Dieses
Tour-Package versprach einiges, zumal Mercenary schon im vergangenen Mai als Support von
Brainstorm einen guten Eindruck hinterliessen. Die Affiche für Dew Scented präsentierte
sich ebenso spannend, denn den Schreiber dieser Zeilen, der die "deutschen
Slayer" bisher noch nie gesehen hatte, nahm es natürlich Wunder, wie sich das Ganze
präsentieren würde. Über Nevermore hingegen braucht man eigentlich nicht mehr viel zu
berichten. Wenn es denn eine Truppe gibt, die nebst Iced Earth zu Zeiten des unvergessenen
Matt Barlow Pure Fuckin' Metal verkörpert, dann sind das Warrel Dane & Co. - Der
wegen dem Unwetter viel zu kurze Auftritt in Balingen am BYH!!!-Festival hinterliess
eigentlich einen gewaltigen Nachholbedarf, den aber leider nicht ganz so viele Fans
verspürten, obwohl die Resonanz des anwesenden Publikums schlicht genial war. Das kam
erfreulicherweise bereits dem Opener zu Gute, denn Dew Scented entfachten sogleich einen
veritablen Flächenbrand!
Mercenary
Bevor es soweit war, durften zuerst die dänischen Melo-Deather ran, die in ihrem üppig
bestückten Genre mit bisher guten Alben aufwarten konnten. "11 dreams", der
letzte Wurf, kam bei uns zwar schon im Sommer 2004 raus, aber auch so lässt es sich
natürlich auf Tour gehen. Heute Abend zeigten Mercenary einmal mehr, dass sie es drauf
haben. Allerdings fehlte manchmal etwas die Durchschlagskraft, doch die
ganze Band bemühte sich redlich, allen voran Sänger Mikkel und Basser Kral, die zusammen
für kräftige wie düstere Vocals zuständig waren. Sie liessen sich auch nicht aus dem
Tritt bringen, als eine der Gitarren gleich zu Beginn ausstieg und man nach einer kurzen
Kunstpause mit "Firesoul" erst mal weiter spielte, bis der Schaden behoben war.
Trotz diesem ansich ärgerlichen Missgeschick wirkten alle Musiker recht bodenständig und
man kommunizierte locker mit den Fans, die mit verdientem Applaus antworteten. Der Fokus
der ausgewählten Track lag nebst "Seize the night" von "Everblack"
beim neuen Material mit weiteren Songs wie "World hate center" oder dem
abschliessenden "11 dreams". Davor gab es unter Mitwirkung der beiden Nevermore
Gitarristen Jeff Loomis und Steve Smyth ein echtes Überraschungs-Schmankerl, da man
gemeinsam den Nevermore Song "Inside four walls" runter zockte und die Stimmung
so ihren Höhepunkt erreichte. (Rsl)
Dew Scented
Mit dem neuen Album "Issue VI" im Gepäck stürmten Leif Jensen (mit Pell
T-Shirt!) und seine Mannen als zweiter Act auf die Bühne und gaben nach einem
Schlager-Intro (!) von der ersten Sekunde an Vollgas. Dank zwei Gitarren und megastarkem
Drumming von Aushilfs-Drumtier Reno Killerich (Ex-Dimmu Borgir,
Ex-Panzerchrist, Ex-Mortem) kam der Sound ziemlich fett rüber. Dass es sich dabei stark
nach Araya & Co. anhörte, war zuvor schon bekannt, aber erstaunlicherweise geriet die
Darbietung trotzdem nicht zum reinen Rip-Off. In den ersten vier Reihen vor der Absperrung
war heftigstes Abschädeln angesagt und dank zahlreichen Langhaar-Trägern gab es deshalb
auch optisch ein grandioses Bild ab. Die Band stieg ebenso drauf ein und ging mit geilem
Windmühlen-Banging voll mit. Basser Alexander Pahl bestach derweil mit agilem
Finger-Spiel und machte Saxon's Tiefton-Derwisch Nibbs Carter alle Ehre. Dew Scented
bestritten mit diesem (in Pratteln bisher dritten) Auftritt ihr letztes Gastspiel auf
dieser Tour und waren darum wohl besonders motiviert. Von den Songs her erkannte ich den
Ansagen nach "Turm to ash", "Cities of the dead", "Processing
life", "The prison of reason", das geniale "Rituals of time", da
Midtempo-Walze als Kontrast zum überwiegenden Geballer, "New found pain",
"Destination hell", "Never to return" und "Soul poison".
Eine gute Stunde lang bewiesen die deutschen Thrasher eindrücklich, wie man das
offensichtliche Vorbild mit eigenem Charakter ausfüllen kann. (Rsl)
Nevermore
Jaahaa, und endlich war es dann soweit! Als prickelndes Intro gleich das
"Precognition"-Instrumental von meiner Lieblingsplatte "The politics of
ecstasy" auf die gespannte Meute loszulassen, glich einer nicht ignorierbaren
Offenbarung! Welche alten Knaller sollten wohl zusätzlich in der Setlist auftauchen? Wie
sollte die neue Konstellation mit dem neuen Gitarristen beim Volk ankommen?! Wie zum
Teufel sollte ich während des folgenden Konzertes an ein neues Bier kommen, ohne einen
einzigen Ton zu verpassen?!? Fragen über Fragen, aber zurück zum Geschehen. Ein riesiges
Backdrop mit dem "This godless endeavour"-Cover im Rücken und von einer
genialen Lichtshow unterstützt, nahm als erster Drummer Van Williams seinen Platz hinter
der Schiessbude ein. Danach betraten unter immer stärkerem Applaus und Gejohle die beiden
Gitarristen Jeff Loomis und Steve Smyth sowie Basser Jim Sheppard die Bretter, welche die
Welt bedeuten. Die ersten Töne von "Born" ertönten und die Reihen gingen ab
wie ein Zäpfchen! Meine Güte, das ist doch erst der Opener, wie soll das bloss enden?!
Frontmann Warrel Dane betrat gewohnt souverän das Geschehen und festigte gleich von der
ersten Note an seine verdiente Ausnahmestellung als einer der Top5-Sänger dieses
Planeten. Gut, an seinem Outfit (rotes Hemd und Baseballcap) dürfte er noch ein bisschen
herumschrauben, aber angesichts seiner völlig psychopathisch-coolen Ausstrahlung, der
entrückten Mimik, des entfesselten Bangens und seines zuckenden
in-den-Song-Hineinsteigerns entfällt der kleidertechnische Stilbruch zu einem blossen
Abfallprodukt. Denn wo andere Bands mit aufeinander abgestimmten Outfits die Show
herumreissen müssen, regierte bei Nevermore einzig und allein die musikalische
Supermacht. Denn jeder Einsatz sass perfekt. Gitarrenarbeit, Drums und
Gesang ergänzten sich optimal, jedes Riff, jedes Solo, jedes Fill und jeder verdammte
Break kam in einer beängstigenden Präzision aus der PA gewalzt und veranlasste die
Zuschauer, je nach Charakter, zu hemmungslosem Bangen oder ehrfürchtigem Erstarren. Meine
Fresse, der erste Song war noch nicht einmal fertig und wirklich jedem schien bereits klar
geworden zu sein, dass dieser Abend in die "Hall of Fame" aller erlebten
Konzerte eingehen würde! Ohne grosse Verschnaufpause wurden danach noch "My acid
words" und das heftige "Bittersweet feast" in die gierige Meute gepumpt,
die es ausnahmslos dankend annahm und auch sonst für jeden Scheiss des gut aufgelegten
Sängers zu haben sein schien. Zum hammerharten und wütend dargebotenen Doppelschlag
"Narcosynthesis"/"The river dragon has come" demontierte sich dann der
grösste Teil der Halle kollektiv den Schädel, nur um sich gleich danach während des
schizophrenen "Beyond within" und des hypnotischen "Dreaming neon
black" mit Tränen in den Augen schunkelnd in den Armen zu liegen und aus voller
Kehle mitzusingen, meterdicke Gänsehaut! Gehts noch besser?! Jahaa, es geht!! Das
hammerharte, brachial inszenierte "Seven tongues of God" entriss mir einen
derartigen Jauchzer, dass mir fast das Zwerchfell riss, drückte mich dafür flach an die
Wand und mit dem überlangen "The learning" wurde gleich nochmal ein Scheit von
der zweiten LP ins eh schön weissglühende Feuer geworfen. Das progressive
"Sentinent 6" und der komplett umarrangierte Simon & Furunkel No.1 Hit
"Sound of silence" (das von Warrel als "alter Folk-Song" angekündigt
wurde) liessen die Temperaturen nochmals ansteigen und ein Ende der Raumerwärmung war
nicht abzusehen. Überall nur glückliche, grinsende, begeisterte Gesichter, egal wohin
man auch schaute. So und nicht anders sollte Metal auf das Gemüt wirken, ich war
ergriffen! Die inoffizielle Hymne "The heart collector" wurde von hunderten
Kehlen mitgesungen und bewies, dass eine gute Halbballade weder zuckersüss noch schwu...,
äh schwül gesungen werden muss, um die Massen mitzureissen. Als letzter Song des
regulären Sets wurde "Final product" mit seinem gallopierenden Riffing in die
ausflippenden Reihen geblasen und einmal mehr konnte man diverse Unterkiefer knacken
hören, deren Besitzer gerade versuchten, den Fingern von Gitarrengott Loomis zu folgen.
Eine unglaublich flinke Technik, verbunden mit einzigartiger Virtuosität, vereinte der
Blondschopf zu gebündelten Riffs und Soli, die in ihrer Durchschlagskraft aktuell kaum
jemand toppen kann! "Glücklicherweise" verliessen Nevermore darauf die Bühne,
ansonsten hätte meine arme Pumpe wohl seufzend den Geist aufgegeben. Die anwesenden Fans
sahen das aber gottlob anders und vollführten einen derartigen Radau, dass es sich die
Band der Stunde nicht nehmen liess, postwendend wieder die Bühne zu entern und völlig
überraschend den Titeltrack des neuen Albums auf die perplexe und endgültig
durchstartende Fanherde los zu lassen! Fast neun Minuten puren Wahnsinns erschütterten
das Z7 in den Grundfesten und sollten mit einem Denkmal vor der Halle belohnt werden...,
mir fehl(t)en die Worte! "Is anybody of you smoking pot?" Dem bekannten Duft in
der Luft nach kann ich das bezeugen. "This is not good! You are fleeing from reality,
you're the enemies of reality!!" Der Titeltrack des letzten Albums war ein würdiger
Rausschmeisser für diesen märchenhaften Abend und die letzten Reserven wurden noch
einmal mobilisiert. Applaus ohne Ende, tosender Jubel, die Band bedankte sich und
verschwand endgültig. Beim Verschwinden hörte man überall die gleichen Fragen:
"Was war denn DAS eben?! War das real oder habe ich nur geträumt?! Ich kann's immer
noch nicht glauben! Davon werde ich noch meinen Kindern erzählen!"..., dem habe ich
nichts, aber auch gar nichts hinzu zu fügen! Bemitleidet sei jeder, der nicht dabei war,
denn dieser Gig war Magie, pure Magie... (HdY)
Set-Liste: Intro ("Precognition"), "Born", "Bittersweet
feast", "Narcosynthesis", "The river dragon has come",
"Beyond within", "Dreaming neon black", "Seven tongues of
god", "The learning", "Sentinent 6", "Sound of
silence", "The heart collector", "Final product", "This
godless endeavour", "Enemies of reality".
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