Livereview: Nervosa - Burning Witches - Irony Of Fate

30. August 2018, Luzern - Schüür
Text & Pics by Oliver H.
Diese Woche stand ganz im Zeichen fulminanter Frauenpower. Gleich drei Bands waren am Donnerstagabend im Fokus des Geschehens und zeigten ihr Können in drei unterschiedlichen Subgenres. Melodic Death meets Heavy Metal meets Thrash Metal. Was für eine grandiose Kombination, denn so war mit Sicherheit für alle im Publikum etwas dabei. Wer also Offenheit an den Tag legte, wurde diesmal reichlich belohnt. Als um 19 Uhr die erste Show begann, war die Schüür noch relativ gut zu überblicken, was sich allerdings im Verlauf des Abends noch ändern sollte. Die Stimmung war aber bereits zu Beginn schon sehr gut, denn die Opener von Irony Of Fate haben ihre eigene Anhängerschaft mitgebracht, die ordentlich für Radau sorgten.

Irony Of Fate

Die Newcomer aus dem Emmental haben erst kürzlich ihren ersten Longplayer „Pray For Freedom...Prepare For Extinction“ der Öffentlichkeit vorgestellt und waren heiss darauf, auch live ihre martialische Seite zu zeigen. Teils mit Blut bemalt, sah es auf der Bühne aus wie in einem Operationssaal. Besonders die Sängerin Cveti Stojmenova hatte den Touch einer durchgeknallten Zombie-Krankenschwester, was ihr aber gut zu Gesicht stand. Der Sound des Quintetts, der am ehesten in der Melodic Death-Ecke anzusiedeln ist, passte dazu wie die Faust aufs Auge. Irony Of Fate sind zumindest in ihrer Region kein völlig unbeschriebenes Blatt mehr. Seit 2014 treiben sie in der Umgebung Burgdorf ihr Unwesen, jedoch seit 2016 mit ziemlich ernsten Absichten. Technisch ausgefeilt mit donnernden Riffs bombardierten sie das Publikum, das sich äusserst angetan von dem zeigte, was ihnen geboten wurde. Besonders Gitarrist Lars Gygax hat mir mit seinem ausgeklügelten und versierten Handling für sein Instrument persönlich sehr imponiert, und es war eine Freude ihm zu lauschen. Frontfrau Cveti röhrte und growlte was ihre Stimmbänder hergaben, und bei fast jeder Gelegenheit liess sie ihre langen Haare fliegen. Sichtlich von ihrem Gig angetan, waren die Mitglieder auch für Spässchen auf der Bühne zu haben und Beinahe-Missgeschicke, wie als der zweite Axtschwinger Raffael Kühni im Mikrokabel hängenblieb, wurden professionell mit viel Humor weggelächelt. Zum Ende des Konzerts hin waren es schon doppelt so viele Ohren die lauschten, denn der Laden fing sich langsam mit „Witches“ Anhängern zu füllen.

Setliste: «Intro» «Resurrection» «Oceans Of Doom» «Sleeping Death» «When Worlds Collide» «Unleashed Your Chains» «Six Feet Deep» «Epitaph» «Destruction»


Burning Witches
Besonders gespannt war ich auf den Lady-Fünfer von Burning Witches. Die Schweizer Formation mit interkulturellen Einflüssen war für mich Neuland, aber ihr positiver Ruf ist ihnen vorausgeeilt und hat es schliesslich bis zu mir geschafft. Hexengemurmel und blaues Licht zierten die Szenerie, während die Ladies selbst die Bühne betraten. Die „Metaldämonen“ wurden vom ersten Akkord an frei gelassen und der Funke sprang sofort auf die Fans über. Fäuste und „Hörner“ ragten in die Höhe und einige in der ersten Reihe filmten wie die Irren, vermutlich um sich das ganze Konzert auf dem heimischen Bildschirm nochmals reinzuziehen. Jedenfalls gaben die „Hexen“ deftig Gas und überzeugten von Anfang an. Seraina Telli betörte mit einer Metal-Röhre, von der sich manch andere eine Scheibe abschneiden könnten. Ob clean, scream oder growl, Telli verfügt über alle nötigen Facetten, die für so eine Leistung von Nöten sind. Auch die Gitarrenfraktion um Ramona Kalkuhl (einst Gründerin des Hexenzirkels) und Sonia Nusselder zeigten eine reife Leistung an ihren Werkzeugen. Satte Riffs, geile Soli und diverse Showeinlagen hatten knackigen Unterhaltungs-wert. Die Spielfreude der „Witches“ infizierte den ganzen Raum und Kenner der Texte sangen bereits beim ersten Refrain lauthals mit. Diese Stimmung zog sich durchs ganze Set, und stellenweise war ich mir plötzlich nicht mehr ganz sicher, ob ich nicht den unbekannten Schwestern von Judas Priest begegnet bin an diesem Abend. Kracher für Kracher wurde abgeliefert und dann war es soweit. Die Band hatte mich im Griff! „Save Me“! Was für eine Hymne, die Gänsehaut von den Zehenspitzen bis zu den Haarwurzeln verursacht. Deftig, heftig! Die Menge schien vom Sound ebenso begeistert zu sein und tanzte sich schwindlig oder brüllte Liederwünsche zwischen den Songs in Richtung Bühne. Auffällig waren auch die vielen Kameras, die hauptsächlich von männlichen Fans, verdächtig lange Bildmaterial aufzeichneten. Dass die „Hexen“ nicht wirklich wie Hexen in Märchengeschichten aussehen, sondern auf ihre Art und Weise zu verzaubern wissen, scheint ebenfalls ein Stück ihres Erfolgsgeheimnisses zu sein. Nach „Burning Witches“, ihrem letzten Song des Abends, war mir jedenfalls klar, weshalb sie erst vor kurzem bei Nuclear Blast untergekommen sind, denn ihr Potenzial ist enorm hoch, vielseitig und man freut sich stets auf mehr! Dennoch war ich nach dieser hochkarätigen Heavy Metal-Performance gespannt, was Fernanda Lira und ihre weiblichen Mitstreiterinnen noch aufs Parkett legen werden.

Setliste: «Metal Demons» «We Eat Your Children» «Creator Of Hell» «Bloody Rose» «Save Me» «Black Widow» «Holy Diver» «Open Your Mind» «Burning Witches»



Nervosa

Im Vorfeld des Auftritts wurde gemunkelt, dass die Sängerin gesundheitlich angeschlagen sei, und auch der etwas langatmige Soundcheck kurz vor Beginn liess eine gewisse Verunsicherung aufkommen. Diese stellte sich jedoch als völlig unbegründet heraus, als das Trio ihr Set eröffnete. Knüppelhart und kompromisslos wurde der Raum mit wütenden Thrash-Salven bombardiert, sodass auch die hintersten Besucher wussten, dass jetzt die Post abgeht. Gnadenlos drosch Luana Dametto auf ihre Küche ein, die im Vergleich zu den Burning Witches recht geschrumpft war. Brauchte aber auch nicht mehr, denn der Sound von Nervosa beschränkt sich auf das Wesentliche. Geschwindigkeit und Wut! Das ist die Mischung, die bei den Fans ankommt. Besonders die Jüngeren erwachten jetzt erst recht und drehten sich immer wieder im Moshpit bis fast zur Besinnungslosigkeit. Fernanda kreischte, krächzte und wirkte wie der Leibhaftige persönlich, wenn sie dazu ihre Augen noch wild verdrehte. Zwischen den Songs jedoch, schenkte sie der Menge ihr schönstes Lächeln, und wenn sie sprach, kam das liebreizendste Wesen in ihr zum Vorschein. Nervosas Auftritt war schnörkellos und hatte keine grossen Showeffekte zu verzeichnen, er lebte schlicht von der Performance der drei Ladies. Zeitweilig reichte dies kaum mehr aus um wirklich dranzubleiben, denn das Wort „Abwechslung“ hat das Trio bereits seit Gründung aus ihrem Repertoire gestrichen. Schnurgerade und mit der Wucht einer Dampfwalze fegten die Brasilianerinnen während einer knappen Stunde über Luzern hinweg und machten alles dem Erdboden gleich, was sich ihnen in den Weg stellte. In der zweiten Konzerthälfte fanden sich dann doch noch ein paar Songs wieder, die durch eine gelungene Bridge erweitert wurden und das Interesse am Geschehen hochhielten. Wie nach einem Wirbelsturm endete schliesslich auch ihr Gig. Das Rauschen in den Ohren ist verflogen und es kehrte schlagartig Ruhe ein. Etwas unrealistisch wirkte das Saallicht, in dem sich das Gespann noch kurz vor dem Publikum verbeugte. Kaum den Bass weggestellt, wurden die langen Haare brav zusammen-gebunden und in der Muttersprache erste Anweisungen gegeben, die die Abräumarbeiten betrafen. Die Show war definitiv vorbei!

Setliste: «Horrordome» «… And Justice For Whom» «Death» «Bleeding» «Enslave» «Hostages» «Masked» «Never Forget Never Repeat» «Vultures» «Raise Your Fist» «Arrogance» «Kill The Silence» «Fear, Violence And Massacre» «Intolerance Means War» «Into Moshpit»

Zusammenfassend muss ich ganz klar sagen, dass jede Band des Abends der Knaller war. Man konnte sie für einmal nicht vergleichen, da sie alle aus einer anderen Metalecke kommen, und das war gut so. Leidenschaft und Herzblut war bei allen spürbar, und das war vermutlich das, was diesen Abend so erfolgreich gemacht hat. Die Abräumer des Anlasses schienen aber ohne Übertreibung die Burning Witches gewesen zu sein, denn ihr Merchstand, an dem sie nach dem Nevosa-Gig persönlich anwesend waren, wurde von Fans, Autogrammjägern und Fotosammlern richtiggehend überrollt. Mich haben sie jedenfalls auch überzeugt und einen weiteren Fan dazugewonnen.