Endlich wieder einmal eine Tour, die nicht irgendwelche
"langweilige" Support-Bands ans Tageslicht bringt und dadurch das
Warten auf den Headliner zur Tortur macht. Selbst die mir bis anhin
unbekannten Chronosphere hinterliessen einen sehr guten Eindruck, und
über die Qualitäten von Destruction und Flotsam And Jetsam muss eh
nicht diskutiert werden.
Es goss wie aus Kübeln,
als ich den Zürcher Raum betrat, und eigentlich rechnete ich an
diesem Montagabend mit einem sehr überschaubaren Zuschaueraufmarsch.
Aber! Es tummelten sich diverse Alt-Thrasher und Jung-Metaller im
Dynamo, so dass es sehr schnell sehr voll und warm wurde. Der Sound
war bei allen Bands sehr gut, und auch die Lichtverhältnisse boten
einiges. Somit eine rundum gelungene Show, getragen von den vier
Bands.
Chronosphere
aus Griechenland überraschten mich. Die Jungs sind jung, willig und
haben den alten Bay Area-Thrash mit der Muttermilch getrunken. Der
Vierer spielte sich mit Kreator-Melodien, Testament Doppel-Gitarren
und vielen Metallica-Breaks in die dunklen Seelen der Anwesenden.
Dass dabei der Schlusstrack in Form von Motörheads «Ace Of Spades»
der schlechteste Track war, spricht eigentlich für die Qualität der
eigenen Lieder. Klar, hat man mit dem selbst komponierten Material
noch nicht das Hitpotenzial der nach ihnen spielenden Truppen, aber
mit einer agilen, sympathischen Bühnen-präsentation machte die Combo
vieles wieder wett. Der Spass schien den Musikern aus dem Arsch
raus. Die Mischung aus jugendlicher Unbekümmertheit und der Stolz auf
dieser Tour dabei zu sein, stachelte nicht nur die Herren auf,
sondern auch die vor der Bühne an und liess die Besucher schon mal
warm werden. Das Gute an Chronosphere ist, dass sie nicht unnötig
mit Härte versuchen gut zu sein, sondern "richtige" Songs geschrieben
haben, die interessant klingen und die man sich gerne wieder anhört.
Flotsam
And Jetsam Logisch änderte sich dann das Bild, als die
Arizona-Thrasher auf die Bühne kamen. Meine Güte, Flotsam And Jetsam
existieren seit den achtziger Jahren und haben mit den ersten beiden
Alben die Metal-Welt nachhaltig beeinflusst. Noch immer ist es Erik
A.K., der mit seiner Stimme Akzente setzt, der das Publikum animiert,
mit seinen Luft-Faustschlägen imaginär das Drum nachhämmert und mit
viel Power unermüdlich über die Stage fliegt. Alleine könnte Erik
aber nicht fungieren, dazu braucht er seine Partner, in Form der
beiden Gitarristen Michael Gilbert und Steve Conley, Bassist Michael
Spencer und Neutrommler Ken Mary (Fifth Angel, ehemals Alice Cooper,
House Of Lords, Chastain). Die beiden Sechssaiteninstrumentalisten
überboten sich dabei immer wieder. Traumhaft, wie sie sich die Parts
zuspielten und sich ab und zu auch duellierten. Hier stand klar die
Musik im Zentrum. Etwas, das dank der unglaublichen Energie von Ken
noch einen zusätzlichen Schub erhielt. Flotsam lieferten einen Gig der
Sonderklasse ab. Überzeugten mit einer ungezügelten Spielfreude und
konnten den dementsprechenden Applaus und Jubel für sich verbuchen.
Dies auch dank einer sensationellen Setliste, die mit «Dreams Of
Death», «Hammerhead», «Suffer The Masses» und dem Abschluss «No
Place For Disgrace» die klaren Highlights hatte. In der Form spielte
das Quintett als klarer Headliner auf. Ein Ass, das sie hoffentlich
bald ausspielen können.
Setliste: «Prisoner Of Time», «Desecrator»,
«Iron Maiden», «Hammerhead», «Demolition Man», «Suffer The Masses»,
«Dreams Of Death», «Recover», «No Place For Disgrace»
Destruction
Würden Destruction dem Gig von Flotsam And Jetsam noch eine Schippe
oben drauf legen können? Das Trio verliess seine ursprüngliche Form,
wuchs zum Quartett und holte mit dem Gonoreas-Gitarristen Damir
Eskic einen Malmsteen affinen Mann in die eigenen Reihen. Es klang
verdammt tight, was er zusammen mit Ur-Gitarrist Mike aus den Saiten
holte. Sicher kann man da noch ein bisschen an der Bühnenoptik
feilen, sprich das Posing zusammen noch optimieren, aber für eine
erste gemeinsame Tour sah das schon echt toll aus. Man sah es
Destruction an, dass sie den frischen Damir-Wind in zusätzliche
Power umwandelten und dadurch viel Positives gewonnen wurde. Was in
meinen Augen der Truppe einen noch viel grösseren Arschtritt verleiht,
ist Randy Black (ehemals Primal Fear und Annihilator), der seit ein
paar Monaten hinter der Schiessbude sitzt. Endlich hat die Band
wieder einen eher "organisch" spielenden Trommler,
der es versteht, die Tracks nicht nur wie eine Maschine runter zu
holzen, sondern dem Ganzen viel Leben einzuhauchen. Alleine dadurch
war dieser Gig wohl einer der besten, welchen ich von der deutschen
Thrash-Legende sah. Mit einem Hit-Potpourri, bestehend aus alten
Klassikern, konnte auch kaum was schief gehen. Mit «Curse The Gods»,
«Mad Butcher» (inklusive absolut geilem Solo-Duell zwischen Mike und
Damir!), «Life Without Sense» und dem unverwüstlichen «Bestial
Invasion» liess Bandleader Schmier nichts anbrennen. Er animierte
ohne Ende, liess die legendären, spitzen Schreie erschallen und
begrüsste das Publikum mit beinahe reinem Schweizerdeutsch. Der
Jubel kannte fast keine Grenzen und Destruction schafften es
tatsächlich, die tolle Leistung von Flotsam And Jetsam zu toppen.
Zumindest was die Reaktionen des Publikums anbetraf. Und! Die
Herren klangen an diesem Konzert um einiges besser, als auf den
gesamten letzten Studioscheiben. So muss live sein, so muss es auf
Konserve klingen!
Setliste: «Curse The Gods», «Release From Agony»,
«Nailed To The Cross», «Mad Butcher», «Dethroned», «Life Without Sense»,
«Total Desaster», «The Butcher Strikes Back», «Thrash Till Death»,
«Bestial Invasion»
Overkill So, meine Damen und Herren. Auch wenn
Flotsam And Jetsam überzeugten und Destruction mehr als nur positiv
überraschten, am Ende des Tages zeigte der New Jersey-Fünfer allen,
wo der Hammer hängt. Mit einer extrem tollen Lichtshow, einem fetten
Sound und einer Band, der die Spielfreude aus allen Poren
triefte,
konnte Sänger Bobby "Blitz" Ellsworth nichts falsch machen. Die
Setliste war vom Allerfeinsten. Mit «Electric Rattlesnake», «Hello
From The Gutter», «Elimination», «Deny The Cross», «Under One»,
«Bastard Nation», «Rotten To The Core» und endlich, ENDLICH wieder
«Feel The Fire», was soll da schief gehen? "Zürich, wie gehts?" und
"Dankeschön meine Freunde" waren nur einige Ansagen von Bobby in
fast akzentfreiem Deutsch. Einmal mehr war es seine spitzbübische
Art, die mit einer unglaublichen, räudigen Power vermischt wurde und
so Mister Ellsworth zum Sympathikus des Abends machte. Seine nach
wie vor aggressive, kreischende Stimme bleibt eine Offenbarung und
hat vom Glanz der alten Tage nichts eingebüsst. Trotz der harten,
heftigen Songs, war es diese liebenswürdige Art von "Blitz", welche
aus diesem Konzert nicht einen Machine Head artigen Hassbrocken
machte, sondern "good friendly violent fun" bot, der mit viel
positivem Spass eine unglaubliche Stimmung ins Dynamo pfefferte.
Dass sich der Sänger dabei bei einem seiner Sprints mal selber auf
den Hosenboden legte, war einmal mehr Situationskomik der typischen
Ellsworth-Art. "Do you
see that? What an Arschloch" war seine lapidare Bemerkung, gefolgt
von einem seiner heiseren Lacher. Neben Bobby war es D.D. Verni,
das einzige Urmitglied, der mit seinen vier Saiten für einen
mächtigen Druck sorgte. Seine Bühnenpräsenz glich derjenigen von
Gene Simmons, denn der mit italienischem Blut versehene Bassist besitzt
das gleiche Charisma wie der KISS-Musiker. Zusammen mit Neutrommler
Jason Bittner (kam 2017 von Flotsam And Jetsam) wurde ein
Rhythmusteppich gelegt, auf dem sich die beiden Gitarristen Dave
Linsk und Derek Tailer austoben konnten. Speziell Derek konnte mit
seinen Gestiken und Mimiken wieder Punkte sammeln und wechselte im
Sekundentakt von bösartigen Blicken hin zu einem breiten Grinsen. Dave
spielte wie immer ein sehr solides Brett mit tollen solistischen
Elementen. Jason muss speziell erwähnt werden. Neben Ken Mary und
Randy Black drosch auch er mit viel Kraft auf sein Instrument ein,
und es war eine Augenweide und ein Hörgenuss, den Dreien zuzusehen
und zuzuhören.
Overkill sind eine verdammte Macht und in
dieser Form unschlagbar. Was die Herren noch immer auf der Bühne
abliefern, sucht Seinesgleichen und scheint immer wieder wie nicht
von dieser Welt zu sein. Dabei sind es nicht nur die schon
angetönten Klassiker, sondern auch neueres Material, wie der Opener
«Last Man
Standing»,
oder «Mean, Green Killing Machine» und «Ironbound», welche sich
hervorragend einordnen lassen und beweisen, dass das Quintett noch
heute in der Lage ist, hervorragende Lieder zu komponieren. Das
Publikum feierte den Fünfer nach allen Regeln der Kunst ab und
skandierte nach «Hello From The Gutter» zum ersten Mal mit lauten
"Overkill"-Rufen, wer für sie der heutige Headliner war und sein
musste.
Habe ich die Jungs jemals schlecht gesehen? Nein,
denn keine andere Band besitzt diese unglaubliche Mischung aus
Brutalität, Melodie, technischer Raffinesse und die nette,
begeisterungsfähige, mitreissende Art wie Bobby und seine
Mannschaft. Auch Slayer, Megadeth, Death Angel und Testament nicht!
Sie kamen, sahen und traten allen in den Arsch und beendeten den
Abend mit ihrem Schlachtruf "We don't care what you say! FUCK YOU".
Noch Fragen?
Setliste: «Last Man Standing», «Electric Rattlesnake»,
«Hello From The Gutter», «Elimination», «Deny The Cross», «Distortion»,
«Necroshine», «Under One», «Bastard Nation», «Mean, Green, Killing Machine»,
«Feel The Fire», «Rotten To The Core» - «Ironbound»,
«Fuck You/Welcome To The Garden State/Fuck You»
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