Die erste Tour nach der Ära Turunen war natürlich für beide, also
die Band und ihre neue Sängerin Anette Olzon (Ex-Alyson Avenue) eine
Bewährungsprobe wie Herausforderung zugleich. Nach dem
vieldiskutierten Release des neuen Albums "Dark Passion Play" Ende
September 2007 ging es mit den Meinungen und Spekulationen hoch her.
Es bildeten sich zu Beginn gleich zwei Lager, die einerseits der
geschassten Frontfrau die Treue hielten und andererseits nach vorne
schauten und "die Neue da" voll unterstützten. Die erste Hürde mit
dem Album wurde relativ leicht genommen, denn "Dark Passion Play"
verkaufte sich wie warme Semmeln und kletterte auch in der Schweiz
auf Platz 1 der Charts. Die Livegeschichte war/ist freilich ein
anderes Thema und es war für uns Europäer ein Glücksfall, dass der
erste Teil der Tour unter anderem in den Staaten absolviert wurde,
denn so setzte eine eingespielte Truppe ihre Füsse wieder auf den
heimischen Kontinent. Somit hatten es die Finnen mit ihrer
schwedischen Leadstimme heute Abend in Zürich im erfreulicherweise
ausverkauften Hallenstadion in der Hand, den entsprechenden Eindruck
zu hinterlassen. Zuvor waren noch Pain, die Band um Producer-Ikone
Peter Tägtgren (Hypocrisy)am Start, die ich bis anhin weder auf CD
noch live je gesehen hatte. Die Vermutung, es könnte dabei ziemlich
ruppig zu und her gehen, bestätigte sich nicht!
Pain
Als in der bereits ordentlich gefüllten Halle zum ersten Mal das
Licht ausging, versuchten draussen noch etliche Fans ein Ticket von
der Strasse zu ergattern, was aber offenbar schnell abebbte, denn
nicht Wenige mussten sich enttäuscht und unverrichteter Dinge wieder
vom Acker machen. Glücklicher durften sich also alle anderen
schätzen, die heute Abend mit dabei waren. Eigentlich hätten Pain
einen normalen 45-Minuten Auftritt spielen können, aber bereits im
Fotograben kam mir zu Ohren, dass der geplante Beginn noch zehn
Minuten verschoben wurde. Auf die Bühne gekommen, brandete sogleich
von Anfang an ein ordentlicher Applaus auf und dann legten Tägtgren
& Co. mit ihrem Electro Metal los. Das Ganze erinnerte schon bald
etwas an
Rammstein,
was vor allem am technoid hämmernden Drum-Sound von David Wallin
lag. Unterstützt von gutem Licht (kam natürlich erst, als die
Fotographen, mich eingeschlossen, weggewiesen waren!) entwickelte
sich eine tolle Atmosphäre. Allerdings war der Sound, obwohl recht
fett, nicht sonderlich laut. Der Schutz des Gehörs geht ja völlig in
Ordnung, keine Frage, aber die schweizerische 100 dB Limite geht
halt (wobei das eher 90 als 100 waren...) einfach auf Kosten des
auch Fühlen können, was da vorne abgeht. Nichtsdestotrotz
unterhielten Pain das Zürcher Publikum bestens und spielten neben
Songs von ihrem letzten Album "Psalms Of Extinction" auch 'ne
bekannte Cover-Version, die, glaube ich "Eleanor Rigby" von den
Beatles war. Und kaum war die Stimmung aufgebaut, war die ganze
Sache auch schon wieder vorbei! Gerade mal etwa 35 Minuten standen
Pain auf der Brettern und das war einfach schade, zumal der
Headliner danach auch nur gerade das zeitliche Soll erfüllte!
Nightwish
Ich war mir nicht ganz sicher, aber ich hoffte natürlich, dass das
Hallenstadion ausverkauft sein würde. Es gab im Vorfeld zur Tour
einige Stimmen, die sagten, dass dies, ohne Tarja Turunen, der
Anfang vom Ende sein werde. Ich setzte meine Hoffnungen zum einen
auf das Songwriting von Master Holopainen und dass Nightwish mit
Anette Olzon sehr wohl wussten, wen sie da als Nachfolgerin bestimmt
hatten. Die Frage, die sich einem nachher stellte war, ob Anette mit
dem medialen Druck umzugehen weiss. Nach dem Interview mit ihr Ende
August 2007 war ich sehr erfreut, einer offensichtlich sehr
aufgestellten und total professionell wirkenden Sängerin zu
begegnen. Die ersten Secret-Gigs im Herbst 2007 (Helsinki und
Hamburg) zeigten aber auf, dass noch nicht alles ganz so klappte,
wie es sollte. Die nun seither dazwischen liegenden Monate, in denen
die Band ja ausserhalb von Europa den ersten Teil der Tour bestritt,
müssten eigentlich dazu geführt haben, dass die Maschine optimal
geschmiert und justiert daher kam..., und so war es auch! Etwa um
21.10 Uhr verwandelte sich das Hallenstadion von der ersten Sekunde
an in einen brodelnden Hexenkessel und von da an gab es (fast) kein
Halten mehr. Nach einem überlangen Intro setzte "Bye Bye Beautiful",
untermalt durch massig Pyros, gleich mal den ersten Markstein. Alle
einzeln auftauchenden Bandmitglieder, inklusive Anette, wurden zuvor
frenetisch begrüsst, was die Show erst recht lancierte. "Dark Chest
Of Wonders", ein Song vom Vorgängeralbum "Once", stampfte ebenso
heftig daher und bekam auch ein ordentliches Feuer-Bouquet
spendiert. Deshalb wurde die knipsende Zunft erst zu Song drei und
vier in den Fotograben gelassen. Während dessen richtete Anette ein
paar begrüssende Worte ans begeisterte Publikum und spätestens
jetzt, also zu "Whoever Brings The Night", konnte man feststellen,
dass die auf dem Prüfstein stehende Schwedin absolut top drauf war!
Auch im
weiteren
Verlauf des Konzertes konnte ich persönlich kaum eine Schwäche
ausmachen. Das galt auch für die agil auftretenden Kollegen, die
sich ebenso voll ins Zeug legten. Der mit der mageren Lautstärke
musste an dieser Stelle ebenso wie vorher bemängelt werden. Es
fehlte einfach eine gehörige Portion Druck, um wirklich aus den
Latschen gekippt zu werden. Als quasi optische Kompensation wurde
nebst üppigem Feuer in verschiedenen Variationen eine ziemlich fette
Lightshow geboten, die bestens zum Sound passte. Die Fans goutierten
aber nicht nur das, sondern feuerten ihre Lieblinge fortwährend und
lautstark an. "Amaranth" gefiel mir heute Abend bedeutend besser als
auf den früheren Live-Takes, die sich schon längst im Internet
tummeln. Einer meiner persönlichen Highlights war die Akustik-Nummer
"The Islander", die für massig Gänsehaut sorgte. Danach folgte der
Doppelschlag mit "The Poet And The Pendulum" und dem überragenden
"Sahara", einem der besten Songs von "Dark Passion Play". Weitere
Speeches von Anette und Marco gerieten danach leider zu lang und
rissen die Stimmung spürbar runter, aber "Nemo" vermochte die
Energien wieder locker zu entfachen. Gleich darauf hiess es schon
zum ersten Mal "Good Night"! Natürlich kamen Nightwish nochmals
zurück auf die Bühne und zündeten, abermals begleitet von satten
Feuereffekten, nochmals den Turbo, ehe nach "I Wish I Had An Angel"
mit viel zu knappen 90 Minuten das eigentlich vorzeitige Ende des
Konzertes Tatsache war. Da fehlten echt ein paar der alten Hämmer,
die vielleicht beim nächsten Mal wieder auftauchen. Nett jedoch die
Geste von Anette und Tuomas, die noch während dem Outro in den
Fotograben sprangen und die erste Reihe abklatschten. Fazit: Es war
eine mehr als nur gut unterhaltende Show
mit einer sehr überzeugend singenden Anette Olzon, auch wenn das
einige Ewignörgler nicht so sahen. Einziges Manko oder zumindest ein
spürbarer Unterschied zu früheren Zeiten war das Fehlen einer
gewissen Mysthik, was damals klar der Verdienst von Tarja und ihren
jeweils wechselnden Bühnenklamotten war. Anette zeigte sich in
Zürich locker lässig in Jeans, aber auf der Tour trug sie offenbar
an jedem Ort was anderes wie Lederkluft in Mailand oder ein
Rüschchen-Kleid bei einem der Germany-Gigs. In Ljubljana (Slowenien)
hatte sie ihre Mähne ausserdem zu zwei Zöpfen verarbeitet. Wie dem
auch sei..., Nightwish und im vor allem Anette Olzon haben ihre
Hausaufgaben gemacht und in jeder Stadt, wo sie bisher Halt gemacht
haben, grossen Zuspruch erhalten. Deuten wir das als gutes Omen für
die Zukunft!
Setlist: "Intro" - "Dark Chest Of Wonders" - "Woever Brings The
Night" - "Ever Dream" - "The Siren" - "Amaranth" - "The Islander" -
"The Poet And The Pedulum" - "Sahara" - "Slaying The Dreamer" -
"Nemo" -- "7 Days To The Wolves" - "Wishmaster" - "I Wish I Had An
Angel" - "Outro".
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