Im Rahmen der "Killfest Tour 2012" brachten Overkill nebst ihrem
neuen Silberling «The Electric Age», dem bisher erfolgreichsten
Album in der Heimat (Platz 77 in den Billboard-Charts!) nicht
weniger als drei Support-Bands mit nach Pratteln. Wer Bobby "Blitz"
Ellsworth und seine Jungs schon mal irgendwo (und ich sage bewusst
irgendwo) gesehen hat, weiss, welchen Thrash-Tornado die Amis
jeweils zu entfachen wissen. Zum einen ist es die unglaubliche
Präsenz des immer noch drahtigen Frontmannes, dem man seine 53 Jahre
überhaupt nicht ansieht, und zum anderen scheint das jetzige Lineup
gefestigt zu sein, denn seit sieben Jahren hat es keine Änderungen
mehr zu verzeichnen gegeben. Sowas wirkt sich stets auf die
Performance aus, was die Kompakt- und Geschlossenheit der Band
angeht. Der Unterschied zu den Vorgruppen in Sachen Druck nach vorne
war eklatant und dies nicht nur wegen der Lautstärke. Mit 3 Inches
Of Blood war aber immerhin eine aufstrebende Truppe aus Kanada mit
dabei, die mit Cam Pipes einen echten Hammer-Sänger in ihren Reihen
hat. Purified In Blood und Degradead mussten derweil durch das
Stahlbad der Anheizergruppen hindurch, was sich gerade in der
Schweiz meist mühsamer als anderswo gestaltet.
Degradead
Wenn jeweils vier Bands im Z7 aufspielen, geht es entsprechend früh
los. Das hiess im Fall von Degradead aus Schweden, dass die Bühne
bereits um 19.15 Uhr betreten wurde. Zu dem Zeitpunkt waren noch
nicht wirklich viele Leute da, aber es kamen laufend welche dazu.
Die Nordländer, dessen Demo mal Jesper Strömblad von In Flames zu
Ohren bekam, wurden beim ersten full lenght Album «Til Death Do Us
Apart» (2008) von ihm co-engineered. Sowas kann grundsätzlich nicht
schaden und von 2010 gibt es gar offizielle Live-Aufnahmen (6 Songs)
von Wacken. Gemessen am grossen Backdrop wurde schon fast
suggeriert, dass hier eine Riesen-Combo an den Start geht. Der
Sound, der per Eigendefinition dem Thrash und Death Metal
zugerechnet wird, erinnerte mich dann aber bald einmal mehr an
typischen Melo-Death der Sorte Soilwork, Mercenary oder auch frühe
Entombed. Der Gesang von Mikael Sehlin ist dabei noch recht variabel
und neben dem Geschrei in hohen und auf tiefen Lagen tauchten
gelegentlich auch cleane Vocal-Parts auf, worauf sich das Ganze dann
wie Communic anhörte. Der stilistisch benötige Melodic-Anteil wurde
mit Key-Sounds ab Band abgedeckt, was halt generell schade ist.
Obwohl die Mucke mit ordentlich Dampf vorgetragen wurde, leierte
sich dieser Sound zumindest in meinen Ohren schnell aus, da 30
Minuten Spielzeit unter dem Strich halt ziemlich gleichförmig
gewirkt haben. Technisch hatten sie es zwar ohne Zweifel drauf, aber
mich langweilte die Darbietung ziemlich rasch und Melo-Death ist eh
nicht mehr gross angesagt zur Zeit.
Purified In Blood
Aus ähnlichen Gefilden, sprich Norwegen, stammte die zweite Band des
Abends. Punkt 20.00 Uhr legten die fünf Musiker aus der Gegend um
Stavanger los und ein Blick auf den stark tätowierten wie
kurzhaarigen Sänger Hallgeir S. Enoksen reichte aus, um ihm das
Attribut eines Brüllwürfels zu verpassen. Das stimmte dann auch
irgendwie, hatte was von Metalcore und liess sich dennoch nicht so
einfach schubladisieren. Es konnten einige Einflüsse heraus gehört
werden und ein direkter Vergleich zum Beispiel mit Mastodon ist
nicht abwegig. Zudem war umgehend eine satte Heavyness auszumachen,
wenn Purified In Blood das Tempo jeweils drosselten und so die
beiden Gitarren das volle Brett auffuhren. Die stilistische
Spannbreite erstreckte sich dabei von Crowbar über Slayer bis hin zu
Iron Maiden und selbst Immortal werden, neben einigen Lärmkapellen
mehr, noch als Einfluss genannt. Obwohl von der Musik her etwas
variantenreicher ausgelegt, konnten auch die Norweger das träge
Publikum nicht in ihren Bann ziehen. Sie bemühten sich zwar redlich,
liessen, wie Degradead, technische Klasse aufblitzen, doch auch hier
erntete die agile Performance kaum grösseren Applaus als zuvor. Herr
Enoksen stieg dann kurz noch von der Bühne in den Fotograben
hinunter und ging auf Tuchfühlung mit der ersten Reihe. Das wurde
soweit wohlwollend aufgenommen, aber die Stimmung liess sich dadurch
nicht wirklich anheben. Trotz insgesamt mehr Groove, zumindest für
meine Begriffe, litt das Ganze natürlich, wie zuvor schon, an der zu
kurzen Spielzeit. In diesem Fall sind 35 Minuten dann halt ebenfalls
nicht die Welt und darum stellt sich oft die Situation ein, dass man
sich unmittelbar nach dem Ausklingen der letzten Töne bereits an
nichts mehr erinnern kann. Nicht unbedingt erstrebenswert, aber
Tatsache.
3 Inches Of Blood
Nun musste irgendwie eine Steigerung her und dafür sorgten nicht
unerwartet die Canucks von 3 Inches Of Blood. Ich hatte die Truppe
um den stimmgewaltigen Frontmann Cam Pipes erst einmal live gesehen.
Das war vor über vier Jahren im Rohstofflager gewesen und dies als
Support von Exodus. Und nun stand mehr oder weniger pure fucking
Heavy Metal auf dem Menüplan, der das mittlerweile um einiges besser
gefüllte Z7 endlich, wenn auch nur zögerlich aus der Lethargie
aufwecken konnte. Mehr als einmal waren dabei Vibes des Headliners
auszumachen, die nebst dem überaus geilen Drum-Spiel des Neu-Members
Ash Pearson auch von der exzellenten Gitarrenarbeit der beiden
Axtmänner Justin Hagberg und Shane Clark ausgingen. Dessen töfte
Twin-Soli waren jeweils nicht zu überhören und werteten die Chose
spürbar auf. Den grossen Unterschied zu den beiden vorherigen Bands
markierte jedoch der bärtige Mr. Pipes, dessen äusserst schneidige
Stimme zeitweilen den Herren Rob
Halford und King Diamond die
entsprechende Ehre erwies. Bei einzelnen Songs mischte Justin
Hagberg (g)noch mit und steuerte jeweils etwas zwischen Growls und
Gekeife zusätzlich bei. Was für die einen nun eine willkommene
Abwechslung bedeutete, erzeugte im anderen Lager hingegen Vorbehalte
von wegen wohin die stilistische Reise letztendlich hingehen sollte.
Obwohl die Reaktionen der Fans sich mehrheitlich auf redlichen wie
jeweilig verdienten Schlussapplaus beschränkten, fiel meine
persönliche Bilanz zu den knapp 45 Minuten insgesamt positiv aus.
Das war vor allem der Verdienst von Frontsirene Cam Pipes, der
zwischendurch ein paar wirklich grandiose Screams vom Stapel liess.
Doch irgendwie spürte man jetzt deutlich, dass das Schweizer
Publikum nun definitiv ready für Bobby & Co. war. Diese liessen sich
dann auch nicht mehr lange bitten!
Overkill
Für Spätzünder in Sachen Thrash Metal ist das nun schon seit ein
paar Jährchen grassierende Revival- und Reunion-Fieber der reinste
Segen. Wer Mitte der 80er entweder zu jung oder, wie ich teilweise
auch, wegen den frühen Metallica mit zu viel Scheuklappen unterwegs
war, kriegte nun mehrfach die Gelegenheit, neben jüngeren Bands wie
zum Beispiel Legion Of The Damned oder Warbringer, Genre-Legenden der
Marke Slayer, Exodus, Forbidden, Kreator, Destruction, Sodom,
Megadeth, Heathen, Testament oder eben Overkill noch in vollem Saft
erleben zu können. In Sachen Glaubwürdigkeit und Qualität stehen
Bobby "Blitz" und seine Jungs dabei ganz vorne und wer mal die
Gelegenheit hatte, mit dem immer total zuvorkommenden Frontmann zu
sprechen, weiss zudem, wie bodenständig dieser ist. Obwohl Overkill
keine grossen Stadien zu füllen vermögen, haben sie eine
eingeschworene Fanbase, die ihre Helden meistens nach allen Regeln
der Kunst abfeiert. Das war eigentlich auch für heute Abend so
vorgesehen und man durfte gespannt sein, wie sich die Setliste
präsentieren würde. Beim hochkarätigen Backkatalog von mittlerweile
fünfzehn Studio-Alben, der alleine schon für locker drei Stunden
Spielzeit gut wäre, haben sich insbesondere die jüngeren Scheiben
wie «Killbox 13» (2003), «Relix IV» (2005) und vor allem die letzten
zwei Meisterwerke «Ironbound» (2010) sowie der letztjährige Killer «The
Electric Age» mächtig hervor getan. Diese zeigten erfreulicherweise
keinerlei Ermüdungserscheinungen. Kurz nach 22.00 Uhr fand das
Warten endlich ein Ende und der Headliner legte gleich mal kräftig
mit «Come And Get It», dem Opener des aktuellen Albums, los. Das
zeugte von Selbstvertrauen, was man mit der enthaltenen Textzeile "This
is it" nicht besser hätte ausdrücken können. Nach dem Startfurioso
folgte mit «Bring Me The Night» die noch härtere Abrissbirne (von «Ironbound»)
und spätestens mit dem Full Length Debüt-Knaller «Rotten To The Core»
hätte unter den Fans eigentlich die kollektive Raserei ausbrechen sollen. Bis auf den harten Kern in den vorderen paar
Reihen und
einigen fliegenden Bierbechern zu Beginn war jedoch verhältnismässig
erschreckend wenig los im Z7! Overkill liessen sich davon aber nicht
beirren und gaben weiter Gas mit einer ausgewogenen Setliste, die
sich über mehr als zehn ihrer Studioalben erstreckte. Bobby gab
dabei wieder alles, so wie man das stets von ihm kennt und gewohnt
ist. Sein Körper scheint dabei jedes Mal wie von 10'000 Volt
durchströmt zu werden und die spürbare Präsenz ist eindrücklich.
Dies galt im Speziellen auch für Bassist und Gründungsmitglied D. D.
Verni, der mit seiner Kurzhaar-Frisur nur von der Optik her nicht
ganz ins Bild passte. Sein in typischer Manier röhrende Bass ist
hingegen ein, wenn nicht das Markenzeichen des Overkill-Sounds und
lässt einem die Lauscher auch ab Konserve heftig schlackern. Der
Sound vor Ort war ganz ok, aber ich vermisste etwas an Lautstärke,
was jedoch nicht dafür verantwortlich war, dass irgendwie keine
richtige wie anhaltende Stimmung unter den paar Hundertschaften
aufkam. Eigentlich waren damit gleich zwei Dinge ungenügend, also zu
wenige Besucher und die, die gekommen waren, verhielten sich zumeist
viel zu passiv. Das soll einer verstehen, wenn die Hütte bei Sabaton
brechend voll ist und Overkill mit ihrem über 30-jährigen
Leistungsausweis und ihrer Authentizität etwa einen Viertel der Fans
ziehen. Natürlich vermochte Bobby die Meute zwischendurch auf
Temperatur zu bringen, aber er musste echt rackern dafür. Je länger
je mehr ging mir diese Lethargie voll gegen den Strich und ich
begann mich echt langsam zu fragen, ob das nicht schon der Anfang vom
Ende ist. Das bereits viel zitierte zahlenmässige Übermass an
Konzerten fordert langsam aber sicher seinen Tribut und wenn solche Hochkaräter wie die New Yorker Thrasher das Ding nicht mehr richtig
reissen, dann könnten bald andere Zeiten anbrechen. Zu «In Union We
Stand» gab es dann immerhin eine hörbare Reaktion und die Extended
Version von «Fuck You» im Zugabenteil verfehlte seine Wirkung
erwartungsgemäss nicht. Optisch wirkte auch das wiederum übergrosse
Backdrop mit dem altbekannten Schädelmotiv und fettes Flutlicht wie
üppige Trockeneisschwaden durften natürlich ebenso nicht fehlen. Die
knapp äusserst schweisstreibenden 100 Minuten waren auf jeden Fall
vom Feinsten und ohne damit allen fern gebliebenen Lesern/Innen und
Metallern/Innen jetzt ins Knie schiessen zu wollen, halte ich Euch
ein augenzwinkerndes, aber im Sinne der Sache..., unserer geliebten
Sache, ernst gemeintes «Fuck You!» entgegen! Vergesst zwischendurch
mal jegliche Trendmucke und lasst Euch um Himmelswillen solche
musikalischen Leckerbissen wie Overkill künftig nicht mehr entgehen!
Und um meinen persönlichen Profil-Wahlspruch abschliessend noch nach
zu tragen: Bang that head that doesn't bang!!
Setliste: «Come And Get It» - «Bring Me The Night» - «Rotten To The
Core» - «It Lives» - «Electric Rattlesnake» - «Hello From The Gutter»
- «Ironbound» - «Save Yourself» - «The Wait - New High In Lows» - «Thunderhead»
- «Old School» - «Who Tends The Fire» - «In Union We Stand» -
«Elimination» -- «Coma» - «Fuck You» - «Powersurge».
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