Normalerweise kommt der geneigte Metalfan
nicht drum herum, wenigstens nicht in Bezug auf Tourneen, die in den
USA lebenden Stromgitarren-Liebhaber zu beneiden. Wie viele
hochkarätige Ami-Bands bringen es doch einfach nicht fertig, einmal
in good old Europe zu spielen, man denke nur mal an die diesjährige
Konzertreise Van Halens zusammen mit Uli Jon Roth... Gleichfalls
neidisch können aber auch die amerikanischen Headbanger auf uns
sein. So werden die Menschen auf der anderen Seite des grossen
Teiches wohl nie in den Genuss einer Live-Darbietung der Schweden
Pain Of Salvation werden, weigert sich Bandchef Daniel Gildenlöw
doch vehement dagegen, auf dem Gebiet seines Hassobjekts Nr. 1
aufzutreten.
Da hatten wir Schweizer noch einmal Glück, denn unserem kleinen Land
sind die Prog-Polit-Rocker um Einiges wohler gesinnt, was dazu
führte, dass am 01. 03. eine Schar von ca. 250 Leuten die
Gesellschaftskritiker livehaftig zu Gesicht bekam und während knapp
zwei Stunden einen atmosphärischen Knaller nach dem anderen um die
Ohren gehauen bekam. Doch das Gute und das Böse gehen bekanntlich
Hand in Hand, und so wandte sich nach 45 Minuten warten nicht die
Band, sondern deren Tourmanagerin via Mikrophon ans Publikum, um das
Einstellen des Rauchens zu bitten, hätten ihre Schützlinge doch am
Tag darauf eine DVD-Aufzeichnung in Amsterdam (man kann sich das
darauffolgende Gelächter ausmalen) zu absolvieren, also ihre Stimmen
zu schonen. Verständnisvoll wie der Metaller eben ist, wurde dem
natürlich grösstenteils Folge geleistet.
Eine Viertelstunde später löschte das Saallicht, und eine
spartanische aber effektive Lightshow, bestehend aus auf der Bühne
verteilten, in verschiedenen Farben leuchtenden Lampen, die dem bunt
gemischten (vom Dreadlock-Kiffer, über den Alternative-Rocker bis
zum Deathmetaller war alles vertreten) entgegenblinkte. Kurz darauf
stapfte ein unscheinbarer Mann mit Gitarre, Daniel Gildenlöw, ans
Mikro, um mit einem kurzen „Welcome“ und einem ironischen „Are you
ready?“ die Anwesenden zu begrüssen und sogleich, ohne Intro oder
irgendwelchen anderen Schnickschnack, mit dem Titeltrack der
aktuellen POS-Scheibe „Scarsick“ loszulegen, welches von den Fans
schon, wie ein Klassiker verinnerlicht, mitgesungen wurde. Dasselbe
auch beim zum Opener vergleichsweise fröhlichen „America“, wiederum
von „Scarsick“. Ungläubig stand ich dabei im Pressegraben. Die
Keyboardsounds, der schwierige Gesang, alles klingt perfekt wie auf
der Scheibe, genauso der Sound, der glasklar und in angenehmer
Lautstärke auf das Publikum niederrieselte. Ebenso schien das
Publikum zu staunen, welches zu dem folgenden Alltime-Hit der Band,
„! (Foreward)“, eher passiv, dennoch freudig zuschaute. Waren alle
Musiker während der meisten Zeit zwar wegen des teilweise dreifach
intonierten Gesangs hinter ihr Mikro gebunden, wirkte das Bühnenbild
dennoch nie langweilig. Da wechselte die Mimik von Chef Gildenlöw
zum Beispiel ununterbrochen von einem breiten Grinsen zu spontanen
Grimassen, Gitarrist und Muskelprotz Johan Hallgren tänzelte
unbeholfen an Ort und Stelle und der neu eingestiegene Bassist Simon
Andersson konnte es sich schon während dem vierten Song „Nightmist“
(wie „!“ vom 1997 erschienenen Debut „Entropia“) nicht verkneifen,
in den Photograben runterzusteigen. Bei „Handful Of Nothing“ sang
das Publikum dann wiederum lauthals mit, während die Männer auf der
Bühne zum ersten Mal zeigten, dass auch intellektuelle Progger
wissen, was es mit dem Wort ‚headbanging’ auf sich hat. Dankbar
geniessend wurden grossartige Nummern wie „New Year’s Eve“, „Ashes“
oder „Undertow“ aufgenommen, was nicht zuletzt an der bodenständigen
wie spontanen Band (Gildenlöw: „Wir haben schon verdammt lange nicht
mehr gespielt! Gestern hatten wir einen Tag frei!“) lag, die trotz
aller Professionalität und Können immer unglaublich locker und
kumpelhaft wirkte, was von den Zuschauern nach jedem Song mit
reichlich euphorischem Applaus quittiert wurde, so auch bei
ruhigeren Stücken wie dem von der sperrigen Scheibe „BE“ stammenden
„Diffidentia“ oder dem superben „Chain Sling“. Und wer Gildenlöw
singen hört, der verzeiht das Rauchverbot sofort, meisterte der
schlacksige Schwede doch jede noch so schwere Gesangspassage, sei
sie tief melancholisch, abgedreht hoch oder aggressiv keifend. Mit
einem weiteren neuen Track, nämlich mit „Flame To The Moth“, näherte
sich der Fünfer dann dem Ende, welches sich bunt und glitzernd
präsentierte, soll heissen in Form des absurd debilen „Disco Queen“,
welches mit seinem Dance-Beat und den groovenden Strophen zu einer
ironischen Tanzeinlage einlud, vorgemacht von Klampfer Hallgren. Das
konnte es doch nicht gewesen sein, oder? „Natürlich nicht!“, lautete
die Antwort, und mit dem einer sphärischen Version des schon von
Deep Purple gecoverten „Hallelujah“ (im Original von Leonard Cohen)
begann das Quintett seinen Zugabenteil. In die selbe Kerbe schlug
das nachgeschobene „Kingdom Of Loss“, welches ungeschont
Kapitalismus, Wegwerfgesellschaft und Markengeilheit an den Pranger
stellte, so dass man sich beinahe selber wegen seinem iPod oder
seinem Sony Natel zu schämen begann. Doch Abwechslung musste gewahrt
werden, und so wird mit „Used“ noch einmal Vollgas gegeben, sodass
das Publikum den Kopf schüttelte was das Zeug hielt, während es
wiederum Hallgren war, der es nicht lassen konnte, spastisch
marschierend über die Bühne zu stolzieren, bevor ein
abwechslungsreiches, aber immerfort bezauberndes Konzert sein Ende
nahm, welches die beste Begründung dafür war, dass Pain Of Salvation
keine Vorband mit auf Tour genommen haben. Die hätten im Vergleich
zu ihnen sowieso kläglich blass ausgesehen.
Setlist:
“Scarsick” – “America” – “! (Forward)” – “Nightmist” – “Handful Of
Nothing” – “New Year’s Eve” – “Ashes” – “Undertow” – “Pledge /
Second Love” – “Chain Sling” – “Diffidentia” – “Flame To The Moth” –
“Disco Queen”
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“Hallelujah” – “Kingdom Of Loss” – “Used”
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