Diese Woche stand ganz im Zeichen fulminanter Frauenpower.
Gleich drei Bands waren am Donnerstagabend im Fokus des Geschehens
und zeigten ihr Können in drei unterschiedlichen Subgenres. Melodic
Death meets Heavy Metal meets Thrash Metal. Was für eine grandiose
Kombination, denn so war mit Sicherheit für alle im Publikum etwas
dabei. Wer also Offenheit an den Tag legte, wurde diesmal reichlich
belohnt. Als um 19 Uhr die erste Show begann, war die Schüür noch
relativ gut zu überblicken, was sich allerdings im Verlauf des
Abends noch ändern sollte. Die Stimmung war aber bereits zu Beginn
schon sehr gut, denn die Opener von Irony Of Fate haben ihre eigene
Anhängerschaft mitgebracht, die ordentlich für Radau sorgten.
Irony Of Fate
Die Newcomer aus dem Emmental haben erst kürzlich ihren ersten
Longplayer „Pray For Freedom...Prepare For Extinction“ der
Öffentlichkeit vorgestellt und waren heiss darauf, auch live ihre
martialische Seite zu zeigen. Teils mit Blut bemalt, sah es auf der
Bühne aus wie in einem Operationssaal. Besonders die Sängerin Cveti
Stojmenova hatte den Touch einer durchgeknallten
Zombie-Krankenschwester, was ihr aber gut zu Gesicht stand. Der
Sound des Quintetts, der am ehesten in der Melodic Death-Ecke
anzusiedeln ist, passte dazu wie die Faust aufs Auge. Irony Of Fate
sind zumindest in ihrer Region kein völlig unbeschriebenes Blatt
mehr. Seit 2014 treiben sie in der Umgebung Burgdorf ihr Unwesen,
jedoch seit 2016 mit ziemlich ernsten Absichten. Technisch
ausgefeilt mit donnernden Riffs bombardierten sie das Publikum, das
sich äusserst angetan von dem zeigte, was ihnen geboten wurde.
Besonders Gitarrist Lars Gygax hat mir mit seinem ausgeklügelten und
versierten Handling für sein Instrument persönlich sehr imponiert,
und es war eine Freude ihm zu lauschen. Frontfrau Cveti röhrte und
growlte was ihre Stimmbänder hergaben, und bei fast jeder Gelegenheit
liess sie ihre langen Haare fliegen. Sichtlich von ihrem Gig
angetan, waren die Mitglieder auch für Spässchen auf der Bühne zu
haben und Beinahe-Missgeschicke, wie als der zweite Axtschwinger
Raffael Kühni im Mikrokabel hängenblieb, wurden professionell mit
viel Humor weggelächelt. Zum Ende des Konzerts hin waren es schon
doppelt so viele Ohren die lauschten, denn der Laden fing sich
langsam mit „Witches“ Anhängern zu füllen.
Setliste: «Intro»
«Resurrection» «Oceans Of Doom» «Sleeping Death» «When Worlds
Collide» «Unleashed Your Chains» «Six Feet Deep» «Epitaph»
«Destruction»
Burning Witches
Besonders gespannt war ich auf den Lady-Fünfer von Burning Witches.
Die Schweizer Formation mit interkulturellen Einflüssen war für mich
Neuland, aber ihr positiver Ruf ist ihnen vorausgeeilt und hat es
schliesslich bis zu mir geschafft. Hexengemurmel und blaues Licht
zierten die Szenerie, während die Ladies selbst die Bühne betraten.
Die „Metaldämonen“ wurden vom ersten Akkord an frei gelassen und der
Funke sprang sofort auf die Fans über. Fäuste und „Hörner“ ragten in
die Höhe und einige in der ersten Reihe filmten wie die Irren,
vermutlich um sich das ganze Konzert auf dem heimischen Bildschirm
nochmals reinzuziehen. Jedenfalls gaben die „Hexen“ deftig Gas und
überzeugten von Anfang an. Seraina Telli betörte mit einer
Metal-Röhre, von der sich manch andere eine Scheibe abschneiden
könnten. Ob clean, scream oder growl, Telli verfügt über alle
nötigen Facetten, die für so eine Leistung von Nöten sind. Auch die
Gitarrenfraktion um Ramona Kalkuhl (einst Gründerin des
Hexenzirkels) und Sonia Nusselder zeigten eine reife Leistung an
ihren Werkzeugen. Satte Riffs, geile Soli und diverse Showeinlagen
hatten knackigen Unterhaltungs-wert. Die Spielfreude der „Witches“
infizierte den ganzen Raum und Kenner der Texte sangen bereits beim
ersten Refrain lauthals mit. Diese Stimmung zog sich durchs ganze
Set, und stellenweise war ich mir plötzlich nicht mehr ganz sicher,
ob ich nicht den unbekannten Schwestern von Judas Priest begegnet
bin an diesem Abend. Kracher für Kracher wurde abgeliefert und dann
war es soweit. Die Band hatte mich im Griff! „Save Me“! Was für eine
Hymne, die Gänsehaut von den Zehenspitzen bis zu den Haarwurzeln
verursacht. Deftig, heftig! Die Menge schien vom Sound ebenso
begeistert zu sein und tanzte sich schwindlig oder brüllte
Liederwünsche zwischen den Songs in Richtung Bühne. Auffällig waren
auch die vielen Kameras, die hauptsächlich von männlichen Fans,
verdächtig lange Bildmaterial aufzeichneten. Dass die „Hexen“
nicht
wirklich wie Hexen in Märchengeschichten aussehen, sondern auf ihre
Art und Weise zu verzaubern wissen, scheint ebenfalls ein Stück
ihres Erfolgsgeheimnisses zu sein. Nach „Burning Witches“, ihrem
letzten Song des Abends, war mir jedenfalls klar, weshalb sie erst
vor kurzem bei Nuclear Blast untergekommen sind, denn ihr Potenzial
ist enorm hoch, vielseitig und man freut sich stets auf mehr!
Dennoch war ich nach dieser hochkarätigen Heavy Metal-Performance
gespannt, was Fernanda Lira und ihre weiblichen Mitstreiterinnen
noch aufs Parkett legen werden.
Setliste: «Metal Demons» «We
Eat Your Children» «Creator Of Hell» «Bloody Rose» «Save Me» «Black
Widow» «Holy Diver» «Open Your Mind» «Burning Witches»
Nervosa
Im Vorfeld des Auftritts wurde gemunkelt, dass die Sängerin
gesundheitlich angeschlagen sei, und auch der etwas langatmige
Soundcheck kurz vor Beginn liess eine gewisse Verunsicherung
aufkommen. Diese stellte sich jedoch als völlig unbegründet heraus,
als das Trio ihr Set eröffnete. Knüppelhart und kompromisslos wurde
der Raum mit wütenden Thrash-Salven bombardiert, sodass auch die
hintersten Besucher wussten, dass jetzt die Post abgeht. Gnadenlos
drosch Luana Dametto auf ihre Küche ein, die im Vergleich zu den
Burning Witches recht geschrumpft war. Brauchte aber auch nicht
mehr, denn der Sound von Nervosa beschränkt sich auf das
Wesentliche. Geschwindigkeit und Wut! Das ist die Mischung, die bei
den Fans ankommt. Besonders die Jüngeren erwachten jetzt erst recht
und drehten sich immer wieder im Moshpit bis fast zur
Besinnungslosigkeit. Fernanda kreischte, krächzte und wirkte wie
der Leibhaftige persönlich, wenn sie dazu ihre Augen noch wild
verdrehte. Zwischen den Songs jedoch, schenkte sie der Menge ihr
schönstes Lächeln, und wenn sie sprach, kam das liebreizendste Wesen
in ihr zum Vorschein. Nervosas Auftritt war schnörkellos und hatte
keine grossen Showeffekte zu verzeichnen, er lebte schlicht von der
Performance der drei Ladies. Zeitweilig reichte dies kaum mehr aus
um wirklich dranzubleiben, denn das Wort „Abwechslung“ hat das Trio
bereits seit Gründung aus ihrem Repertoire gestrichen. Schnurgerade
und mit der Wucht einer Dampfwalze fegten die Brasilianerinnen
während einer knappen Stunde über Luzern hinweg und machten alles dem
Erdboden gleich, was sich ihnen in den Weg stellte. In der zweiten
Konzerthälfte fanden sich dann doch noch ein paar Songs wieder,
die
durch eine gelungene Bridge erweitert wurden und das Interesse am
Geschehen hochhielten. Wie nach einem Wirbelsturm endete schliesslich
auch ihr Gig. Das Rauschen in den Ohren ist verflogen und es kehrte
schlagartig Ruhe ein. Etwas unrealistisch wirkte das Saallicht, in
dem sich das Gespann noch kurz vor dem Publikum verbeugte. Kaum den
Bass weggestellt, wurden die langen Haare brav zusammen-gebunden und
in der Muttersprache erste Anweisungen gegeben, die die
Abräumarbeiten betrafen. Die Show war definitiv vorbei!
Setliste: «Horrordome» «… And Justice For Whom» «Death» «Bleeding»
«Enslave» «Hostages» «Masked» «Never Forget Never Repeat» «Vultures»
«Raise Your Fist» «Arrogance» «Kill The Silence» «Fear, Violence And
Massacre» «Intolerance Means War» «Into Moshpit»
Zusammenfassend muss ich ganz klar sagen, dass jede Band des Abends
der Knaller war. Man konnte sie für einmal nicht vergleichen, da sie
alle aus einer anderen Metalecke kommen, und das war gut so.
Leidenschaft und Herzblut war bei allen spürbar, und das war
vermutlich das, was diesen Abend so erfolgreich gemacht hat. Die
Abräumer des Anlasses schienen aber ohne Übertreibung die Burning
Witches gewesen zu sein, denn ihr Merchstand, an dem sie nach dem
Nevosa-Gig persönlich anwesend waren, wurde von Fans,
Autogrammjägern und Fotosammlern richtiggehend überrollt. Mich haben
sie jedenfalls auch überzeugt und einen weiteren Fan dazugewonnen.
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