Livereview: Overkill - Destruction - Heathen - After All
08. März 2011, Dietikon - soundDock 14
By Rockslave (rsl) & Tinu (tin) - All Pics by Rockslave
Ursprünglich war das leckere Thrash-Quartett ja im Zürcher Volkshaus angesagt gewesen. Weil sich vom Vorverkauf jedoch bald einmal abzeichnete, dass der Zuspruch nicht so gross werden würde wie erwartet, verlegte man den Gig ins soundDock 14 nach Dietikon. Dass dies eine ziemlich gute Idee war, sollte sich schon bald heraus stellen, denn nebst der idealen Location an sich, fühlte sich der Laden, da natürlich kleiner als in Zürich, deutlich gefüllter an. Und genau das braucht es, um eine amtliche Thrash-Party vom Zaun reissen zu können. Die Zutaten dazu hätten nicht besser sein können..., ok..., mit Exodus oder Death Angel wäre es natürlich noch geiler gewesen. Doch mit After All aus Belgien standen neben den Kult-Amis von Heathen und den hochkarätigen Headlinern beileibe keine Anfänger auf der Bühne, im Gegenteil. Wer aber schon mal Destruction live gesehen hat, weiss um das Inferno, das da jedes Mal entfacht wird und zu Overkill noch gross was anmerken zu müssen, hiesse Eulen nach Athen tragen. Bobby "Blitz" Ellsworth zeigte dabei einmal mehr, wo der Bartli den Most holt! (rsl)

After All

Den ersten Kontakt mit den belgischen Thrashern hatte ich eher zufällig, nämlich als Jens Häfner (ein alter Szene-Kumpel von mir und Betreiber vom Kleinlabel «Killer Metal Records») das Album «The Vermin Breed» von 2005 in einer limitierten Auflage von 500 Stück in königsblauem Vinyl auflegte. Dabei überzeugte nicht nur die Optik der LP, sondern auch die ziemlich groovig ausgelegte Mucke, die einerseits einige Vibes von Hetfiled & Co. beinhaltet und andererseits noch den einen oder anderen Happen Slayer und etwas Metalcore aufblitzen lässt. Das Lineup, das heute Abend in Dietikon auf die Bühne stieg, präsentierte zwei Neuerungen, die erst letztes Jahr Tatsache wurden. Zum einen hat der mittlerweile ehemalige Sänger Piet Focroul After All nach fast zwanzig Jahren Zugehörigkeit verlassen und zudem seinen Bass offenbar definitiv weggelegt hat auch Erwin Casier. Diese beiden Vakanzen wurden inzwischen durch Sammy Peleman (v) und Frederik Vanmassenhove (b) gleichwertig geschlossen. Gesanglich machte das keinen wirklich hörbaren Unterschied zu vorher und die neue Besetzung vermittelte wiederum eine bemerkenswerte Geschlossenheit. Punkt 19.30 Uhr betrat die Opener-Band des Abends die Bühne des soundDock 14 und knüppelte gleich mal voll drauf los. Damit war das «Killfest» 2011 offiziell eröffnet und die anwesenden Fans machten nach einer kurzen Anwärmphase schon anständig mit. Der Opener «My Own Sacrifice» und weitere zwei Abschädler stammten vom letzten Album «Cult of Sin» (2009), das übrigens Dan Swanö produziert hat. «Becoming The Martyr» stammte hingegen ab der brandneuen, gleichnamigen EP, wo unter anderem zwei Tracks des letzten Albums (die auch im Set standen) von der neuen Besetzung neu aufgenommen wurden. Somit beschränkten sich die Belgier nur auf neuere Songs und drückten damit wohl aus, dass der Blick jetzt mehr nach vorne als in die Vergangenheit geht. Ich sah After All zum ersten Mal live und mir gefiel dieser Auftritt eigentlich ganz gut. Gleicher Meinung war auch das insgesamt eher jüngere Publikum, das nach den ersten 30 Minuten Thrash-Beschallung nun bereit für Heathen war. (rsl)

Setliste: «My Own Sacrifice» - «Devastation Done» - «End Of Your World» - «Becoming The Martyr» - «Demolition Course» - «Betrayed By The Gods» - «Timeless Machine».


Heathen
Ich wage an dieser Stelle zu behaupten, dass Heathen ihre Rückkehr auf die Bühne eindeutig dem nun schon einige Zeit grassierenden Thrash-Revival zu verdanken haben. Allerdings sind bereits auch schon wieder zehn Jahre vergangen, seit es Heathen nach dem Split in den 90ern wieder offiziell gibt. Angeführt durch die grossen Namen der Szene, leckten nun auch einige kleinere Bands, wie zum Beispiel Forbidden, wieder Blut und bereichern seither die nicht kleine Auswahl in dieser Stilecke. Nebst den Live-Aktivitäten braucht es aber mit Vorteil neue Songs, um auch weiter im Haifischbecken des Musikzirkus mitzumischen und da blieben Heathen die Antwort darauf nicht schuldig. 2010 wurde nämlich mit «The Evolution Of Chaos» ein bärenstarkes Comeback Album abgeliefert, das die Band um den Exodus Klampfer Lee Altus in bestechender Form zeigt. Der letztjährige Headliner-Gig im Kiff in Aarau dürfte wohl noch einigen Maniacs in bester Erinnerung sein. Tragende Stütze ist dabei natürlich Sänger David White, dessen Stimmbänder noch ziemlich auf der Höhe sind und kaum was von der Güte der früheren Jahre eingebüsst haben. Darüber hinaus gelten die Amerikaner als sehr fannah und haben keinerlei Berührungsängste. Wo andere sich vielleicht im Gewühl nicht so wohl fühlen, kommen die Amis erst recht auf Touren. Da erstaunte es nicht, dass eigentlich von der ersten Sekunde an der Teufel im soundDock 14 los war. Mit nicht von der Hand zu weisenden, aber verständlichen wie hörbaren Vibes von Exodus legten David White und seine Mannen einen Mörder-Set aufs Parkett! Die insgesamt nur vier gespielten Songs stammten alle von der neuen Scheibe und Höhepunkt war dabei der Longrunner «No Stone Unturned», der schon auf dem Album über elf Minuten lang ist. Mittler-weile war der Mob angestachelt genug, dass dem Wunsch von David, einen ordentlichen Circle Pit zu veranstalten, noch so gerne nachgekommen wurde. Meine Wenigkeit beobachtete das Ganze derweil auf der Empore und das ermöglichte trotz ziemlich bescheidenem Licht einige gute Pix. Zudem mutete der Pit zu gefährlich an, weil es leider immer ein paar Dünnbrettbohrer darunter hat, die meinen, sie seien gerade im Karate oder Kung-Fu Training. Nichtsdestotrotz blieb das Ganze aber friedlich und nach weiteren, schweisstreibenden gut 35 Minuten war bereits zum zweiten Mal Schicht im Schacht. Es bleibt schwer zu hoffen, dass man die hochkarätige Thrash-Combo, die seit dieser Tour übrigens wieder auf die Dienste von Bassist und Rückkehrer Jason VieBrooks (Ex-Grip Inc.) zählt, bald wieder auf Schweizer Boden erleben kann! Thrash 'til death... (rsl)

Setliste: «Dying Season» - «Control By Chaos» - «Arrows Of Agony» - «No Stone Unturned».

Destruction
Nach dem tollen Auftritt von Heathen musste nun das germanische Thrash-Trio Destruction beweisen, dass sie nicht zu Unrecht zu den Besten ihres Faches gehören. Und um es vorneweg zu nehmen, Schmier und seine Mannen killten. Mit «Hopp Schwiiz» begrüsste der singende Bassist die Anwesenden und liess mit einem breiten Grinsen beim zweiten Track «Mad Butcher» gleich mal den Moshpit aktiv werden. Die Körper flogen durch die Luft und die damit verbundenen Bierduschen taten ihr Übriges dazu, dass die Luft förmlich brennte. Destruction spielten eine «Best Of»-Setliste, die nicht zu toppen war. Keiner der grossen Hits fehlte und die Mischung aus Klassikern, neuerem und topaktuellem Material verfehlte zu keiner Sekunde seine Wirkung. Die spitzen, legendären Schreie von Schmier, die gnadenlosen Riffs von Mike und das mechanische, brutale Drumming vom neuen Schlagzeuger Vaaver versenkten alles in Grund und Boden. Da flog «Tears Of Blood» ebenso wie eine Abrissbirne durch den sich mit Schweiss füllenden Saal, wie «Thrash till Death» bei dem der Titel Programm war. Die fliegenden Bodies vermehrten sich. «Schön wieder in der Schweiz zu sein. Schade, dass wir nicht im Volkshaus spielen, die wollten uns wohl nicht?», verkündete Schmier und stachelte das Publikum immer wieder an. «Beim Mischpult sehe ich einige Herren, die mit uns alt geworden sind. Die kenne ich noch vom ersten Gig, den wir bei euch gespielt haben, das muss zusammen mit Slayer gewesen sein! Kommt nach vorne, die Jungen werden euch schon nicht die Knochen brechen». «Bestial Invasion» entpuppte sich als DIE Destruction-Hymne an diesem Abend. Die Alten bangten und die Jungen tobten sich im Pit aus. Sogar ein Stagediver verirrte sich kurz auf der Bühne, hüpfte zurück ins Publikum und wurde vom selbigen im wahrsten Sinne des Wortes auf Händen getragen. Auch wenn einiges bei den Pit-Jüngern nach roher Gewalt aussah, es wurde keiner verletzt. «Good violent fun». Schmier genoss den Auftritt, auch wenn er grosse Probleme mit dem Monitorsound hatte. Er schrie und sang sich durch die Hits und bangte sich die Halswirbel warm. Ebenso wie Mike. Was dieser Mann an diesem Abend wieder alles aus seiner Gitarre zauberte war der Hammer. Statt auf sein Griffbrett zu schauen, bangte der Lockenkopf von der ersten Sekunde an und spielte traumhaft. Als wäre es das Leichteste auf der Welt. Vaaver spielt nicht nur mit einer unglaublichen Präzision, sondern war auch für die Backingvocals verantwortlich. In meinen Augen war es einer der besten, wenn nicht sogar der kraftvollste Gig, den ich von diesem Trio sah. Destruction schraubten nochmals die Leistungskurve in die Höhe und der nachfolgende Headliner musste sich nach dieser geilen Performance verdammt warm anziehen. (tin)

Setliste: «Curse The Gods» «Mad Butcher» «Armageddonizer» «Tears Of Blood» «Thrash 'till Death» «D.E.V.O.L.U.T.I.O.N.» «Bestial Invasion» «Hate Is My Fuel» «Nailed To The Cross» «The Butcher Strikes Back».

Overkill
Das Schlagzeug von Ron Lipnicki war auf einem Podest erhöht. Dahinter thronte das Backdrop des Covers der letzten Scheibe «Ironbound». Overkill hatten bedeutend mehr Platz als die anderen Bands. Das Sounddock war voll, die Stimmung sensationell und die Truppe der absolute Hammer. Es ist einfach göttlich mitanzusehen, wie sich die Amis immer wieder steigern können und garantiert keinen schlechten Gig spielen. Das liegt auch am unermesslichen Charisma von Sänger Bobby «Blitz» Ellsworth. Auch wenn der Gute mit einem gefährlichen Lapsus sein Konzert startete. Wie immer verschwindet «Blitz» bei den Gitarrensoli von den Fans aus gesehen auf der linken Seite der Bühne. Was bis anhin nie ein Problem war, wurde Bobby zum Verhängnis. Ein grosser Vorhang ver-deckte blöderweise die Sicht für den nach hinten rennenden Sänger, von dem man plötzlich nichts mehr sah, da er neben der Bühne hinfiel. Für einen Moment stockte mir der Atem, als ich aber sah, dass der Drumroadie Mister Ellsworth wieder auf die Beine half, konnte man sicher sein, dass ausser ein paar Schmerzen alles glimpflich abgelaufen war. Wie schon Destruction, spielten auch die Amis eine «Best Of»-Setliste, die kaum zu toppen war. Mit «The Green And Black» startete der Fünfer, um dann mit einem Klassiker-Regen die Anwesenden zu duschen. «Rrrrrrrrrrrrrrrrotten To The Core» und «Wrecking Crew» brachte das Sounddock zum Beben. Speziell beim Mitsingpart von «Rotten To The Core» erschallte «TO; THE; CORE» mit einer unglaublichen Aggressivität, dass einem Angst und Bange werden konnte. Mit den mechanischen Armbewegungen dirigierte Bobby das Publikum nach Belieben. Es war diese Mischung aus bedrohlicher Aggressivität und mitreissendem Spass, welcher der Sänger von der Bühne aus versprühte und Overkill durch einen wahren Siegeszug führte. «We never fucking finished, welcome to the gutter of Zurich!», was will man mehr? Der gleiche Stagediver, der schon bei Destruction auf die Bühne kletterte, versucht sein Glück nochmals und blieb erfolgreich, auch wenn sich langsam aber sicher der Zorn der Security gegen ihn grösser wurde. Und die Pit-Jungs? Die stachelten sich immer wieder aufs Neue an. Neben Bobby spielten sich die beiden Gitarristen Derek Tailer und Dave Linsk in einen wahren Rausch. Die Riffs zerschnitten alles und die solistischen Einlagen waren definitiv nicht von dieser Welt. Für den Groove und die Rhythmik waren neben Ron auch das einzige Urmitglied neben Bobby, D.D. Verni verantwortlich. Speziell D.D. mit seiner äusserst coolen Bühnenpräsentation war einmal mehr ein Performer, der nicht durch wildes Herumhüpfen auffiel, sondern durch seine alles durchdringenden Blicke und seiner unglaublichen Körpersprache. Diese hatte auch Bobby. Speziell nachdem er sich seines Shirts entledigte sah man immer wieder, welche Spannung durch den ganzen Körper geht und mit welcher Hingabe der Sänger dieses Konzert bestritt. Besonders vor dem letzten Song «Fuck You» bebte mehr als nur einmal der komplette Brustkorb und der durchtrainierte Bauchbereich.

Overkill spielten eines dieser Konzerte, von denen ich meinen Enkelkindern erzählen werde. Denn an diesem Abend spielten die Amerikaner alle Trümpfe aus. Alle? Nein, denn ich bin mir sicher, dass beim nächsten Konzert, die Jungs locker noch eins drauflegen können. (tin)

Setliste: «The Green And Black» «Rotten To The Core» «Wrecking Crew» «Infectious» «Bring Me The Night» «Bastard Nation» «Hammerhead» «Ironbound» «Blood Money» «Endless War» «Hello From The Gutter» «Give A Little» «Old School» «Deny The Cross» «Elimination» - «Fuck You».