Livereview: Nazareth - Chickenhouse
29. März 2006, Pratteln Z7
By Rockslave
Man kann es glauben oder nicht, aber das letzte reguläre Studio-Album "Boogaloo" stammt aus dem Jahre 1998 und seit einem Jahr später haben die schottischen Kult-Rocker keinen Deal mehr! Dazu muss man nochmals die tragische Geschichte des unerwarteten Todes (mitten während der US-Tournee!) von Ur-Drummer Darrell Sweet in Erinnerung rufen, der die Band verständlicherweise empfindlich traf, aber trotzdem nicht auseinander brechen liess. Den vakanten Posten hat nun Lee Agnew, seines Zeichens ältester Filius von Bass-Ikone Pete Agnew, mit Würde und Respekt angetreten. Nach dem Ausscheiden von Keyboarder Ronnie Leahy kehrten Nazareth zurück zu ihren härteren Wurzeln und tourten seither jedes Mal durch die Lande, und das mengenmässig relativ üppig. Das freut natürlich die Fans immer wieder auf's Neue, auch wenn man dann halt "nur" alte Songs zu hören bekommt. Nach einer über 30-jährigen Karriere ist das mitunter gar nicht so einfach, jeweils die "richtigen" Songs auszuwählen. Aber eigentlich spielt es gar keine so grosse Rolle, welche der zahlreichen Klassiker gespielt werden, Hauptsache die Band ist da und spielt einen Teil davon. Wer nun denkt, dass dies doch bloss noch ein lauwarmer Aufguss der glorreichen Zeiten sei, wurde speziell auf dieser Tour regelrecht bestraft, wenn er durch Abwesenheit glänzte!

Chickenhouse
Bevor die Altmeister die Bühne betraten, durften (wie schon im Dezember 2004 hier in Pratteln und im März 2005 in Luzern) wieder die Emmenthaler Power Blues Rocker Chickenhouse das Vorprogramm bestreiten. Ich werte dies mal als Geste unter Freunden, was an diesem Abend bei einem sehr gut besuchten Z7 mit Sicherheit eine besondere Freude darstellte. Da meine Wenigkeit zu Beginn der Performance des Hühnerhauses gerade das Interview mit den beiden Naz-Veteranen Pete und Dan beendet hatte, war mehr als die Hälfte des Auftrittes schon vorbei, nachdem mein Equipment zuerst wieder im Auto verstaut werden musste. Nach der Rückkehr in die Halle konnte auf jeden Fall eine tolle Stimmung ausgemacht werden, die der Band sichtlich Auftrieb gab und mit leidenschaftlicher Musik beantwortet wurde. Dass dabei der Härtegrad eher moderat ausfiel (live jedoch eh besser als auf Tonträger rüber kam!), konnte dem Konzert (das ausnahmslos aus Tracks des Album's "She's a lady" bestand) allerdings nichts von dem nehmen, was es tun sollte, nämlich das Publikum auf den Headliner einzustimmen. Gut möglich, dass Nazareth beim nächsten Auftritt an gleicher Stelle (oder wo auch immer) jeder auf die soliden Berner setzen wird, die auch bei leiseren und melodischeren Tönen absolut sattelfest agierten. Die Party war somit optimal angerichtet und nun stand der Hauptgang in den Startlöchern.

Set-Liste: "She's a lady", "Way down below", "Bluesman ", "Cry no more", "Miracle man ", "Ask no questions ", "Hold on to love", "Lonely boy", "Three in a bed" & "L.O.V.E.".

Nazareth
Bevor auf die Einzelheiten eingegangen wird, gleich der Superlativ im Voraus, wenn es darum geht, diesen Auftritt auf den Punkt zu bringen: Mega-Hammer!!! Tja Leute..., wer der Meinung ist, dass die zwei verbliebenen "alten Säcke" mit den beiden Youngsters nur noch Hausfrauen mit den Must-Balladen "Dream on" und "Love hurts" aus der Reserve locken können, wurde schon beim heutigen Opener "The misery" und dem Endlos-Classic "Razamanaz" gehörig in den Senkel gestellt. Ich traute meinen Ohren nicht, was da aus der PA schallte: Ein messerscharf und druckvoll gemixter Sound, der dem Publikum laut und manchmal gar fast proggig knarzend entgegen wehte. Darin eingebettet die unverwechselbare Reibeisen-Stimme von Dan McCafferty, die seinen entschuldigenden Worten nach durch eine Erkältung etwas angeschlagen gewesen sein soll. Himmel hilf..., erkältet? Ich hatte Dan eigentlich noch nie besser gehört und mit zunehmender Dauer des Konzertes klappte mir die Kinnlade immer weiter nach unten. Es war einfach ein audiovisuelles Schauspiel der Sonderklasse, das Nazareth da vom Stapel liessen. Mit "Waiting" schlich sich erfreulicherweise auch ein Track von "Boogaloo" in die Set-Liste, die sonst natürlich nur so vor Klassiker strotzte. Überhaupt setzte sich die ganze Band sehr tight in Szene, angefangen bei Pete's pumpenden Bass-Läufen, die von Sohn Lee mit noch mehr Dampf versehen wurden und durch Jimmy Murrison's geile Riffs wie Soli, die diesmal etwas ausgedehnter ausfielen, damit Dan seine Stimme mindestens etwas schonen konnte. Aber nochmals..., was der in Ehren ergraute Sänger heute Abend ablieferte, war schlicht einsame Weltklasse und liess derweil manchen jungen Frontkasper mit Möchtegern-Allüren steinalt aussehen. Was die getroffene Auswahl der Songs angeht, so kann diese nie allen Ansprüchen gerecht werden, da der Backkatalog nach über dreissig Jahren im Geschäft einfach zu üppig ist. Was meine Wenigkeit angeht, so fehlen mir stets die Songs meines Naz-Lieblingsalbums "No mean city". Also so Kracher der Währung "Just to get into it" oder "What's in it for me". Aber auch so war jeder gebotene Song ohne Zweifel ein Volltreffer. Das sahen die begeisterten Fans genau so und verblüfften die Band mit beinahe frenetischem Jubel, was im Z7 in der letzten Zeit eher Mangelware geworden ist. Überhaupt sah man einmal mehr, was Qualität gegenüber Quantität bewirken kann. Mitten unter der Woche tauchen mehrere Hundertschaften zu einer Band auf, die nicht mal was Neues (ausser einem nachgereichten DVD-Live-Release) anzubieten hat. Das war auch nicht unbedingt nötig und spätestens nach der Gänsehaut verströmenden Zugabe "This flight tonight" wusste jeder, dass bei Nazareth die Luft noch lange nicht draussen ist. Wie heisst es doch: "Je älter der Wein, desto besser!" - Und da Mr. McCafferty im Herbst auch zum Club der 60-Jährigen gehört und die Menschheit nicht unsterblich ist, sollte man sich die nächsten paar Konzerte als Fan unbedingt noch ansehen, denn es könnten auf einmal die letzten gewesen sein!

Set-Liste: "Miss Misery", "Razamanaz", "Kentucky fried Blues", "This months Messiah", "Dream on", "Holiday", "Waiting", "My white bicycle", "Hearts grown cold", "Telegram", "Shanghai'd in Shanghai", "Cocaine", "Whisky drinking woman", "Hair of the dog", "Love hurts", "Night woman" & "This flight tonight".