Gerlafingen gehört grundsätzlich nicht zu den bekanntesten
Konzert-Locations in Helvetien. Trotzdem kommt es immer wieder vor,
dass man sich dort tolle Bands ansehen kann. So auch an diesem sehr
heissen Freitag, als sich Nitrogods im wirklich sehr gemütlichen,
aber auch sehr kleinen Cotton Club einfanden. Mit im Gepäck waren
Drïzella aus Burgdorf. Musikalisch gesehen konnten die Unterschiede
nicht grösser sein. Auf der einen Seite der punkige, mit Southern Rock
getränkte Motörhead-Stil und auf der anderen Seite der eher
melodische Hardrock einer noch aufstrebenden Truppe.
Drïzella feierten an diesem Abend die
Geburtsstunde ihres ersten Albums «Alive». Mit ihren rockigen,
melodischen Songs begeisterte das Quartett seinen Fanclub. Gute
Stimmung war da garantiert. Schienen viele Besucher die Songs von
Drïzella in- und auswendig zu kennen. Die Lieder hatten was, auch
wenn dabei der grosse Hit (noch) fehlt, aber zumindest gingen die
Rhythmen ins Bein und speziell die Gitarrensolos liessen meine
Aufmerksamkeit nicht kleiner werden. Auch die Rhythmussektion wusste
zu gefallen, da treibende Grooves der Marke «Mitklatschen» stark im
Mittelpunkt standen. Allerdings sieht es doch ein bisschen komisch
aus, wenn beim Solo der zweite Gitarrist genüsslich zur
Wasserflasche greift, anstatt seinen Saitenkollegen zu unterstützen.
Wofür braucht man den sonst die zweite Gitarre? Den Anwesenden
schien dies aber völlig egal zu sein, und so wurde beim Mitsingspiel
begeistert mitgemacht. Die Herren Chris (Gesang, Gitarre), Ref
(Gitarre), Neo (Drums) und Andy (Bass) machten Laune, müssen sich
aber (noch) gefallen lassen, dass alleine gute Songs, die bei den
eigenen Fans abgefeiert werden, in der breiten Masse des Hardrocks
sehr wahrscheinlich untergehen. Bleibt dran Jungs, es hört sich
vielversprechend an, aber vergreift euch bitte nicht mehr an
Coverversionen wie Led Zeppelin's Hit «Rock'n'Roll»! Es gibt
Dinge, die sind definitiv noch zu früh...
Nachdem Drïzella den
Platz auf der sehr kleinen Bühne für Nitrogods
frei räumten, muss man leider sagen, dass der nicht belegte Raum vor der Bühne
tatsächlich grösser wurde. Schade, denn mit den kampferprobten Henny
Wolter (Gitarre, ehemals Thunderhead, Primal Fear, Sinner), Klaus
Sperling (Schlagzeug, ehemals Freedom Call, Primal Fear, Sinner)
sowie Claus «Oimel» Larcher (Gesang, Bass) stand ein Trio auf der
Bühne, welches durch eine ungeheure authentische Art seine Attitüde
«no
bullshit
Rock'n'Roll band» mit jedem Ton manifestierte. Die Mischung aus
alten Punk-Helden, einem feinen Lynyrd Skynyrd-Touch und einer
Unmenge an Motörhead macht die Jungs zu etwas ganz Besonderem.
Allerdings scheinen dies bis heute noch nicht ganz alle begriffen zu
haben… Im Gegenzug hatte die überschaubare Anzahl an Besuchern
verdammt viel Spass. Einer, der von allen drei Bandmitgliedern
mitgetragen wurde. «Guten Abend zusammen im viel zu heissen
Gerlafingen», begrüsste Claus die Anwesenden mit einem breiten
Lächeln und wischte sich nicht zum letzten Mal an diesem Abend den
Schweiss von der Stirn. Es war Schweiss, den sich die Jungs auf
ehrliche und ehrgeizige Art erarbeiteten und bis zum Schluss nicht
locker liessen, um wirklich jeden im Publikum mit einem glücklichen
Grinsen in den lauwarmen Abend zu entlassen.
«Das ist unser
Metalversuch», kündigte Oimel «Back Home» an, um mit diesen Track
eine weitere Facette des eh schon breiten Nitrogods-Rahmens zu
präsentieren. «Wie ihr seht, fehlt mein Bierhalter beim
Mikroständer. Somit muss ich mich öfters bücken und es kann dauern,
bis ich dann wieder hoch komme», liess Oimel mit einem breiten
Grinsen die Anwesenden wissen, nahm einem tiefen Schluck aus der
Flasche und bückte sich langsam zu Boden. Claus ist ein verdammt
geiler Frontmann, der mit seinem knarzigen Gesang die
Motörhead-Etikette wohl für immer auf seinen Arsch tätowiert hat. Seine
fetten Bassparts lassen wirklich kaum Lücken zu und zusammen mit
Klaus legen die Beiden einen Rhythmusteppich vor, auf dem sich Henny
nach Herzenslust austoben kann. Mister
Sperling hat noch immer seinen ganz speziellen Groove, wenn er auf
sein Arbeitswerkzeug einschlägt. Einer, den man aus tausenden
heraus kennt und jeder Band verdammt gut zu Gesicht stehen würde. Henny
übernimmt mit seinen Gitarrenparts einen ganz wichtigen Part sowie
ab und zu dem Leadgesang. «Dies ist ein Song über Bands, die nur so
tun, als ob sie spielen würden. Dabei ist alles Playback. Nitrogods
würden dies NIE tun! Hier ist «Lipsynch Stars»!», verkündete der
Gitarrist und haute einen der ganz grossen Momente des Trios aus den
Saiten.
Die Setlist bestand aus den beiden Alben plus vier
Coverversionen. Acht Lieder stammten vom gleichnamigen Debüt, fünf
Tracks von «Rats & Rumors», während die Rose Tattoo-Nummer «Nice
Boys», der Thunderhead-Klassiker «Take It To The Highway» und die
beiden Motörhead-Zugaben «Going To Brazil» und «Ace Of Spades» den
Abend abrundeten. «Wir haben kein Playback, dafür Klaus an der
Bierflasche. Was gibt es den Geileres? Er sieht nicht nur besser
aus als ein Computer, er spielt auch noch viel besser!» Mit solchen
Ansagen, Klaus mit einem Trommelstock bewaffnet, der auf eine leere
Bierflasche schlägt und einem Killertrack wie «Lipsynch Stars», brach
das Trio definitiv das Eis. Der Rockabilly-Punk-Southern
Rock-Hardrock mit einer Prise Metal servierte Sound befriedigte alte
Fans und gewann neue dazu. «Der nächste Song ist fürs Finanzamt von
Hannover», liess uns Henny wissen und wuchtete «Nothing But Trouble»
in den Cotton Club. Mit kreisenden Drumsticks und einer fulminanten
Version von «Damn Right (They Call It Rock'n'Roll)» brachte das
Trio fast die Decke des Clubs zum Tropfen. Mit Sprüchen wie: «…Klaus
ist ein sehr guter
Bierflaschenspieler,
aber seitdem sein VfB Stuttgart abgestiegen ist, kriegt er schnell
schlechte Laune!», wurde die Stimmung nochmals angeheizt. Wer will
sich schon der schlechten Laune des Trommlers aussetzen? Mit der
sehr charmanten Ansage von Oimel: «Unser nächstes Lied handelt von
der Hauptstadt. Also unserer Hauptstadt. Die beginn zwar auch mit
«Ber..», endet aber mit «…lin»», hatte der singende Bassist den
Lacher auf seiner Seite. «Wasted In Berlin» holte dann nochmals die
Rock-Harke hervor, bevor mit «Whiskey Wonderland» und der Ansage zu
«Nice Boys»: «…es kommt, was kommen muss, das letzte Lied. Den kennt
ihr alle», nochmals Vollgas gegeben wurde. Auch wenn es kaum mehr
Sauerstoff im Cotton Club gab, das Trio liess sich nicht lumpen und
knallte mit den beiden Motörhead-Klassikern nochmals allen eine
fette Portion Lärm um die Ohren.
Es wäre falsch, Nitrogods als
blosse Motörhead-Kopie abzustempeln. Auch wenn Vieles an die
ehemalige Lemmy-Combo erinnert, haben Nitrogods ein breiteres
Soundsortiment in den eigenen Reihen. Wahrscheinlich würden sie die
grösseren Hallen füllen, wenn sie als Covertruppe in den Clubs und
Hallen unterwegs wären, aber dann könnten wir das fantastische
Liedgut der Deutschen nicht hören. Darum… Hört euch die Jungs an,
wenn sie in eurer Nähe spielen. Neben guter Musik bekommt ihr auch
eine gehörige Portion Ehrlichkeit und Spass um die Ohren geklatscht.
Musikalisch muss man den Jungs eh nichts mehr beibringen, dafür sind
sie zu lange im Business und wer mit über fünfzig Jahren noch immer so
frisch, frech, authentisch und einer ehrlichen «Leck mich am
Arsch»-Attitüde auftritt, hat einfach ein grösseres Publikum
verdient, als an diesem Abend in Gerlafingen.
Setliste:
«Rats & Rumors» - «Gasoline» - «At Least I'm Drunk» - «Back Home» -
«Irish Honey» - «Lipsynch Stars» - «The Devil Dealt The Deck» -
«Rifle Down» - «Nothing But Trouble» - «Damn Right (They Call It Rock'n'Roll)» -
«Black Car Driving Man» - «Take It To The Highway» - «Wasted
In Berlin» - «Whiskey Wonderland» - «Nice Boys» -- «Going To Brazil» -
«Ace Of Spades».
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