Livereview: Pain Of Salvation
01. März 2007, Z7 Pratteln
By Kissi
Normalerweise kommt der geneigte Metalfan nicht drum herum, wenigstens nicht in Bezug auf Tourneen, die in den USA lebenden Stromgitarren-Liebhaber zu beneiden. Wie viele hochkarätige Ami-Bands bringen es doch einfach nicht fertig, einmal in good old Europe zu spielen, man denke nur mal an die diesjährige Konzertreise Van Halens zusammen mit Uli Jon Roth... Gleichfalls neidisch können aber auch die amerikanischen Headbanger auf uns sein. So werden die Menschen auf der anderen Seite des grossen Teiches wohl nie in den Genuss einer Live-Darbietung der Schweden Pain Of Salvation werden, weigert sich Bandchef Daniel Gildenlöw doch vehement dagegen, auf dem Gebiet seines Hassobjekts Nr. 1 aufzutreten.

Da hatten wir Schweizer noch einmal Glück, denn unserem kleinen Land sind die Prog-Polit-Rocker um Einiges wohler gesinnt, was dazu führte, dass am 01. 03. eine Schar von ca. 250 Leuten die Gesellschaftskritiker livehaftig zu Gesicht bekam und während knapp zwei Stunden einen atmosphärischen Knaller nach dem anderen um die Ohren gehauen bekam. Doch das Gute und das Böse gehen bekanntlich Hand in Hand, und so wandte sich nach 45 Minuten warten nicht die Band, sondern deren Tourmanagerin via Mikrophon ans Publikum, um das Einstellen des Rauchens zu bitten, hätten ihre Schützlinge doch am Tag darauf eine DVD-Aufzeichnung in Amsterdam (man kann sich das darauffolgende Gelächter ausmalen) zu absolvieren, also ihre Stimmen zu schonen. Verständnisvoll wie der Metaller eben ist, wurde dem natürlich grösstenteils Folge geleistet.

Eine Viertelstunde später löschte das Saallicht, und eine spartanische aber effektive Lightshow, bestehend aus auf der Bühne verteilten, in verschiedenen Farben leuchtenden Lampen, die dem bunt gemischten (vom Dreadlock-Kiffer, über den Alternative-Rocker bis zum Deathmetaller war alles vertreten) entgegenblinkte. Kurz darauf stapfte ein unscheinbarer Mann mit Gitarre, Daniel Gildenlöw, ans Mikro, um mit einem kurzen „Welcome“ und einem ironischen „Are you ready?“ die Anwesenden zu begrüssen und sogleich, ohne Intro oder irgendwelchen anderen Schnickschnack, mit dem Titeltrack der aktuellen POS-Scheibe „Scarsick“ loszulegen, welches von den Fans schon, wie ein Klassiker verinnerlicht, mitgesungen wurde. Dasselbe auch beim zum Opener vergleichsweise fröhlichen „America“, wiederum von „Scarsick“. Ungläubig stand ich dabei im Pressegraben. Die Keyboardsounds, der schwierige Gesang, alles klingt perfekt wie auf der Scheibe, genauso der Sound, der glasklar und in angenehmer Lautstärke auf das Publikum niederrieselte. Ebenso schien das Publikum zu staunen, welches zu dem folgenden Alltime-Hit der Band, „! (Foreward)“, eher passiv, dennoch freudig zuschaute. Waren alle Musiker während der meisten Zeit zwar wegen des teilweise dreifach intonierten Gesangs hinter ihr Mikro gebunden, wirkte das Bühnenbild dennoch nie langweilig. Da wechselte die Mimik von Chef Gildenlöw zum Beispiel ununterbrochen von einem breiten Grinsen zu spontanen Grimassen, Gitarrist und Muskelprotz Johan Hallgren tänzelte unbeholfen an Ort und Stelle und der neu eingestiegene Bassist Simon Andersson konnte es sich schon während dem vierten Song „Nightmist“ (wie „!“ vom 1997 erschienenen Debut „Entropia“) nicht verkneifen, in den Photograben runterzusteigen. Bei „Handful Of Nothing“ sang das Publikum dann wiederum lauthals mit, während die Männer auf der Bühne zum ersten Mal zeigten, dass auch intellektuelle Progger wissen, was es mit dem Wort ‚headbanging’ auf sich hat. Dankbar geniessend wurden grossartige Nummern wie „New Year’s Eve“, „Ashes“ oder „Undertow“ aufgenommen, was nicht zuletzt an der bodenständigen wie spontanen Band (Gildenlöw: „Wir haben schon verdammt lange nicht mehr gespielt! Gestern hatten wir einen Tag frei!“) lag, die trotz aller Professionalität und Können immer unglaublich locker und kumpelhaft wirkte, was von den Zuschauern nach jedem Song mit reichlich euphorischem Applaus quittiert wurde, so auch bei ruhigeren Stücken wie dem von der sperrigen Scheibe „BE“ stammenden „Diffidentia“ oder dem superben „Chain Sling“. Und wer Gildenlöw singen hört, der verzeiht das Rauchverbot sofort, meisterte der schlacksige Schwede doch jede noch so schwere Gesangspassage, sei sie tief melancholisch, abgedreht hoch oder aggressiv keifend. Mit einem weiteren neuen Track, nämlich mit „Flame To The Moth“, näherte sich der Fünfer dann dem Ende, welches sich bunt und glitzernd präsentierte, soll heissen in Form des absurd debilen „Disco Queen“, welches mit seinem Dance-Beat und den groovenden Strophen zu einer ironischen Tanzeinlage einlud, vorgemacht von Klampfer Hallgren. Das konnte es doch nicht gewesen sein, oder? „Natürlich nicht!“, lautete die Antwort, und mit dem einer sphärischen Version des schon von Deep Purple gecoverten „Hallelujah“ (im Original von Leonard Cohen) begann das Quintett seinen Zugabenteil. In die selbe Kerbe schlug das nachgeschobene „Kingdom Of Loss“, welches ungeschont Kapitalismus, Wegwerfgesellschaft und Markengeilheit an den Pranger stellte, so dass man sich beinahe selber wegen seinem iPod oder seinem Sony Natel zu schämen begann. Doch Abwechslung musste gewahrt werden, und so wird mit „Used“ noch einmal Vollgas gegeben, sodass das Publikum den Kopf schüttelte was das Zeug hielt, während es wiederum Hallgren war, der es nicht lassen konnte, spastisch marschierend über die Bühne zu stolzieren, bevor ein abwechslungsreiches, aber immerfort bezauberndes Konzert sein Ende nahm, welches die beste Begründung dafür war, dass Pain Of Salvation keine Vorband mit auf Tour genommen haben. Die hätten im Vergleich zu ihnen sowieso kläglich blass ausgesehen.

Setlist:
“Scarsick” – “America” – “! (Forward)” – “Nightmist” – “Handful Of Nothing” – “New Year’s Eve” – “Ashes” – “Undertow” – “Pledge / Second Love” – “Chain Sling” – “Diffidentia” – “Flame To The Moth” – “Disco Queen”
- - - - - -
“Hallelujah” – “Kingdom Of Loss” – “Used”