Wenn eine alte Band mal wieder eine Abschiedstour ankündigt,
ihr Wort ständig bricht und stets zurückkehrt, ist das eine
Sache. Wenn aber das einzig verbliebene Urgestein einer Band stirbt
und urplötzlich für immer verschwindet, eine ganz andere. Dies
geschah vor gut zwei Jahren, als Motörhead nach Lemmy Kilmisters Tod
schlagartig und unwiederbringend aufgelöst wurden. Nichtsdestotrotz
steht Phil Campbell seither mit seinen Söhnen Todd (Gitarre),
Tyla (Bass) und Dane (Drums) auf meist kleineren Bühnen dieser Welt
und macht weiterhin ordentlich Krach! Verstärkt wird die Truppe
zudem durch Sänger Neil Starr, der als einziger nicht der
walisischen Campbell-Familie entstammt. Vom Können des Quintetts
konnte man sich bereits mittels EP und Longplayer überzeugen. Jetzt
war es aber an der Zeit, dies auch einmal live zu erleben. Angeheizt
wurde der Montagabend im Kofmehl durch das Zuger Indierock-Trio
Redeem.
Redeem Die Innerschweizer legten ziemlich
pünktlich und motiviert los, was zumindest eine kleine aber feine
Fanschar zu schätzen wusste. Sie feuerten ihre Idole aus der ersten
Reihe heftig an. Von druckvoll punkig bis zeitweise auch wieder
rockig verspielt, hatten die Jungs um Alessio Piazza (Bass) und
Schlagzeuger Simon Steiner etliche Songs im Petto und Bandgründer,
Sänger und Gitarrist (Saint) Stefano Paolucci versuchte mit seinem
Gesang und seinen Ansagen dazwischen, auch die hinteren Reihen des
Kofmehl zu erreichen. Diese waren aber zu dem Zeitpunkt noch fast
leer oder man widmete sich erst einem „Hellen“, um mal abzuschalten
und überhaupt in den gewünschten Feierabendmodus zu gelangen.
Dennoch liess sich der Dreier nicht lumpen und spielte ihr stündiges
Set energiegeladen und spielfreudig zu Ende, was auch die allmählich
eintrudelnden Besucher mit Applaus zu huldigen wussten. Schliesslich
war es aber dann um 21 Uhr doch Zeit, das Feld zu räumen und einem
grösseren Namen Platz zu machen.
Phil Campbell & The Bastard Sons
Nach kurzem Equipment-Abbau der Vorband und einem abgehalfterten
Soundcheck wurde es schliesslich dunkel im Saal und die Menge
lauschte schon beinahe andächtig. Nicht recht wissend, ob der darauf
folgende Song ab Konserve bereits das Intro oder noch gar nichts
bedeutet, machte sich langsam eine erhöhte Spannung im Publikum
bemerkbar. Erlösend und mit klarer Haltung betraten daraufhin die
drei „Jungs“ von Phil mit Neil Starr im Schlepptau die Bühne. Der
Master himself stiess als Letzter zur Truppe. Rotzig frech ging es
dann mit ihrem Dauerbrenner „Big Mouth“ auch los, gefolgt von „Freak
Show“ und dem ersten Motörhead-Track von 1986 „Deaf Forever“.
Während allen Songs verharrte Phil Campbell beinahe in stoischer
Ruhe, während Starr daneben wie ein Derwisch wirbelte und seine
Mähne schüttelte. Band sowie Publikum schienen nach diesem Start
bereits eine kleine Pause zu brauchen, die sie sich während den
nächsten Songs auch gönnten. Mitwippen, mitschunkeln und mitgröhlen
war die Devise, um beim Klassiker „Born To Raise Hell“ wieder alle
Kräfte in den Sound zu legen und völlig abzudrehen. Das darauf
folgende Stück wurde, in meinen Augen, für eine überflüssige
Gesangsstunde mit dem Publikum genutzt. Einmal durfte die
Phil-Fansseite und einmal die Bastards-Fanseite zeigen, was sie
akustisch so drauf haben. Schliesslich gröhlten alle
zusammen
den Refrain „Get On Your Knees“, es aber auch wirklich zu tun, dazu
hatte an diesem Abend niemand Lust. Bei „Ramones“ ging dann wieder
100% die Post ab und das vorwiegend ältere Publikum in Motörhead
Shirts und Kutten liess ihren teils ungelenken Bewegungen vollends
freien Lauf. Halbvolle Bierbecher flogen durch den Saal und duschten
den einen oder anderen Besucher mit dem schäumenden Gerstensaft.
Ansonsten standen die walisischen Entertainer doch eher auf dem
Unterhaltungsschlauch, denn ausser Neil Starr, der wirklich echten
Drang zu Bewegung verspürte und diesen auch auslebte, schob die
Familie Campbell eine doch eher ruhige Kugel. Dies schmälerte
keineswegs die Soundqualität, machte jedoch vom Gefühl her den einen
oder anderen im Kofmehl ein wenig müde und tanzunwillig. Das
offizielle Schlussbukett sorgte mit dem Hawkwind-Klassiker „Silver
Machine“ und dem Lemmy-Aushängeschild „Ace Of Spades“ nochmals für
ordentlich Stimmung, die sogar die hintersten Reihen erfasste.
Leider verliessen die Herren danach die Bühne, um Sauerstoff oder
anderes zu tanken und in der Zwischenzeit ging auch dem Grossteil
des Publikums der Saft aus. Die Zugaben waren allesamt solide,
vermochten aber nicht mehr richtig zu zünden, und besonders David
Bowies „Heroes“ stand doch schön quer in der Landschaft. Alles in
allem boten aber die Söhne des Bastards einen geradlinig knackigen
Rock'n'Roll-Abend, der aber hie und da doch eine ordentliche Portion
Dreck nötig gehabt hätte.
Setliste: «Big Mouth» - «Freak Show» -
«Deaf Forever» - «Rock Out» - «Cradle To The Grave» - «Welcome To Hell» -
«Take Aim» - «Born To Raise Hell» - «Get On Your Knees» - «R.A.M.O.N.E.S» -
«Ringleader» - «Dark Days» - «Silver Machine» - «Ace Of Spades» -- «High
Rule» - «Power» - «Rock'n'Roll» - «Heroes» - «Brazil»
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