Livereview: Opeth - Cynic - The Ocean
05.12.2008, Rohstofflager Zürich
By: El Muerte & Xenia Fotos: Fabienne Curty
The Ocean enterten pünktlich um 20 Uhr die Bühne des Rohstofflagers - Der Konzertsaal war zu diesem Zeitpunkt bereits ordentlich gefüllt, der grösste Teil der Anwesenden dürfte allerdings kaum eine Ahnung haben, was sie die kommenden 30 Minuten erwarten würde. Unter wabernden Synthie-Samples fand sich nach und nach die ganze Mannschaft auf der Bühne ein, während sich der erste Song 'Calymnian' langsam aufbaute. Auf den Gesichtern einiger Besucher machte sich unverholene Unsicherheit breit, welche beim ersten amtlichen Abdrücken der Band in blanke Überraschung umschlug – Mit solcher Wucht hatten die wenigsten gerechnet. Zwar war das wiedergegebene Klangbild dem Rohstofflager gemäss äusserst undurchsichtig, der Tightness der Band tat dies allerdings keinen Abbruch: Songs wie 'Hadean', 'Orosirian' und 'Mesoarchean' knallten auf höchstem Niveau, während das Publikum mit jedem dargebotenen Track mehr Begeisterung zeigte. Sänger Mike Pilat übernahm aufgrund der normalerweise als Bindeglied fungierenden aber heute fehlenden Projektionen und der Lichtshow zwischen den Songs die Überbrückung - Eigentlich normal, aber für The Ocean Neuland. Die Band agierte nach einer kurzen Einwärmphase ziemlich dynamisch, bereits beim zweiten Song wirbelte Gitarrist Jona die Klampfe durch die Lüfte, während Gitarrist/Bandleader Robin und vor allem Bassist Louis sich ihrem Gesichtsausdruck gemäss in andere Sphären spielten. Die Stimmung im Saal stieg indes merklich, was nach dem ersten Song noch unter 'Höflichkeits-Applaus' eingeordnet werden konnte, nahm bald darauf grössere Dimensionen an, und irgendwann gegen Ende des Sets hatten The Ocean klar die Überhand gewonnen – Für den letzen Song 'The City In The Sea' sprang Louis mitsamt Bass ins Publikum, Jona und Mike demonstrierten ihre Künste im Bühnengraben und Robin auf den linken PA–Turm, während Drummer Luc gezwungenermassen die Schlacht vom Kit aus koordinierte. Moshpit gab's zwar keines, aber immerhin rauften sich einige jüngere Besucher zum Headbangen zusammen, und am Ende des definitiv zu kurzen Set streckten sich etliche Fäust in die Höhe. The Ocean sind mir als Headliner und mit komplett aufgefahrenen Geschützen zwar immer noch am liebsten, vermögen aber zum Glück offensichtlich auch auf das minimalste reduziert reibungsfrei zu funktionieren – und zu überzeugen. Fett! (elm)

Setlist: Calymnian, Orosirian, Hadean, Mesoarchaean, The City In The Sea

Cynic
Kurz bevor die Jungs von Cynic auf die Bühne traten, war die Spannung im Publikum und bei mir selber beinahe greifbar. Die Wenigsten hatten bisher das Vergnügen, diesen hervorragenden Act live zu erleben, haben sie sich doch für 13 Jahre von der Bühne zurückgezogen. Viele waren gerade wegen Cynic nach Zürich gefahren, auch wenn der grösste Teil, mich eingeschlossen, die Band kannte hat als sie damals 'Focus' auf den Markt gebracht haben. Als die vier Amerikaner dann auftauchten, wurden sie mit grossem Applaus begrüsst und schon wurden die sphärischen Klänge von 'Nunc Fluens' eingespielt, was zumindest bei mir sofort für Hühnerhaut gesorgt hat. Die ruhige, besinnliche und beinahe schüchterne Art von Paul Masvidal kam auf der Bühne noch viel stärker zur Geltung, als zuvor beim Interview. Er schafft es die Leute in seinen Bann zu ziehen und konnte so schnell das Publikum für sich gewinnen. Leider war Soundtechnisch einiges nicht ganz sauber, denn der Bass war übersteuert und auf der linken Seite der Konzerthalle schien eine der Boxen nicht mehr ganz fit zu sein. Nichtsdestotrotz bewiesen Cynic, in den etwas über dreissig Minuten Spielzeit, welche grossartige, musikalische Präsenz sie besitzen. Nach dem die ersten drei Leider vom neuen Album 'Traced In Air' gespielt wurden, kamen die Fans in den Genuss von drei bekannten Songs aus dem 1993 erschienenen Album 'Focus'. Wie zu erwarten war, flogen keine Haare, weder auf der Bühne noch davor, doch die Zuschauer beobachteten staunend und andächtig die Fingerfertigkeiten der Bandmitglieder. Ich hätte nicht erwartet, dass ein so grosser Teil des Publikums wirklich bereit für solch komplexe Klänge sind, doch es schien, als wäre die Kombination von Opeth und Cynic absolut geeignet um die Leute anzuziehen, welche auch mit solch schwerverdaubarere Musik etwas anzufangen wissen. Cynic hat bewiesen, dass es sich gelohnt hat, wieder zurück auf die Bühnen dieser Welt zu kommen! (xen)

Setlist: Nunc Fluens, The Space For This, Evolutionary Sleeper, Veil of Maya, Celestial Voyage, Textures, Integral Birth, Nunc Stans

Opeth
Als ich nach dem überlangen The Ocean-Interview endlich den Raum betrat um mir Opeth zu geben, stand das schwedische Quintett bereits auf den Brettern, und hatten gerade mit 'Heir Apparent' losgelegt. Was dann folgte, waren 1.5 Stunden Prog-Death in vollendeter Form - Blöderweise fuhren mir allerdings kaum fünf Minuten davon richtig ein. Vielleicht lag's an meiner mittlerweile offensichtlichen The Ocean-Manie, oder aber auch am während des Interviews gekippten Rotwein: Ich stand inmitten des dicht gedrängten Publikums und liess Übersongs wie 'The Grand Conjuration', 'The Lotus Eater' und 'Deliverance' auf mich rieseln, ohne dies aber auch nur Ansatzeweise auf emotionaler Ebene zu registrieren. Den Leuten um mich herum war das natürlich herzlichst egal, sie lechzten nach jeder Fingerbewegung von Mikael Akerfeldt und seiner Mannschaft. Der Bandleader und Chefquassler himself genoss den Auftritt sichtlich, und liess es das Publikum auch wissen. Basser Martin Mendez und Drummer Martin Axenroth hielten sich ausdrucksmässig eher zurück, aber dafür bangten Mikael, Neuzugang Fredrik Åkesson (Gitarre, Ex–Arch Enemy), und vor allem Per Wiberg (Keyboards / Backing-Vox) offensichtlich um die Wette. Mikael begrüsste das Publikum irgendwo im ersten Teil der Show mit «Hallo Schweden!», was die Besucher mit lautem Gelächter quittierten. Zwischen den folgenden Songs bemühte er sich zudem, die Vorzüge der Schweiz aufzuzählen («Die Schweiz ist ja bekannt für Schokolade, Uhren, Messer,… Bankkonten… Ich habe selber auch einige Konten bei euch. Mittlerweile bin ich ja schon Miliardär!»), versicherte, dass dieser Gig zu den besten Gehöre, den die Band je bei uns gespielt habe, machte seine Bandmitglieder mit abstrusen Namensvorschlägen nieder («On the Bass: Fuckhead Martin!»), und stellte sich selber schlussendlich unter dem Namen 'Lars' vor – Opeth-typische Unterhaltung also.

Das Set selber neigte sich mit 'Demon Of The Fall' überraschend schnell dem Ende zu, 'The Drapery Falls' als Zugabe wurde aber nochmal ordentlich gefeiert. Ich würde meinen, dass ich das Publikum bei Opeth-Gigs schon enthusiastischer gesehen habe, aber der Schleier um mein Hirn könnte auch diesen Eindruck geprägt haben - Die Soundqualität hatte sich indes definitiv kaum gebessert, was vor allem bei einer filigranen Band wie Opeth für den einen oder anderen Minuspunkt sorgen kann. Mike & Co verabschiedeten sich ziemlich unspektakulär, aber das wäre an diesem Punkt sowieso fehl am Platz gewesen. Ein feiner Gig, aber in meinen Augen wäre da bei weitem mehr drin gelegen - Hätte man den Event beispielsweise ins Volkshaus verlegt, hätte nicht nur die Soundqualität gestimmt, sondern hätte das Publikum auch etwas mehr Platz und vor allem Luft zur Verfügung gehabt… Fakten, die noch in etlichen Diskussionen nach dem Gig für Gesprächsstoff sorgten. (elm)

Setlist: Heir Apparent, The Grand Conjuration, Godhead's Lament, The Lotus Eater, Hope Leaves, Deliverance, Demon Of The Fall, The Drapery Falls