Z7 mit Sicherheit eine
besondere Freude darstellte. Da meine Wenigkeit zu Beginn der
Performance des Hühnerhauses gerade das Interview mit den beiden
Naz-Veteranen Pete und Dan beendet hatte, war mehr als die Hälfte
des Auftrittes schon vorbei, nachdem mein Equipment zuerst wieder im
Auto verstaut werden musste. Nach der Rückkehr in die Halle konnte
auf jeden Fall eine tolle Stimmung ausgemacht werden, die der Band
sichtlich Auftrieb gab und mit leidenschaftlicher Musik beantwortet
wurde. Dass dabei der Härtegrad eher moderat ausfiel (live jedoch eh
besser als auf Tonträger rüber kam!), konnte dem Konzert (das
ausnahmslos aus Tracks des Album's "She's a lady" bestand)
allerdings nichts von dem nehmen, was es tun sollte, nämlich das
Publikum auf den Headliner einzustimmen. Gut möglich, dass Nazareth
beim nächsten Auftritt an gleicher Stelle (oder wo auch immer) jeder
auf die soliden Berner setzen wird, die auch bei leiseren und
melodischeren Tönen absolut sattelfest agierten. Die Party war somit
optimal angerichtet und nun stand der Hauptgang in den Startlöchern.
Set-Liste: "She's a lady", "Way down below", "Bluesman ", "Cry no
more", "Miracle man ", "Ask no questions ", "Hold on to love", "Lonely
boy", "Three in a bed" & "L.O.V.E.".
Nazareth
Bevor auf die Einzelheiten eingegangen wird, gleich der Superlativ
im Voraus, wenn es darum geht, diesen Auftritt auf den Punkt zu
bringen: Mega-Hammer!!! Tja Leute..., wer der Meinung ist, dass die
zwei verbliebenen "alten Säcke" mit den beiden Youngsters nur noch
Hausfrauen mit den Must-Balladen "Dream on" und "Love hurts" aus der
Reserve locken können, wurde schon beim heutigen Opener "The misery"
und dem Endlos-Classic "Razamanaz" gehörig in den Senkel gestellt.
Ich traute meinen Ohren nicht, was da aus der PA schallte: Ein
messerscharf und druckvoll gemixter Sound, der dem Publikum laut und
manchmal gar fast proggig knarzend entgegen wehte. Darin eingebettet
die unverwechselbare Reibeisen-Stimme von Dan McCafferty, die seinen
entschuldigenden Worten nach durch eine Erkältung etwas angeschlagen
gewesen sein soll. Himmel hilf..., erkältet? Ich hatte Dan
eigentlich noch nie besser gehört und mit
zunehmender
Dauer des Konzertes klappte mir die Kinnlade immer weiter nach
unten. Es war einfach ein audiovisuelles Schauspiel der
Sonderklasse, das Nazareth da vom Stapel liessen. Mit "Waiting"
schlich sich erfreulicherweise auch ein Track von "Boogaloo" in die
Set-Liste, die sonst natürlich nur so vor Klassiker strotzte.
Überhaupt setzte sich die ganze Band sehr tight in Szene, angefangen
bei Pete's pumpenden Bass-Läufen, die von Sohn Lee mit noch mehr
Dampf versehen wurden und durch Jimmy Murrison's geile Riffs wie
Soli, die diesmal etwas ausgedehnter ausfielen, damit Dan seine
Stimme mindestens etwas schonen konnte. Aber nochmals..., was der in
Ehren ergraute Sänger heute Abend ablieferte, war schlicht einsame
Weltklasse und liess derweil manchen jungen Frontkasper mit
Möchtegern-Allüren steinalt aussehen. Was die getroffene Auswahl der
Songs angeht, so kann diese nie allen Ansprüchen gerecht werden, da
der Backkatalog nach über dreissig Jahren im Geschäft einfach zu
üppig ist. Was meine Wenigkeit angeht, so fehlen mir stets die Songs
meines Naz-Lieblingsalbums "No mean city". Also so Kracher der
Währung "Just to get into it" oder "What's in it for me". Aber auch
so war jeder gebotene Song ohne Zweifel ein Volltreffer. Das sahen
die begeisterten Fans genau so und verblüfften die Band mit beinahe
frenetischem Jubel, was im Z7 in der letzten Zeit eher Mangelware
geworden ist. Überhaupt sah man einmal mehr, was Qualität gegenüber
Quantität bewirken kann. Mitten unter der Woche tauchen mehrere
Hundertschaften zu einer Band auf, die nicht mal was Neues (ausser
einem nachgereichten DVD-Live-Release) anzubieten hat. Das war auch
nicht unbedingt nötig und spätestens nach der Gänsehaut
verströmenden Zugabe "This flight tonight" wusste jeder, dass bei
Nazareth die Luft noch lange nicht draussen ist. Wie heisst es doch:
"Je älter der Wein, desto besser!" - Und da Mr. McCafferty im Herbst
auch zum Club der 60-Jährigen gehört und die Menschheit nicht
unsterblich ist, sollte man sich die nächsten paar Konzerte als Fan
unbedingt noch ansehen, denn es könnten auf einmal die letzten
gewesen sein!
Set-Liste: "Miss Misery", "Razamanaz", "Kentucky fried Blues", "This
months Messiah", "Dream on", "Holiday", "Waiting", "My white bicycle",
"Hearts grown cold", "Telegram", "Shanghai'd in Shanghai", "Cocaine",
"Whisky drinking woman", "Hair of the dog", "Love hurts", "Night
woman" & "This flight tonight".
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