Livereview: Pestilence - Fleshcrawl - Incredi-Ballz
15. Oktober 2011, Dietikon (ZH) - soundDock14
By Natalia
Am 15. Oktober machten die Veranstalter vom Meh Suff Festival wieder einmal ein Geschenk an die Fans der extremen Musik. Eben an diesem Tag traten im Klub soundDock14 die Koryphäen der Death Metal-Bühne und die Vorläufer des Technical Death-Subgenres auf – Pestilence! Sicherlich hatte ich so viel Lust, ihr Konzert zu besuchen, nicht nur weil die Band den hohen Status der Genre-Begründer geniesst, sondern auch weil Pestilence heute wie auch früher (sogar trotz der 16-jährigen Karriere-unterbrechung) ein Beispiel dafür sind, wie man im Rahmen eines Genres frei experimentieren, mit jedem neuen Album fortschreiten, den neuen Klang erfolgreich meistern und erstaunliche Ergebnisse erreichen kann! Eben das haben Pestilence bewiesen, indem sie im Jahre 2011 ihr technischstes Album herausgegeben haben und sich zu solchen Bands wie Meshuggah, Fear Factory und Morbid Angel gesellten. Aber es stellte sich heraus, dass es nicht das einzige Geschenk der Organisatoren war. An jenem Tag teilten Pestilence die Bühne mit der deutschen Death Metal-Band Fleshcrawl, die ihren Auftritt mit dem Feiern des 20. Jubiläums vom Death Metal-Genre verband, dessen Blütezeit wirklich Anfang der 1990er Jahre stattfand. Ausserdem, als aufwärmende Band, trat die schweizerische Hardcore/Punk/Thrash-Band Incredi-Ballz auf. Zuerst schien solch eine Kombination von der supportenden Band und den Hauptteilnehmern etwas merkwürdig zu sein (die Musiker gehören zu verschiedenen Stilen an und legen viel zu verschiedenen Sinn in ihre Musik hinein), doch in Wirklichkeit stellte sich heraus, dass sich die Veranstaltung harmonisch empfinden liess, weil alle drei Bands hingebungsvoll spielten, wenngleich sie auch energetisch absolut verschieden waren!

Incredi-Ballz

Nach 10 Minuten Verspätung kamen die Musiker von Incredi-Ballz auf die Bühne. Diese Band machte auf mich den positivsten Eindruck. Und das lag nicht daran, dass ich persönlich das Punk-Genre sehr gerne habe, sondern daran, dass die Aufrichtigkeit und den Drive, mit denen die Musiker spielten, die Aufmerksamkeit der wenigen Zuhörer fesselten und sie eine Anwandlung von Energie spüren liessen. Die Bühne wurde dementsprechend dekoriert: In der linken Ecke glänzte ein hellgelber Verstärker mit der Aufschrift «Hardcore», und in der rechten Ecke war auf dem Stoff der Lautsprecherbox die charakteristische Inschrift «Go fuck yourself» zu sehen. Aber am besten sah im Hintergrund das riesige Band-Logo aus, das gerade die «Incredible Ballz» (unglaublich grosse Hoden) darstellte. Obwohl der Hardcore-Klang in der Musik dieser Band dominierte, schienen die Musiker beschlossen zu haben, mit dem schweren und trüben Klang an jenem Abend nicht dick aufzutragen und traten mit echtem, punkischem Übermut und Ausgelassenheit auf. Das zeigte sich besonders in der zweiten Hälfte ihres Auftrittes, nachdem «16» gespielt worden war, wobei die Gehemmtheit, die am Anfang des Konzertes noch zu spüren war, völlig verschwand. Besonders zwangslos war der Vokalist Marco, der mehr Bier als alle anderen trank, von der Bühne ins Publikum herabsprang, den Gitarrenspieler umarmte und schliesslich sein T-Shirt von sich riss und mit nacktem Torso sang. Der Trommler erschuf einen einfachen Rhythmus, stur, ohne die Zigarette aus seinem Mund herauszunehmen, während sich der Bassist und der Gitarrenspieler paarweise in Posituren warfen. Kurz gefasst war das ein klassischer «Sex & Drugs & Rock'n'Roll»-Auftritt. Das Ziel wurde erreicht: Zum Schluss erhob das aufgewärmte Publikum die Hände und verabschiedete sich von der Band mit Unterstützungsgeschrei.

Setliste: «Cumshot» - «Standing Alone» - «I Am What I Am» - «The Ballz» - «16» - «Hole To Fuck» - «We Will Fight» - «Under Pressure» - «Battle Cry».


Fleshcrawl
Nach einem tüchtigen und recht langen Stimmen der Musikinstrumente begann der Auftritt von Fleshcrawl. Wie gesagt feierte diese Band das 20. Jubiläum der Death Metal-Blütezeit, was auch während ihres Auftrittes erklärt wurde. Ausserdem konnte sich jeder Wünschende ein T-Shirt mit dem Band-Logo und mit der Inschrift «20 years of death metal» kaufen. Obwohl das letzte Studioalbum der Band vor ziemlich langer Zeit, im Jahre 2007, herausgegeben wurde, verstand ich während des Auftrittes immerhin, dass die Band immer noch in guter Form ist. Und man kann sicher sagen, dass ihr Auftritt wirklich feierlich ausgestattet wurde: Die Musiker spielten mit grossem Elan. Es war zu sehen, dass sie gern zusammen spielen, was eine ausge-zeichnete Eingespieltheit verursachte. Der charismatische Gitarrist Oliver Grbavac hob sich dank seines gigantischen Wuchses von den anderen Musikern auf der Bühne ab. Ausserdem wurden sowohl die hervorragendsten Tracks aus den letzten Alben wie z.B. «Written In Blood» und «Made Of Flesh» in die Setliste eingeschlossen, als auch Old School- und Thrash/Death-Kompositionen aus den Alben der 1990er Jahre, z.B. «From The Death To The Living» und «Tomb Of Memory». Ich freute mich besonders darauf, das Lied «As Blood Rains From The Sky» aus dem Album des Jahres 2000 zu hören, weil dies als das erfolgreichste Album und als Wendepunkt in der Karriere dieser Band gilt. Es ist bemerkenswert, dass Fleshcrawl ihren Auftritt mit der Cover-Version der Band Carnage «The Day Man Lost» aus demselben Album beendeten.

Setliste: «Soulskinner» - «As Blood Rains From The Sky» - «Dark Dimension» - «Structures Of Death» - «Into The Fire Of Hell» - «Slaughter At Dawn» - «From The Death To The Living» - «Beneath A Dying Sun» - «Written In Blood» - «Tomb Of Memory» - «Made Of Flesh» - «The Day Man Lost».


Pestilence
Zum Höhepunkt dieses Abends wurde selbstverständlich der Auftritt der Death Metal-Koryphäen Pestilence. Im Grossen und Ganzen stach der Auftritt von den flotten Incredi-Ballz und von den feierlichen Fleshcrawl scharf ab. Schon die ersten Töne des Intros unterdrückten die Zuhörer durch ihre gründliche und alles verzehrende «Doktrine». Der Hauptheld, und zwar der Vokalist und Solo-Gitarrist Patrick Mameli, Pestilence’s ständiger Leader, machte einen unvergesslichen Eindruck auf das Publikum schon durch sein Äusseres – stämmig, höchstkonzentriert, nicht lächelnd. Er wechselte oft zu Screams, und seine schwierigen Soli verschönerten den ganzen Auftritt der Band. Patrick Uterwijk, der andere Gitarrist, gab den gespielten Kompositionen eine sehr starke Riffunterstützung. Der virtuose Bassist Jeroen Paul Thesseling gab einen Jazz-nahen Rhythmus mit seinem siebensaitigen Fretless Bass an. Ihm half das jüngste Bandmitglied, Schlagzeuger Yuma Van Eekelen, der sich der Band anschloss, nachdem mehrere Bands eine Tour zur Unter-stützung des vorigen Albums «Resurrection Macabre» gemacht hatten. Die technischen Fertigkeiten und dIE Virtuosität dieses Schlagzeugers sind sehr beachtlich! Meiner Meinung nach war er das «frische Blut», das die Band so sehr brauchte. Als Folge davon gab die Band ein neues Album heraus, das dem Höchststandart vom modernen Techno/Death entspricht. Die technische Ausrüstung der Band ist erstaunlich: Die beiden Patricks spielten jetzt achtsaitige (!) Gitarren. Die Bühne war voller Gitarrenprozessoren mit glänzenden Pedalen. Aber besonders beeindruckend war das zerschnittene Leder der Basstrommel, in die ein Mikrophon tief und schonungslos eingesetzt wurde. Das schwarze Klebeband, mit dem die Basstrommel verklebt wurde, erinnerte an ein schwarzes Trauerband. Sicherlich wurden die neuen Lieder von Pestilence während ihres Auftrittes akzentuiert. Es wurden vier Lieder aus dem neuen Album gespielt, die sich durch ihre komplizierte Struktur von allen anderen Kompositionen sehr unterschieden. Das bezieht sich in erster Linie auf die recht schnellen Kompositionen «Confusion» und «Absolution». Obwohl die Musiker ganz am Ende das von Zeit geprüfte Lied «Out Of The Body» (aus dem klassischen Album «Consuming Impulse») spielten, das bei Pestilence als wichtigstes schnelles Lied gilt, spielten Mameli & Ko auch vieles aus ihren Alben «Testimony Of The Ancients» und «Spheres». Zum Beispiel wurden «Mind Reflections» und «Land Of Tears» als absolutes Muss tadellos gespielt! Pestilence haben es wieder bewiesen, dass ihre Rückkehr rechtzeitig war und dass die Band ein sehr grosses Potenzial aufweist.


Setliste: «Intro» - «Amgod» - «Doctrine» - «The Process Of Suffocation» - «Suspended Animation» - «Confusion» - «Absolution» - «Soul Search» - «Land Of Tears» - «Secrecies Of Horror» - «Mind Reflections» - «In Sorrow» - «Chemo Therapy» - «Dehydrated II» - «Out Of The Body».