Livereview: Nazareth - Hardcore Blues Band
01. Mai 2012, Solothurn - Kofmehl
By Rockslave
Kofmehl die Zweite! Immer noch die letzten Töne von Uriah Heep geistig ausklingen hören, fand ich mich abermals in Solothurn am Bühnenrand ein, um mir eine weitere Dinosaurier-Band der harten Rockmusik anzuschauen und anzuhören. Wer um den eher schlechten Gesund-heitszustand von Sänger Dan McCafferty weiss, tut grundsätzlich eh gut daran, nochmals ein Konzert von Nazareth zu besuchen, solange die charakteristische Reibeisenstimme noch auf eine Bühne steigen kann. Gleiches gilt für seinen Sidekick und Ur-Bassist Pete Agnew, der heute Abend mehrheitlich ein gequältes Lächeln in seinem Gesicht aufzog. Nichtdestotrotz kamen augenscheinlich einige Leute ins "Köffu", wenn auch nicht ganz so viele wie zwei Tage zuvor bei Mick Box & Co. Mit dabei war auch ein guter Kollege von mir, der sich besser mit der ganzen Geschichte von "Naz" auskennt, als jeder andere. Aus Erfahrung wusste ich, dass sein Urteil über jeweilige Auftritte nicht zwingend mit meiner Wahrnehmung übereinstimmen muss. Das fiel heute Abend auch für die heimische Hardcore Blues Band nicht anders aus.

Hardcore Blues Band

Im Gegensatz zum Publikum zwei Tage zuvor, kamen die heutigen Besucher des Kofmehls (unter denen es sicher auch einige hatte, die beide Headliner sehen wollten!) in den Genuss einer Support-Band. 1999 gegründet, wurde im Januar 2000 der erste Gig absolviert und seither hat man sich buchstäblich den Arsch abgespielt. Das braucht es aber zwingend, wenn man den Blues mit der nötigen Seele und Ernsthaftigkeit ausstatten will. Normalerweise besteht die Hardcore Blues Band aus fünf Mitgliedern, doch heute Abend war der zweite Gitarrist "el mariachi Fribi", wie er auf der Homepage geführt wird, nicht mit von der Partie. Das wusste ich vor Ort aber nicht, weil ich die Truppe ja zum allerersten Mal sah. Im Mittelpunkt stand der hünenhafte Frontmann und Gitarrist Phipu "bluedög" Gerber, der mich entfernt etwas an Popa Chubby und Billy Gibbons (ZZ Top) erinnerte. Die Rhythm-Section mit Schlagzeuger Ronny "the animal" und Bassist JC Wirth wirkte derweil eher unauffällig, was man von der blonden Keyboarderin Brige G. Geiser nicht behaupten konnte. Sie passte optisch nicht wirklich ins Bild und kam insgesamt viel zu brav rüber. Master Gerber liess es dann aber schon bald ordentlich krachen und brauchte nicht lange, bis er die Fans erreichen und zum Mitmachen animieren konnte. Die Songs groovten gut und bestachen durch abwechslungsreiches Spiel, das bluesspezifisch nach den entsprechenden, ausufernden Soli verlangte, die dann auch kamen. Im Wissen darum, dass da eigentlich noch ein zusätzlicher Rhythmus-Gitarrist hätte sein müssen, erklärte den Umstand, dass das Ganze zeitweise etwas dünn klang, respektive noch mehr Druck hätte erzeugen können. Persönlich fand ich zudem schade, dass das eingesetzte Tasteninstrument nur begleitenden Charakter hatte und oft im restlichen Sound komplett unter ging. Der eine oder andere Solo-Part hätte seine Wirkung bestimmt nicht verfehlt. Unter dem Strich, sprich nach gut schweiss-treibenden 45 Minuten, lieferte die Hardcore Blues Band jedoch eine absolut saubere Vorstellung ab, die sehr gut ankam und locker auch doppelt so lange für beste Unterhaltung besorgt gewesen wäre. Das zwar auf der Setliste stehende Metallica Cover «Seek And Destroy» (!!) gelangte dann allerdings, ja leider muss man dazu sagen, nicht zur Aufführung. Das hätte mich nämlich noch echt Wunder genommen, wie man diesen alten Metal Kult-Brecher im Bluesgewand interpretiert hätte!

Setliste: «Bad Dog» - «Wonder Who» - «Tripple XXX» - «Like A Bird» - «Go To Go» - «Burning Down» - «Seek And Destroy (cancelled),» - «The Blues Song».


Nazareth
Entgegen der Erwartung und/oder Meinung vieler Fans der schottischen Rock-Legende erschien letztes Jahr mit «Big Dogz» tatsächlich ein brandneues Studio-Album, das mehrheitlich auf ein positives Echo stiess. Leider war der letztjährige Tour-Gig in Pratteln eine herbe Enttäuschung, da Gitarrist Jimmy Murrison aufgrund der Einnahme von was weiss ich für bewusstseinstrübenden Substanzen nicht mehr ganz Herr seiner Sinne, respektive seiner kognitiven Fähigkeiten war. Das trübte den Anlass merklich und liess die mit immerhin drei neuen Stücken ausgestattete Setliste trotz vergleichsweiser Über-länge von 110 Minuten mit empfindlicher Schlagseite zurück. Mit diesem Erlebnis im Hinterkopf waren mein Kollege Chrigu und ich natürlich gespannt, was uns heute Abend erwarten würde. Ein Blick auf die vor mir liegende (Standard?) Tour-Setliste offenbarte auf jeden Fall, dass mit «Radio» leider nur noch ein neuer Song übrig geblieben ist. Das dämpfte meine Vorfreude bereits ein wenig, da ich mit «Jesus Comes To Save The World Again» einen neuen Lieblingssong habe, der nun mit Sicherheit nicht gespielt wurde. Nach dem seit Jahren gleichen wie bekannten Intro stiegen Nazareth mit «Silver Dollar Forger» (ab «Rampant», 1974) recht flott in den Set ein. Es folgten «Telegram» (was mir gut gefiel) und das ziemlich selten gehörte «This Month's Messiah» (ab «The Catch», 1984) mit etwas poppigem Touch, live aber noch 'ne Ecke geiler. Obwohl es ohne den kleinen Inhalator auf der Bühne ja schon längst nicht mehr geht, fand ich Dan's Gesangsleistung mehr als zufriedenstellend, zeitweise sogar richtig gut. Der hippiehaft wirkende Jimmy schien physisch und geistig zum Glück auch soweit auf der Höhe zu sein und den Rest besorgte die tighte Agnew-Family mit dem ständig frische Impulse liefernden Sohnemann Lee, während Dad Pete seinen Bass im unverkennbaren Sound herrlich knarzend rumpeln liess.

Das Kofmehl antizipierte wohlwollend und erfreute so Herrn Cafferty zusätzlich, der dann und wann mit dem Publikum etwas rum alberte. Der angezettelte Sing-a-long bei «My White Bicycle» wurde kräftig erwidert, während das melodiöse «Radio» der, wie erwähnt, einzig neue Song von «Big Dogz» war. Danach wurde es langsam Zeit, um die grossen Klassiker wie «This Flight Tonight» und natürlich auch «Hair Of The Dog» auszupacken. Auch wenn Dan's Stimme dabei deutlich nicht mehr an die alten Glanztaten anknüpfen konnte, so durfte man einfach dankbar dafür sein, diese Kultmusik heuer, also im Jahre 2012, immer noch anhören und geniessen zu können. Es ist nun schon unglaubliche dreizehn Jahre her, seit der unvergessliche Darrell Sweet (R.I.P.) mitten auf der «Boogaloo» Frühlings-Tour '99 plötzlich an einem Herzinfarkt starb. Dass die verbleibenden Members weiter gemacht haben, hatte primär monetäre Gründe, aber es gebührt ihnen auch der Respekt, dass sie sich damals nicht definitiv aufgelöst haben. Dieser Umstand liess den optisch ordentlich gefüllten Saal letztlich noch vier Zugaben erleben, wovon das unverwüstliche «Razamanaz» und die "Must-Ballade" «Love Hurts» die Highlights zum Schluss markierten. Was den Sound anging, so war der ganz vorne echt ok, dürfte da aber mehr von den Stage-Amps denn der PA her gerührt haben. Nach 90 Minuten war die Luft dann spürbar draussen, aber meine Wenigkeit zeigte sich mehr als zufrieden, während mein alleweil kritisch zuhörender Kollege (einmal mehr!) den ganzen Abend lang nicht viel Gutes ausmachen konnte. Aber ich, um ehrlich zu sein, hatte kaum was anderes erwartet. Ein paar Tage später, genauer am 07.05.12, spielten Naz ja zusammen mit Heep am gleichen Abend im Hotel Spirgarten in Zürich (während MSG übrigens gleichzeitig im Plaza lärmten!) und packten dort noch drei andere Songs aus, darunter den Opener der aktuellen Scheibe. Der langen Worte kurzer Sinn: Es hat auf jeden Fall Spass gemacht in Solothurn und es bleibt schwer zu hoffen, dass dies nicht einer der letzten Besuche dieser Legende in der Schweiz war.

Setliste: «Intro» - «Silver Dollar Forger» - «Telegram» - «This Month's Messiah» - «Dream On» - «Turn On Your Receiver» - «My White Bicycle» - «Radio» - «This Flight Tonight» - «Whiskey Drinkin' Woman» - «Changin' Times» - «Hair Of The Dog» -- «Night Woman» - «Razamanaz» - «Love Hurts» - «Broken Down Angel».