Am Tag nach der ultimativen Metal-Schlacht mit Slayer, Lamb
Of God, Anthrax und Obituary, respektive elf Tage nach dem ersten
Konzert in Genf, stand ganz in der Nähe der nächste Grossanlass
bevor! Nightwish gaben sich im Rahmen ihrer "Decades: World Tour"
auch im Hallenstadion die Ehre. Allerdings war das gar nicht so
selbstverständlich, dass ich mich dafür überhaupt aufgerafft habe.
Die Gründe? Erstens finde ich das letzte Studio-Album «Endless
Forms Most Beautiful» eher mau und Floor Jansen ist in der Tat die
dritte Wahl beim FC Holopainen. Bei After Forever war sie weitaus
besser aufgehoben, und was gerade aktuell mit Northward in
Zusammenarbeit mit Gitarrist Jørn Viggo Lofstad von Pagan's Mind
raus gehauen wurde, kommt definitiv besser daher. Doch das ist
natürlich meine eigene und nicht repräsentative Sicht der Dinge, zu
der viele Fans eine dezidiert andere Meinung vertreten. Davon hatte
es an diesem Abend rund 8'000, und das ist ganz ordentlich, wenn
auch weit weg von "sold out". Nichtsdestotrotz lieferten die gut
besetzten Sitzplätze das Bild ab, das sich jede Band für ein Konzert
vor Publikum wünscht. Als Anheizer versuchten Beast In Black ihr
Glück.
Beast
In Black Als Berichterstatter und Konzert-Fotograph hat
man immer die doppelte Optik, sprich einerseits den Fotopit
unmittelbar vor der Bühne und andererseits das, was jeder normale
Besucher auch erleben kann. Der stetige Wunsch nach gutem Licht
wurde zu Beginn nicht ganz oder zumindest nur teilweise erfüllt,
aber dafür poste vor allem die Saitenfront mit voller Hingabe. Da die
Konzentration während den ersten drei Songs in der Regel mehr auf
guten Fotos statt dem dargebotenen Sound liegt, ist es nachher genau
umgekehrt. Was ich dann nach dem Deponieren der Kamera aber zu hören
und sehen kriegte, liess mich ziemlich kalt. Da konnte Frontmann
Yannis Papadopoulos noch so auf der ganzen Breite der Bühne
rumtigern und schreien wie ein Berserker. Immerhin wies «The Fifth
Angel» mit etwas gedrosseltem Tempo typisch powermetallische
Qualitäten auf, die ruhig noch etwas mehr hätten vertreten sein
dürfen. «Born Again» schaffte es danach jedoch mit grauslig nölendem
Sabaton-Geistermusiker Synthie auf dem Fusse, diesen Anflug von
Zustimmung gleich wieder in Luft aufzulösen. Immerhin rettete die
töfte Halbballade «Ghost In The Rain» den Totalabsturz, der erst
noch bevor stand. Zu «Crazy, Mad, Insane» hätte man unseren
Schweizer Eurodance König DJ Bobo nämlich glatt als Guest einladen
können. Was diese krude Kombination allerdings mit Metal zu tun
haben soll, ist mir schleierhaft. Hinten raus hatte ich dann ab
diesem völlig überzeichneten Synthie-Gedöns beim Rausschmeisser «End
Of The World» die Schnauze gestrichen voll und war heilfroh, dass
endlich Ruhe einkehrte. Das einzig Positive was mir blieb, waren die
professionell agierenden Musiker, darunter Ex-Battle Beast Klampfer
Anton Kabanen. Den total drögen und kaum aushaltbaren Ekel-Synthie verwünschte
ich jedoch heftigst ins Pfefferland!
Setliste: «Beast In
Black» - «Eternal Fire» - «Blood Of A Lion» - «The Fifth Angel» -
«Born Again» - «Ghost In The Rain» - «Crazy, Mad, Insane» - «Blind
And Frozen» - «End Of The World».
Nightwish
Was bei der Support-Band soweit ordentlich war, liess dann beim
Headliner keine Wünsche mehr offen. Dank mehrheitlich tollem Licht
gelangen gute bis sehr Fotos, was das Herz unserer Zunft im
Fotograben natürlich erfreute. Trotz der ganzen Knipserei bekam ich
umgehend mit, wie Floor Jansen bei «Wish I Had an Angel» ein kleine
Kröte im Hals stecken hatte, die sich nach dem Trinken von etwas
Wasser zum Glück wieder davon machte. Nach den Fotos musste die
Kamera ausserhalb der Halle abgegeben werden, was leider das
Miterleben von «Come Cover Me» kostete. Danach legten Nightwish
kontinuierlich zu und erzeugten mit den geschickt platzierten
Videowänden sackstarke optische Effekte, die laufend von opulent
eingesetzten Gasflammen-Pyros unterstützt wurden. An sich nichts
Neues, denn Slayer verbrauchten am Vorabend mindestens so viel Gas
wie der finnisch niederländisch britische Verein heute Abend. Ich
erinnere mich dabei noch an ein Konzert in Basel vor ein paar
Jahren, wo es wohl auch aus feuerpolizeilichen Auflagen nur
Trockeneis als zusätzliches Showelement zu sehen gab. Ganz anders
heute Abend, wo nebst immer wieder in die Höhe und quer schiessenden
Gasflammen auch die Videowände zwischendurch "voll in Brand"
standen. Die Wirkung als Showelement war
dabei,
stets untermalt mit fettem Licht, schlicht grandios. Nicht minder
beeindruckend war der Moment, wo man sich im Weltall inmitten von
Sternen wähnte und Schlagzeuger Kai Hahto scheinbar frei in der Luft
schwebte. Tuomas Holopainens Tastenburg war ebenfalls erhöht
aufgebaut und sah auf dieser Tour ohne die wuchtigen
Orgelpfeifen-Attrappen vorne dran allerdings ziemlich schlicht, fast
"nackt" aus.
Was oder besser wer mit Sicherheit ein Gewinn
für die Band darstellt, ist Multiinstrumentalist Troy Donockley, der
seit 2013 fest zum Line-Up gehört und nebst einzelnen zusätzlichen
Gitarren-Parts vor allem durch das Spielen der Uilleann Pipes
auffiel. Bassist Marco Hietala, dessen Haarpracht offenbar wieder
etwas an Länge zugelegt hat, brillierte mitunter mit seiner
prägnanten Lead-Gesangsstimme bei «I Want My Tears Back». Die
Setliste im Allgemeinen bestand aus auffallend vielen alten Songs
der Ära Tarja Turunen. Sogar «Elvenpath» und «The Carpenter» vom
97er-Debütalbum waren dabei, und diese Konstellation setzte einmal
mehr die sehr individuelle Diskussion um den weiblichen Leadgesang
bei Nightwish in Gang. Während meine Wenigkeit davon, also Tarja,
vor allem bei «Century Child» (2002) und «Once» (2004) bevorzugt,
liegt der ganze Rest meiner persönlichen Gunst halt nach wie vor bei
Anette Olzon. Somit fällt Floor Jansen einfach aus dem Rahmen. Dem
Vernehmen nach hat sich ein mir bestens bekannter Tarja-Verehrer
schon nach etwa einer halben Stunde unverrichteter Dinge, sprich
enttäuscht, wieder aus dem Staub gemacht. Ich empfand es jetzt nicht
so krass, aber die Floor und ich werden auf musikalischer Ebene,
zumindest solange sie bei Nightwish singt, definitiv keine Freunde.
Unter dem Strich war es dennoch eine sauber durchchoreographierte
Mega-Show, die durchaus zu gefallen vermochte. Vor allem der
Monster-Track «Greatest Show On Earth» setzte den einzigen
Lichtblick bezüglich dem aktuellen Songmaterial von «Endless Forms
Most Beautiful». Mein persönliches Live-Highlight in diesem Genre
waren heuer aber klar The Dark Element (mit Anette Olzon) am "Sweden
Rock" Festival.
Setliste: «Intro» - «Dark Chest Of Wonders» -
«Wish I Had an Angel» - «10th Man Down» - «Come Cover Me» -
«Gethsemane» - «Élan» - «Sacrament Of Wilderness» - «Dead Boy’s
Poem» - «Elvenjig» - «Elvenpath» - «I Want My Tears Back» - «Last
Ride Of The Day» - «The Carpenter» - «The Kinslayer» - «Devil & The
Deep Dark Ocean» - «Nemo» - «Slaying The Dreamer» - «Greatest Show
On Earth» - «Ghost Love Score» - «Outro».
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