Es ist eine Erfolgsgeschichte ohnegleichen. Innert zwei, drei
Jahren hat sich die Paganfest-Tour zu einer festen Grösse in der
europäischen (und kurz darauf auch amerikanischen) Konzertlandschaft
gemausert. Anfänglich ausschliesslich für Pagan und Viking
Metal-Bands konzipiert öffnete sich das Genre-Spektrum in letzter
Zeit, so dass neben den üblichen Trinkhorn-Bangern dieser Tage auch
Holzbein-Rocker und Gladiatoren-Mosher auf ihre Kosten kommen. Eines
aber ist geblieben: Auch anno 2009 steht der Name Paganfest für
einen ganzen Abend energiegeladener Auftritte und einem Publikum in
Feierlaune. Egal ob die Todesrömer Ex Deo, die Spasspiraten Alestorm,
Unleashed mit ihrem Viking/Death, die unkategorisierbaren Reiter
oder die Party-Garanten Korpiklaani, ein praktisch ausverkauftes Z7
feierte sie alle ab, sang lautstark mit oder liess einfach die Birne
rotieren. Ob der Name bei solcher Stilvielfalt immer noch passt, das
sei dahingestellt. Fakt jedenfalls ist, dass das auch die aktuellste
Ausgabe des Paganfests wohl keinen Fan enttäuscht hat nach Hause
gehen lassen.
Swashbuckle
Wenn es dann überhaupt Verlierer an diesem Abend gab, dann waren
das Swashbuckle. Die Piraten-Thrasher aus New Jersey hatten an
diesem Abend nämlich das Pech, vor einer noch ziemlich leeren Halle
auftreten zu müssen. Grund dafür war dabei weniger ihr zugegeben
etwas rumpelnder Auftritt als vielmehr der fleissigen Konzertgängern
leider nicht unbekannte Vorfall, dass die Band früher als auf der
Z7-Homepage und dem Ticket angekündigt auf die Bretter steigen
musste. Kommt dazu noch eine gleich zu Beginn austeigende Gitarre,
so ist der Schlamassel natürlich perfekt. Weder von Wind noch Wetter
lassen sich echte Seebären aber unterkriegen, und so thrashten
Commodore Redrum an der Klampfe und Captain Crashride hinter den
Kanonen, angeführt von Admiral Nobeard sofort mit voller Kraft
voraus. Während man musikalisch eher wenig überzeugte (von Melodie
scheint bei dem Trio niemand was zu halten), brillierten die
amerikanischen Freibeuter mit klugen Sprüchen („Drink beer, fuck
bitches!“) und ihren beiden Maskottchen Papagei & Haifisch, welche
zu „Cruise Ship Terror“ die wenigen Anwesenden zu Circle-Pits
animierten. Eine Band, die durch ihre liebevollen Kostüme und dem
Spektakel absolut sehens-, jedoch nicht wirklich hörenswert gewesen
ist. (kis)
Ex Deo
Die Recken von Kataklysm haben sich unter dem römischen Banner mit
Namen Ex Deo eine zweite Spielwiese erschaffen. Dort können sie
gewisse Elemente, die vielleicht bei ihrer Hauptband nicht
reinpassen, verarbeiten und sich austoben. Auf ihrem
Debutalbum
haben sie das Thema des alten Roms aufgegriffen. „Romulus“ heisst
das Machwerk und ist wirklich ein kraftvolles Album geworden. Die
Bühne im Z7 war mit römischen Dekoartikeln geschmückt, und nach
einem Intro kamen die Jungs auf die Bretter. Maurizio war in einer
Lederpanzerung gekleidet und mimte den römischen Feldherrn. Vom
ersten Ton an war klar: „The Legions Are Marching“. Gewaltig,
wuchtig und düster kam das Ganze daher. Das wurde auch vom Licht her
gut umgesetzt, obwohl es dort ein paar Probleme gab, bei denen
gewisse Einsätze etwas verpasst wurden. Musikalisch ist das Projekt
sicher weniger rasend als die Hauptcombo, aber nichtsdestotrotz ist
die gewohnte Kraft und Power da. Die Jungs haben einfach eine
unheimliche Tightheit, und ein kompaktes Zusammenspiel daraus
resultiert dann ihre Power. Die Band wurde gut gefeiert, aber nicht
gerade frenetisch. Der Sound war einfach schleppend, düster und
theatralisch gewaltig, wie wohl auch das alte Rom zu seiner Zeit
war. An dem Auftritt gab es nicht wirklich was auszusetzen. „Veni,
Vidi, Vici“, würden die alten Römer wohl dazu sagen. (and)
Alestorm
Direkt aus dem Kolosseum ging’s dann mit Alestorm wieder zurück auf
hohe See. Hatten die Schotten in der Vergangenheit live nicht gerade
die besten Referenzen erworben (zu unpräzise!), konnten das Trio um
den feixenden Steuermann Chris Bowes an diesem Abend alle vorherigen Eindrücke revidieren. Tight und energisch wurde mit „The Quest“, dem
Opener ihres Zweitlings „Black Sails At Midnight“ in die
gleichzeitig dreckige und bombastische Welt von Säbeln, Augenklappen
und Kanonenkugeln eingetaucht, und schon beim folkigen „Wenches And
Mead“ hatte man das langsam ziemlich volle Z7 in der Tasche. Optisch
zwar weniger Piraten-like (alle oben ohne), dafür umso rumgetränkter
im Sound animierten die Briten mit Songs wie „Nancy The Tavern Wench“,
„That Famous Ol' Spiced“ oder “Kheelhauled“ die Anwesenden zum
Schunkeln und Johlen. Davon angesteckt gesellten sich auch die
beiden Swashbuckle-Maskottchen auf die Bretter, und selbst Admiral
Nobeard liess es sich nicht nehmen, während „Over The Seas“
aufzutauchen. Dass man sich dem mitgröhlkompatiblen Sound Alestorms
nach ein paar Bierchen nicht mehr erwehren kann, ist zwar schon seit
ihrem Debut „Captain Morgan's Revenge“ klar geworden, doch live
hatten es die Jungs bis anhin noch nie hingekriegt, dermassen
abzuräumen. Nicht zuletzt durch die Eingliederung ihres neuen
Bassisten Gareth Murdoch, welcher agil und druckvoll aufspielt,
wurde das wohl bewerkstelligt. Mit dem rasanten „Captain Morgan's
Revenge“ und dem singalong-provozierenden „Wolves Of The Sea“ fand
so ein fulminanter Raubzug viel zu früh sein Ende, nach welchem
erstens klar wurde, dass das Duell der Piraten-Metaller ganz klar
von Alestorm gewonnen wurde und zweitens die schottischen Freibeuter
nach diesem Gig nicht wenige neue Crew-Mitglieder für weitere
Schandtaten gefunden haben werden. (kis)
Unleashed
Das gute an der Zusammenstellung der Bands in diesem Billing war die
Abwechslung. Fröhliche Bands übergaben das Mikro der ernsten
Fraktion und anders herum. An vierter Stelle war es an der Zeit,
wieder einmal die härtere Fraktion zu Wort kommen zu lassen. Mit den
schwedischen Unleashed kam eine seit 20 Jahren bestehende Old
School-Death Metal-Band zum Zug. Es gab zwar Stimmen, die sagten,
dass sie nicht wirklich ins Billing passten, aber ich bin da etwas
anderer Meinung. Sie selber bezeichnen ihren Stil als Viking/Death
Metal, und auch, was die Texte anbelangt, ist das purer, ernster
Pagan und Viking. Dank ihrer langjährigen Erfahrung boten sie eine
solide und professionelle Show. Double Base und Riffs boten einen
harten, mal schnellen und mal auch bedächtig schleppenden
Unterboden, der mit der harten Stimme von Johnny kraftvoll ergänzt
wurde. Die Band hatte sichtlich Freude daran, wieder mal auf
Schweizer Boden zu spielen und jagten Hit um Hit in die gut
vorgeölten Gehörmuscheln der Zuschauer. Auch ihr Stageacting war
routiniert: Es wurde gebangt und gerockt. Man merkte deutlich, dass
es Einige in den Fanreihen gab, die mit dem Death Metal des
schwedischen Hammer-Battalions nicht warm wurden, und die Reihen
lichteten sich etwas. Gut, es kann auch daran liegen, dass es
wirklich heiss in der Halle war und sich viele nach bereits 3 Acts
mal frische Luft und Getränke gönnen wollten. Mit „Death Metal
Victory“ beendeten sie einen wirklich guten und satten Gig
standesgemäss und machten Platz für die nächste, eher lustige
Formation. (and)
Die Apokalyptischen Reiter
Grinsen statt Grimmen und Feiern statt Frösteln. Nach der eher
anstrengenden Ernstigkeit von Unleashed kletterte die Stimmung
sofort wieder in den oberen Bereich des Party-Barometers, denn mit
„Wir sind das Licht“ von ihrer letzten Scheibe „Licht“ (2008)
entfesselten die Apokalyptischen Reiter einen metallischen Sturm,
der bis ans Ende ihrer einstündigen Show nicht abflauen sollte.
Egal, ob “Revolution“, „Es wird schlimmer“ oder „Riders On The
Storm“, das Publikum wie die Band wirken völlig von der Rolle,
sprangen, tanzten und gröhlten mit, was das Zeug hielt (was einmal
mit unglaublichen 113 dB zu Buche schlug). Mit ihrem extremen und
dennoch melodiösen, poetischen Metal schienen die Weimarer den Nerv
des Publikums total zu treffen, was auch auf die Reiter selbst
ansteckend wirkte. Der Doktor in seiner Latex-Kluft hielt es selten
lange hinter seinem, vom Bühnennebel oftmals völlig verschleierten
Keyboard mit Schaukel aus und gab zusammen mit einem stimmlich
hervorragenden Fuchs am
Bühnenrand den Animator, während Volk-Man am
Bass zusammen mit dem neuen Klampfenvergewaltiger Ady die Flanken
beackerte. Materialmässig hielt man sich dabei fast ausschliesslich
an die kreativen Ergüsse der letzten paar Jahre, einzig das
brachial-gewaltige „Licked By The Tongues Of Pride“ von „All You
Need Is Love“ (2000) schaffte es aus den alten Tagen ins Set.
Natürlich durften bei den Reitern auch die obligaten Showelemente
nicht fehlen: Archaischer Percussion-Teil mit Merlin von Eluveitie (Drum-Tech
auf der Tour) hinter den Kesseln, eine holde Jungfrau, welche zu den
Klängen von „Seemann“ besungen und danach auf einem Gummiboot vom
Publikum aus der Halle (!) getragen wurde und aufblasbare, schwarze
Gummi-Pferde als Alternative zu den sonst so beliebten Bällen. Dazu
noch die Bandhymne „We Will Never Die“, und die absolute „Reitermania“
war perfekt! Natürlich gäbe es noch dutzende Tracks zu spielen, doch
der Zeitplan war unumstösslich, und so reichte es danach nur noch
für eine kurze Verbeugung und es entstand der Eindruck, dass die
Reiter in der Schweiz selten so euphorisch empfangen wurden wie an
diesem Abend. Die nachfolgenden Korpiklaani konnten nach diesem
metallischen Exzess nur noch blass wirken. (kis)
Korpiklaani
Nach der Reitermania war es an der Zeit, die letzte Band des
Abends auf die Stage zu holen. Wem nicht klar war, wer es ist,
erkannte es sofort am mit einem grossen Geweih verzierten
Mikroständer: Es war Zeit für den Klan des Waldes. Ich fand es
passend, dass man als Abschluss etwas Folk Metal geniessen konnte.
Schon wenn man den Blick aufs Drumpodest richtete, sah man, um was
es ging. Die Finnen hatten wohl Angst, auf der Bühne verdursten zu
müssen. Aber sie haben nicht ans Z7-Team gedacht, welches reichlich
Gerstensaft für ihre trockenen Kehlen bereitgestellt hatte. Die
Waldbewohner stapften mit richtig fettem Grinsen im Gesicht auf die
Bühne und legten gleich gut und energiegeladen los. Die Show wurde
mit ihrer Single „Wodka“ eröffnet. Sie schöpften aus dem Vollen und
boten gute Korpiklaani-Qualität. Was Songauswahl und auch Leistung
angeht, konnten sie locker mit ihren fünf Vorgängern mithalten. Sie
waren super gut gelaunt, und das sprang auch aufs Publikum über: Es
wurde mitgesungen, getanzt und gemosht. Die Haare und die Fäuste
flogen nur so durch die Luft, dass es eine wahre Freude war,
zuzuschauen. Auch das Grinsen der Bandmember wurde zusehends
breiter. Mit Ihrem ‚Gute Laune’-Humpa Metal konnten sie die letzten
Kraftreserven aus den Fanreihen rausziehen. Musikalisch
gab’s nichts
auszusetzen. Dank ihrer Tourfreudigkeit sind sie bestens aufeinander
eingespielt und boten ein absolut routiniertes Set. Man läuft
natürlich etwas Gefahr, festgefahren zu wirken, aber an diesem Abend
hatte ich den Eindruck keineswegs. Bei den ruhigeren Songs merkte
man dem Publikum schon an, dass ihnen die Müdigkeit in den Knochen
steckte, die Stimmung sank immer etwas ab. Die Band konnte das aber
sofort wieder mit den richtigen Party-Songs auffangen. Von Stück zu
Stück fing die Stimmung immer mehr an zu kochen. Band und Zuschauer
peitschten sich gegenseitig zu Höchstleistungen auf. Gegen Ende
tobte der Mob - was will man mehr als amtlicher Feiersound mit
harter, treibender Untermalung? Die Waldschrate aus dem hohen Norden
wussten einfach genau, wie sie die Leute auch bis zum Schluss
mobilisieren konnten. Ein absolut würdiger Abschluss eines wirklich
zufriedenstellenden Abends. Horns Up! (and)
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