Livereview: Phil Campbell & The Bastard Sons - Redeem

12. März 2018, Solothurn – Kofmehl
Text & Pics by Oliver H.
Wenn eine alte Band mal wieder eine Abschiedstour ankündigt, ihr Wort ständig bricht und stets zurückkehrt, ist das eine Sache. Wenn aber das einzig verbliebene Urgestein einer Band stirbt und urplötzlich für immer verschwindet, eine ganz andere. Dies geschah vor gut zwei Jahren, als Motörhead nach Lemmy Kilmisters Tod schlagartig und unwiederbringend aufgelöst wurden. Nichtsdestotrotz steht Phil Campbell seither mit seinen Söhnen Todd (Gitarre), Tyla (Bass) und Dane (Drums) auf meist kleineren Bühnen dieser Welt und macht weiterhin ordentlich Krach! Verstärkt wird die Truppe zudem durch Sänger Neil Starr, der als einziger nicht der walisischen Campbell-Familie entstammt. Vom Können des Quintetts konnte man sich bereits mittels EP und Longplayer überzeugen. Jetzt war es aber an der Zeit, dies auch einmal live zu erleben. Angeheizt wurde der Montagabend im Kofmehl durch das Zuger Indierock-Trio Redeem.

Redeem
Die Innerschweizer legten ziemlich pünktlich und motiviert los, was zumindest eine kleine aber feine Fanschar zu schätzen wusste. Sie feuerten ihre Idole aus der ersten Reihe heftig an. Von druckvoll punkig bis zeitweise auch wieder rockig verspielt, hatten die Jungs um Alessio Piazza (Bass) und Schlagzeuger Simon Steiner etliche Songs im Petto und Bandgründer, Sänger und Gitarrist (Saint) Stefano Paolucci versuchte mit seinem Gesang und seinen Ansagen dazwischen, auch die hinteren Reihen des Kofmehl zu erreichen. Diese waren aber zu dem Zeitpunkt noch fast leer oder man widmete sich erst einem „Hellen“, um mal abzuschalten und überhaupt in den gewünschten Feierabendmodus zu gelangen. Dennoch liess sich der Dreier nicht lumpen und spielte ihr stündiges Set energiegeladen und spielfreudig zu Ende, was auch die allmählich eintrudelnden Besucher mit Applaus zu huldigen wussten. Schliesslich war es aber dann um 21 Uhr doch Zeit, das Feld zu räumen und einem grösseren Namen Platz zu machen.


Phil Campbell & The Bastard Sons
Nach kurzem Equipment-Abbau der Vorband und einem abgehalfterten Soundcheck wurde es schliesslich dunkel im Saal und die Menge lauschte schon beinahe andächtig. Nicht recht wissend, ob der darauf folgende Song ab Konserve bereits das Intro oder noch gar nichts bedeutet, machte sich langsam eine erhöhte Spannung im Publikum bemerkbar. Erlösend und mit klarer Haltung betraten daraufhin die drei „Jungs“ von Phil mit Neil Starr im Schlepptau die Bühne. Der Master himself stiess als Letzter zur Truppe. Rotzig frech ging es dann mit ihrem Dauerbrenner „Big Mouth“ auch los, gefolgt von „Freak Show“ und dem ersten Motörhead-Track von 1986 „Deaf Forever“. Während allen Songs verharrte Phil Campbell beinahe in stoischer Ruhe, während Starr daneben wie ein Derwisch wirbelte und seine Mähne schüttelte. Band sowie Publikum schienen nach diesem Start bereits eine kleine Pause zu brauchen, die sie sich während den nächsten Songs auch gönnten. Mitwippen, mitschunkeln und mitgröhlen war die Devise, um beim Klassiker „Born To Raise Hell“ wieder alle Kräfte in den Sound zu legen und völlig abzudrehen. Das darauf folgende Stück wurde, in meinen Augen, für eine überflüssige Gesangsstunde mit dem Publikum genutzt. Einmal durfte die Phil-Fansseite und einmal die Bastards-Fanseite zeigen, was sie akustisch so drauf haben. Schliesslich gröhlten alle zusammen den Refrain „Get On Your Knees“, es aber auch wirklich zu tun, dazu hatte an diesem Abend niemand Lust. Bei „Ramones“ ging dann wieder 100% die Post ab und das vorwiegend ältere Publikum in Motörhead Shirts und Kutten liess ihren teils ungelenken Bewegungen vollends freien Lauf. Halbvolle Bierbecher flogen durch den Saal und duschten den einen oder anderen Besucher mit dem schäumenden Gerstensaft. Ansonsten standen die walisischen Entertainer doch eher auf dem Unterhaltungsschlauch, denn ausser Neil Starr, der wirklich echten Drang zu Bewegung verspürte und diesen auch auslebte, schob die Familie Campbell eine doch eher ruhige Kugel. Dies schmälerte keineswegs die Soundqualität, machte jedoch vom Gefühl her den einen oder anderen im Kofmehl ein wenig müde und tanzunwillig. Das offizielle Schlussbukett sorgte mit dem Hawkwind-Klassiker „Silver Machine“ und dem Lemmy-Aushängeschild „Ace Of Spades“ nochmals für ordentlich Stimmung, die sogar die hintersten Reihen erfasste. Leider verliessen die Herren danach die Bühne, um Sauerstoff oder anderes zu tanken und in der Zwischenzeit ging auch dem Grossteil des Publikums der Saft aus. Die Zugaben waren allesamt solide, vermochten aber nicht mehr richtig zu zünden, und besonders David Bowies „Heroes“ stand doch schön quer in der Landschaft. Alles in allem boten aber die Söhne des Bastards einen geradlinig knackigen Rock'n'Roll-Abend, der aber hie und da doch eine ordentliche Portion Dreck nötig gehabt hätte.

Setliste: «Big Mouth» - «Freak Show» - «Deaf Forever» - «Rock Out» - «Cradle To The Grave» - «Welcome To Hell» - «Take Aim» - «Born To Raise Hell» - «Get On Your Knees» - «R.A.M.O.N.E.S» - «Ringleader» - «Dark Days» - «Silver Machine» - «Ace Of Spades» -- «High Rule» - «Power» - «Rock'n'Roll» - «Heroes» - «Brazil»