Wir – meine fotografisch begabte Begleitung und ich – stellen uns
schon mal auf einen Abend voller axt- und trinkhornschwingender und
mit Fell und Leder angetaner Jugendlicher ein – und werde dann auch
bei Ankunft im Kofmehl nicht enttäuscht. Der Kutten-Count des Abends
liegt auch nach angestrengter Suche meinerseits bei armseligen zwei,
dafür sieht man überall Eluveitie-, Alestorm- und Ex Deo-Shirts und
eben viel totes Getier. Obwohl schon um 17 Uhr Türöffnung ist und
wir einen Wochentag haben, steht der Parkplatz voll mit ebenfalls zu
Eluveitie-Werbeträgern umgestalteten Autos und drinnen drängt man
sich schon an der Bar und der Bühne und stellt sich auf einen
kleinen musikalischen Marathon von immerhin sechs Bands an einem
Abend ein.
Bornholm
Um 18 Uhr wird daher die erste Band Bornholm zwar noch recht
verhalten aber immerhin schon von einigen Wikingern begrüsst. Die
Ungarn lassen sich keineswegs von der anfänglichen Zurückhaltung des
Publikums anstecken oder gar verunsichern, sondern bieten eine
glaubwürdige Show mit viel Pathos und grossen Gesten, die von der
grandiosen Bühnendeko ganz in schwarz-rot und den martialischen
Lederoutfits mit Nieten und Schnallen perfekt unterstrichen werden.
Mit jedem Song wurden die Zuschauer enthusiastischer, die
authentische Band kann immer mehr überzeugen und begeistern. Leider
ist der Sound nicht ganz so abgemischt, wie man es sich wünschen
würde, die Stimme ist durchgängig zu leise, so dass der Sänger mehr
durch seine Performance und seinen beim Headbangen sichtbaren
Undercut auffällt als durch seine Stimme. Dennoch hinterlassen
Bornholm– die sich seltsamerweise nach einer dänischen Insel benannt
haben – mit ihrem kurzen Auftritt einen sehr guten Eindruck.
Wolfchant
Als zweite Band dürfen die Pagan-Heads Wolfchant begrüssen, die nach
einem pompösen Intro gleich mit einer technischen Panne konfrontiert
sind, was aber allseitig mit viel Gelassenheit und Humor überspielt
wird. Als die Technik dann wieder mitmacht, reisst die Band sofort
alle mit ihrer Energie und ihrem Enthusiasmus mit. Wolfchant haben
ein klasse Alleinstellungsmerkmal: Sie haben zwei Sänger! Auf
kleineren Bühnen hat die Band wohl einige
Schwierigkeiten, denn mit
der Besetzung zweimal Gesang, zweimal Gitarre, Bass, Drums und
Keyboard – die letzteren drei glücklicherweise je nur einmal
vorhanden – kommt man immerhin auf sieben gestandene Mannen, von
denen vor allem die Sänger nicht nur durch ihre Statur, sondern auch
durch ihr Charisma viel Platz in Anspruch nehmen. Da kommt man sich
ab und an mal ein wenig in die Quere, aber Wolfchant machen ihren
Job nicht erst seit gestern und erweisen sich als super eingespielte
Kampftruppe. Mario „Lokhi“ Möginger kreischt und growlt, dass einem
die Ohren wackeln, Michael „Nortwin“ Seifert singt clean mit
ergreifenden, tief-sonorer Stimme, und wenn die beiden einen Refrain
gemeinsam anstimmen, ist Gänsehaut-Feeling angesagt! Die Texte von
Wolfchant sind teils englisch, teils aber auch deutsch, und vor
allem im letzteren Fall werden die beiden Sänger vom Publikum
lautstark unterstützt. Auch der instrumentale Teil der Truppe
liefert eine hervorragende Leistung ab und das befellte Publikum
bekundet entsprechende Begeisterung, ab dem 3. Song bildet sich
sogar ein erster kleiner Moshpit. Vor allem der letzte Song „A Pagan
Storm“ erweist sich als einer der Gassenhauer der Truppe, genauso
wie das Trinklied „Never Too Drunk“, das sich zu einem immer
schneller werdenden Tempo steigert, bis man taumelnd: „Genug, genug,
lasst uns ausruhen!“ ausrufen möchte... Zum Schluss verweist man
noch auf das neue Album „Element“ und lässt ein angeheitertes und
beglücktes Kofmehl zurück.
Setlist: Devouring Flames, Embraced by Fire, Eremit, Element, Never
Too Drunk, Autumns Breath , A Pagan Storm
Ex Deo
Mit der nächsten Band bleiben wir beim Thema Wölfe, wenn auch die
Region des Geschehens in den Süden verlegt wird. Ex Deo, die sich
ganz dem antiken Rom – dessen sagenhafter Gründer Romulus von einer
Wölfin gesäugt worden sein soll – verschrieben haben, nehmen die
Bühne im Sturm ein. Der Centurio Maurizio Iacono führt seine
Legionäre mit Pathos und Leidenschaft an und die Menge tobt vor
Begeisterung. Stilecht in Lederoutfits, die römischen
Körperpanzerungen nachempfunden sind – im Falle des Sängers mit
Unterrock aus Samt und Schienbeinschonern – überzeugen die Kanadier
durch druckvollen, mächtigen Sound, der viel mehr als die beiden
anderen Bands die Heimat der beteiligten Musiker im Death Metal
belegt. Ex Deo ist aber längst nicht mehr nur das Nebenprojekt der
Jungs von Kataklysm, sondern hat sich seine ganz eigene Fangemeinde
innerhalb der Pagan-Szene erarbeitet, wie das Publikum mit seinen
Schreien und auch der Anteil an Ex Deo-Shirts eindeutig beweisen.
Dass die Mannen nicht erst seit gestern Musik machen, zeigen vor
allem die tighte Spielweise, die äusserst professionelle Performance
und die genialen Gitarrensoli. Da nimmt man auch kaum wahr, dass Ex
Deo im Vergleich zu den beiden vorherigen Bands ganz schön wenig
Bühnen-Klimbim rumstehen haben, zwei bescheidene Standarten und ein
Backdrop sind schon alles. Mehr ist auch nicht nötig, denn das
Kofmehl haben sie durch ihre Präsenz auch so komplett gefesselt.
Setlist: Intro (Preliator; Original Artist: Globus), I, Caligvla,
The Tiberius Cliff (Exile to Capri), Pollice Verso (Damnatio ad
Bestia), The Final War (The Battle of Actium), Per Oculos Aquila,
Romulus
Thyrfing
Nach den Römern gehört die Bühne den Schweden von Thyrfing, deren
neues Album „De Ödeslösa“ im CD.Review hier bei Metal Factory starke – und
verdiente – 8 Punkte eingeheimst hat. Und auch live können die
Skandinavier voll überzeugen – für uns mit Abstand die beste Band
des ganzen Abends! Mit schwarzem Warpaint versehen und in
abgetragenes Leder gehüllt, wird dem Publikum eine Wand aus
Schwärze, Düsternis und Urkraft (übrigens der
Name des 2000
erschienenen Albums von Thyrfing) entgegengeschleudert. Dabei kommen
die Jungs trotzdem unglaublich souverän und locker rüber. Der
einzige Wermutstropfen am Auftritt von Thyrfing ist, dass man leider
die tragenden Melodielinien, die für ihren Sound so zentral sind,
kaum ausmachen kann, und auch die sehr coolen, melodiösen
Backing-Vocals ziemlich untergehen. Die Pagan-Heads scheinen meine
Begeisterung für die Schweden nicht ganz so enthusiastisch zu
teilen, ist die Menge doch um einiges verhaltener als bei den
vorherigen Bands, wahrscheinlich, weil Thyrfing eben etwas düsterer
sind und Schunkelmusik von ihnen so weit entfernt ist wie Berlusconi
vom heiligen Stuhl.
Setlist: Mot Helgrind, The Voyager, Kaos Återkomst, Griftefrid,
Mjölner, Veners Förfall, Far åt Helvete, Storms of Asgard, Going
Berserker
Arkona (kein Bild)
Das, was Thyrfing an Ethno- und Folk-Elementen fehlt, hat die
nächste Band im Überfluss: Arkona stürmen als nächstes die Bretter.
Angetan mit traditionellen Gewändern in bunten Farben machen die
Russen alles, um die folk-begeisterten Zuschauer für sich zu
gewinnen. Vor allem Sängerin Masha „Scream“ ist wie immer ein
einziges Energiebündel, springt ungeachtet des gigantischen Felles
auf ihren Schultern wie ein Derwisch über die Bühne und animiert das
Publikum mit wildem Gebaren und Schreien zum Mitmachen. An
ungewöhnlichen Instrumenten wird einiges geboten, neben der
gewohnten Gitarre, Bass und Drums bekommt man einen Dudelsack zu
hören, dann auch mal Flöten und Masha schlägt sogar selbst die
Trommel. Ein schon reichlich geschafftes aber sehr zufriedenes
Publikum harrt nach dem Auftritt dem Headliner Alestorm.
Setlist: Kolo Navi, Zakliatic, Goi, Rode, Goi!, Sva, Pamvat’,
lay’sja Rus’!, Arkona, Stenka na Stenku, Yarilo
Alestorm
Als letzte Band des langen Pagan-Abends entern die Piraten von
Alestorm die Bühne und werden mit lautstarkem Jubel empfangen. Kaum
eine Band macht so viel Spass wie die Schotten mit ihrem „True
Scottish Pirate Metal“! Es wird geschunkelt, gemosht und mitgesungen
was das Zeug hält. So sind natürlich fast 90 Minuten Spielzeit nicht
nur für die Musiker eine Herausforderung, sondern verlangen auch dem
geneigten Fan die letzten Energiereserven ab. So ziehen denn auch
wir geschwächt von einem Abend voller Wikinger, Piraten, Krieger und
römischer Feldherren von dannen und fühle mich kulturell bereichert.
Setlist: The Quest, The Sunk’n Norwegian, Over the Seas, Shipwrecked,
Nancy the Tavern Wench, irate Song, Back Through Time, Wenches &
Mead, Keelhauled, Rumpelkombo, Captain Morgan’s Revenge, Rum
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