Livereview: Nightwish - Beast In Black

22. November 2018, Zürich – Hallenstadion
By Rockslave
Am Tag nach der ultimativen Metal-Schlacht mit Slayer, Lamb Of God, Anthrax und Obituary, respektive elf Tage nach dem ersten Konzert in Genf, stand ganz in der Nähe der nächste Grossanlass bevor! Nightwish gaben sich im Rahmen ihrer "Decades: World Tour" auch im Hallenstadion die Ehre. Allerdings war das gar nicht so selbstverständlich, dass ich mich dafür überhaupt aufgerafft habe. Die Gründe? Erstens finde ich das letzte Studio-Album «Endless Forms Most Beautiful» eher mau und Floor Jansen ist in der Tat die dritte Wahl beim FC Holopainen. Bei After Forever war sie weitaus besser aufgehoben, und was gerade aktuell mit Northward in Zusammenarbeit mit Gitarrist Jørn Viggo Lofstad von Pagan's Mind raus gehauen wurde, kommt definitiv besser daher. Doch das ist natürlich meine eigene und nicht repräsentative Sicht der Dinge, zu der viele Fans eine dezidiert andere Meinung vertreten. Davon hatte es an diesem Abend rund 8'000, und das ist ganz ordentlich, wenn auch weit weg von "sold out". Nichtsdestotrotz lieferten die gut besetzten Sitzplätze das Bild ab, das sich jede Band für ein Konzert vor Publikum wünscht. Als Anheizer versuchten Beast In Black ihr Glück.

Beast In Black
Als Berichterstatter und Konzert-Fotograph hat man immer die doppelte Optik, sprich einerseits den Fotopit unmittelbar vor der Bühne und andererseits das, was jeder normale Besucher auch erleben kann. Der stetige Wunsch nach gutem Licht wurde zu Beginn nicht ganz oder zumindest nur teilweise erfüllt, aber dafür poste vor allem die Saitenfront mit voller Hingabe. Da die Konzentration während den ersten drei Songs in der Regel mehr auf guten Fotos statt dem dargebotenen Sound liegt, ist es nachher genau umgekehrt. Was ich dann nach dem Deponieren der Kamera aber zu hören und sehen kriegte, liess mich ziemlich kalt. Da konnte Frontmann Yannis Papadopoulos noch so auf der ganzen Breite der Bühne rumtigern und schreien wie ein Berserker. Immerhin wies «The Fifth Angel» mit etwas gedrosseltem Tempo typisch powermetallische Qualitäten auf, die ruhig noch etwas mehr hätten vertreten sein dürfen. «Born Again» schaffte es danach jedoch mit grauslig nölendem Sabaton-Geistermusiker Synthie auf dem Fusse, diesen Anflug von Zustimmung gleich wieder in Luft aufzulösen. Immerhin rettete die töfte Halbballade «Ghost In The Rain» den Totalabsturz, der erst noch bevor stand. Zu «Crazy, Mad, Insane» hätte man unseren Schweizer Eurodance König DJ Bobo nämlich glatt als Guest einladen können. Was diese krude Kombination allerdings mit Metal zu tun haben soll, ist mir schleierhaft. Hinten raus hatte ich dann ab diesem völlig überzeichneten Synthie-Gedöns beim Rausschmeisser «End Of The World» die Schnauze gestrichen voll und war heilfroh, dass endlich Ruhe einkehrte. Das einzig Positive was mir blieb, waren die professionell agierenden Musiker, darunter Ex-Battle Beast Klampfer Anton Kabanen. Den total drögen und kaum aushaltbaren Ekel-Synthie verwünschte ich jedoch heftigst ins Pfefferland!

Setliste: «Beast In Black» - «Eternal Fire» - «Blood Of A Lion» - «The Fifth Angel» - «Born Again» - «Ghost In The Rain» - «Crazy, Mad, Insane» - «Blind And Frozen» - «End Of The World».


Nightwish
Was bei der Support-Band soweit ordentlich war, liess dann beim Headliner keine Wünsche mehr offen. Dank mehrheitlich tollem Licht gelangen gute bis sehr Fotos, was das Herz unserer Zunft im Fotograben natürlich erfreute. Trotz der ganzen Knipserei bekam ich umgehend mit, wie Floor Jansen bei «Wish I Had an Angel» ein kleine Kröte im Hals stecken hatte, die sich nach dem Trinken von etwas Wasser zum Glück wieder davon machte. Nach den Fotos musste die Kamera ausserhalb der Halle abgegeben werden, was leider das Miterleben von «Come Cover Me» kostete. Danach legten Nightwish kontinuierlich zu und erzeugten mit den geschickt platzierten Videowänden sackstarke optische Effekte, die laufend von opulent eingesetzten Gasflammen-Pyros unterstützt wurden. An sich nichts Neues, denn Slayer verbrauchten am Vorabend mindestens so viel Gas wie der finnisch niederländisch britische Verein heute Abend. Ich erinnere mich dabei noch an ein Konzert in Basel vor ein paar Jahren, wo es wohl auch aus feuerpolizeilichen Auflagen nur Trockeneis als zusätzliches Showelement zu sehen gab. Ganz anders heute Abend, wo nebst immer wieder in die Höhe und quer schiessenden Gasflammen auch die Videowände zwischendurch "voll in Brand" standen. Die Wirkung als Showelement war dabei, stets untermalt mit fettem Licht, schlicht grandios. Nicht minder beeindruckend war der Moment, wo man sich im Weltall inmitten von Sternen wähnte und Schlagzeuger Kai Hahto scheinbar frei in der Luft schwebte. Tuomas Holopainens Tastenburg war ebenfalls erhöht aufgebaut und sah auf dieser Tour ohne die wuchtigen Orgelpfeifen-Attrappen vorne dran allerdings ziemlich schlicht, fast "nackt" aus.

Was oder besser wer mit Sicherheit ein Gewinn für die Band darstellt, ist Multiinstrumentalist Troy Donockley, der seit 2013 fest zum Line-Up gehört und nebst einzelnen zusätzlichen Gitarren-Parts vor allem durch das Spielen der Uilleann Pipes auffiel. Bassist Marco Hietala, dessen Haarpracht offenbar wieder etwas an Länge zugelegt hat, brillierte mitunter mit seiner prägnanten Lead-Gesangsstimme bei «I Want My Tears Back». Die Setliste im Allgemeinen bestand aus auffallend vielen alten Songs der Ära Tarja Turunen. Sogar «Elvenpath» und «The Carpenter» vom 97er-Debütalbum waren dabei, und diese Konstellation setzte einmal mehr die sehr individuelle Diskussion um den weiblichen Leadgesang bei Nightwish in Gang. Während meine Wenigkeit davon, also Tarja, vor allem bei «Century Child» (2002) und «Once» (2004) bevorzugt, liegt der ganze Rest meiner persönlichen Gunst halt nach wie vor bei Anette Olzon. Somit fällt Floor Jansen einfach aus dem Rahmen. Dem Vernehmen nach hat sich ein mir bestens bekannter Tarja-Verehrer schon nach etwa einer halben Stunde unverrichteter Dinge, sprich enttäuscht, wieder aus dem Staub gemacht. Ich empfand es jetzt nicht so krass, aber die Floor und ich werden auf musikalischer Ebene, zumindest solange sie bei Nightwish singt, definitiv keine Freunde. Unter dem Strich war es dennoch eine sauber durchchoreographierte Mega-Show, die durchaus zu gefallen vermochte. Vor allem der Monster-Track «Greatest Show On Earth» setzte den einzigen Lichtblick bezüglich dem aktuellen Songmaterial von «Endless Forms Most Beautiful». Mein persönliches Live-Highlight in diesem Genre waren heuer aber klar The Dark Element (mit Anette Olzon) am "Sweden Rock" Festival.

Setliste: «Intro» - «Dark Chest Of Wonders» - «Wish I Had an Angel» - «10th Man Down» - «Come Cover Me» - «Gethsemane» - «Élan» - «Sacrament Of Wilderness» - «Dead Boy’s Poem» - «Elvenjig» - «Elvenpath» - «I Want My Tears Back» - «Last Ride Of The Day» - «The Carpenter» - «The Kinslayer» - «Devil & The Deep Dark Ocean» - «Nemo» - «Slaying The Dreamer» - «Greatest Show On Earth» - «Ghost Love Score» - «Outro».