Nach einem langen und ermüdenden Tag in der
Weiterbildungsanstalt verlieh die Vorfreude auf das kommende düstere
Highlight diesem Montag doch wieder einen gewissen Reiz. In
Winterthur war reichlich was los, immer wieder frequentierten
zahlreiche schwarzgekleidete Metalheads den Blickbereich, was sonst
eher unüblich ist. Nachdem Paradise Lost ja mit gesamter Entourage
Solothurn vergangenen Samstag in Grund und Boden gerockt hatten, war
es nun an der Zeit, Winterthur ebenfalls in majestätische Düsternis
zu hüllen und den Kings Of Sorrow den gebührenden Respekt
engegenzubringen. Nach und nach füllte sich das Salzhaus mit der
einbrechenden Dunkelheit, die Spiele konnten beginnen!
Neurosonic
Die Kanadier hatten die Aufgabe als Aufwärmer nicht wirklich
wahrgenommen, eher als Hintergrundmusik fungierte ihre Mucke und
lockte dementsprechend kaum interessierte Leute an den Bühnenrand.
Wobei dies auch kein grösserer Verlust ist, denn mit einer Mischung
aus Nu Metal, Kiddie-Emo sowie teilweise Screamo spielten sich die
Jungs zwar reichlich den Allerwertesten ab, verschossen aber die
aufkeimende Sympathie mit elendem Gepose und stellenweise
lächerlichen Ansagen. Kein grosser Verlust also, wenn man da noch
nicht anwesend war, aber es darf die Frage gestellt werden, wie um
alles in der Welt eine solche Band, die noch mehr als nur in den
Kinderschuhen steckt, den Vorsupport einer der
geschichtsträchtigsten Kultbands werden konnte.
Eyes Of Eden
Nach einer kurzen Wartepause warteten wir dann gespannt auf die
Deutschen, und wir wurden mit einem glasklaren Sound, gut gelaunten
Musikern sowie hammermässigen Stücken belohnt. Dass die Frontdame
erst knappe 21 Lenze zählt mag erstaunen, zumal sie ihre Stimme
wirklich sehr gut im Griff hatte und absolut kein Lampenfieber zu
haben schien. Selbstsicher präsentierten die Jungs und Mädels ihr
Debut-Album (!) und rockten sich durch gothisch angehauchte,
metallisch veredelte Tracks wie „Winter Night“ oder „Dancing Fire“.
Franziska Huth genoss ihren Auftritt sichtlich, grinste von einem
Ohr zum anderen und war ständig in Bewegung, aber auch ihre
Mitstreiter waren absolut in Topform und freuten sich mit dem
Publikum, das jetzt schon zahlreicher vor der Bühne stand und jedes
Stück mit Applaus und Pfiffen kommentierte. Dafür, dass Eyes Of Eden
trotz noch nicht so vieler absolvierter Auftritte dermassen
selbstsicher und routiniert daherkamen, gebührt ihnen Respekt und
Anerkennung.
Paradise Lost
Mit gedimmten Lichtern und schaurig-schönen Klängen im Hintergrund
betraten die Urväter des Gothic Metal die Bretter des Salzhauses und
legten mit „The Enemy“, der Single-Auskopplung des neuen Albums „In
Requiem“, einen gepflegten Start hin. Die Spielfreude, welche sie
mit den letzten beiden Alben wieder entdeckt zu haben scheinen, war
auch wieder deutlich zu spüren: Glatzkopf Aaron trug ein seliges
Grinsen im Gesicht und schüttelte seine imaginären Haare, Steve
verdrosch den Bass so gekonnt wie schon lange nicht mehr, Jeff trieb
als neuestes Mitglied die Truppe gehörig voran und Riffmeister Greg
malträtierte seine Axt so souverän wie eh und je. Und Nick? Der Kopf
der Band schien sich an diesem Abend irgendwie nicht wirklich wohl
in seiner Haut zu fühlen, er guckte noch gequälter und abwesender
als sonst aus der Wäsche (was auch die mehrfachen Patzer bei den
Texten erklärte, die aber dank spontaner Improvisation nicht so sehr
ins Gewicht fielen). Was die Stimme jedoch betrifft... Nun, um ganz
offen und ehrlich zu sein: Grösstenteils, vor allem bei den
cleaneren Parts, konnte sie überzeugen, klang jedoch arg
hervorgepresst, so als hätte der Sänger keinen Bock mehr und würde
sich am liebsten schnell verziehen. Die älteren Stücke, die neu
interpretiert wurden (unter anderem „Gothic“), konnten zwar im neuen
Soundkleid überzeugen, stimmlich gesehen war die Chose jedoch
gewöhnungsbedürftig. Nicht schlecht, aber irgendwie nicht so ganz
stimmig. Was aber der Grundstimmung im Publikum keinen Abbruch tat,
die Leute waren absolut aus dem Häuschen und in definitiver
Feierlaune, was an den Mitsingparts und dem Klatschen/Pfeifen sowie
lautstarken Wunschäusserungen unübersehbar resp. -hörbar war. Nick
schien dies denn auch zu rühren, mehrmals bedankte er sich artig und
steigerte seine
Leistungen von Song zu Song, was bei „Praise
Lamented Shade“ und „Enchantment“ deutlich zu hören war (leider
beschränkte sich die Songauswahl auf dieses eine Stück aus der „Draconian
Times“-Ära). Ein kurzer Patzer bei „As I Die“ seitens des Bassisten
war zwar auffällig, aber nicht weiter schlimm. Nach „One Second“
verliess die Band zum ersten Mal die Bühne, um sich durch heftige
Publikumsbezeugungen durch Mitsingchöre und Geklatsche (was beides
nach einer kurzen Zeit im Dunkeln auf der Gitarre angeführt wurde)
wieder zurückholen zu lassen. Nicks Stimme schien jedoch arg
strapaziert zu sein, sie klang schwach und nicht wirklich in
Topform, was bei „Never For The Damned“ deutlich hörbar war, und so
verabschiedeten sich Paradise Lost nach „Erased“ und dem obligaten
Überhit „Say Just Words“ vom frenetisch applaudierenden Publikum.
Was bleibt nun noch anzumerken? Nicht viel im Grunde genommen, es
war ein absolut solider Abend mit einer schlechten sowie einer guten
Vorband und den einzigartigen, aber irgendwie ziemlich müden
Sorgenkönigen sowie einem Sänger, dem es sehr gut täte, sich wieder
mehr für die Sache motivieren zu können. Auch das totale Fehlen
mindestens eines Stückes der „Believe In Nothing“-Scheibe war
irgendwie seltsam. Nichtsdestotrotz: Die Jungs kamen, spielten und
gingen wieder und hinterliessen ein glückliches Publikum, aber einen
nachdenklichen Schreiberling.
Setlist: “The Enemy“ - “Gothic“ - “Ash And Debris“ - “No Celebration“
- “So Much Is Lost” - “Pity The Sadness” - “Praise Lamented Shade” -
“Enchantment” - “Requiem” - “Grey” - “Unreachable” - “As I Die” -
“One Second”
---------
“Never For The Damned” - “Erased” - “Say Just Words”
|
|