Kofmehl die Zweite! Immer noch die letzten Töne von Uriah Heep
geistig ausklingen hören, fand ich mich abermals in Solothurn am
Bühnenrand ein, um mir eine weitere Dinosaurier-Band der harten
Rockmusik anzuschauen und anzuhören. Wer um den eher schlechten
Gesund-heitszustand von Sänger Dan McCafferty weiss, tut
grundsätzlich eh gut daran, nochmals ein Konzert von Nazareth zu
besuchen, solange die charakteristische Reibeisenstimme noch auf
eine Bühne steigen kann. Gleiches gilt für seinen Sidekick und
Ur-Bassist Pete Agnew, der heute Abend mehrheitlich ein gequältes
Lächeln in seinem Gesicht aufzog. Nichtdestotrotz kamen
augenscheinlich einige Leute ins "Köffu", wenn auch nicht ganz so
viele wie zwei Tage zuvor bei Mick Box & Co. Mit dabei war auch ein
guter Kollege von mir, der sich besser mit der ganzen Geschichte von
"Naz" auskennt, als jeder andere. Aus Erfahrung wusste ich, dass
sein Urteil über jeweilige Auftritte nicht zwingend mit meiner
Wahrnehmung übereinstimmen muss. Das fiel heute Abend auch für die
heimische Hardcore Blues Band nicht anders aus.
Hardcore Blues Band
Im Gegensatz zum Publikum zwei Tage zuvor, kamen die heutigen
Besucher des Kofmehls (unter denen es sicher auch einige hatte, die
beide Headliner sehen wollten!) in den Genuss einer Support-Band.
1999 gegründet, wurde im Januar 2000 der erste Gig absolviert und
seither hat man sich buchstäblich den Arsch abgespielt. Das braucht
es aber zwingend, wenn man den Blues mit der nötigen Seele und
Ernsthaftigkeit ausstatten will. Normalerweise besteht die Hardcore
Blues Band aus fünf Mitgliedern, doch heute Abend war der zweite
Gitarrist "el mariachi Fribi", wie er auf der Homepage geführt wird,
nicht mit von der Partie. Das wusste ich vor Ort aber nicht, weil
ich die Truppe ja zum allerersten Mal sah. Im Mittelpunkt stand der
hünenhafte Frontmann und Gitarrist Phipu "bluedög" Gerber, der mich
entfernt etwas an Popa Chubby und Billy Gibbons (ZZ Top) erinnerte.
Die Rhythm-Section mit Schlagzeuger Ronny "the animal" und Bassist
JC Wirth wirkte derweil eher unauffällig, was man von der blonden
Keyboarderin Brige G. Geiser nicht behaupten konnte. Sie passte
optisch nicht wirklich ins Bild und kam insgesamt viel zu brav
rüber. Master Gerber liess es dann aber schon bald ordentlich
krachen und brauchte nicht lange, bis er die Fans erreichen und zum
Mitmachen animieren konnte. Die Songs groovten gut und bestachen
durch abwechslungsreiches Spiel, das bluesspezifisch nach den
entsprechenden,
ausufernden
Soli verlangte, die dann auch kamen. Im Wissen darum, dass da
eigentlich noch ein zusätzlicher Rhythmus-Gitarrist hätte sein
müssen, erklärte den Umstand, dass das Ganze zeitweise etwas dünn
klang, respektive noch mehr Druck hätte erzeugen können. Persönlich
fand ich zudem schade, dass das eingesetzte Tasteninstrument nur
begleitenden Charakter hatte und oft im restlichen Sound komplett
unter ging. Der eine oder andere Solo-Part hätte seine Wirkung
bestimmt nicht verfehlt. Unter dem Strich, sprich nach gut
schweiss-treibenden 45 Minuten, lieferte die Hardcore Blues Band
jedoch eine absolut saubere Vorstellung ab, die sehr gut ankam und
locker auch doppelt so lange für beste Unterhaltung besorgt gewesen
wäre. Das zwar auf der Setliste stehende Metallica Cover «Seek And
Destroy» (!!) gelangte dann allerdings, ja leider muss man dazu
sagen, nicht zur Aufführung. Das hätte mich nämlich noch echt Wunder
genommen, wie man diesen alten Metal Kult-Brecher im Bluesgewand
interpretiert hätte!
Setliste: «Bad Dog» - «Wonder Who» - «Tripple XXX» - «Like A Bird» -
«Go To Go» - «Burning Down» - «Seek And Destroy (cancelled),» - «The
Blues Song».
Nazareth
Entgegen der Erwartung und/oder Meinung vieler Fans der schottischen
Rock-Legende erschien letztes Jahr mit «Big Dogz» tatsächlich ein
brandneues Studio-Album, das mehrheitlich auf ein positives Echo
stiess. Leider war der letztjährige Tour-Gig in Pratteln eine herbe
Enttäuschung, da Gitarrist Jimmy Murrison aufgrund der Einnahme von
was weiss ich für bewusstseinstrübenden Substanzen nicht mehr ganz
Herr seiner Sinne, respektive seiner kognitiven Fähigkeiten war. Das
trübte den Anlass merklich und liess die mit immerhin drei neuen
Stücken ausgestattete Setliste trotz vergleichsweiser Über-länge von
110 Minuten mit empfindlicher Schlagseite zurück. Mit diesem
Erlebnis im Hinterkopf waren mein Kollege Chrigu und ich natürlich
gespannt, was uns heute Abend erwarten würde. Ein Blick auf die vor
mir liegende (Standard?) Tour-Setliste offenbarte auf jeden Fall,
dass mit «Radio» leider nur noch ein neuer Song übrig geblieben ist.
Das dämpfte meine Vorfreude bereits ein wenig, da ich mit «Jesus
Comes To Save The World Again» einen neuen Lieblingssong habe, der
nun mit Sicherheit nicht gespielt wurde. Nach dem seit Jahren
gleichen wie bekannten Intro stiegen Nazareth mit «Silver Dollar
Forger» (ab «Rampant», 1974) recht flott in den Set ein. Es folgten
«Telegram» (was mir gut gefiel) und das ziemlich selten gehörte «This
Month's Messiah» (ab «The Catch», 1984) mit etwas poppigem Touch,
live aber noch 'ne
Ecke
geiler. Obwohl es ohne den kleinen Inhalator auf der Bühne ja schon
längst nicht mehr geht, fand ich Dan's Gesangsleistung mehr als
zufriedenstellend, zeitweise sogar richtig gut. Der hippiehaft
wirkende Jimmy schien physisch und geistig zum Glück auch soweit auf
der Höhe zu sein und den Rest besorgte die tighte Agnew-Family mit
dem ständig frische Impulse liefernden Sohnemann Lee, während Dad
Pete seinen Bass im unverkennbaren Sound herrlich knarzend rumpeln
liess.
Das Kofmehl antizipierte wohlwollend und erfreute so Herrn Cafferty
zusätzlich, der dann und wann mit dem Publikum etwas rum alberte.
Der angezettelte Sing-a-long bei «My White Bicycle» wurde kräftig
erwidert, während das melodiöse «Radio» der, wie erwähnt, einzig
neue Song von «Big Dogz» war. Danach wurde es langsam Zeit, um die
grossen Klassiker wie «This Flight Tonight» und natürlich auch «Hair
Of The Dog» auszupacken. Auch wenn Dan's Stimme dabei deutlich nicht
mehr an die alten Glanztaten anknüpfen konnte, so durfte man einfach
dankbar dafür sein, diese Kultmusik heuer, also im Jahre 2012, immer
noch anhören und geniessen zu können. Es ist nun schon unglaubliche
dreizehn Jahre her, seit der unvergessliche Darrell Sweet (R.I.P.)
mitten auf der «Boogaloo» Frühlings-Tour '99 plötzlich an einem
Herzinfarkt starb. Dass die verbleibenden Members weiter gemacht
haben, hatte primär monetäre Gründe, aber es gebührt ihnen auch der
Respekt, dass sie sich damals nicht definitiv aufgelöst haben.
Dieser Umstand liess den optisch ordentlich gefüllten Saal letztlich
noch vier Zugaben erleben, wovon das unverwüstliche «Razamanaz» und
die "Must-Ballade" «Love Hurts» die Highlights
zum Schluss markierten. Was den Sound anging, so war der ganz vorne
echt ok, dürfte da aber mehr von den Stage-Amps denn der PA her
gerührt haben. Nach 90 Minuten war die Luft dann spürbar draussen,
aber meine Wenigkeit zeigte sich mehr als zufrieden, während mein
alleweil kritisch zuhörender Kollege (einmal mehr!) den ganzen Abend
lang nicht viel Gutes ausmachen konnte. Aber ich, um ehrlich zu
sein, hatte kaum was anderes erwartet. Ein paar Tage später, genauer
am 07.05.12, spielten Naz ja zusammen mit Heep am gleichen Abend im
Hotel Spirgarten in Zürich (während MSG übrigens gleichzeitig im
Plaza lärmten!) und packten dort noch drei andere Songs aus,
darunter den Opener der aktuellen Scheibe. Der langen Worte kurzer
Sinn: Es hat auf jeden Fall Spass gemacht in Solothurn und es bleibt
schwer zu hoffen, dass dies nicht einer der letzten Besuche dieser
Legende in der Schweiz war.
Setliste: «Intro» - «Silver Dollar Forger» - «Telegram» - «This
Month's Messiah» - «Dream On» - «Turn On Your Receiver» - «My White
Bicycle» - «Radio» - «This Flight Tonight» - «Whiskey Drinkin' Woman»
- «Changin' Times» - «Hair Of The Dog» -- «Night Woman» - «Razamanaz»
- «Love Hurts» - «Broken Down Angel».
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