Livereview: Pretty Maids - Vice

16. Dezember 2018, Pratteln – Z7
By Rockslave
Mit dem Begriff "Danish Dynamite" werden eigentlich die Landskollegen von D.A.D betitelt, aber die Pretty Maids sind ebenso eine Bank, vor allem live. Davon konnte man sich in den letzten Jahren mehrmals überzeugen lassen. Nicht zu vergessen sind dabei auch die weiteren Engagements von Frontmann Ronnie Atkins als mittlerweile langjähriger Guest bei Avantasia und aktuell bei Nordic Union. Diese Zusammenarbeit mit Sänger, Gitarrist und Producer Erik Mårtensson (Eclipse, Ammunition) hat inzwischen zwei Alben hervor gebracht, die vorzügliche Genre-Mucke bieten. Dem lieben Ronnie wird es somit nicht langweilig, auch ausserhalb seiner Hauptband. Was nun Ende März genau los war, als der heute Abend nachgeholte Gig nicht stattfinden konnte, ist nicht bekannt. Nur so viel, dass Ronnie dehydriert (warum auch immer) in ein Spital eingeliefert werden musste. Noch vor Weihnachten kamen die Dänen jedoch zurück ins Z7 und lieferten nach einer eher mauen Vorstellung am Vorabend in Karlsruhe beim "Knock Out"-Festival einen Killer-Set ab. Dies gelang der Support-Band Vice nur bedingt, auch wenn dessen unerwartete Bühnen-Rückkehr gewisse Hoffnungen schürte.

Vice

Vor satten drei Dekaden hauten Vice ihr Debüt-Album «Made For Pleasure» raus, dessen farbenfrohes Cover teilweise mehr Gesprächsstoff als die Musik selber lieferte. "Party Rock" schrieb man sich damals auf die Fahne, und die zu Beginn mit typischen 80er-Keyboards getränkte Mucke, wie zum Beispiel bei «Feel My Body», kam ein klein wenig zu spät daher. Anfangs bis Mitte der 80er hätte die Spasstruppe mehr Aussicht auf Erfolg gehabt. So ging 1990 nach dem zweiten Album «Second Excess» und Songs wie «Dance The Metal» der Schnauf leider bereits aus. Ein Schicksal, das zu der Zeit noch ganz viele andere Rock-Bands ereilen sollte, als sich plötzlich der Grunge breit machte. Letztes Jahr, das heisst 27 Jahre nach dem letzten Studiowerk, wollte es der ehemalige Gitarrist Chris „Yps“ Limburg (Ex-Bonfire) nochmals wissen, scharte Sänger Mario Michel (Ex-Vanadine), Martin Dreher (b) und Pete Lautenschlager (d) um sich und liess Vice mit dem dritten Dreher «Veni Vedi Vice» nach dem Split von 1995 wieder aufleben. Dabei ist die Band dem einstigen Kern der Sache treu geblieben und hat mitunter mit dem auf Malle gedrehten Video zum Song «Where Do I Belong» bewiesen, dass sie es immer noch drauf hat. Zumindest auf Tonträger, denn die Live-Performance von heute Abend war eine eher wacklige Sache. Da passte nicht viel zusammen, obwohl Frontmann Mario (mit Schweizer Wurzeln) natürlich ein alter Fuchs ist und genau wusste, wie der Hase läuft. Seine stets aufmunternden Ansagen erreichten das Publikum weitgehend, das artig mitzog und so immerhin etwas Stimmung erzeugt werden konnte. Obwohl sich das neue Material auf Konserve ganz ordentlich anhört, wollte der Funke jedoch nicht recht überspringen. Mit etwas Geduld und besserer, sprich kompakterer Performance könnte aber durchaus noch der Spätherbst-Abschnitt der Karriere der Deutschen anbrechen. Das hinten auf dem grossen Backdrop hinterlegte Motto "…are you ready to party?" enthielt auf jeden Fall eine positive Message, auf der sich aufbauen lässt. Ich für meinen Teil kam gar zur Live-Premiere mit Vice, was mein mittelprächtiges Fazit allerdings nicht aufzuwerten vermochte.



Pretty Maids
Der Festival-Auftritt 24 Stunden zuvor (siehe Einleitung) war erstens deutlich kürzer und zweitens die Setliste folglich mit vielen Vakanzen versehen. Wer als Schweizer KonzertbesucherIn deshalb den heutigen Abend ausliess, hatte, wie sich bald heraus stellen sollte, offensichtlich die falsche Wahl getroffen. Pretty Maids live im Z7 werden natürlich aufgrund der hier 2011 (huch, ist das schon so lange her?!) mitgeschnittenen DVD/DCD immer eine eigene Aura in dieser Location besitzen. Erfreulicherweise waren heute Abend sogar einige Fans mehr als damals zugegen, was nur für die Dänen spricht. Was seither geändert hat, betrifft inzwischen zwei Musiker. Auf Drummer Allan Tschicaja (Ex-Royal Hunt live) folgte Allan Sørensen (Ex-Royal Hunt), und an den Keyboards gab Morten Sandager den Posten an Chris Laney ab. Das änderte freilich nichts am Sound, denn wie Jagger/Richards oder Lennon/McCartney ist hier das Gespann Atkins/Hammer unangefochten die antreibende Kraft. Obwohl das letzte Studioalbum «Kingmaker» bereits zwei Jahre auf dem Buckel trägt, können sich die "hübschen Mädels" lockerst aus dem umfangreichen Backkatalog bedienen und ihre Fans so mit stets abwechselnden Sets beglücken. Dazu stellen immerhin fünfzehn Studioalben zur Verfügung, die man gut in die einzelnen Dekaden einteilen kann. Nebst den aufbauenden 80ern und den vom musikalischen Comeback geprägten Nuller-Jahren beinhalten vor allem die 90er einige Perlen, die teils längere Zeit brach lagen und berechtigt wieder zum Leben erweckt werden.

So auch bei diesem gediegenen Konzertabend, wo mitunter die Alben «Jump The Gun» (1990), «Sin-Decade» (1992) und «Spooked» (1997) berücksichtigt wurden. Letzteres Album zauberte «Never Too Late» aus dem Hut und vor dieser Tour ebenfalls noch nie live gespielt, überraschte natürlich «Waitin' For The Time» (von «Red, Hot & Heavy», 1984). Der Rest war, abgesehen von zwei «Kingmaker»-Tracks , praktisch nur mit Klassikern versehen und hier spielten Pretty Maids ihre Trümpfe überragend aus. Angefangen beim stimmlich sackstark agierenden Ronnie und der obertighten Performance seiner Sidekicks und Hintermannschaft. Dass für «Savage Heart» in Pratteln das dafür zwei Tage danach in Budapest gespielte «Clay» so zu sagen "geopfert" wurde, zeigte auf, über welche Menge geile Songs diese Truppe verfügt. Mir persönlich fehlten natürlich weitere Kracher von «Jump The Gun» wie «Lethal Heroes» oder «Rock The House». Die Setliste liess insgesamt aber keine Schwächen erkennen, und getragen durch eine tolle Stimmung in der gut halb gefüllten Konzertfabrik, liess der Headliner absolut nichts anbrennen und brillierte während gut 100 Minuten. Nach der obligaten Zugabe «Red, Hot And Heavy» gab es datumsbedingt noch einen weihnachtlichen Nachschlag, der meine diesjährige Konzert-Tour mehr als würdig abschloss. Solange diese Genre-Kultband noch solche Gigs abzuliefern vermag, sieht es weiterhin mehr als nur rosig aus! Allerdings steht und fällt das Ganze nur mit Ronnie und Ken. Hoffen wir also, dass die Gesundheit der Beiden weiterhin anhält!

Setliste: «Intro: Sin-Decade» - «Sin-Decade» - «Running Out» - «We Came To Rock» - «Waitin' For The Time» - «Never Too Late» - «Please Don't Leave Me (John Sykes Cover)» - «Know It Ain't Easy» - «Rodeo» - «Pandemonium» - «Bull's Eye» - «Savage Heart» - «Little Drops Of Heaven» - «Intro: Future World» - «Future World» - «Back To Back» -- «Intro: Mother Of All Lies» - «Mother Of All Lies» - «Kingmaker» - «Love Games» - «Red, Hot And Heavy» - «A Merry Jingle (The Greedies Cover)» - «Sit On My Face (Outro)».