Es geht nicht mehr lange und dann jährt sich der der Tod von
Rock’n’Roll Ur-Gestein Lemmy Kilmister (R.I.P.) bereits zum ersten
Mal. Doch das Leben der Hinterbliebenen, sei das der Familie (Sohn
Paul Inder), von Freunden und speziell seinen beiden Bandkumpels,
sprich Gitarrist Phil Campbell sowie Drummer Mikkey Dee, geht
weiter. Während Letzterer inzwischen James Kottak (Ex-Kingdom Come)
bei den Scorpions (!) abgelöst hat, geht Phil solo voran. Seine neue
Truppe nennt sich „Phil Campbell And The Bastard Sons“ und das von
wegen den „Söhnen“ ist kein blosses Anhängsel, sondern stimmt gleich
in dreifacher Ausführung! In der Tat besteht die ganze
Hintermannschaft aus echten Campbells und zwar Todd (g), Dane (d)
und Tyla (b). Dazu kommt Frontmann Neil Starr, der mich am heutigen
Abend bei meiner Premiere am meisten interessierte. Der Grund lag
darin, dass mir ein paar YouTube-Clips mit Live-Schnippeln überhaupt
nicht gefallen haben. Der Gesang hörte sich phasenweise derart
grottig an, dass ich deswegen beinahe nicht hingegangen wäre. Zum
Glück war ich aber da. Das Vorprogramm bestritt der Schweizer
Solo-Musiker Andrea Bignasca, der angenehm überraschte.
Andrea Bignasca
Wer sich jeweils als Einzelkünstler betätigt, muss nebst dem
technischen Können vor allem eines haben: Ausstrahlung! In einer
Band wirkt das Kollektiv und dann können gewisse Schwächen, falls
vorhanden, elegant kaschiert werden. Wer ganz alleine auf eine Bühne
steigt, ist sich selbst überlassen und muss deshalb was darstellen.
Andrea Bignasca, seines Zeichen Gitarrist und Sänger, war jedoch
nicht ganz alleine auf der Bühne. Nebst einer elektrischen und
akustischen Gitarre stand simpel und einfach noch eine im Stehen
bedienbare Bass-Drum da. Von einem Drummer war jedoch nichts zu
sehen, und darum war das Ganze nicht mit The Black Keys oder Royal
Blood zu vergleichen, die jeweils nur als Duo enorme Erfolge
einfahren konnten. So trat dann also M. Bignasca als Opener alleine
vor sein gespanntes Publikum, schnallte sich die E-Guitar um und…,
legte los! Kaum angefangen, merkte man gleich, dass hier ein
Vollblutmusiker am Werk war. Ob mit der der akustischen oder der
elektrischen und…, teils eben mit der erwähnten Bass-Drum, wurde der
mit viel Herzblut vorgetragene Gesang optimal untermalt. Obwohl
einem so natürlich keine Soundwalze entgegen blies, lag der Fokus
ganz auf der agilen Performance des Tessiners. So erstaunte es
nicht, dass Andrea das Kofmehl so zu sagen „im Sturm“ nahm und der
Applaus immer lauter wurde. Das freute den Vollblut-Musiker
sichtlich und manch einer hätte beim ersten Anblick wohl nicht
erwartet, was er zu sehen und zu hören kriegen wird. Ein besseres
Statement für seine Zunft hätte er nicht abgeben können.
Phil
Campbell And The Bastard Sons Ich musste mir den
berühmten Tritt in den Arsch zuerst gleich selber setzen, sonst wäre
ich womöglich nicht nach Solothurn gefahren. Das hatte freilich
nichts mit dem Hauptprotagonisten Phil Campbell zu tun, sondern
vielmehr mit dem Frontmann Neil Starr. Wie in der Einleitung
beschrieben, kann eine YouTube-Konsultation unterschiedliche
Reaktionen auslösen. Ich wollte dem Typ aber eine faire Chance
gewähren und ging also hin…, ins Kofmehl zu Solothurn. Nach dem
erfrischenden Opener war es nun an der Zeit, der neuen Truppe des
ehemaligen Motörhead Gitarristen zu lauschen. Nachdem der Auflauf
des männlichen Teils der Familie Campbell abgeschlossen war, legte
diese mit «Big Mouth», einem eigenen Song ab der aktuellen
selbstbetitelten 5-Track EP, recht ordentlich los. Dass der
Hauptteil des Sets jedoch überwiegend aus Motörhead-Songs bestehen
würde, war abzusehen und «Deaf Forever» (ab dem 86er-Album
«Orgasmatron») eröffnete den Reigen dessen, was man nie mehr so wie
früher wird erleben können. Geschichte ist hier auch die Energie,
die von Lemmy und seinen Kumpels jeweils losgetreten wurde, denn
davon waren der gute Phil und sein Jungs weit davon entfernt.
Dennoch vermochte die sichtliche Spielfreude das gut gelaunte
Kofmehl-Publikum zu erreichen und so entstand eine tolle Stimmung,
die vor allem bei den alten Schoten immer mehr Nahrung fand. Der von
mir kritisch beäugte Mr. Starr entpuppte sich dabei zwar nicht
gerade als Göttersänger, aber immerhin kam die Chose live deutlich
besser rüber, als ab Internet-Konserve. Warum dann von den
gespielten Cover-Versionen auch ZZ Tops «Sharp Dressed Man»
verbraten wurde, wissen nur die Götter. Dieser sonst zweifellos
kultige Gassenhauer passte überhaupt nicht ins Set. Black Sabbaths
«Sweet Leaf» hingegen schon. Bei den ersten Klängen von «Ace Of
Spades» brandete der Applaus umgehend auf und die Jugend
veranstaltete danach sowas wie einen Mini-Moshpit, zu dem meine
alten Knochen natürlich sofort Reissaus suchten. Dass dabei auch der
eine oder andere Becher Bier samt Inhalt hochgeworfen wurde, fanden
definitiv nicht alle lustig. Musikalisch vermochte der Hawkwind
Klassiker «Silver Machine» zu punkten, während «Heroes» von David
Bowie die nächste Fehlbesetzung im Set markierte. Mit dem passenden
Rausschmeisser «Killed By Death» ging ein insgesamt kurzweiliges
Konzert zu Ende, das aber nicht alle Erwartungen erfüllen konnte.
Positiv war sicher, dass sich Phil Campbell völlig relaxed zeigte
und seine Söhne, trotz „unmetallischer Optik“ mit Bärten und
Kurzhaarschnitt, einen guten Job ablieferten. Mal sehen und hören,
wie die erste full length Scheibe klingen wird und ob diese das gute
Niveau der EP zu halten vermag.
Setliste: «Big Mouth» - «Deaf
Forever» - «Nothing Up My Sleeve» - «Spiders» - «R.A.M.O.N.E.S.» -
«Orgasmatron» - «Take Aim» - «Sharp Dressed Man» - «Born To Raise
Hell» - «Sweet Leaf» - «Ace Of Spades» - «Eat The Rich» - «Silver
Machine» -- «Going To Brazil» - «Rock Out» - «Heroes» - «Killed By
Death».
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