Livereview: Overkill - Destruction - Flotsam And Jetsam - Chronosphere

21. März 2019, Zürich – Dynamo
By Tinu
Endlich wieder einmal eine Tour, die nicht irgendwelche "langweilige" Support-Bands ans Tageslicht bringt und dadurch das Warten auf den Headliner zur Tortur macht. Selbst die mir bis anhin unbekannten Chronosphere hinterliessen einen sehr guten Eindruck, und über die Qualitäten von Destruction und Flotsam And Jetsam muss eh nicht diskutiert werden.

Es goss wie aus Kübeln, als ich den Zürcher Raum betrat, und eigentlich rechnete ich an diesem Montagabend mit einem sehr überschaubaren Zuschaueraufmarsch. Aber! Es tummelten sich diverse Alt-Thrasher und Jung-Metaller im Dynamo, so dass es sehr schnell sehr voll und warm wurde. Der Sound war bei allen Bands sehr gut, und auch die Lichtverhältnisse boten einiges. Somit eine rundum gelungene Show, getragen von den vier Bands.

Chronosphere aus Griechenland überraschten mich. Die Jungs sind jung, willig und haben den alten Bay Area-Thrash mit der Muttermilch getrunken. Der Vierer spielte sich mit Kreator-Melodien, Testament Doppel-Gitarren und vielen Metallica-Breaks in die dunklen Seelen der Anwesenden. Dass dabei der Schlusstrack in Form von Motörheads «Ace Of Spades» der schlechteste Track war, spricht eigentlich für die Qualität der eigenen Lieder. Klar, hat man mit dem selbst komponierten Material noch nicht das Hitpotenzial der nach ihnen spielenden Truppen, aber mit einer agilen, sympathischen Bühnen-präsentation machte die Combo vieles wieder wett. Der Spass schien den Musikern aus dem Arsch raus. Die Mischung aus jugendlicher Unbekümmertheit und der Stolz auf dieser Tour dabei zu sein, stachelte nicht nur die Herren auf, sondern auch die vor der Bühne an und liess die Besucher schon mal warm werden. Das Gute an Chronosphere ist, dass sie nicht unnötig mit Härte versuchen gut zu sein, sondern "richtige" Songs geschrieben haben, die interessant klingen und die man sich gerne wieder anhört.


Flotsam And Jetsam
Logisch änderte sich dann das Bild, als die Arizona-Thrasher auf die Bühne kamen. Meine Güte, Flotsam And Jetsam existieren seit den achtziger Jahren und haben mit den ersten beiden Alben die Metal-Welt nachhaltig beeinflusst. Noch immer ist es Erik A.K., der mit seiner Stimme Akzente setzt, der das Publikum animiert, mit seinen Luft-Faustschlägen imaginär das Drum nachhämmert und mit viel Power unermüdlich über die Stage fliegt. Alleine könnte Erik aber nicht fungieren, dazu braucht er seine Partner, in Form der beiden Gitarristen Michael Gilbert und Steve Conley, Bassist Michael Spencer und Neutrommler Ken Mary (Fifth Angel, ehemals Alice Cooper, House Of Lords, Chastain). Die beiden Sechssaiteninstrumentalisten überboten sich dabei immer wieder. Traumhaft, wie sie sich die Parts zuspielten und sich ab und zu auch duellierten. Hier stand klar die Musik im Zentrum. Etwas, das dank der unglaublichen Energie von Ken noch einen zusätzlichen Schub erhielt. Flotsam lieferten einen Gig der Sonderklasse ab. Überzeugten mit einer ungezügelten Spielfreude und konnten den dementsprechenden Applaus und Jubel für sich verbuchen. Dies auch dank einer sensationellen Setliste, die mit «Dreams Of Death», «Hammerhead», «Suffer The Masses» und dem Abschluss «No Place For Disgrace» die klaren Highlights hatte. In der Form spielte das Quintett als klarer Headliner auf. Ein Ass, das sie hoffentlich bald ausspielen können.

Setliste: «Prisoner Of Time», «Desecrator», «Iron Maiden», «Hammerhead», «Demolition Man», «Suffer The Masses», «Dreams Of Death», «Recover», «No Place For Disgrace»


Destruction
Würden Destruction dem Gig von Flotsam And Jetsam noch eine Schippe oben drauf legen können? Das Trio verliess seine ursprüngliche Form, wuchs zum Quartett und holte mit dem Gonoreas-Gitarristen Damir Eskic einen Malmsteen affinen Mann in die eigenen Reihen. Es klang verdammt tight, was er zusammen mit Ur-Gitarrist Mike aus den Saiten holte. Sicher kann man da noch ein bisschen an der Bühnenoptik feilen, sprich das Posing zusammen noch optimieren, aber für eine erste gemeinsame Tour sah das schon echt toll aus. Man sah es Destruction an, dass sie den frischen Damir-Wind in zusätzliche Power umwandelten und dadurch viel Positives gewonnen wurde. Was in meinen Augen der Truppe einen noch viel grösseren Arschtritt verleiht, ist Randy Black (ehemals Primal Fear und Annihilator), der seit ein paar Monaten hinter der Schiessbude sitzt. Endlich hat die Band wieder einen eher "organisch" spielenden Trommler, der es versteht, die Tracks nicht nur wie eine Maschine runter zu holzen, sondern dem Ganzen viel Leben einzuhauchen. Alleine dadurch war dieser Gig wohl einer der besten, welchen ich von der deutschen Thrash-Legende sah. Mit einem Hit-Potpourri, bestehend aus alten Klassikern, konnte auch kaum was schief gehen. Mit «Curse The Gods», «Mad Butcher» (inklusive absolut geilem Solo-Duell zwischen Mike und Damir!), «Life Without Sense» und dem unverwüstlichen «Bestial Invasion» liess Bandleader Schmier nichts anbrennen. Er animierte ohne Ende, liess die legendären, spitzen Schreie erschallen und begrüsste das Publikum mit beinahe reinem Schweizerdeutsch. Der Jubel kannte fast keine Grenzen und Destruction schafften es tatsächlich, die tolle Leistung von Flotsam And Jetsam zu toppen. Zumindest was die Reaktionen des Publikums anbetraf. Und! Die Herren klangen an diesem Konzert um einiges besser, als auf den gesamten letzten Studioscheiben. So muss live sein, so muss es auf Konserve klingen!

Setliste: «Curse The Gods», «Release From Agony», «Nailed To The Cross», «Mad Butcher», «Dethroned», «Life Without Sense», «Total Desaster», «The Butcher Strikes Back», «Thrash Till Death», «Bestial Invasion»


Overkill
So, meine Damen und Herren. Auch wenn Flotsam And Jetsam überzeugten und Destruction mehr als nur positiv überraschten, am Ende des Tages zeigte der New Jersey-Fünfer allen, wo der Hammer hängt. Mit einer extrem tollen Lichtshow, einem fetten Sound und einer Band, der die Spielfreude aus allen Poren triefte, konnte Sänger Bobby "Blitz" Ellsworth nichts falsch machen. Die Setliste war vom Allerfeinsten. Mit «Electric Rattlesnake», «Hello From The Gutter», «Elimination», «Deny The Cross», «Under One», «Bastard Nation», «Rotten To The Core» und endlich, ENDLICH wieder «Feel The Fire», was soll da schief gehen? "Zürich, wie gehts?" und "Dankeschön meine Freunde" waren nur einige Ansagen von Bobby in fast akzentfreiem Deutsch. Einmal mehr war es seine spitzbübische Art, die mit einer unglaublichen, räudigen Power vermischt wurde und so Mister Ellsworth zum Sympathikus des Abends machte. Seine nach wie vor aggressive, kreischende Stimme bleibt eine Offenbarung und hat vom Glanz der alten Tage nichts eingebüsst. Trotz der harten, heftigen Songs, war es diese liebenswürdige Art von "Blitz", welche aus diesem Konzert nicht einen Machine Head artigen Hassbrocken machte, sondern "good friendly violent fun" bot, der mit viel positivem Spass eine unglaubliche Stimmung ins Dynamo pfefferte. Dass sich der Sänger dabei bei einem seiner Sprints mal selber auf den Hosenboden legte, war einmal mehr Situationskomik der typischen Ellsworth-Art. "Do you see that? What an Arschloch" war seine lapidare Bemerkung, gefolgt von einem seiner heiseren Lacher. Neben Bobby war es D.D. Verni, das einzige Urmitglied, der mit seinen vier Saiten für einen mächtigen Druck sorgte. Seine Bühnenpräsenz glich derjenigen von Gene Simmons, denn der mit italienischem Blut versehene Bassist besitzt das gleiche Charisma wie der KISS-Musiker. Zusammen mit Neutrommler Jason Bittner (kam 2017 von Flotsam And Jetsam) wurde ein Rhythmusteppich gelegt, auf dem sich die beiden Gitarristen Dave Linsk und Derek Tailer austoben konnten. Speziell Derek konnte mit seinen Gestiken und Mimiken wieder Punkte sammeln und wechselte im Sekundentakt von bösartigen Blicken hin zu einem breiten Grinsen. Dave spielte wie immer ein sehr solides Brett mit tollen solistischen Elementen. Jason muss speziell erwähnt werden. Neben Ken Mary und Randy Black drosch auch er mit viel Kraft auf sein Instrument ein, und es war eine Augenweide und ein Hörgenuss, den Dreien zuzusehen und zuzuhören.

Overkill sind eine verdammte Macht und in dieser Form unschlagbar. Was die Herren noch immer auf der Bühne abliefern, sucht Seinesgleichen und scheint immer wieder wie nicht von dieser Welt zu sein. Dabei sind es nicht nur die schon angetönten Klassiker, sondern auch neueres Material, wie der Opener «Last Man Standing», oder «Mean, Green Killing Machine» und «Ironbound», welche sich hervorragend einordnen lassen und beweisen, dass das Quintett noch heute in der Lage ist, hervorragende Lieder zu komponieren. Das Publikum feierte den Fünfer nach allen Regeln der Kunst ab und skandierte nach «Hello From The Gutter» zum ersten Mal mit lauten "Overkill"-Rufen, wer für sie der heutige Headliner war und sein musste.

Habe ich die Jungs jemals schlecht gesehen? Nein, denn keine andere Band besitzt diese unglaubliche Mischung aus Brutalität, Melodie, technischer Raffinesse und die nette, begeisterungsfähige, mitreissende Art wie Bobby und seine Mannschaft. Auch Slayer, Megadeth, Death Angel und Testament nicht! Sie kamen, sahen und traten allen in den Arsch und beendeten den Abend mit ihrem Schlachtruf "We don't care what you say! FUCK YOU". Noch Fragen?

Setliste: «Last Man Standing», «Electric Rattlesnake», «Hello From The Gutter», «Elimination», «Deny The Cross», «Distortion», «Necroshine», «Under One», «Bastard Nation», «Mean, Green, Killing Machine», «Feel The Fire», «Rotten To The Core» - «Ironbound», «Fuck You/Welcome To The Garden State/Fuck You»