Legendär hätte die Nacht werden sollen - Etwas anderes wollte man
von den Gründern und Wegbereitern des Post-Metal auch gar nicht
erwarten. Zu einer Zeit als andere Formationen gerade mal dem
Einfluss des Powerchords entwuchsen, drosselten Neurosis ungeniert
das Tempo, beschwörten die Lärmgötter, und keiften sich die Seele
aus dem Leib - Nur um kurz darauf urplötzlich die Gitarrenwände zum
Schweigen zu bringen, und das Leiden auf ein paar gedrosselte Akorde
und etwas Singsang zu reduzieren.
Die Musik, die überraschend lange einzig in Neurosis Händen
gedeihen wollte, entwickelte sich Jahre später in eine eigene
Subkultur - Formationen wie Russian Circles, The Ocean, A Storm Of
Light, (Oder national Unhold, Zatokrev und Co.) haben es aufgrund
des offenen Grundsatzes des Post-Metal auf einen eigenen Ast
geschafft, und können dafür beinahe rund um den Globus Anerkennung
einfahren. Und obwohl dies allein ein Grund zum feiern wäre, bestand
genau darin die Achillessehne des Abends… Doch mehr dazu später.
Mit Karma To Burn stieg ein mehr als würdiger Opener auf die Bühne,
der sich allerdings einen ganz anderen Nenner mit Neurosis teilte:
Die Band schleuderte dem Publikum dermassen wunderbar Wüstenstaub
ins Gesicht, dass diesem die sich langsam aber unaufhaltsam
füllenden Lungen herzlichst egal waren - Wer rocken will, muss Dreck
fressen. Das Trio sackte den bereits amtlich gefüllten Dachstock
gleich zu Beginn ein, ihre Songs waren für solche Situationen wie
geschaffen: Stop&Go-Konstrukte mit der richtigen Menge an Schmackes,
Rifflastigkeit, und einer Portion drumtechnischem Wahnsinn (Was
hätte man von einem Schlagwerker mit Robinson Crusoe-Look auch
anderes erwarten können?). Die Band hatte bereits bei den ersten
Reunion-Shows die Zweifler zum Schweigen gebracht, hier muss klar
das schweisstreibende Set im Bad Bonn anno 2010 zitiert werden -
Folglich war der Gig im Dachstock dann auch eher Kür- als
Pflichtprogramm. Während sich das Publikum in Trance nickte,
groovten sich K2B eins ab, als ob's keinen Morgen geben würde. Der
anhaltende Applaus am Ende des 40-minütigen Sets sprach dann auch
Bände. Gerne jederzeit wieder, gepriesen sei die Wüste!
Doch nun zurück zur Hauptattraktion des Abends: Mit zehn Minuten
Verspätung stiegen Neurosis unter den Klangbastlereien von 'Locust
Star' vom 1996er Album 'Through Silver In Blood' auf die Bühne –
Während hinter der Band auf einer breiten Projektionsoberfläche aus
Leintüchern die Visuals vor sich hin waberten, zelebrierte allen
voran Chefkoch Scott Kelly (Vox/Gitarre) die Ruhe selbst – Die ihn
flankierenden Steve von Till (Vox/Gitarre), Dave Edwardson (Bass/Vox)
und Keyboarder Noah Landis bearbeiteten ihre Instrumente schon
weniger zimperlich (Landis stellte beinahe das Gegenstück zu Mr.
Kelly dar, er bearbeitete die Tasten und Synthpads je nach Laune und
Songstimmung auch mal mit den Fäusten…). Spätestens nach dem
gelungen Einstieg und den darauf folgenden 'Given To The Rising',
'End Of The Harvest' und 'A Season In The Sky' machte sich aber
Ernüchterung breit – Was zu Beginn des Sets noch eine überragende
Erhabenheit verstrahlte, entpuppte sich keine dreissig Minuten
später als zu früh verschossenes Feuerwerk: Neurosis hatten aufgrund
der minutenlangen Interludes zwischen den Songs Mühe, den Rythmus zu
finden und die Show auf's Neue in die Gänge zu bringen. Klar
zelebriert diese Sorte Musik ein gewisses repetitives Muster schon
fast als alles überschattendes Dogma, aber eine so starke Bindung an
die Grundwerte entgegen einer Optimierung ist man sonst eher von
konservativeren Bands gewohnt…
Es lag dabei dann klar auch nicht am Ansatz der Quintetts, denn
Neurosis gaben sich involviert und mächtig wie eh und je - Schicht
um Schicht wurde aufgetragen, Gitarren über Synthies gehäuft,
Riffwalzen fanden sich Rücken an Rücken mit pulsierenden Drums
wieder… Im Gegenteil, hier hätte man klar die volle Punktzahl
verteilen können. Aber vergleicht man die eingangs erwähnten
Formationen mit Neurosis, so lässt sich schnell einmal die Krux
ausfindig machen: Während Russian Circles, The Ocean, A Storm Of
Light und Konsorten aus den Vorlagen ihren ganz eigenen Stil
schufen, hielten sich Neurosis immer am von ihnen selbst etablierten
Niveau fest - Und das betrifft den Sound, genauso wie die Visuals.
Kombiniert mit ihren eher seltenen Live-Shows ergibt sich eine
Legenden-Dynamik, die aufgrund der inzwischen neu erschlossenen
Gebieten nicht haltbare Hoffnungen an die Urväter dieses Stils
richtet. Insofern lag das Problem dann auch nicht direkt bei diesem
einen Gig, sondern bei Neurosis selber: Für eigene Werte einstehen
ist richtig. Sich mit geschlossenen Augen daran festzuhalten
allerdings nur bedingt. Kombiniert mit dem im Bassbereich etwas
schwächelnden Soundgewand blieb die Show ein merkwürdiges Erlebnis -
Einmal schön abdrückend, aber gleichzeitig latent lethargisch.
Seltsam, und einem grossen Headliner nicht zwingend würdig.
Setlist: Locust Star, Given to the Rising, End of the Harvest, A
Season in the Sky, At the Well, Water Is Not Enough, Belief, At the
End of the Road, Killing Elk, Through Silver in Blood
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